T 0172/90 () of 6.6.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T017290.19910606
Datum der Entscheidung: 06 Juni 1991
Aktenzeichen: T 0172/90
Anmeldenummer: 83106954.7
IPC-Klasse: A23F 3/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Instant-Getränke und Instant-Tees sowie Verfahren zu ihrer Herstellung
Name des Anmelders: Krüger GmbH
Name des Einsprechenden: 1) Milupa AG
2) Roha Arzneimittel GmbH
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Novelty (yes)
Inventive step (no)
Intended im provement achieved without difficulties
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Angestrebte Verbesserung ohne weiteres verwirklichbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0004/80
T 0164/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/16

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 83 106 954.7 wurde am 1. Februar 1984 das europäische Patent 0 099 557 auf der Grundlage von fünf Ansprüchen erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legten die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden 01 und 03) Einspruch ein. Sie bezogen sich während des Einspruchsverfahrens auf eine Reihe von Dokumenten, wovon für diese Entscheidung lediglich folgende von Bedeutung sind:

(1) DE-A-2 405 589

(2) DE-A-2 807 208

(3) Swiss Food 3 (1981), Nr. 3 [J. Troxler et al] III. Die Einspruchsabteilung widerrief das europäische Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Ansprüche 1 bis 4 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag vom 25. Oktober 1989.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hatte folgenden Wortlaut:

"1. Instant-Getränke, Instant-Tees und Instant-Tee- Getränke sowie Instant-Frucht-Tees, Instant-Frucht-Tee- Getränke in Pulver-, Granulat-oder Pastenform, enthaltend Kakaopulver, oder pulverförmige Genußsäuren und/oder Vitamine, Pflanzenextrakte und/oder Pflanzenpulver und/oder Fruchtextrakte und/oder Fruchtpulver, sowie ggf. Geschmacks-und/oder Aromastoffe und einen Träger, dadurch gekennzeichnet, daß sie keinen Zusatz von kariogenen Kohlenhydraten enthalten, der Träger ein in Wasser klar lösliches, kurzkettiges Protein aus Bindegewebe mit dem MG 2 000 bis 10 000 mit Ausnahme von in warmem Wasser löslicher Gelatine ist und in einer Menge von 44,9 bis 94,7 Gew. % vorliegt."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautete wie folgt:

"1. Instant-Tees und Instant-Tee-Getränke sowie Instant- Frucht-Tees, Instant-Frucht-Tee-Getränke in Pulver-, oder Granulatform, enthaltend Pflanzenextrakte und/oder Pflanzenpulver und/oder Fruchtextrakte und/oder Fruchtpulver, sowie ggf. Geschmacks- und/oder Aromastoffe und einen Träger, dadurch gekennzeichnet, daß sie keinen Zusatz von kariogenen Kohlenhydraten enthalten, der Träger ein in Wasser klar lösliches, kurzkettiges Protein aus Bindegewebe mit dem MG 2 000 bis 10 000 mit Ausnahme von in warmem Wasser löslicher Gelatine ist und in einer Menge von 50 bis 94,7 Gew.-% vorliegt."

Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß u. a. aus Dokument (2) bekannt sei, Instantgetränke auf der Basis von löslichen Eiweißstoffen als alleinigen Träger herzustellen. Für den Fachmann, der aus Gründen der Kariogenität oder aus anderen Gründen auf Kohlenhydrate verzichten möchte, habe es daher nahegelegen, die in Dokument (3) beschriebenen kurzkettigen Proteine (KK Proteine) als Träger einzusetzen oder zumindest Versuche in dieser Richtung durchzuführen. Da die im Streitpatent angegebenen Eigenschaften der KK Proteine wörtlich mit denen des Dokuments (3) übereinstimmten, komme eine unerwartete Wirkung der Verwendung von KK Proteinen nicht in Betracht. Auch seien angebliche überraschende Vorteile der Verwendung von KK Proteinen aus Bindegewebe gegenüber KK Proteinen aus anderen Quellen nicht glaubhaft gemacht worden. Im übrigen komme eine erfinderische Auswahl aufgrund der aus Dokument (1) bekannten Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten von kurzkettigen Proteinen aus Bindegewebe wohl kaum in Betracht.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde eingelegt.

Mit Schreiben vom 29. November 1990 hat die Beschwerdeführerin die Ansprüche gemäß dem bis dahin geltenden Hauptantrag weiter eingeschränkt. Die neu vorgelegte Anspruchsfassung entspricht im wesentlichen der gemäß Hilfsantrag vom 25. Oktober 1989, wobei jedoch anders als in letzterer die vorher beanspruchte untere Mengenangabe von 44,9 Gew.-% beibehalten wurde (siehe Punkt VII weiter unten).

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 6. Juni 1991 in Gegenwart der Parteien statt.

i) Zur Begründung ihrer Beschwerde machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes geltend:

Dokument (2) betreffe ausschließlich warmwasserlösliche Getränkepulvermischungen zur Herstellung von gelatinehaltigen Getränken. Im übrigen wisse der Fachmann, daß warmwasserlösliche Gelatine für die Sprühtrocknung ungeeignet sei, da diese dabei Fäden bilde, die leicht verklebten. Dieses Dokument habe daher die erfindungsgemäßen kaltwarmlöslichen Instant-Tees nicht nahelegen können. Das gleiche gelte auch für die Entgegenhaltungen (1) und (3), aus denen lediglich hervorgehe, daß keine ernährungsphysiologisch wertvolle KK Proteine aus reinem Bindegewebe herstellbar seien, da Gelatine einige wichtige essentielle Aminosäuren wie Methionin und Tryptophan fehlten. Aus diesem Grunde seien dort, entgegen der Lehre des Streitpatents, Zusätze aus anderen Proteinquellen vorgeschlagen worden, um die biologische Wertigkeit der Gelatine aufzubessern. Auch seien die in Dokument (3) als "geschmacksneutral" bezeichneten Proteingemische in Wirklichkeit nicht vollkommen geschmacksneutral und deshalb nicht brauchbar für die Herstellung von Tees. Bei anderen Getränken oder Nahrungsmittel mit ausgeprägterem Eigengeschmack als Tees sei es jedoch durchaus möglich, daß der Zusatz von kleinen Mengen solcher Proteine nicht als geschmacksstörend empfunden werde. Da die bekannten, handelsüblichen KK Proteine für völlig andere Zwecke entwickelt worden seien, habe es keineswegs nahegelegen, diese als Trägerstoff für Instant-Tees einzusetzen.

Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Vergleichsversuche zeigten überdies, daß die gemäß Streitpatent verwendeten Proteine allen anderen kurzkettigen Proteinen vom Geschmack her deutlich überlegen seien. Da bei Instant-Tees das Protein als Träger die überwiegende Komponente der Mischung darstelle, trete gerade bei diesen Zubereitungen der unerwünschte Eigengeschmack der meisten kurzkettigen Proteine deutlich in Erscheinung. Wirklich geschmacksneutral und daher für Instant-Tees verwendbar, seien eindeutig nur die erfindungsgemäßen kurzkettigen Proteine aus Bindegewebe ohne Zusätze von anderen Proteinquellen.

ii) Die Beschwerdegegnerinnen haben diesem Vorbringen widersprochen und dabei im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Ausgehend von Dokument (2) habe im vorliegenden Fall die Aufgabe darin bestanden, kaltwasserlösliche Instant-Tees zu entwickeln. Da für diesen Zweck das dort verwendete Gelatinepulver ungeeignet erscheinen mußte, habe man einen Ersatz für dieses warmwasserlösliche Gelatinepulver finden müssen. Aufgrund der in Dokument (3) genannten Eigenschaften der im Handel erhältlichen KK Proteine, habe es jedoch nahegelegen, das bekannte Gelatinepulver durch leicht wasserlösliche KK Proteine zu ersetzen. Da in Dokument (3) ausdrücklich hervorgehoben werde, daß diese kurzkettigen Proteine geschmacksneutral seien, sei der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Versuchsbericht in keiner Weise relevant. Diese Versuche zeigten lediglich, daß andere nicht geschmacksneutrale KK Proteine in Tees störend wirkten.

Außerdem entspreche das in Dokument (3) erwähnte Patent mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eiweißhaltiger Nahrungsmittelzusätze" der Entgegenhaltung (1), in welcher schon erwähnt sei, daß bei der Herstellung von Gelatineabbauprodukten, d. h. KK-Proteinen, keine den Geschmack beeinträchtigenden Stoffe gebildet werden. Auch werde dort ausdrücklich darauf hingewiesen, daß solche Eiweißprodukte in hervorragender Weise als Zusatz für Lebensmittel aller Art (z. B. Fruchtgetränke und Säfte) oder als Träger bzw. Füllstoff für hochwertige Lebens- und Arzneimittel geeignet seien.

Im übrigen bedeute die Anwesenheit von Tryptophan in dem erfindungsgemäß verwendeten KK Protein "F", daß dieses Protein nicht aus reinem Bindegewebe hergestellt worden sei. Dies zeige aber, daß entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin auch KK Proteine mit Anteilen aus anderen Quellen für die Herstellung von Instant-Tees geeignet seien.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der mit Schreiben vom 29. November 1990 eingereichten Ansprüche 1 bis 4; hilfsweise auf der Grundlage der mit Schreiben vom 25. Oktober 1989 eingereichten Ansprüche 1 bis 4 und einer noch anzupassenden Beschreibung.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. i) Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Instant-Tees und Instant-Tee-Getränke sowie Instant-Frucht-Tees, Instant-Frucht-Tee-Getränke in Pulver- oder Granulatform, enthaltend Pflanzenextrakte und/oder Pflanzenpulver und/oder Fruchtextrakte und/oder Fruchtpulver, sowie ggf. Geschmacks- und/oder Aromastoffe und einen Träger, dadurch gekennzeichnet, daß sie keinen Zusatz von kariogenen Kohlenhydraten enthalten, der Träger ein in Wasser klar lösliches, kurzkettiges Protein aus Bindegewebe mit dem MG 2 000 bis 10 000 mit Ausnahme von in warmem Wasser löslicher Gelatine ist und in einer Menge von 44,9 bis 94,7 Gew.-% vorliegt."

ii) Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht der im Einspruchsverfahren vorgelegten Fassung vom 25. Oktober 1989 (siehe Punkt III oben).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Wie aus den Beispielen 1 bis 9 der ursprünglichen Anmeldung ersichtlich, liegt der Anteil an Trägerprotein in den diversen Instant-Zubereitungen zwischen 44,9 und 94,7 Gew.-%, wobei aus der Beschreibung (siehe Seite 4, Zeilen 13 bis 19) und dem Anspruch 4 hervorgeht, daß bei allen in Frage kommenden Zubereitungen, d. h. Instant- Getränke, Instant-Tees und Instant-Tee-Getränke sowie Instant-Frucht-Tees und Instant-Frucht-Tee-Getränke, vorzugsweise 50 bis 90 Gew.-% Protein als Träger enthalten sind. Im vorliegenden Fall sind die Beispiele daher nicht als repräsentativ für einen bestimmten Typ von Instant- Zubereitungen anzusehen, sondern für die eben erwähnte Gruppe insgesamt.

Hieraus folgt, daß die Einschränkung auf bestimmte ursprünglich offenbarte Instant-Produkte gemäß dem geltenden Haupt- und Hilfsantrag, unter zusätzlicher Abgrenzung gegenüber Dokument (2) mittels Disclaimer (Ausnahme von in warmen Wasser löslicher Gelatine) (vgl. T 4/80, ABl. EPA 1982, 149), den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ genügt. Dies wurde von den Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr bestritten.

3. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft Instant-Tees und Instant-Tee-Getränke in Pulver- oder Granulatform, enthaltend Pflanzenextrakte und/oder Pflanzenpulver und/oder Fruchtextrakt und/oder Fruchtpulver, sowie ggf. Geschmacks- und/oder Aromastoffe und einen Träger.

4. Am nächsten kommender Stand der Technik ist Dokument (2), welches warmwasserlösliche Getränkepulvermischungen zur Herstellung von gelatinehaltigen Getränken betrifft. Die Herstellung erfolgt durch die Mischung eines sofort löslichen (Instant)-Getränkepulvers wie Tee- bzw. Kaffeepulver und Fruchtsaftpulver als Geschmacksträger und feinstgemahlenem Gelatinepulver (Körnung etwa 60 mesh).

Eine derartige Getränkepulvermischung hat den Vorteil, daß bei der Zugabe zu heißem Wasser jegliche Klumpenbildung durch das Gelatinepulver vermieden wird. Das Gelatinepulver löst sich in der heißen Flüssigkeit zusammen mit dem Getränkepulver auf und kann dadurch vom Verbraucher zu einem gewohnten Getränk bei einfacher Handhabung angewandt werden. Da Gelatine geschmacksneutral ist, beeinträchtigt sie auch nicht das Aroma des Geschmacksträgers in der vorgesehenen Mischung. Zur Herstellung werden entweder die Pulveranteile unter entsprechender Dosierung mechanisch miteinander vermischt oder aber aus einer entsprechenden Lösung des Geschmacksträgers und der Gelatine durch Sprühtrocknung hergestellt. Der mechanischen Mischung ist jedoch im Hinblick auf die spätere Verwendung der Vorzug zu geben, da durch diese die für den Lösungsvorgang beim Einbringen in das heiße Wasser vorteilhafte Separierung von Gelatinekörnern durch die Geschmacksträgerkörner erzielt wird. Der Gelatineanteil in der Getränkepulvermischung ist so zu bemessen, daß in der für eine Wassermenge von 125 cm3 erforderlichen Pulvermischungsmenge eine Gelatinemenge von 2 bis 5 g, vorzugsweise 3 g, enthalten ist. Die Menge des Geschmacksträgerpulvers richtet sich nach den jeweiligen Eigenschaften des verwendeten Geschmacksträgers (z. B. 2,5 g Kaffeepulver für 3 g Gelatine) (siehe Ansprüche 1 bis 5 und 8; Seite 5, Zeile 17 bis Seite 6, Zeile 13; Seite 8, Zeilen 5 bis 9 und Zeilen 14 bis 24; Seite 10, letzter Absatz).

5. Demgegenüber besteht die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe darin, Instant-Tees dahingehend zu verbessern, daß sie selbst in kaltem Wasser löslich sind.

Diese Aufgabe wird gemäß Streitpatent im wesentlichen dadurch gelöst, daß als Träger für Instant-Tees ein in Wasser klar lösliches, kurzkettiges Protein aus Bindegewebe mit dem MG 2 000 bis 10 000 eingesetzt wird. Aufgrund der Angaben im Streitpatent (siehe Seite 4, Zeilen 13 bis 23) in Verbindung mit den ursprünglichen Beispielen 1, 2 und 6 bis 9 erscheint dies auch glaubhaft.

6. Die Neuheit der Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag wurde von den Beschwerdegegnerinnen nicht bestritten. Da auch die Kammer diesbezüglich keinen Einwand erkennen kann, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

7. Es bleibt zu beurteilen, ob angesichts der gestellten Aufgabe die beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7.1. Bei dem Versuch, die ihm gestellte Aufgabe zu lösen, wußte der Fachmann offensichtlich aus Dokument (2), daß Instant- Getränke auf Basis von Gelatine und beispielsweise eines Geschmacksträgers wie Tee- oder Fruchtsaftpulver zwar den Nachteil haben, daß sie nur in warmem Wasser löslich sind, gleichzeitig aber zumindest auch den Vorteil besitzen, daß aufgrund der Geschmacksneutralität der Gelatine das Aroma des Geschmacksträgers nicht beeinträchtigt wird. Daher war für ihn auch völlig klar, daß das einzige Manko der bekannten Instant-Zubereitungen darin besteht, daß selbst feinstgemahlene Gelatine mit einer Körnung von 60 mesh (ca 0,25 mm) nicht in kaltem Wasser löslich ist.

Aus diesem Grunde hätte er sich zweifelsohne für das in Dokument (3) beschriebene KK-Protein interessiert, das dort vorgestellt wird als eine sozusagen "technisch vorverdaute", d. h. mit Hilfe von Enzymen teilweise abgebaute Gelatine, bestehend aus niedermolekularen Peptiden. Dem natürlichen Eiweiß Gelatine fehlen zwar einige wichtige essentielle Aminosäuren; diese können aber durch Mischen mit Proteinen aus anderen Quellen (z. B. Fleisch- oder Molkeprotein) ergänzt werden. Im Vergleich mit den nicht hydrolysierten hochmolekularen Proteinen, weisen die enzymatisch hydrolysierten Proteine eine Reihe von hochwertigen technischen Eigenschaften auf. Sie sind u. a.

- geschmacksneutral;

- leicht wasserlöslich, bis zu 90 % der KK- Proteinsubstanz;

- mischbar mit anderen Nahrungsstoffen;

- nicht hygroskopisch, aber hoch benetzbar (d. h. fehlende Neigung zur Verklumpung);

- kurzkettig im niedermolekularen Bereich mit Molekulargewichten zwischen 2 000 und 10 000.

Außerdem sind die Anwendungsbereiche in denen KK-Proteine eingesetzt werden können vielfältig. Es besteht u. a. die Überlegung in stark zuckerhaltigen Softgetränken (Fruchtsäfte und colahaltige Getränke) den großen Zuckeranteil teilweise gegen KK-Proteine auszutauschen (siehe insbesondere vorletzte Seite, linke Spalte, vierter Absatz bis rechte Spalte, erster voller Absatz).

Obwohl diese Informationen eine recht gute Zusammenfassung dessen darstellen was gemeinhin unter dem Begriff "KK- Proteine" zu verstehen ist, verfügt der Fachmann diesbezüglich in Wirklichkeit über ein noch umfassenderes Wissen, zu dem insbesondere die Entgegenhaltung (1) gehört. Wie von den Beschwerdegegnerinnen unwidersprochen bemerkt, entspricht dieses Dokument der in Dokument (3) erwähnten Patentschrift "Verfahren zur Herstellung eiweißhaltiger Nahrungsmittelzusätze". Dort wird u. a. dargelegt, daß proteolytische Enzyme die Gelatine zu niedermolekularen Peptiden (30 bis 40 Aminosäureeinheiten) zerlegt. Die Benetzbarkeit dieser Abbauprodukte ist gut, außerdem werden durch die enzymatische Reaktion keine den Geschmack beeinträchtigenden Abbauprodukte gebildet. Einziger Nachteil für die Verwendung als Nahrungsmittel ist der geringe Gehalt an essentiellen Aminosäuren in der Gelatine. Zur Auffassung der biologischen Wertigkeit wird deshalb vorgeschlagen, die Gelatine mit anderen Eiweißstoffen im Gewichtsverhältnis 10 : 1 bis 1 : 10 zu vermischen. Die auf diese Weise erhaltenen Eiweißprodukte eignen sich beispielsweise für die Herstellung von Frucht- oder Saftkonzentrationen. Sie sind außerdem als Träger oder Füllstoffe für hochwertige Lebens- und Arzneimittel geeignet (siehe Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, Zeile 11; Seite 3, Zeilen 1 bis 11; Seite 5, erster Absatz; Seite 6, Zeilen 3 bis 8 und Zeilen 32 bis 35; Seite 7, zweiter Absatz).

Diese Ausführungen zeigen, daß aus dem Stand der Technik bekannt war, daß Gelatine, d. h. Eiweiß, das typischerweise aus Bindegewebe u. ä. gewonnen wird, in vorverdauter Form nicht nur leicht wasserlöslich ist, sondern außerdem keine den Geschmack beeinträchtigenden Abbauprodukte enthält und daher ebenso wie Gelatine selbst geschmacksneutral ist, wodurch es vielseitig als Träger- oder Füllstoffsubstanz für Getränke sowie für Lebens- und Arzneimittel einsetzbar ist. Dies bedeutet aber, daß der Fachmann schon vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents offenbar wußte, daß kurzkettige Gelatine eine hervorragende Löslichkeit in Wasser besitzt, außerdem geschmacksneutral ist und daher insbesondere für die Herstellung von Getränken bestens geeignet ist.

Auch wenn aus Dokument (1) und (3) hervorgeht, daß Gelatine besonders vorteilhaft mit anderen Proteinquellen vermischt werden kann zwecks Verbesserung seiner biologischen Wertigkeit, ändert dies nichts an dem vorher Gesagten, da der Fachmann sofort erkannt hätte, daß diese Maßnahme nur bei der Verwendung des Gelatinehydrolyats als Nahrungsmittel von Belang ist, d. h. wenn es aus ernährungsphysiologischen Gründen notwendig erscheint, einige, normalerweise in Gelatine fehlende essentielle Aminosäuren zu ergänzen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin konnte dem Fachmann daher auch nicht verborgen geblieben sein, daß im Gegensatz zu der in Dokument (2) verwendeten Gelatine, vorverdaute, kurzkettige Gelatine alle Voraussetzungen erfüllt, um den bekannten Instant-Zubereitungen (Tees usw.) die gewünschte Löslichkeit in kaltem Wasser zu vermitteln, und zwar ohne daß dabei eine Beeinträchtigung des Geschmackes der Zubereitung zu befürchten wäre. Dies zeigt, daß der Fachmann die bestehende Aufgabe ohne weiteres lösen konnte, d. h. ohne dabei in irgendeiner Weise erfinderisch tätig zu werden.

7.2. Diese Darlegungen zeigen übrigens auch, daß die beanspruchte Erfindung nicht das Resultat einer erfinderischen Auswahl sein kann, da wie bereits ausgeführt, der Fachmann aufgrund der Angaben im Stande der Technik erkennen mußte, daß enzymatisch hydrolysierte (kurzkettige) Gelatine ebenso für die Herstellung von Getränken geeignet ist wie die bisher verwendete herkömmliche Gelatine, deren einziger Nachteil eindeutig nicht darin besteht, daß sie nicht für Tees geeignet wäre, sondern daß sie nicht in kaltem Wasser löslich ist (siehe Punkt 7.1, erster Absatz). Deshalb bestand für ihn zu keiner Zeit Anlaß, eine über die Lösung der Aufgabe hinausgehende ernährungsphysiologische Anpassung der Gelatine vorzunehmen.

Bei dieser Sachlage konnten die Versuche Nr. 2 und 5 der Beschwerdeführerin offensichtlich nur bestätigen, was der Fachmann aufgrund des Standes der Technik ohnehin längst wußte. Im übrigen sind die vorgelegten Vergleichsversuche im vorliegenden Fall nicht als Beleg einer erfinderischen Tätigkeit geeignet, da die für den Vergleich herangezogenen Produkte lediglich handelsübliche Erzeugnisse sind, die offenbar willkürlich ausgewählt wurden. Eine gegenüber solchen Produkten geltend gemachte technische Überlegenheit im Sinne eines technischen Fortschritts kann jedoch kein Ersatz sein für den Nachweis einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik (siehe T 164/83, ABl. EPA, 1987, 149).

7.3. Aus alledem folgt, daß die von der Beschwerdeführerin in Punkt V i) vorgetragenen Argumente die Kammer nicht überzeugen konnten. Es erübrigt sich daher der von den Beschwerdegegnerinnen aufgeworfenen Frage nach der Bedeutung der Anwesenheit von Tryptophan in dem gemäß Streitpatent verwendeten KK Protein "F" aus Bindegewebe nachzugehen.

7.4. Zusammenfassend folgt aus den dargelegten Gründen, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das gleiche gilt auch für den Hilfsantrag, da die leicht geänderte Mengenangabe keine erfindungswesentliche Änderung des beanspruchten Gegenstands darstellt. Die Beschwerdeführerin hatte diesen Antrag nur vorsorglich gestellt für den Fall, daß die Kammer die gemäß Hauptantrag beanspruchte untere Mengenangabe von 44.9 Gew.-% als nicht zulässig betrachten sollte (siehe Schreiben vom 4. Mai 1990, Seite 3, dritter Absatz). Somit kann den Anträgen der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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