European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:T016690.19920811 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 August 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0166/90 | ||||||||
Anmeldenummer: | 79100924.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29D 7/01 C08J 5/18 C08J 7/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Heißsiegelbare, opake Kunststoffolie, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | Hoechst Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 01) Hüls Aktiengesellschaft 02) Unilever N.V. 03) Courtaulds Films & Packaging (Holdings) Ltd. 04) Moplefan S.p.A. 05) Wolff Walsrode AG |
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Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ersatz eines unzulässigen Merkmals Amendments - Art 123(2) and Art 123(3) |
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Orientierungssatz: |
Aufnahme einzelner, aus einem Ausführungsbeispiel entnommener Parameter in einen Verfahrensanspruch (zulässig) (vgl. Nr. 2.3). Ersatz eines im erteilten Anspruch enthaltenen unzulässigen Merkmals durch andere offenbarte Merkmale (zulässig, wenn Schutzbereich nicht erweitert wird) (vgl. Nr. 3.2 und 3.3). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 0 004 633 wurde am 5. Juni 1985 auf der Basis der am 28. März 1979 eingereichten Patent- anmeldung Nr. 79 100 924.4 erteilt.
Sein Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Opake Folie aus thermoplastischem, organischem Kunst- stoff, die durch biaxiales Strecken orientiert ist und die fein verteilte, feste, insbesondere anorganische Teilchen einer Größe von 0,2 bis 20 Mikrometer, vorzugsweise 2 bis 8 Mikrometer, und einer Menge von 1 bis 25 Gew.-%, vorzugsweise 5 bis 15 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polymeren enthält, dadurch gekennzeichnet, daß die Folie aus einer Grundschicht (1) aus einem Polymeren oder Copolymeren eines alpha-Olefins mit 2 bis 6 C-Atomen besteht, welche die Teilchen enthält, daß auf mindestens einer der Oberflächen der Grundschicht (1) eine Heißsiegelschicht (2/3) aus einem Copolymeren des Propylen mit Äthylen oder des Propylens mit Buten oder einem Terpolymeren des Propylens mit Äthylen und einem weiteren alpha-Olefin mit 4 bis 10 C-Atomen aufweist und daß die Dichte der Folie kleiner ist als die rechnerische Dichte aus Art und Anteil der Einzelkomponenten."
II. Gegen das Patent wurden, gestützt auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ, fünf Einsprüche eingelegt.
III. Mit Entscheidung vom 24. Oktober 1989, zur Post gegeben am 19. Januar 1990, hat die Einspruchsabteilung das Patent mit der Begründung widerrufen, sein Gegenstand gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ, Hauptantrag) bzw. seine Ansprüche seien derart geändert worden, daß der Schutzbereich erweitert worden sei (Artikel 123 (3) EPÜ, Hilfsanträge). Zu den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) und b) EPÜ ist in der Entscheidung nicht Stellung genommen worden.
IV. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 1. März 1990 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingelegte und am 10. Mai 1990 begründete Beschwerde.
V. In der Mitteilung vom 22. Mai 1992 gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hat die Kammer unter Hinweis auf die im Einspruchsverfahren genannte Druckschrift US-A-3 154 461 den Verfahrens- beteiligten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ihre Bedenken bezüglich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ dargelegt.
VI. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 11. August 1992, an der die Beschwerdegegnerinnen I und II, obwohl ordnungsgemäß geladen, nicht teilnahmen, hat die Beschwerdeführerin neue Ansprüche 1 bis 8 eingereicht.
Der Anspruch 1 lautet nach Korrektur zweier Schreibfehler (biaxial, Oberfläche) und Streichen eines Kommas wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung einer opaken Folie aus thermoplastischem, organischem Kunststoff mit einer Foliendicke von 8 - 100 µm, die durch biaxiales Strecken orientiert ist, wobei die Folie aus einer Grundschicht (1) aus einem im wesentlichen isotaktischen Polypropylen- Homopolymerisat besteht und auf mindestens einer der Oberflächen der Grundschicht (1) eine Heißsiegelschicht (2/3) in einer Dicke von 0,5 - 2 µm aus einem Copolymeren des Propylens mit Ethylen oder des Propylens mit Buten oder einem Terpolymeren des Propylens mit Ethylen und einem weiteren alpha-Olefin mit 4 - 10 C-Atomen aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Grundschicht (1) fein- verteilte Calciumcarbonat-Teilchen einer Größe von 0,2 - 20 µm, vorzugsweise 2 - 8 µm, in einer Menge von 1 - 25 Gew.-%, vorzugsweise 5 - 15 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polymeren enthält und daß man die Schmelze des die Grundschicht (1) bildenden Polymeren zusammen mit den darin fein verteilten Partikeln einerseits und die Schmelze des die Heißsiegelschicht(en) bildenden Polymeren andererseits gemeinsam und gleichzeitig durch eine Flach- düse extrudiert, die erhaltene Flachfolie zur Verfestigung abkühlt, durch Strecken in Längs- und anschließend in Querrichtung orientiert und thermofixiert, wobei das Längsstreckverhältnis 5,5 und das Querstreckverhältnis 9,0 beträgt und die Temperatur während der Längsstreckung bei 120 - 130°C und dabei bis zu 20°C unterhalb der Temperatur liegt, bei welcher üblicherweise eine klare Folie aus dem gleichen Material in Längsrichtung gestreckt wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 sind auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und der Anspruch 8 auf die Verwendung der nach einem der Verfahren der Ansprüche 1 bis 7 hergestellten Folie gerichtet.
VII. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sind die neuen Ansprüche im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig, da sie eine Basis in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen haben. Außerdem sei das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt, denn der Schutzbereich des Patents werde durch die neuen Ansprüche nicht erweitert.
Die Beschwerdegegnerinnen haben dieser Auffassung wider- sprochen. Auch die neuen Ansprüche würden gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ verstoßen. Es sei nicht gerechtfertigt, die im Beispiel in Spalte 3, Zeilen 8 bis 37 der Patentschrift genannten Werte für das Längs- und Querstreckverhältnis mit den Verfahrensmerkmalen des erteilten Anspruchs 9 zu kombinieren. In dem Beispiel werde ein Verfahren beschrieben, bei dem durch Coextrusion eine 33 Mikrometer dicke Polypropylenfolie mit beidseitig vorhandenen heißsiegelfähigen Deckschichten von jeweils 1 Mikrometer Dicke hergestellt und diese Vorfolie anschließend bei einem Streckgrad von 5,5 längsverstreckt und danach bei einem Streckgrad von 9,0 querverstreckt werde. Dabei entstehe aber eine nur 0,67 Mikrometer dicke und damit unbrauchbare Folie, die zudem nicht in den im neuen Anspruch 1 genannten Dickenbereich von 8 bis 100 Mikrometer falle. Es müßten außer den Streck- verhältnissen auch die anderen speziellen Verfahrens- parameter und die Dichte von 0,9 g/cm3 aus dem Beispiel in den Anspruch 1 aufgenommen werden.
Der neue Anspruch 1 enthalte ferner keine Angaben über die Temperaturen während der Querstreckung und Thermofixierung und insbesondere nicht über die Streckgeschwindigkeit. Nach der Anspruchsfassung könne die Vorfolie beliebig langsam verstreckt werden, so daß keine Vakuolen entstünden. Damit sei nicht sichergestellt, daß die Dichte der nach dem Verfahren des neuen Anspruchs 1 hergestellten opaken Folie kleiner sei als die rechnerische Dichte aus Art und Anteil der Einzelkomponenten. Der Anspruch 1 lasse auch offen, ob die Grundschicht außer Calciumcarbonat- Teilchen nicht auch Teilchen, beispielsweise aus Titan- dioxid, enthalte, die ohne Vakuolenbildung die gewünschte Opazität verursachen könnten. Schließlich sei der für die Längsstreckung genannte Temperaturbereich von 120 bis 130°C bei der Längsstreckung von Folien durchaus üblich, wie aus der den Namen der Beschwerdeführerin tragenden Druckschrift DE-A-2 637 978 hervorgehe.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Prüfung auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 8 an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragen die Zurückweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin IV beantragt ferner, ein Beweisverfahren zwecks Vorlage von Versuchen zur Frage der Schutzbereichserweiterung durchzuführen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 (2) EPÜ
2.1. Der geltende, auf ein Verfahren zur Herstellung einer opaken Folie gerichtete Anspruch 1 findet seine Grundlage in den ursprünglichen Verfahrensansprüchen 12 bis 14 in Verbindung mit den ursprünglichen Sachansprüchen 1, 2, 7 und 8, auf die sich der ursprüngliche Anspruch 12 rückbezieht. Das die Calciumcarbonat-Teilchen betreffende Merkmal ist auf Seite 3, letzter Absatz der Anmeldungs- beschreibung offenbart. Das Längsstreckverhältnis von 5,5 und das Querstreckverhältnis von 9,0 gehen aus dem Ausführungsbeispiel auf den Seiten 5 und 6 der ursprünglichen Beschreibung hervor.
2.2. Im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Aufnahme der Streckverhältnisse in den Verfahrensanspruch haben die Beschwerdegegnerinnen geltend gemacht, daß diese Streckverhältnisse ursprünglich lediglich für das Ausführungsbeispiel offenbart seien. Im Beispiel würde sich die angegebene Foliendicke von 33 Mikrometer auf die Dicke der coextrudierten Vorfolie beziehen und die Folie nach der Verstreckung eine Dicke von nur 0,67 Mikrometer haben. Diese Enddicke liege nicht innerhalb des beanspruchten Bereichs von 8 bis 100 Mikrometer. Es müßten sämtliche Verfahrensparameter aus dem Beispiel in den Anspruch 1 aufgenommen werden.
In der Tat besagt die Beispielsbeschreibung in der ursprünglichen ebenso wie in der erteilten Fassung, daß mit einer Flachdüse eine 33 Mikrometer dicke Folie coextrudiert und danach verstreckt wird. Die Kammer akzeptiert aber das Argument der Beschwerdeführerin, daß in der Beispielsbeschreibung eine fehlerhafte Formulierung verwendet worden sei und sich die genannten 33 Mikrometer nicht auf die Dicke der Vorfolie, sondern offensichtlich auf die der gestreckten Folie beziehen würden. Denn im Beispiel ist eine mittlere Calciumcarbonat-Teilchengröße von 2,4 Mikrometer genannt, die, da sich diese fein- verteilten Teilchen beim Verstrecken der Folie nicht verformen, keine Foliendicke von 0,67 Mikrometer ergeben kann, sondern eine Dicke von mindestens 2,4 Mikrometer zur Folge hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die Dicke der verstreckten Folie ursprünglich mit 8 bis 100 Mikrometer offenbart ist und Beispiele in der Regel in den Bereich der Ansprüche fallende Ausführungsformen darstellen.
2.3. Bezüglich der Zulässigkeit der Herausnahme einzelner Parameter, nämlich der Streckverhältnisse, aus dem einzigen Ausführungsbeispiel und deren Einfügung in den geltenden Verfahrensanspruch 1 - d. h., die Beschränkung des ursprünglichen Anspruchs 12 durch Aufnahme dieser Parameter - stützt sich die Kammer auf die ständige Rechtsprechung zu Artikel 123 (2) EPÜ (vgl. T 201/83, ABl. EPA 1984, 481).
Ein Patentanspruch kann nicht nur in der Weise beschränkt werden, daß sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels insgesamt in den Anspruch eingefügt werden. Vielmehr kann er auch nur durch Aufnahme einzelner Merkmale eines Ausführungsbeispiels beschränkt werden, ähnlich wie die Aufnahme eines lediglich in einer Zeichnung vollständig und klar offenbarten Merkmals in einen Patentanspruch zulässig ist (vgl. T 169/83, ABl. EPA 1985, 193 und T 278/89 vom 23. Oktober 1990, unveröffentlicht). Im vorliegenden Fall handelt es sich um die quantitative Präzisierung des im ursprünglichen Anspruch 12 enthaltenen qualitativen Merkmals "Strecken in Längs- und Quer- richtung".
2.4. Zu den Bedenken der Beschwerdegegnerinnen wegen des Fehlens von Temperaturangaben für die Querstreckung und Thermofixierung im Anspruch 1 ist darauf hinzuweisen, daß es sich ausweislich der Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 56 bis 58 der Patentschrift) bei diesen Temperaturen um dem Stand der Technik entsprechende Werte handelt.
Bezüglich des Einwandes, daß der Temperaturbereich von 120 bis 130°C für die Längsstreckung von Folien üblich sei, wie aus der Druckschrift DE-A-2 637 978 hervorgehe, wird darauf hingewiesen, daß die in dieser Schrift beschrie- benen Folien keine Calciumcarbonat-Teilchen enthalten.
2.5. Die Merkmale der geltenden abhängigen Ansprüche 2 bis 7 sind in den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 7 offenbart, sofern im geltenden Anspruch 5 der Wert 9,0 durch 99,0 ersetzt wird. Der unabhängige Anspruch 8 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 15.
2.6. Die geltenden Ansprüche 1 bis 8 verstoßen somit unter der Voraussetzung, daß im Anspruch 5 die zuvor genannte Berichtigung vorgenommen wird, nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Artikel 123 (3) EPÜ
3.1. Der geltende Verfahrensanspruch 1 enthält nicht mehr das im erteilten Sachanspruch 1 aufgeführte Merkmal "und daß die Dichte der Folie kleiner ist als die rechnerische Dichte aus Art und Anteil der Einzelkomponenten", das im Einspruchsverfahren zum Widerruf des Patents geführt hat.
Da dieser Verfahrensanspruch 1 in zum Teil weiter präzisierter Form sämtliche Merkmale des erteilten Verfahrensanspruchs 9 sowie - mit Ausnahme des zuvor genannten Dichtemerkmals - die Merkmale des erteilten Sachanspruchs 1 enthält, ist gemäß Artikel 123 (3) EPÜ zu prüfen, ob durch Streichen des die Dichte betreffenden Merkmals der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.
3.2. Es stellt sich somit die Frage, ob die das gestrichene Merkmal ersetzenden Merkmale des geltenden Anspruchs 1 zwingend den Schutzbereich auf Folien beschränken, die - ebenso wie die Folie gemäß dem erteilten Anspruch 1 - eine unter der rechnerischen Dichte liegende Dichte aufweisen.
Bei der Beantwortung dieser Frage kommt nach Auffassung der Kammer den Merkmalen, daß das Längsstreckverhältnis 5,5 und das Querstreckverhältnis 9,0 beträgt (d. h. eine praktisch 50fache Dickenabnahme) und die Foliengrund- schicht aus Polypropylen feinverteilte Calciumcarbonat- Teilchen in bestimmter Größe und Menge enthält, besondere Bedeutung zu. Aus der Druckschrift US-A-3 154 461 ist nämlich bekannt, daß Folien dieses Typs (vgl. Spalte 4, letzter Absatz) beim Verstrecken ab einem bestimmten Streckverhältnis ihre Transparenz verlieren und durch Bildung von Vakuolen opak werden. Während vor dem Einsetzen der Vakuolenbildung die Foliendichte durch Erhöhung der Kristallinität beim Abkühlen der extrudierten Folie oder beim anfänglichen Verstrecken geringfügig zunimmt (vgl. die von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten gutachterlichen Stellung- nahmen der Professoren Zachmann und Antonietti sowie Spalte 4, Zeilen 6 bis 16 der genannten US-Schrift), kommt es bei weiterer Verstreckung zu einer starken Abnahme der Dichte durch Vakuolenbildung.
Die Erzeugung von Opazität und niedriger Dichte durch Vakuolenbildung ("cavitation-during-orientation") bei biaxialem Verstrecken von mit Calciumcarbonat-Teilchen gefüllten Polypropylenfolien ist auch aus dem Aufsatz von J.R. Quick et al. "Generation of Micropores in Plastic Film Papers and Processes", Techn. Papers, Society of Plastics Engineers, Bd. 19, 1973, Seiten 24 bis 34, insbesondere Seite 24, linke Spalte und die ersten drei Absätze der rechten Spalte, allgemein bekannt.
3.3. Die Kammer ist, gestützt auf die obengenannte US-Schrift und den vorerwähnten Aufsatz, wozu auch die beiden gutachterlichen Stellungnahmen nicht im Widerspruch stehen, der Auffassung, daß bei Verstreckung der gefüllten Polypropylenfolie mit den im Anspruch 1 genannten hohen Streckverhältnissen von zunächst 5,5 und dann 9,0 die anfängliche geringfügige Dichteerhöhung durch die vakuolenbedingte starke Dichteabnahme mehr als kompensiert wird und sich die gewünschte Opazität der Folie einstellt. Das heißt aber, daß durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine opake Folie erzeugt wird, deren Dichte kleiner ist als die rechnerische Dichte aus Art und Anteil der Einzel- komponenten.
3.4. Absolute Sicherheit kann hierbei, im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin III, nicht vorausgesetzt werden, da bei Verfahren gelegentlich nicht sicher auszuschließen ist, daß unter extremen Bedingungen, die aber ein Fachmann üblicherweise nicht einstellen würde - im vorliegenden Fall etwa eine gegen Null gehende Streckgeschwindigkeit -, möglicherweise Ergebnisse erzielbar sind, die außerhalb der mit dem Verfahren angestrebten und bei fachgerechter Durchführung auch erreichbaren Wirkungen liegen.
Es ist davon auszugehen, daß der Fachmann beim Nach- arbeiten einer Lehre Erfolg und nicht Mißerfolg erzielen will. Selbst wenn im Randbereich des neuen Anspruchs nutzlose Varianten vorhanden wären, könnte man einen solchen Bereich wegen seiner Unbrauchbarkeit nicht als eine Erweiterung des Schutzbereichs interpretieren.
3.5. Es ist auch belanglos, daß der Anspruch 1 nicht ausschließt, daß die Grundschicht außer Calciumcarbonat noch andere Partikel enthalten kann. Denn die sich bei sachgemäßer Durchführung des Verfahrens zwingend einstellende Dichteerniedrigung ist durch die hohen Streckverhältnisse bedingt und auch dann gegeben, wenn andere Partikel schon eine gewisse Opazität begründen.
3.6. Durch Streichen des die Dichte betreffenden Merkmals im Anspruch 1 ist somit der Schutzbereich des Patents nicht erweitert worden. Dies gilt auch für den unabhängigen Anspruch 8, der dem erteilten Anspruch 12 entspricht.
3.7. Die geltenden Ansprüche 1 bis 8 erfüllen daher das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ.
4. Nachdem die Vorinstanz zu den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) und b) EPÜ noch nicht Stellung genommen hat, ist die Sache zur weiteren Prüfung auf der Basis der geltenden Ansprüche 1 bis 8 an die erste Instanz zurück- zuverweisen.
5. Beweisantrag
Die Beschwerdegegnerin IV hat während der mündlichen Verhandlung beantragt, Ergebnisse über noch durchzu- führende Versuche vorlegen zu können, mit denen bewiesen werden soll, daß die im Anspruch 1 genannten Verfahrens- schritte nicht zwingend unter allen Umständen zu einer Vakuolenbildung und daher zu einer Dichteerniedrigung führen.
Zum einen steht fest, daß eine Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif sein sollte (vgl. Ziffer 2.4.1 der Hinweise für die Parteien im Beschwerdeverfahren und ihre Vertreter, ABl. EPA 1981, 176). Die Beschwerdegegnerin IV hatte zuvor, aufgrund der Mitteilung der Kammer (vgl. oben Punkt V), in der auf Seite 5 auf die Aufnahme der im Beispiel genannten Parameter in den Anspruch 1 hingewiesen wurde, schon Veranlassung und Gelegenheit gehabt, den den Beweisantrag auslösenden Vorbehalt, bzw. die diesbezügliche Rüge, anzubringen und den vorliegenden Beweisantrag zu stellen. Eine ungebührliche Verfahrensverzögerung würde durch die Gutheißung des Beweisantrags jedoch vor allem deshalb resultieren, weil die Kammer den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt (Artikel 114 (1) EPÜ) und den bestrittenen Sachverhalt bzw. das notwendige Erreichen der in Punkt 3.1 bis 3.3 erwähnten Dichteverringerung unter den hierfür üblichen Bedingungen schon aufgrund der in Punkt 3 angeführten Erwägungen als gegeben erachtet und weil daher im vorliegenden Fall die Beweiskraft derartiger Versuche aus den oben insbesondere in Punkt 3.4 genannten Gründen von vornherein als nicht gegeben zu erachten ist. Angesichts dessen wird der Beweisantrag zurückgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, die Prüfung auf der Basis der anläßlich der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 8 fortzusetzen, bei denen im Anspruch 1 die unter Ziffer VI genannten Korrekturen vorzunehmen sind und im Anspruch 5 der Wert 9,0 durch 99,0 zu berichtigen ist.
3. Der Antrag der Beschwerdegegnerin IV betreffend die Durchführung eines Beweisverfahrens zur Vorlage von Versuchen zur Frage der Schutzbereichserweiterung wird zurückgewiesen.