T 0033/90 (Schokoladenmassen/LEHMANN) of 15.9.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T003390.19920915
Datum der Entscheidung: 15 September 1992
Aktenzeichen: T 0033/90
Anmeldenummer: 84108603.6
IPC-Klasse: A23G 1/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Schokoladenmassen, Kuvertüre, Fettglasuren u. dgl.
Name des Anmelders: F.B. LEHMANN Maschinenfabrik GmbH s.c
Name des Einsprechenden: 01) Gebrüder Bühler AG
02) Wiener & Co. Apparatenbouw B.V.
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Auslegung des Wortlauts des Anspruchs 1
Novelty (yes)
Inventive step (yes)
Literal interpretation of Claim 1
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0099/85
T 0127/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 84 108 603.6 wurde das europäische Patent 0 160 732 auf der Grundlage von 10 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legten die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) und die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 02) Einspruch ein.

III. Die Einspruchsabteilung hat in einer Zwischenentscheidung das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten.

Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Schokoladenmassen, Kuvertüre, Fettglasuren und dgl., bei dem eine Prozeßmasse aus Kakaomasse und/oder Kakaopulver, Kakaobutter, vegetablem Fett, Milchpulver, Kristallzucker und dgl., vorgemischt und wenigstens einem Zerkleinerer zugeführt wird und in einer dünnen Schicht ausgebreitet und mit einem Gas in Stoff-und/oder Wärmeaustauschberührung gebracht wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Prozeßmasse als eine Charge nach dem Vormischen in Rührwerkskugelmühlen vermahlen und durch einen Dünnschichtreaktor gefördert wird, in dem sie von einem Rotor zu einer dünnen Schicht auf der Reaktorwandung ausgebreitet wird, die unter ständiger Erneuerung mit aus dem Rotor austretenden Heißluftstrahlen beaufschlagt und entgast wird, woraufhin sie in einem Homogenisator homogenisiert und bis zur vollständigen Entleerung des Vormischers ohne Rücklauf zu letzterem gespeichert wird."

Der unabhängige Anspruch 5 und die von ihm abhängigen Ansprüche 6 bis 9 sind auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 gerichtet.

Die Einspruchsabteilung führte in ihrer Entscheidung aus, daß der Gegenstand gemäß dem geänderten Anspruchssatz durch den bekannten Stand der Technik weder vorbeschrieben noch nahegelegt sei.

Ferner sei eine Präzisierung des Anspruches 1 dahingehend, daß eine Charge alle Bestandteile enthalte, nicht erforderlich, da u. a. ein Anspruch im Lichte der Beschreibung zu lesen sei.

IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben. Der Vortrag der Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung am 15. September 1992 bezüglich des jetzt entscheidungserheblichen Sachverhaltes kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Trotz des Tatbestandes, daß sich in der Beschreibung zum Streitpatent keine Stütze dafür fände, "daß etwa nicht alle Komponenten von vorneherein gemischt werden sollen" sei dies dem Wortlaut des geltenden Anspruches 1, der die Umschreibung "eine Charge" enthalte, nicht zu entnehmen. Aufgrund des Vorhandenseins nur eines einzigen Aus- führungsbeispiels sei der durch den Anspruchswortlaut vorgegebene Schutzumfang hieraus auch nicht eindeutig zu ermitteln. Eine zweifelsfreie Interpretation werde ferner durch den Sachverhalt erschwert, daß das Wort "eine" im Deutschen sowohl die Bedeutung eines unbestimmten Artikels, als auch eines Zahlwortes besitze. Im übrigen habe die Patentinhaberin zu erkennen gegeben, daß sie sich auf den Einsatz aller Komponenten zu Beginn des Verfahrens eigentlich gar nicht einschränken lassen wolle. Diese Einwände seien aber nicht im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ geschehen, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch den Stand der Technik. Für die Beurteilung des Schutzbegehrens im Lichte des Standes der Technik sei in jedem Falle davon auszugehen, daß Artikel 69 EPÜ eindeutig Bezug auf den Inhalt der Patentansprüche nehme.

Ungeachtet dieser Betrachtungsweise sei aber gegen ein Schutzbegehren, was klar verdeutliche, daß "eine Charge" die Produktmasse in ihrer Gesamtheit bedeute und nicht in Teilströmen wie beim Stand der Technik, nichts mehr einzuwenden. Hierzu erfordere es jedoch einer entsprechend eindeutigen Interpretation des Wortlautes des Anspruches 1 durch die Kammer in der schriftlichen Entscheidungsbegründung. Das Entweichen von Stoffen aus dem Dünnschichtverdampfer wäre jedenfalls dann auch nicht ausgeschlossen.

V. Die Beschwerdegegnerin hat diesem Vorbringen widersprochen und dabei u. a. folgendes geltend gemacht:

Die begriffliche Bedeutung der Worte "eine Charge" ginge für den Fachmann aus Anspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung zum Streitpatent dahingehend klar hervor, daß hiermit die Produktmasse mit allen ihren Komponenten gemeint sei, die im Vormischer gemischt würden und anschließend durch die Rührwerkskugelmühle und den Dünnschichtreaktor geschickt werden. Es zeige sich zwar, daß diese Substanzen im Dünnschichtreaktor durch Einblasen von Gasen verändert würden, ein Ausschluß eines derartigen Stoffaustausches aber in keinem Fall technisch sinnvoll sei. Darüber hinaus sei jedoch über die Zuführung zusätzlicher Komponenten in diesen Reaktor in den Unterlagen zum Streitpatent nichts vermerkt.

VI. Der Vertreter der weiteren Verfahrensbeteiligten (Einsprechenden 02), hat mit Schreiben vom 14. Mai 1992 mitgeteilt, daß diese nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patentes.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der geltende geänderte Anspruch 1 entspricht einer unmittelbaren Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 5 (ursprüngliche Ansprüche 1 und 6 sowie ursprüngliche Beschreibungsseite 6, letzter Absatz); er erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Mit Bezug auf die Vorträge der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin, die der bereits in dem ursprünglich erteilten Anspruch 1 vorhandenen Formulierung, "daß die Prozeßmasse als eine Charge nach dem Vormischen in Rührwerkskugelmühlen vermahlen und durch einen Dünnschichtreaktor gefördert wird...", einen unterschiedlichen inhaltlichen Umfang zumessen, braucht nur insoweit eingegangen zu werden, als dies zur Klärung der unter Artikel 100 (a) EPÜ aufgeworfenen Streitfrage erforderlich ist, da Einwände in bezug auf Klarheit nicht zu den in Artikel 100 EPÜ aufgeführten Einspruchsgründen gehören (vgl. T 127/85, ABl. EPA 1989, 271). Dem entspricht auch das Begehren der Beschwerdeführerin (siehe Punkt IV, oben).

4. Im vorliegenden Falle mag es zutreffen, daß der Fachmann einzig auf der Grundlage des Wortlautes des geltenden Anspruches 1 mit Bezug auf die Umschreibung "daß die Prozeßmasse als eine Charge... vermahlen und...gefördert wird...", sich die Frage stellt, ob im Zusammenhang mit dem Begriff Charge das Wort "eine" als unbestimmter Artikel oder als Zahlwort zur Ermittlung der beanspruchten konkreten technischen Lehre heranzuziehen ist. Die Beschreibung zum Streitpatent, insbesondere Spalte 3, Zeile 62 bis Spalte 4, Zeile 4 bzw. die Ursprungsoffenbarung Seite 6, letzter Absatz, lassen hierzu keine Zweifel aufkommen. Dort ist ausgeführt, daß der Vormischer "zur Aufnahme der Bestandteile, wie....dient, aus denen sich die Prozeßmasse zusammensetzt...". Diese Angabe in Verbindung mit den im Text folgenden Erläuterungen zum Fließschema nach Figur 1, bringen nach Auffassung der Kammer, in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, eindeutig zum Ausdruck, daß die Umschreibung "eine Charge" von jedem Fachmann so verstanden wird, daß es sich dabei um die Prozeßmasse mit allen ihren Komponenten handelt, die im Vormischer gemischt und anschließend durch die Rührwerkskugelmühle und den Dünnschichtreaktor geschickt wird, also das Wort "eine" im Sinne eines Zahlwortes zu verstehen ist. Eine abweichende Auslegung der Lehre des in Rede stehenden Anspruches 1 hat auch die Beschwerdegegenerin nicht geltend gemacht. Sogar die Beschwerdeführerin hat festgestellt, daß sich keine Stütze für unterschiedliche Interpretationen des Anspruchswortlautes in der Beschreibung zum Streitpatent findet und daher den von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Prozeßablauf vom Prinzip her nicht bestritten. Da somit eine Änderung der Patentansprüche lediglich kosmetischer, nicht aber beschränkender Natur wäre, scheidet eine Umformulierung der Ansprüche im Einspruchsbeschwerdeverfahren aus (vgl. hierzu die oben erwähnte Entscheidung T 127/85, insbesondere Punkt 7.1 der Entscheidungsgründe).

5. Mit Bezug auf die voranstehenden Ausführungen unter Punkt 4, die zeigen, daß der geltende Anspruch 1 eine eindeutige, für den Fachmann zweifelsfrei in die Praxis umzusetzende Lehre umfaßt und den Umstand, daß die Beschwerdeführerin unmißverständlich zu erkennen gegeben hat, daß alle Einwände unter Artikel 100 EPÜ gegen den Gegenstand des Streitpatentes ausschließlich im Rahmen einer breiten, zweifelhaften Interpretation des Wortlautes des Anspruches 1 gesehen werden sollten und demzufolge der Stand der Technik bei einer Auslegung des Wortes "eine" in Verbindung mit "Charge" als Zahlwort nicht mehr heranzuziehen sei, also die vorgetragenen Einwände nicht mehr aufrechtzuerhalten wären, sieht die Kammer keinen Grund, die durch die Einspruchsabteilung erfolgte Beurteilung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatentes gegenüber dem genannten Stand der Technik in Frage zu stellen. Bei dieser Sachlage kann selbstverständlich auch dahingestellt bleiben, ob, wie von der Beschwerdeführerin angezweifelt, Anspruch 1 korrekt gegenüber dem Stand der Technik abgegrenzt ist (vgl. hierzu T 99/85, ABl. EPA 1987, 413).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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