T 0781/89 () of 22.1.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T078189.19910122
Datum der Entscheidung: 22 Januar 1991
Aktenzeichen: T 0781/89
Anmeldenummer: 85108281.8
IPC-Klasse: B65H 75/08
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hülse als Wickelkern
Name des Anmelders: Wibmer & Co. KG
Name des Einsprechenden: Sibille Tubes
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Inventive step (after restriction affirmed)
Erfinderische Tätigkeit (nach Einschränkung bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0192/82
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des am 25. Mai 1988 erteilten europäischen Patents 0 170 094 (Anmeldenummer 85 108 281.8).

II. Die Beschwerdeführerin hat gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen. In ihrer Begründung stützte sie sich auf das Dokument

(D1) DE-C-3 105 828, das bereits im angefochtenen Patent als Stand der Technik gewürdigt worden war.

III. Unter Berücksichtigung des Dokuments D1 hat die Einspruchsabteilung in der Entscheidung vom 25. Oktober 1989 festgestellt, daß die Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in unveränderter Form nicht entgegenstehen, und hat aufgrund des Artikels 102 (2) EPÜ den Einspruch zurückgewiesen.

IV. Gegen die Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 8. Dezember 1989 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 13. Februar 1990 eingegangen.

V. Nach Zustellung einer die Ladung begleitenden Mitteilung gemäß Art. 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern wurde am 22. Januar 1991 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche: 1 bis 4 überreicht in der mündlichen Verhandlung Beschreibung: gemäß EP-B-0 170 094 mit der in der mündlichen Verhandlung überreichten Abänderung in Spalte 2, Zeilen 15 bis 19.

Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 lauten:

"1.) Deformierbare Hülse als Wickelkern für extrem dünnes fadenförmiges Wickelgut, insbesondere Glasfasern mit einer Dicke von einigen Mikrometern; mit mehreren gegenseitig verklebten Lagen wendelförmig gewickelter Bahnen, die je aus einem einzigen Material bestehen und Fasern enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß jede Bahn aus Vliesstoff besteht, wobei in jeder Bahn als Fasern überwiegend Chemiefasern vorhanden sind, die durch ein synthetisches Mittel gebunden sind.

2.) Deformierbare Hülse als Wickelkern für extrem dünnes fadenförmiges Wickelgut, insbesondere Glasfasern mit einer Dicke von einigen Mikrometern; mit mehreren gegenseitig verklebten Lagen wendelförmig gewickelter Bahnen, die je aus einem einzigen Material bestehen und Fasern enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß ein Teil der Bahnen aus Vliesstoff und der restliche Teil der Bahnen aus Kunststoffpapier, gegebenenfalls synthetischem Papier, besteht, wobei in jeder Bahn als Fasern überwiegend Chemiefasern vorhanden sind, die durch ein synthetisches Mittel gebunden sind."

Die Patentansprüche 3 und 4 sind abhängige Ansprüche, die auf die Patentansprüche 1 bzw. 2 zurückbezogen sind.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents 170 094.

Sie stützt ihren Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:

Das Dokument D1 offenbare eine Papierhülse für extrem dünnes bahnförmiges Wickelgut, welches aus mehreren gegenseitig verklebten Lagen wendelförmig gewickelter Papier- oder Pappebahnen besteht. Die die Außenumfangsfläche und Innenumfangsfläche bildenden Bahnen bestehen aus synthetischem Papier. Auf diese Weise werde eine prägbare, naß- oder wasserfeste sowie formstabile Hülse erzielt (siehe Spalte 2, Zeile 45 bis Seite 3, Zeile 2).

Von dieser bekannten Hülse unterscheide sich diejenige des geltenden Patentanspruchs 1 oder 2 im wesentlichen nur dadurch, daß für den Hauptkörper der Hülse anstatt Papier- oder Pappebahnen ebenfalls synthetisches Papier bzw. Vliesstoff verwendet wird.

Synthetisches Papier oder Vliesstoff, welche überwiegend Chemiefasern enthalten, seien bereits bekannt. Jeder Fachmann wisse, daß ein solches Material

- leicht faltbar, biegbar und reißfest sei (synthetisches Papier wird z. B. für die Herstellung von Umschlägen verwendet),

- äußerlich prägbar und naßfest sei (siehe z. B. Dokument D1, Spalte 2, Zeile 49).

Die im angefochtenen Patent beanspruchte Erfindung bestehe nur in dem bloßen Austausch eines bekannten Materials aufgrund seiner bekannten Eigenschaften gegen das bisher verwendete. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA sei ein solcher Materialaustausch nicht erfinderisch (vgl. insbesondere die Entscheidung T 192/82 ABl. EPA 1984, 415).

Die Überwindung eines Vorurteils, die die erfinderische Tätigkeit begründen könnte, liege nicht vor. Dies werde durch die Entgegenhaltung D1 dokumentiert, da gerade dort synthetisches Papier für die Verkleidung des äußeren Umfangs der Hülse vorgeschlagen wird.

Bereits aufgrund der bekannten und erwünschten Eigenschaften von synthetischem Papier oder Vliesstoff, nämlich der leichten Falt- und Biegbarkeit und der Reiß- und Naßfestigkeit erhalte der Fachmann die Anregung, synthetisches Papier oder synthetischen Vliesstoff auch für den Hauptkörper der Hülse gemäß Dokument D1 einzusetzen.

VII. Die Beschwerdegegnerin vertritt folgende Auffassung:

Eine Anregung in Richtung auf die Lösung nach den Patentansprüchen 1 und 2 sei dem Stand der Technik nicht zu entnehmen. Abgesehen von den bekannten Hülsen mit mehreren Lagen, die ausschließlich aus Papier oder Pappebahnen oder gemäß Dokument D1 zum Teil auch aus synthetischen Papierbahnen gewickelt sind, konnte sich die Fachwelt offenbar nur dünnwandige Massivhülsen aus Kunststoff vorstellen.

Es sei richtig, daß der äußere Umfang der Papierhülse gemäß Dokument D1 mit einer synthetischen Papierbahn verkleidet ist. Jedoch solle durch diese bekannte Maßnahme die Aufgabe gelöst werden, eine "Papierhülse zu schaffen, welche einfacher herzustellen ist und gleichwohl am Außenumfang mit üblichen Kalibrierwerkzeugen einwandfrei geglättet werden kann" (siehe dort Spalte 2, Zeilen 3 bis 5).

Auch aufgrund dieser unterschiedlichen Aufgabe habe die Lehre des Dokuments D1 nicht dazu anregen können, den beanspruchten Aufbau der Hülse zur Verbesserung insbesondere der Hitzbeständigkeit sowie der Naßfestigkeit und zugleich Verringerung des mit den Hülsen verbundenen Gesamtkostenaufwands vorzuschlagen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Der Inhalt der geltenden unabhängigen Patentansprüche 1 und 2 umfaßt denjenigen des ursprünglichen Patentanspruchs 1. Die abhängigen Patentansprüche 3 und 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3. Der Gegenstand der Patentansprüche geht somit nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung hinaus (Art. 123 (2) EPÜ).

Der Gegenstand der geltenden Patentansprüche 1 und 2 ist jeweils auf eine von drei im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Alternativen beschränkt. Daher liegt nach Auffassung der Kammer keine Erweiterung des Schutzbereichs durch die während des Einspruchs(beschwerde)verfahrens vorgenommenen Änderungen vor (Artikel 123 (3) EPÜ).

2. Die Prüfung des vorliegenden Standes der Technik durch die Beschwerdekammer hat ergeben, daß die deformierbare Hülse nach geltendem Patentanspruch 1 oder 2 nicht bekannt ist. Dieser Sachverhalt wurde weder im Einspruchs- noch im Beschwerdeverfahren bestritten, so daß sich ein näheres Eingehen hierauf erübrigt.

3. Die Untersuchung, ob die deformierbare Hülse nach dem angefochtenen Patent auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ergibt folgendes:

3.1. Ausgangspunkt für diese Untersuchung ist der in der Patentschrift in Spalte 1, Zeilen 8 bis 62 geschilderte nicht belegte Stand der Technik, da Dokument D1 dem Gegenstand des angefochtenen Patents nicht näher kommt. Dokument D1 betrifft nämlich nicht eine Hülse für fadenförmiges Wickelgut, insbesondere Glasfasern, sondern eine Hülse für "bahnförmiges Wickelgut, insbesondere Folienbahnen aus Kunststoff oder Metall" (siehe Spalte 1, Zeilen 31 bis 33 von Dokument D1).

3.2. Demnach sind Wickelkerne für aus Düsen austretende extrem dünne Glasfasern in Gestalt von Papierhülsen mit mehreren gegenseitig verklebten Lagen wendelförmig gewickelter Bahnen aus sog. Kraft-Papier bekannt.

Diese auf einen rotierbaren Spanndorn aufziehbaren Papierhülsen, die sich durch zweifaches Falten längs diametraler Mantellinien des kreisrunden Hülsenzylinders flach zusammenlegen lassen, werden nach dem Entfernen des auf der Papierhülse sitzenden Glasfaserwickels vom Spanndorn unter Fingerdruck quer zu der von den Faltlinien bestimmten Ebene auf die Mittellinie einer Hülsenhälfte (zwischen den beiden Faltlinien) zunächst in Nierenform sowie anschließend durch Zusammenbiegen der zwei Hülsenfalze um die zur Hülsenachse parallele Mittellinie der anderen Hülsenhälfte zusammengelegt und aus dem Wickelinneren entfernt, worauf sie nach Zurückbiegen und Entfalten erneut auf einen Wickeldorn gespannt werden können. Die sich in dieser Falt- und Biegbarkeit zeigende Flexibilität von Hülsen aus Kraft-Papier wird vorteilhaft durch die Wärmebeständigkeit und die äußerliche Prägbarkeit solchen Papiers ergänzt, welche es ermöglicht, die äußere Lage der Hülse mit Haftmarken zu versehen, die verhindern, daß der Glasfaserwickel von seinem Wickelkern axial abrutscht (siehe Beschreibung, Spalte 1, Zeilen 8 bis 37).

Die Verwendung von Hülsen aus Kraft-Papier hat die Beschwerdegegnerin als nachteilig angesehen. Nachteile seien beim Eintritt der Bedingungen festzustellen, unter denen die Glasfasern erzeugt und aufgewickelt sowie getrocknet werden. Dazu gehören die hohen Trocknungstemperaturen der Glasfasern und der den Spanndorn umgebenden Luft sowie die Durchtränkung mit Schlichte, die auf die Glasfasern gebracht wird (siehe Spalte 1, Zeilen 40 bis 47 der Patentschrift).

Die Beschwerdeführerin selbst hat in dieser Hinsicht betont, daß die Papierhülse und die darauf aufgewickelten Glasfasern einer verlängerten Trocknung bei einer Temperatur von mehr als 130° C ausgesetzt werden.

Mangelhaft sei an Hülsen aus Kraft-Papier aber nicht nur die Naßfestigkeit und die Reißfestigkeit an den Randkanten, sondern auch die Tatsache, daß diese Hülsen nur wenige Male wiederverwendbar seien und deshalb trotz geringer Stückpreise einen erheblichen Kostenaufwand erfordern.

3.3. Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe kann daher, wie in der Patentschrift auf Spalte 2, Zeilen 1 bis 12 angegeben, darin gesehen werden, eine Hülse für extrem dünnes fadenförmiges Wickelgut wie Glasfasern zu schaffen, welche die Vorteile der Hülse aus Kraft-Papier bewahrt und gleichzeitig die o. g. Nachteile der Hülse aus Kraft-Papier vermeidet, d. h. reißfester, naßfester sowie standfester ist als diejenige aus Kraft-Papier.

3.4. Diese Aufgabe wird durch die im Kennzeichen der geltenden Patentansprüche 1 und 2 aufgeführten Merkmale gelöst, d. h. dadurch, daß jede Bahn aus Vliesstoff besteht, wobei in jeder Bahn als Fasern überwiegend Chemiefasern vorhanden sind, die durch ein synthetisches Mittel gebunden sind; oder dadurch, daß ein Teil der Bahnen aus Vliesstoff und der restliche Teil der Bahnen aus Kunststoffpapier, gegebenenfalls synthetischem Papier, besteht, wobei in jeder Bahn als Fasern überwiegend Chemiefasern vorhanden sind, die durch ein synthetisches Mittel gebunden sind.

3.5. Dokument D1 offenbart eine Papierhülse für extrem dünnes bahnförmiges Wickelgut, insbesondere Folienbahnen aus Kunststoff oder Metall (siehe Spalte 1, Zeilen 30 bis 32). Für den Hauptkörper der Papierhülse werden Papier- oder Pappebahnen mit der üblichen Qualität verwendet (Spalte 2, Zeilen 62 bis 64).

Lediglich die die Außenumfangsfläche und gegebenenfalls die Innenumfangsflächen bildenden Bahnen bestehen aus synthetischem Papier. Auf diese Weise wird unter Beibehaltung der Vorteile der Hülse aus Papier eine prägbare, naß- oder wasserfeste Hülse erzielt, siehe Spalte 2, Zeilen 45 bis 51.

Die kennzeichnenden Merkmale der geltenden Patentansprüche 1 bzw. 2, daß alle Bahnen bzw. ein Teil der Bahnen aus Vliesstoff bestehen, wobei in jeder Bahn, d. h. auch im Hauptkörper der Hülse, als Fasern überwiegend Chemiefasern vorhanden sind, die durch ein synthetisches Mittel gebunden sind, sind somit beim Gegenstand gemäß Dokument D1 nicht verwirklicht. Von Dokument D1 erhält der Fachmann zwar die Anregung, den äußeren Umfang der Papierhülse mit einer synthetischen Papierbahn zu verkleiden, jedoch ist die Papierhülse gemäß Dokument D1 nicht geeignet, dem Fachmann den Gedanken nahezulegen, auch für den Hauptkörper der Hülse anstelle des üblichen Papier- oder Pappematerials synthetisches Papier zu verwenden, geschweige denn, es nahezulegen, hierfür ausschließlich Vliesstoff (geltender Patentanspruch 1) oder teils Vliesstoff und teils Kunststoff- oder synthetisches Papier (geltender Patentanspruch 2) zu verwenden.

Es ist daher nicht erkennbar, wie dem Fachmann eine Anwendung der Lehre des gattungsfremden Gegenstands gemäß Dokument D1 bei der bekannten Hülse aus Kraft-Papier helfen sollte, zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 oder 2 zu kommen.

3.6. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß synthetisches Papier oder synthetischer Vliesstoff zum Stand der Technik gehören. Sie seien ferner als leicht falt- und biegbares sowie als naß- und reißfestes Fasermaterial wohl bekannt. Aufgrund dieser Fachkenntnisse wäre es dem Fachmann geläufig gewesen, daß er für den Hauptkörper der Hülse nach Dokument D1 synthetisches Papier oder Vliesstoff vorsehen müsse, um die gestellte Aufgabe zu lösen.

Bei der vorstehenden Argumentation übersieht aber die Beschwerdeführerin, daß es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht darauf ankommt, ob der Fachmann durch Modifikation des Standes der Technik zur Erfindung hätte gelangen können; zu fragen ist vielmehr, ob er im Lichte der bestehenden technischen Aufgabe und der verfügbaren Anregungen aus dem Stand der Technik so vorgegangen wäre.

Im zu entscheidenden Fall besteht die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe nicht in der bloßen Verbesserung der Naßfestigkeit unter Beibehaltung der Vorteile des Kraft-Papiers. Sie besteht vielmehr auch in der Erzielung einer hohen Standfestigkeit, wobei wie ausgeführt die Hülse und der darauf sitzende Glasfaserwickel einer besonders hohen und langen Trocknungstemperatur ausgesetzt werden sollen. Das Erreichen dieser erwünschten Wirkung stellt somit einen wesentlichen Bestandteil der dem angefochtenen Patent zugrundeliegenden Aufgabe dar.

3.7. Im Unterschied zur Naßfestigkeit ist die hierfür notwendige hohe Hitzebeständigkeit kein Effekt, der von der Heranziehung von synthetischem Papier oder Vliesstoff ohne weiteres zu erwarten war. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 192/82, ABl. EPA 1984, 415 führt hierzu sinngemäß aus, daß dann, wenn neben einem zu erwartenden Effekt ein überraschender Extra-Effekt auftritt, dieser nicht zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit führen kann, wenn der Stand der Technik dem Fachmann keine andere Wahl ließ, um den voraussehbaren Effekt zu erzielen (siehe Punkt 16 der Entscheidungsgründe).

Dies ist hier nicht der Fall. Festzustellen ist, daß der Stand der Technik dem Fachmann andere Lösungen zur Erzielung der erwünschten Naßfestigkeit nahelegt: nach Lösungsvorschlag gemäß Dokument D3 (DE-A-1 596 663), der in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1991 diskutiert wurde, wird die Hülse aus Kraft-Papier mit einer wasserabweisenden Flüssigkeit o. ä. imprägniert. Dadurch wurde eine Verbesserung der Naßfestigkeit unter Beibehaltung der Vorteile des Kraft-Papiers erzielt. Nach einem anderen Lösungsvorschlag, der in Dokument D1 dokumentiert ist, wurde der äußere Umfang der Papierhülse mit einer synthetischen Papierbahn verkleidet. Außerdem sind hier auch die steifen, naßfesten Hülsen mit homogener Wandung aus massivem Kunststoff zu erwähnen, obschon sich dieser Typ von Hülsen mangels Falt-und Biegbarkeit in der Praxis nicht durchsetzen konnte.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich somit von demjenigen der o. g. Entscheidung T 192/82 darin, daß dem Fachmann andere Alternativen als die nach dem erfindungsgemäßen Lösungsvorschlag zur Verfügung standen, um den voraussehbaren Effekt, d. h. die Naßfestigkeit in Verbindung mit einer verbesserten Standfestigkeit, zu erreichen.

3.8. Es ist bei dieser Sachlage für die Kammer nicht erkennbar, wie der vorstehend geschilderte Stand der Technik einschließlich des weiter entfernt liegenden Dokuments D2 (GB-A-1 224 290), das in der mündlichen Verhandlung nicht weiter diskutiert wurde, eine andere Anregung geben könnte, als diejenige, den äußeren Umfang der Papierhülse mit einer synthetischen Papierbahn zu verkleiden, oder diejenige, die Hülse aus Kraft-Papier mit einer wasserabweisenden Flüssigkeit o. ä. zu imprägnieren.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, die im angefochtenen Patent dargelegte Erfindung bestünde in der naheliegenden Verwendung eines bekannten Materials aufgrund seiner bekannten Eigenschaften zur Erzielung einer bekannten und zu erwartenden Wirkung, kann aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

3.9. Der von der Beschwerdeführerin dargelegte Stand der Technik konnte daher die Hülse gemäß den geltenden Patentansprüchen 1 oder 2 nicht nahelegen. Dies gilt ebenso für deren besondere Ausführungsformen nach den geltenden Patentansprüchen 3 und 4.

4. Das Patent hat daher auf der Basis dieser Patentansprüche und der an diese angepaßten Beschreibung Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufgrund der Unterlagen gemäß Antrag der Beschwerdegegnerin (siehe vorstehende Ziffer V) aufrechtzuerhalten.

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