T 0774/89 (Efomycine als Leistungsförderer/BAYER) of 2.6.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T077489.19920602
Datum der Entscheidung: 02 Juni 1992
Aktenzeichen: T 0774/89
Anmeldenummer: 86103539.2
IPC-Klasse: A23K 1/17
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von Efomycinen als Leistungsförderer bei Tieren, Efomycine und ihre Herstellung
Name des Anmelders: BAYER AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(4)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 R 29(6)
Schlagwörter: Patentfähige Erfindung - Nicht therapeutischer Leistungsförderer
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja) - Fachmann nicht ermutigt, weiter in der Antibiotikaklasse zu suchen
Patentansprüche - Bezugnahme auf die Zeichnungen
Patentable invention - no-medical product conductive to efficienc - second non-therapeutical use
Novelty (yes)
Inventive step (yes) - Person skilled in the art has no reasons to search in the class of antibiotics
Patent-claims - refer to the drawings
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
T 0582/88
T 0780/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0986/97
T 1021/98
T 1148/98
T 1172/03
T 1262/04
T 0385/09

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 103 539.2 (Veröffentlichungsnummer 0 197 360) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die am 29. November 1988 eingereichten Ansprüche 1 bis 5 zugrunde, von denen sich Anspruch 1 auf die Verwendung der Efomycine A - F oder ihrer Gemische als nichttherapeutische Leistungsförderer bei Tieren bezieht, wobei die als neu beanspruchten Efomycine A, B, C, D, F durch chemische und physikalische Eigenschaften charakterisiert werden; und Anspruch 4 auf die Verwendung der Efomycine A - F zur Herstellung von Mitteln zur Leistungsförderung von Tieren.

II. Die Prüfungsabteilung gründete die Zurückweisung der Anmeldung im wesentlichen darauf, daß Anspruch 4, insofern er sich auf Efomycin E beziehe, nicht neu und Anspruch 1, insofern er sich auf Efomycin E beziehe, nicht mehr erfinderisch sei. In den Augen der Prüfungsabteilung sei der Begriff der Leistungsförderung zwar nicht eindeutig definiert und es sei offen, ob dieser Begriff therapeutische Maßnahmen einschließe; da Anspruch 4 vom Wortlaut her aber auf keine der möglichen Anwendungen eingeschränkt sei, könne gegenüber dem Dokument

(1) US-A-3 076 746,

welches Azalomycin B, das identisch ist mit Efomycin E, und dessen Verwendung zur Herstellung von Mitteln, die zur Verfütterung an Tiere geeignet seien, beschreibe, die Neuheit nicht anerkannt werden. Für die Prüfung auf nichttherapeutische Mittel wäre der Ausdruck "zur Leistungsförderung" in Anspruch 4 für die Neuheitsbetrachtung jedenfalls nicht zu berücksichtigen.

Schließlich werde mit Anspruch 1 die Verwendung von Antibiotika als Leistungsförderer beansprucht, wobei die hierfür routinemäßig durchführbare experimentelle Prüfung keinerlei erfinderischen Bemühens bedürfe. Der Test böte nur zwei Alternativen, wobei für jede dieser Alternativen in der Literatur genügend Beispiele existierten.

Was die Ansprüche 2, 3 und 5 betreffe, sowie die Ansprüche 1 und 4, insofern sie sich auf die Efomycine A, B, C, D und F bezögen, so seien die Erfordernisse der Artikel 54 und 56 EPÜ erfüllt.

III. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

IV. In der Beschwerdebegründung und in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 1992 hat die Beschwerdeführerin sinngemäß folgendes vorgetragen:

Im vorliegenden Falle könne gezeigt werden, daß nicht alle Antibiotika als Leistungsförderer geeignet seien und somit sei, obwohl dem bekannten Efomycin E und den neuen Efomycinen A - D und F eine antibiotische Wirkung zugeschrieben werden könne, nicht vorhersehbar gewesen, daß diese Antibiotika auch als Leistungsförderer geeignet seien. Insbesondere könne eine enge Struktur/Wirkungsbeziehung für eine Diskussion um mögliche weitere Verwendungen von bekannten und auch neuen Antibiotika nicht herangezogen werden. Die jetzt beanspruchte Verwendung als Leistungsförderer sei im wesentlichen auf einen gezielten Einfluß, z. B. auf das Propionat/Acetat-Verhältnis bei der Fermentation im Pansen von Wiederkäuern gerichtet, wobei derartige Effekte bisher überhaupt nicht bestimmten Strukturmerkmalen in Leistungsförderern zugeordnet werden könnten. Dieser Sachverhalt werde auch durch die im Prüfungsverfahren mit den am 29. November 1988 eingereichten wissenschaftlichen Veröffentlichungen belegt.

Von diesen Schriften ist für die vorliegende Entscheidung von weitergehender Bedeutung der Artikel aus Dokument

(2) J. of Anim. Sci. [45], S. 385 - 392 [1977].

Weiterhin seien die Efomycine beispielsweise von Erythromycin, einem bekannten Leistungsförderer mit allerdings hoher unerwünschter Resistenzbildung, strukturell so weit entfernt, daß die bei strukturverwandten Antibiotika üblichen Kreuzresistenzen nicht zu erwarten seien. Ginge man alleine von einer Wirkung der Efomycine als Antibiotika aus, so würde der Fachmann eher eine zerstörende Wirkung des Mittels auf die Darmflora erwarten als einen sie verbessernden Effekt. Zur Einordnung der jetzt beanspruchten Leistungsförderung als entweder therapeutische oder nichttherapeutische Maßnahme sei offensichtlich, daß bei der beabsichtigten nichttherapeutischen Beeinflussung der Magen- und Darmflora von Tieren von einem Normalzustand bezüglich der Mikroorganismenzusammensetzung im Magen/Darmtrakt auszugehen sei, wohingegen eine Therapie einen pathologischen Zustand in den Normalzustand zurückführen sollte.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: Ansprüche 1 - 4 und eine Beschreibung gemäß Hauptantrag, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht.

VI. Die diesem Antrag zugrundeliegenden Ansprüche lauten sinngemäß wie folgt:

1. Verwendung der Efomycine A - F oder ihrer Gemische als nichttherapeutische Leistungsförderer bei Tieren, wobei die als neu beanspruchten (Anspruch 4) Efomycine A, B, C, D, F durch chemische und physikalische Eigenschaften charakterisiert werden, und zwar wahlweise die Parameter Elementaranalyse, Summenformel, Massenspektrum, Kernresonanzspektrum, UV-Absorptionsmaximum und IR-Spektrum.

2. Mittel zur Leistungsförderung von Tieren, gekennzeichnet durch einen Gehalt an mindestens einem Efomycin A - D + F oder an Gemischen derselben.

3. Tierfutter, Trinkwasser für Tiere, Zusätze für Tierfutter und Trinkwasser für Tiere, gekennzeichnet durch einen Gehalt an mindestens einem Efomycin A - D + F oder an Gemischen derselben.

4. Efomycine A, B, C, D, F mit den in Anspruch 1 angegebenen chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie Gemische der Efomycine A, B, C, D, F.

Der von der Prüfungsabteilung als nicht neu erachtete Anspruch, der auf eine Verwendung der Efomycine zur Herstellung von Mitteln zur Leistungsförderung gerichtet war, wurde von der Beschwerdeführerin fallengelassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Formale Aspekte

2.1. Artikel 123 (2) EPÜ

Der Produktanspruch 4 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 5. Der allgemeine Mittelanspruch 2 sowie der auf spezielle Zusammensetzungen gerichtete Anspruch 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3 unter Einschränkung auf die Efomycine A - D und F. Der Verwendungsanspruch 1 entspricht einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 5, wobei das Einfügen "nichttherapeutische" Leistungsförderer im Rahmen der nachstehenden Ausführungen unter 2.3 als Disclaimer mit Bezug auf Artikel 52 (4) aufzufassen ist. Die Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen für diese Art der Verwendung findet sich in den Beispielen A und B. Es bestehen somit keine Einwände gegen die neu formulierten Ansprüche im Hinblick auf unzulässige Änderungen.

2.2. Artikel 84 EPÜ

Stoffcharakterisierung

2.2.1. Anspruch 1 umfaßt chemische und physikalische Parameter zur Charakterisierung der beanspruchten Efomycine. Das Auflisten der Elementaranalyse und der Summenformel eines Stoffes sind für den Fachmann übliche und im Rahmen der bekannten Analysenfehler auch eindeutige Angaben zur Charakterisierung eines Stoffes. Anspruch 1 enthält zusätzlich Angaben zum Massenspektrum, 1H- Kernresonanzspektrum, 13C-Kernresonanzspektrum, UV- Absorptionsmaximum und Absorptionsbanden im IR-Spektrum in unterschiedlicher Folge für die zu charakterisierenden Efomycine. Im vorliegenden Falle kann nach Auffassung der Kammer dahingestellt bleiben, ob durch ein oder mehrere der genannten Spektraldaten eine Überbestimmung einzelner Strukturelemente der Stoffe, für die Schutz begehrt wird, gegeben ist, da alle aufgelisteten Spektralverfahren sowie deren methodische Anwendung dem Fachmann geläufig sind und auch die entsprechenden Spektraldaten für den analytisch arbeitenden Chemiker geläufige Dimensionen aufweisen. Die Kammer geht beim derzeitigen Verfahrensstand davon aus, daß der Informationsgehalt der Gesamtheit der in Anspruch 1 genannten Daten als Angabe für ein Schutzbegehren auf Efomycine ausreicht. Die Kammer konnte sich jedenfalls anhand einschlägiger Literatur davon überzeugen, daß die angegebenen Spektralverfahren übliche Methoden zur Charakterisierung von Antibiotika der beanspruchten Klasse darstellen.

2.2.2. Ferner ist im Hinblick auf die Fülle der im geltenden Anspruch 1 enthaltenen Charakterisierungen durch Spektren akzeptabel, daß im vorliegenden Falle alleine schon aus Gründen der Übersichtlichkeit eine Ausnahme von Regel 29 (6) EPÜ vorzusehen ist und in der Anspruchsfassung ein Verweis auf Abbildungen von Spektren, wie sie in den Abbildungen der Anmeldung aufgeführt sind, erfolgen kann. Die betreffenden Kernresonanzspektren gemäß den Abbildungen 1 bis 9 weisen jeweils eine eindeutige Skalierung zur Zuordnung der einzelnen Spektrallinien zur gemessenen chemischen Verschiebung in ppm auf. Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Ursprungsoffenbarung zur Anmeldung keine numerische Analyse der in den Abbildungen aufgeführten Spektren enthält, deren Aufnahme eine knappe Anspruchsfassung zulassen würde (vergleiche hierzu auch die Entscheidung T 271/88 vom 6. Juni 1989, insbesondere Punkt 5 der Entscheidungsgründe).

2.3. Patentierbarkeit gemäß Artikel 52 (4) EPÜ - Anspruchsformulierung

2.3.1. Aus Artikel 52 (4) EPÜ folgt, daß u. a. Patentansprüche für eine therapeutische Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers nicht zulässig sind.

Zur Prüfung der Frage, ob die beanspruchte Verwendung der Efomycine A - F zur Leistungsförderung unter den Begriff der therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers im Sinne des Artikels 52 (4) fällt oder tatsächlich ein nichttherapeutischer Charakter der Leistungsförderung gemäß Wortlaut des Anspruches 1 vorliegt, kann sich die Kammer auf die bisherige Rechtssprechung stützen.

2.3.2. Bereits in der Entscheidung T 582/88 vom 17. Mai 1990 (zitiert im Jahresbericht 1990 ABl. 1991, Beilage zu Heft 6, Seite 19) hat sich die Kammer mit einem Anspruchsgegenstand befaßt, der sich auf eine nichttherapeutische Behandlung von Milchkühen zur Verbesserung der Milchproduktion bezog, wobei durch orale Verabreichung eine propionaterhöhende Menge eines Glycopeptidantibiotikums dem Pansen zugeführt wird, also ebenfalls die Verwendung eines Antibiotikums zur Leistungsförderung bei Tieren betraf. Im speziellen Fall war aufgrund meßbarer Erfolge der Erhöhung der Milchproduktion eines Wiederkäuers unter Beeinflussung der Pansenfermentation eindeutig die nichttherapeutische Eigenschaft von einem gegen pathogene Keime gerichteten, also therapeutischen Effekt des dort verwendeten Antibiotikums unterscheidbar, so daß die Kammer keinen Verstoß gegen Artikel 52 (4) EPÜ erkennen konnte.

2.3.3. Im Gegensatz hierzu wurde im Fall T 780/89 vom 12. August 1991 (zur Veröffentlichung im Amtsblatt vorgesehen), entschieden, daß die dort beanspruchte nichttherapeutische Immunstimulierung in ihrer Gesamtwirkung auf den zu behandelnden Organismus von therapeutischen Effekten nicht zu trennen war. Die als unspezifisch eingestufte Immunstimulierung war jedenfalls immer gleichzeitig mit einer spezifischen Prophylaxe gegen Coccidiose-und Toxoplasmoseinfektionen als eine therapeutischen Behandlung untrennbar verknüpft, wobei die Überlegungen, die zu diesen Auffassungen führten, darauf basierten, daß eine Immunstimulierung im Sinne einer therapeutischen Behandlung ganz allgemein helfen soll, künftige Leiden möglichst zu verhindern oder zu lindern.

2.3.4. Die Kammer ist der Auffassung, daß der vorliegende Fall mit Bezug auf Artikel 52 (4) EPÜ in Analogie zur Sache T 582/88 (siehe oben Punkt 2.3.2) gesehen werden kann. Die Ursprungsunterlagen zur Anmeldung enthalten als konkretes Beispiel zur Leistungsförderung Untersuchungen der Zusammensetzung der Pansenflüssigkeit eines Hammels. Anhand quantitativer Messungen zeigt sich eine Erniedrigung des Essigsäure/Propionsäureverhältnisses bei entsprechender Mengenzufuhr an Efomycinkomponenten gegenüber Negativkontrollen als Referenzwert (vgl. hierzu die Tabellen a, b und c auf den Seiten 34/35 der Beschreibung). Ferner verweist ein zweites Anwendungsbeispiel ohne weitere quantitative Aussagen auf Versuchsergebnisse, die eine erhöhte Milchproduktion ohne Beeinflussung der Milchzusammensetzung nach Efomycinbeimengungen zum Futter zeigen. Im Hinblick auf diese meßbaren Erfolge, die offensichtlich unabhängig von einem zu definierenden Gesundheitszustand der Kühe betrachtet werden können - d. h. es könnte auch gesondert die Erhöhung der Milchproduktion oder die günstige Beeinflussung der Pansenfermentation bei kranken Tieren gemessen werden - ist für die Kammer jedenfalls kein Grund erkennbar, der im vorliegenden Falle einen Verwendungsanspruch verbieten könnte, da in Anspruch 1 durch das Einfügen des Wortes "nichttherapeutisch" die therapeutischen Wirkungen der Efomycine in Form eines Disclaimers ausgeschlossen sind. Es handelt sich hier somit um den Fall einer ersten (Efomycine A - D und F) und einer zweiten (Efomycin E) nichtmedizinischen Indikation (siehe G 2/88, ABl. 1990, S. 93) und somit konnte die Kammer dann auch der in diesem Sinne vorgebrachten Argumentation folgen, daß eine nichttherapeutische Leistungsförderung ausgehend von einem zu definierenden Normalzustand zu betrachten ist, wohingegen die Therapie immer rückkehrend von einem pathologischen Zustand zum Normalzustand bzw. als einem pathologischen Zustand vorbeugend zu sehen ist.

2.4. Artikel 83 EPÜ

Hinsichtlich des Offenbarungserfordernisses hat sich der Sachverhalt im Beschwerdeverfahren nicht geändert und Artikel 83 war auch kein Zurückweisungsgrund. Es bestehen somit bezüglich der Erfordernisse des Artikels 83 aufgrund der verfügbaren technischen Informationen keine Bedenken.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Dem im bisherigen Verfahren genannten Stand der Technik sind die in den Produktansprüchen 2 bis 4 aufgeführten Efomycine A - D und F nicht zu entnehmen. Der Gegenstand dieser Ansprüche erfüllt daher, wie auch von der Prüfungsabteilung anerkannt, die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

Mit Bezug auf die Entscheidung G 2/88 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (siehe oben Punkt 2.3.4), die feststellt, daß ein Anspruch, der auf die Verwendung eines bekannten Produktes zur Erzielung eines bestimmten neuen technischen Effektes gerichtet ist, derart zu interpretieren ist, daß dieser Effekt als funktionelles technisches Merkmal in die Neuheitsprüfung im Rahmen von Artikel 54 EPÜ mit einzubeziehen ist, kann dem Gegenstand des Verwendungsanspruchs 1 die Neuheit zuerkannt werden, da weder die Verwendung des von Anspruch 1 mitumfaßten Efomycin E, das als solches zwar unbestritten nicht mehr neu ist, noch die neuen Efomycine A - D und F zur Leistungsförderung bei Tieren in einem der im bisherigen Verfahren vorliegenden Dokumente beschrieben ist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1. Die Anmeldung betrifft einerseits neue ausgewählte Vertreter einer definierten Gruppe von Antibiotika, die als mit den makroliden Antibiotika verwandt angesehen werden (Anspruch 4) und zwar die Dilactone Efomycin A - D und F und andererseits deren und des Efomycins E Verwendung als nichttherapeutische Leistungsförderer bei Tieren (Anspruch 1). Im Folgenden wird vorerst die erfinderische Tätigkeit bezüglich des Stoffanspruches 4 abgehandelt.

4.2. Nach Auffassung der Kammer ist der nächstkommende Stand der Technik durch Dokument (2) repräsentiert, in dem der Einfluß verschiedener Antibiotika auf die Pansenfermentation anhand von in vitro Tests untersucht wird. Gemäß Tabelle 2 auf den Seiten 388/389 kommen aus einer Testgruppe von 16 Antibiotika u. a. die makroliden Antibiotika Erythromycin und Tylosin zur Anwendung. Im Ergebnis zeigen sich für das Essigsäure/ Propionsäureverhältnis (A : P-Wert), unterschiedliche Abhängigkeiten von der absolut zugeführten Menge an Antibiotika, und zwar für 10, 40, 200 ppm Erythromycin jeweils A : P Werte von 97, 170, 128. Die gleichen Einsätze an Tylosin führen zu A : P Werten von 107, 128, 98, wobei allen Messungen eine A : P Verhältniszahl von 100 als Referenzwert auf Negativkontrollen basierend zugrundegelegt ist. Eine für die Nahrungsverwertung und somit Leistungsförderung günstige Erhöhung der Propionsäureanteile bei allen drei Testmengen läßt sich gemäß Tabelle 2 am besten für die Antibiotika Capreomycindisulfat (A : P 69, 89, 86) und Thiram (A : P 60, 46, 75) ablesen.

4.3. Gegenüber diesem Stand der Technik kann die der Anmeldung zugrundeliegende technische Aufgabe darin gesehen werden, weitere Antibiotika bereitzustellen, die zur Leistungsförderung bei Tieren geeignet sind.

Diese Aufgabe wird gemäß Stoffanspruch 4 gelöst. Aufgrund der in vitro Testergebnisse in den Tabellen a - c zum Beispiel A ist glaubhaft, daß die beanspruchten Efomycinen A - D und F sowie Efomycin E als Leistungsförderer bei Tieren durch Beeinflussung des Essigsäure/Propionsäure- Verhältnisses bei der Pansenfermentation geeignet ist, also die bestehende Aufgabe tatsächlich gelöst worden ist.

4.4. Wie voranstehend unter 4.2 bereits angedeutet, finden sich in Dokument (2) nicht nur keinerlei Hinweise auf Efomycine, der Fachmann wird überdies durch die nicht ganz eindeutigen und wenig aussagekräftigen Testergebnisse von Erythromycin und Tylosin in diesem Dokument bei der Suche nach neuen Wirkstoffen, die die Pansenfermentation günstig beeinflussen sollen, entmutigt, die Klasse der makroliden Antibiotika zeit- und kostenaufwendig weiter nach Leistungsförderern zu durchsuchen. Vielmehr wird sich der Fachmann im Rahmen der normalen technischen Weiterentwicklung solchen Gruppen von Antibiotika zuwenden, in denen bereits wirksame Leistungsförderer gefunden wurden, beispielsweise der Gruppe der Glycopeptidantibiotika, die Gegenstand des, der oben unter Punkt. 2.3.2 genannten Entscheidung T 582/88 zugrundeliegenden, Anspruchs waren. Der Anmelderin kann zugestimmt werden, daß der Stand der Technik belegt, daß nur einzelne Vertreter in der Gruppe der makroliden Antibiotika für die Verwendung als Leistungsförderer geeignet sind. Für die Gruppe der mit den makroliden Antibiotika verwandten Dilactone gibt es keinerlei Hinweise für diese Eigenschaft. Es ist davon auszugehen, daß im Rahmen einer vernünftigen Investitionsplanung der Fachmann nicht wahllos die in die Tausende gehenden und unterschiedlichsten chemischen Klassen angehörenden Antibiotika auf bestimmte Eigenschaften durchtestet.

4.5. Das einzige im europäischen Recherchenbericht genannte, vor dem Prioritätsdatum der Anmeldung veröffentlichte und von der Prüfungsabteilung zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogene Dokument (1) beschreibt, wie im Zurückweisungsbeschluß zu Recht festgestellt wird, die Isolierung des von den Stoffansprüchen nicht mitumfaßten Efomycin E, dort als Azalomycin B bezeichnet, sowie die Herstellung von entsprechenden Mitteln hieraus, die zur Verfütterung an Tiere geeignet sind (vgl. Beispiel 1 sowie Spalte 8, Zeile 54 bis Spalte 9, Zeile 5). Abgesehen davon, daß sich in diesem Stand der Technik keine Hinweise auf die Isolierung weiterer Efomycine findet - es wird lediglich in den Beispielen die Abtrennung von Azalomycin B, (Efomycin E) aus der Kulturbrühe sowie die Aufarbeitung der entsprechenden Fraktion zu weißen, kristallinen Reinprodukten beschrieben - lassen auch die dort angeführten Wirkungen keinerlei Schlüsse auf einen möglichen Einsatz als nichttherapeutischer Leistungsförderer im voranstehend unter Punkt 2.3 definierten Sinne zu. Gemäß Dokument (1) wird die prophylaktische Wirkung von Azalomycin B gegen pathogene Mikroorganismen, die bei Menschen, Tieren und Pflanzen auftreten, hervorgehoben, wobei diesem Antibiotikum hauptsächlich eine Wirkung gegen grampositive Bakterien, insbesondere Diphtherie hervorrufende Pathogene, zugeschrieben wird. Ferner werden verschiedene Formulierungen in Kombination mit anderen Wirkstoffen, so u. a. pulverförmigen Mischungen, Salben und physiologischen Lösungen vorgeschlagen. Beim konkreten Einsatz als Wachstumsinhibitor gegen Bakterien, Pilze und Protozoen soll die Anwendung dann unmittelbar in der infizierten Region erfolgen. Der Gesamtoffenbarungsgehalt dieses Dokumentes ist somit auf therapeutische Anwendungen gerichtet. Es läge dem Fachmann sicherlich auch fern, im Lichte des Offenbarungsgehaltes von (1) nach neuen Efomycinen zu suchen, um dann deren Einfluß auf die Pansenfermentation bei Wiederkäuern zu testen, also die Lehren der Dokumente (1) und (2) ohne jegliche Berücksichtigung der zu lösenden Aufgabe zu kombinieren.

4.6. Am Rande sei bemerkt, daß im vorliegenden Falle auch der Zeitfaktor herangezogen werden kann, also der Zeitraum, welcher zwischen dem Veröffentlichungsdatum von Dokument (1), dem 5. Februar 1963, und dem Prioritätsdatum der Anmeldung, dem 30. März 1985, liegt. Nach Auffassung der Kammer kann eine solche Zeitspanne in einem technischen Bereich, der allgemein eine sehr große wirtschaftliche Beachtung findet, als eines der Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden, denn die Fachwelt hat jedenfalls in dieser Zeitspanne keinen Grund gesehen, unter den Dilactonen nach neuen Efomycinen zu suchen.

4.7. Der Schlußfolgerung der Prüfungsabteilung, daß die mögliche Eignung eines neuen Antibiotikums als Leistungsförderer nur Routinetests erfordere, die in jedem Falle vom Fachmann auch ohne nähere Anregung aus dem bekannten Stand der Technik, also ohne Hinweise auf eine entsprechende Aufgabe, in nichterfinderischer Weise durchgeführt würden, kann in der vorliegenden, oben abgehandelten Situation jedenfalls nicht beigetreten werden. Der Fachmann wird, wie voranstehend unter Punkt 4.4 dargelegt, jedenfalls nicht wahllos Routinetests durchführen.

4.8. Aus alledem folgt, daß das Zuverfügungstellen der neuen Efomycinen A - D und F gemäß Anspruch 4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.9. Der auf ein Mittel zur Leistungsförderung gerichteten Anspruch 2 und der auf Tierfutter, Trinkwasser für Tiere, Zusätze für Tierfutter und Trinkwasser für Tiere gerichtete Anspruch 3 schließen die Efomycine A - D und F ein, so daß sich deren Patentfähigkeit aus Anspruch 4 herleiten läßt.

4.10. Der Verwendungsanspruch 1 umfaßt neben den neuen Efomycinen auch das bekannte Efomycin E. Aus den voranstehenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit der neuen Efomycine geht hervor, daß die Verwendung dieses bekannten Antibiotikums als nichttherapeutischer Leistungsförderer gegenüber dem in diesem Verfahren vorliegenden Stand der Technik als für den Fachmann nicht nahegelegt angesehen werden muß und somit auch der Gegenstand dieses Anspruches in seiner Gesamtheit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird erteilt, auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 4 und einer Beschreibung, gemäß des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrages.

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