European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:T065689.19920203 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 Februar 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0656/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 83100325.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | E03C 1/042 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anschlußeinrichtung für Armaturen | ||||||||
Name des Anmelders: | G. Fischer AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | R. Nussbaum AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Inventive step (after limitation : yes) Erfinderische Tätigkeit (nach Einschränkung bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 15. Januar 1983 angemeldete und am 10. August 1983 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 83 100 325.6 ist am 10. September 1986 das europäische Patent Nr. 0 085 329 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und beantragt das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Zur Stützung ihres Einspruches verwies sie auf folgende Dokumente:
(D1) EP-A-56 25
(D2) CH-A-593 394
(D3) Technische Information "Programma Giacomini 80"
(D4) Industrielle Organisation 30, 1961, Nr. 8, Zürich (CH), Hans R. Rüegger, "Neubauten, Erweiterungs- und Umbauten", Seiten 373 - 396, Seite 376
(D5) Schweizerische Spenglermeister- und Installateurzeitung Nr. 25 vom 30. November 1979, Zürich (CH), Hans Tanner, Neomodul von K.W.C., Seiten 1035 und 1036
(D6) DE-U-7 927 117
(D7) REHAU-Rohre aus RAU-VPE 215 für Trinkwasserleitungen in Gebäuden, technische Information 31 160 (Impressum 31 160 MUeS, 3.81 auf Seite 46), Seiten 5 und 36, und (D8) DE-U-8 126 536.
In einem späteren Stadium des Verfahrens hat sie noch die Dokumente
(D9) Prospekt der Officine Emmedue di Melega M. & C., Via Lavino 205/6, Calderino (IT), Listino Prezzi 2/1980, Art. 234
(D10) Prospekt "Simplex Rohrrosetten" Joh. Wilfer GmbH & Co.KG Isny/Allgäu (DE)
(D11) Prospekt "Simibox", 1981 (Druckvermerk 1281 Z) und
(D12) CH-A-557 980 genannt.
III. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 20. Oktober 1988 ergab sich die Notwendigkeit einer Einschränkung des erteilten Schutzbegehrens, wobei die Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hauptantrag mit den Ansprüchen 1 bis 8 in Aussicht gestellt hat.
IV. Das Verfahren nach Regel 58 (4) EPÜ wurde mit der Mitteilung vom 22. Dezember 1988 durchgeführt. Die Beschwerdeführerin war mit dieser Fassung nicht einverstanden, so daß die Einspruchsabteilung am 22. August 1989 eine Zwischenentscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ erließ.
V. Gegen diese Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin am 9. September 1989 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 8. Dezember 1989 begründet. In ihrer Beschwerdebegründung kommt die Beschwerdeführerin zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Lichte der Dokumente (D1) und (D3) nicht patentfähig sei, wobei dies bei Einbeziehung der Lehre des Dokumentes (D8) auch für den Gegenstand des Anspruchs 2 gelte (Artikel 56 EPÜ), so daß der Widerruf des Patents in seinem gesamten Umfange begründet sei.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat diesen Argumenten widersprochen und hat im Anschluß an die Mitteilung gemäß Artikel 11 Absatz 2 VOBK vom 12. November 1991, in der die Kammer ihre vorläufige Beurteilung des Sachverhalts zu erkennen gegeben hat, neue Ansprüche 1 bis 7 und eine daran angepaßte Beschreibung vorgelegt. Auf dieser Basis erfolgte die mündliche Verhandlung vor der Kammer.
VII. Die einleitende Diskussion des unabhängigen Anspruchs 2 führte seitens der Beschwerdegegnerin zur Vorlage eines neugefaßten Anspruchs 2, in dem das Merkmal im Kennzeichenteil dieses Anspruchs, das auf die Ausnehmungen im Deckel bzw. Unterteil gerichtet ist, umformuliert wurde, um jeden Klarheitseinwand zu beseitigen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte somit die Aufrechterhaltung des Patents mit folgenden zwei unabhängigen Ansprüchen (Hauptantrag):
"1. Anschlußeinrichtung für Auslauf-Armaturen bei einer Anlage zur Führung von Brauchwasser, in flexiblen Rohrleitungen (15), welche in Leerrohren (17) in einem Bauwerk verlegt sind, mit einem unter der Wandoberfläche in einer Anschlußdose (3) befestigten Anschlußstück (12), welches mindestens einen Rohrleitungsanschluß (16) und einen in einer Öffnung der Anschlußdose (3) angeordneten Anschluß (14) für die Auslaufarmatur aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Anschlußdose (3) ein Unterteil (4) sowie einen darauf steckbaren Deckel (5) mit der Öffnung (22) für den Armaturen-Anschluß (14) aufweist, daß der Deckel (5) und das Unterteil (4) mindestens je eine Ausnehmung (18, 18a) aufweisen, welche zusammen jeweils eine Halterung (19) für ein Leerrohr (17) bilden und daß das Anschlußstück (12) mit der angeschlossenen flexiblen Rohrleitung (15) von vorn in das Unterteil (4) einlegbar, befestigbar und durch den Deckel (5) abdeckbar ist, wobei das Unterteil (4) eine Halterung (7) mit einer halbkreisförmigen Ausnehmung (11) aufweist, in welcher das als Winkelstück ausgebildete Anschlußstück (12) zentriert und mittels einer Überwurfmutter (13) befestigt ist (Fig. 1 bis 3).
2. Anschlußeinrichtung für Auslauf-Armaturen bei einer Anlage für Führung von Brauchwasser, in flexiblen Rohrleitungen (15), welche in Leerrohren (17) in einem Bauwerk verlegt sind, mit einem unter der Wandoberfläche in einer Anschlußdose (3) befestigten Anschlußstück (12), welches mindestens einen Rohrleitungsanschluß (16) und einen in einer Öffnung der Anschlußdose (3) angeordneten Anschluß (14) für die Auslaufarmatur aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Anschlußdose (3) ein Unterteil (4) sowie einen darauf steckbaren Deckel (5) mit der Öffnung (22) für den Armaturen-Anschluß (14) aufweist, daß der Deckel (5) und das Unterteil (4) mindestens je eine Ausnehmung für jedes Leerrohr aufweist, welche zusammen jeweils eine Halterung für die Leerrohre (17a, 17b) bilden und daß das Anschlußstück (12a) zwei miteinander und mit dem Armaturenanschluß (14) verbundene Rohranschlüsse für nebeneinanderliegende Rohrleitungen (15a, 15b) aufweist und zusammen mit den beiden angeschlossenen flexiblen Rohrleitungen (15a, 15b) von vorn in das Unterteil (4) einlegbar, mittels Schrauben (27) an einer mit dem Unterteil (4) verbundenen Platte befestigbar und durch den Deckel (5) abdeckbar ist (Fig. 4 bis 6)."
in Verbindung mit den Ansprüchen 3 bis 7, sowie der Beschreibung und den Zeichnungen, jeweils eingegangen am 9. Januar 1992.
Im Rahmen eines Hilfsantrages beantragte sie die Streichung der Ansprüche 2 bis 5 und die Umbenennung der Ansprüche 6 und 7 des Hauptantrages in Ansprüche 2 und 3, wobei die Rückbeziehung ebenfalls angepaßt werden sollte.
VIII. Die Beschwerdeführerin trug in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vor, daß ihrer Meinung nach die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 2 durch die Kombination der Dokumente (D2) und (D3) bzw. (D2), (D3) und (D8) im Sinne der Artikel 56 bzw. 100 a) EPÜ nahegelegt seien. Im einzelnen würde das Dokument (D3) eine Brücke zwischen den Gebieten Sanitär- und Heizungstechnik schlagen, vgl. Titelseite untere vier Prinzipbilder, so daß dieses Dokument auf das gattungsbestimmende Dokument (D2) übertragbar sei. Die Trennebene von Deckel und Bodenteil wäre dabei im Sinne des angegriffenen Anspruchs 1 zu legen, so daß die wesentlichen Merkmale dieses Anspruchs getroffen wären. Mit Blick auf den geltenden Anspruch 2 verwies die Beschwerdeführerin zusätzlich noch auf das Dokument (D8), welches die Möglichkeiten aufzeige, wie zwei Zuleitungen an einen Auslaß anzuschließen seien, vgl. Figur 3 dieses Dokumentes.
Die Beschwerdeführerin beantragte somit den Widerruf des Patents auch in dessen weiter eingeschränkter und klargestellter geltenden Fassung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
Hauptantrag:
1. Artikel 123 EPÜ
1.1. Der geltende Anspruch 1 setzt sich aus Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 (einzelne Rohrleitung bzw. einzelnes Leerrohr), 2 (Halterung bzw. Befestigung des Winkelstücks), 8 (Aufnehmungen im Deckel bzw. Unterteil als Halterung für ein Leerrohr), sowie der ursprünglichen Beschreibung S. 4 Z. 3 bis 1 v. u. und den ursprünglich eingereichten Fig. 2/3 (Auslaufarmatur bzw. Anschluß für dieselbe) zusammen.
1.2. Der geltende Anspruch 2 entspricht in seinem Oberbegriff demjenigen des geltenden Anspruchs 1; seine kennzeichnenden Merkmale stammen aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 (Unterteil mit Deckel und Öffnung im Deckel), 3 (zwei Rohrleitungen und zwei Rohranschlüsse am Anschlußstück), 4 (Halterung mittels Schrauben), 8 (Ausnehmungen im Deckel und Unterteil als Halterungen für die Leerrohre) bzw. wiederum 1 bezüglich des Merkmals "Einlegen von vorne, Befestigen und Abdecken."
1.3. Die geltenden abhängigen Ansprüche 3 bis 7 gehen auf die ursprüngliche Fig. 5 und deren Beschreibung sowie auf die ursprünglichen Ansprüche 5, 6, 7 und 9 zurück.
1.4. Im Ergebnis sind die geltenden Ansprüche 1 bis 7 aus der Sicht des Artikels 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden. 1.5. Der geltende Anspruch 1 umfaßt die Merkmale des erteilten Anspruchs 1, wobei er durch das Merkmal des erteilten Anspruchs 8 in seinem Schutzumfang eingeschränkt worden ist.
1.6. Der geltende Anspruch 2 ist durch die Aufnahme der Merkmale der erteilten Ansprüche 8 und 4 weiter eingeschränkt und ansonsten bezüglich der Zahl der Ausnehmungen für die Leerrohre nur klargestellt worden.
1.7. Die geltenden Ansprüche 3 bis 7 entsprechen den erteilten Ansprüchen 3, 5, 6, 7 und 9.
1.8. Damit erfüllt das Schutzbegehren gemäß Hauptantrag auch die Bedingung des Artikels 123 (3) EPÜ, da der Schutzbereich gegenüber der erteilten Fassung nicht erweitert, sondern durch die Hereinnahme von Merkmalen aus den erteilten, abhängigen Ansprüchen eingeschränkt worden ist.
1.9. Das Schutzbegehren gemäß Hauptantrag ist zusammenfassend aus der Sicht des Artikels 123 EPÜ somit nicht angreifbar.
2. Nächstkommender Stand der Technik, Aufgabe und deren Lösung, vorteilhafte Wirkungen:
2.1. Es bestand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zwischen den Parteien darüber Einigkeit, daß das Dokument (D2) und nicht - wie in einem früheren Stadium noch vorausgesetzt - das Dokument (D1) den gattungsnächsten Stand der Technik wiedergibt. Damit hat die Beschreibungseinleitung gemäß erteilter, geltender Fassung weiterhin Gültigkeit, da die Erfindung schon dort aus diesem Blickwinkel dargestellt wurde, nämlich durch Schilderung der Nachteile des Standes der Technik gemäß Dokument (D2), durch das Stellen der mit der Erfindung zu lösenden, technischen Aufgabe und die Angabe der zur Lösung dieser Aufgabe erforderlichen Merkmale.
2.2. Die Anschlußeinrichtung für Auslauf-Armaturen gemäß dem Dokument (D2) ist in Übereinstimmung mit der Darstellung in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents gekennzeichnet durch die Dosenausbildung, bei der zwar ein Unterteil und ein Deckel vorhanden sind, vgl. Bezugszeichen "42" und "39", aber in einer konstruktiven Ausgestaltung, daß auch bei der Erstmontage für das Herstellen der Verbindung von Rohr und Anschlußstück das Rohr aus dem in der Mauer befindlichen Leerrohr so weit herausgezogen werden muß, daß der Klemmverbinder gut zugänglich ist. Anschließend ist die Einheit aus Rohr, Anschlußstück und Klemmverbinder wieder in die Dose zurückzuziehen, bevor das Verteil-Anschlußstück befestigt werden kann. Erkennbar ist diese Montageart umständlich und zeitaufwendig.
2.3. Von dem Dokument (D2) als nächstkommendem Stand der Technik ausgehend, liegt der Erfindung die Sp. 2 Z. 5 ff. der Beschreibung entnehmbare Aufgabe zugrunde, d. h. eine Möglichkeit zu eröffnen, bei der Erstmontage ein Herausziehen der Rohre aus den Leerrohren zu vermeiden und damit eine gut zugängliche Anschlußdose zu schaffen. Als Zusatzaufgabe wird noch angestrebt die Anschlußdose auch für Zirkulations- bzw. Ringleitungen, also für mehr als einen Rohranschluß, einsetzbar zu machen.
2.4. Die vorgenannte Aufgabe der Erfindung ist mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst, wobei Anspruch 2 die Merkmale angibt, die notwendig sind, um auch noch die Zusatzaufgabe der Erfindung zu lösen. Insofern haben beide unabhängige Ansprüche ihre Berechtigung.
2.4.1. Die Lehre, die Anspruch 1 dem Fachmann vermittelt, kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Die Anschlußdose gemäß Gattungsbegriff ist in einer geeigneten Ebene zu teilen, so daß ein Unterteil und ein Deckel entstehen; der Deckel ist über seine (bekannte) Abdeckfunktion hinaus aber noch als Halterung für ein Leerrohr ausgebildet, indem nämlich hierfür Ausnehmungen im Unterteil und im Deckel vorgesehen sind. Durch die vorteilhaft gewählte Trennebene zwischen Unterteil und Deckel ist das Anschlußstück von vorn in das Unterteil einlegbar, befestigbar und durch den Deckel abdeckbar. Das Unterteil weist darüber hinaus noch eine Halterung für ein als Winkelstück ausgebildetes Anschlußstück auf, so daß das Winkelstück in einer Ausnehmung der Halterung zentriert und mittels einer Überwurfmutter zu befestigen ist.
2.4.2. Erkennbar sind bei der Anschlußdose gemäß geltendem Anspruch 1 die Rohranschlüsse ohne Herausziehen der Rohrleitung zugänglich, so daß die Montage erleichtert und ein sicherer Halt des Anschlußstückes gewährleistet sind, vgl. geltende Beschreibung Sp. 2 Z. 25 bis 32.
2.4.3. Die Lehre des geltenden Anspruchs 2 ist im wesentlichen auf eine Verdoppelung der Zahl der Ausnehmungen im Unterteil und im Deckel für zwei Leerrohre abgestellt, wobei das Anschlußstück gezielt für zwei Rohranschlüsse ausgebildet ist. Wie beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist wiederum ein Einlegen von vorn gewährleistet, wobei das Anschlußstück mittels Schrauben an einer mit dem Unterteil verbundenen Platte befestigt ist.
2.4.4. Die Anschlußdose gemäß geltendem Anspruch 2 eröffnet die Möglichkeit dieselbe in Ringleitungen einzusetzen, so daß sich sowohl kurze Rohrleitungen als auch eine platzsparende Verlegung der Rohrleitung von Armatur zu Armatur ergibt, wobei die Zugänglichkeit der Mehrzahl von Rohranschlüssen sichergestellt ist, vgl. geltende Beschreibung Sp. 2 Z. 33 bis 44.
3. Neuheit Die Frage der Neuheit der Anschlußdose gemäß Anspruch 1 bzw. 2 war schon vor der weiteren Einschränkung dieser Ansprüche durch die Aufnahme von Merkmalen aus den erteilten Ansprüchen 8 bzw. 8 und 4 nicht strittig zwischen den Parteien, so daß sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen (Artikel 54 EPÜ).
In diesem Zusammenhang schließt die Kammer die Dokumente (D9) bis (D12) in Ausschöpfung ihres Ermessensspielraums gemäß Artikel 114 (2) EPÜ - wie in der Mitteilung vom 12. November 1991 bereits angekündigt - von allen weiteren Betrachtungen aus, und zwar wegen Irrelevanz.
4. Bei gegebener Neuheit der Anschlußdose gemäß geltendem Anspruch 1 bzw. 2 konzentriert sich die Frage der Patentfähigkeit dieser Gegenstände ganz auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen erfinderischer Tätigkeit. Die Kammer kommt dabei zu folgendem Ergebnis:
4.1. Von Bedeutung erscheinen in diesem Zusammenhang lediglich die Dokumente (D1), (D2), (D3) und mit Blick auf den geltenden Anspruch 2 das Dokument (D8) zu sein. Die Beschwerdeführerin hat in der Verhandlung vor der Kammer keinerlei Ausführungen zu den Dokumenten (D4) bis (D7) gemacht, so daß auch sie von ihrer Irrelevanz im Hinblick auf die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 2 überzeugt ist.
4.2. Anspruch 1:
4.2.1. Zur Interpretation des geltenden Anspruchs 1 sei vorweggestellt, daß das in der Verhandlung vor der Kammer von der Beschwerdeführerin vorgetragene Argument, wonach das Leerrohr und die flexible Rohrleitung nicht Gegenstand des Anspruchs 1 seien, nicht gegen die Fassung des Anspruchs 1 spricht. Dieses Argument hat zumindest nach Hereinnahme des Merkmals des erteilten Anspruchs 8 in den Anspruch 1 keine Berechtigung, da eine Anschlußdose, die eine Halterung für ein Leerrohr und die ein Anschlußstück für eine flexible Rohrleitung aufweist, schlechterdings nicht ohne Bezugnahme auf diese Bauteile zu definieren ist.
Wie nachfolgend noch auszuführen ist, spielt das in Rede stehende Merkmal des Anspruchs 1 auch in die Relevanz des entgegengehaltenen Stands der Technik hinein, vor allem was die Dokumente (D1) bis (D3) anbelangt.
4.2.2. Von den Dokumenten (D1), (D2) und (D3) betrifft nur (D2) die "Leerrohr-Technik", während das Dokument (D3) ganz eindeutig nicht diese Technik betrifft und da auch das Dokument (D1) nach Überzeugung der Kammer ohne Leerrohre auskommt.
4.2.3. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang auf die Fig. 11 des Dokumentes (D1) verwiesen, in der ein Sägezahnprofil "42" für das Vorliegen eines Leerrohres spreche. Die Textstelle gemäß S. 7 Z. 14 bis 18 ist dagegen ganz eindeutig nur auf ein flexibles Kunststoffrohr abgestellt. Das alleinige Vorhandensein eines Sägezahnprofiles spricht somit noch nicht für das Vorliegen eines Leerrohres, da in dieses Profilstück auch nur eine Abschlußmuffe, welche die flexible Rohrleitung umgibt, einschiebbar ist.
Abgesehen von der Frage "Leerrohr ja oder nein?" fällt beim Gegenstand des Dokuments (D1) die umfangsseitig geschlossene Anschlußdose "41" auf, die von vornherein eine Montage "von vorne", wie sie Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist, ausschließt, so daß das Dokument (D1) keinen Beitrag zur Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe leisten kann. Die Notwendigkeit der Verschweißung der Bauteile "41" und "42" spricht weiter gegen die Berücksichtigung dieser Druckschrift des vor der Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe stehenden Fachmanns, da erkennbar auch das Bauteil "42" ungeteilt ist und eine Montage "von vorne" unmöglich macht.
4.2.4. Das Dokument (D3) stellt mit den vier Prinzipbilder auf seiner Titelseite eine Brücke her zwischen der Heizungs- und der Sanitärtechnik, obwohl dieses Dokument bezüglich der "Leerrohr-Technik" nichts hergibt, vgl. S. 11 oberes Bild, welches erkennen läßt, daß die flexible Rohrleitung unmittelbar im Mauerwerk verankert ist. Aus dem darunter ersichtlichen Bild "R 508" ist andererseits aber eine geteilte Anschlußdose erkennbar, welche im Unterteil eine Halterung für die flexible Rohrleitung erkennen läßt. Es handelt sich dabei um die einfachste Art einer Halterung, nämlich die mit federnden Schenkeln eines U-förmigen Teiles. Zugegebenermaßen ist mit dieser Anschlußdose eine Montage "von vorne" möglich.
4.2.5. Die Beschwerdeführerin hat daraus den Schluß gezogen, daß der vor der Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe stehende Fachmann die Lehre des Dokumentes (D3) auf das Dokument (D2) übertragen würde, obwohl - wie vorstehend ausgeführt wurde - in einem Fall mit Leerrohren, im anderen Falle ohne dieselben gearbeitet wird.
4.2.6. Für die Kammer besteht in Anwendung der in der Entscheidung T 2/83, veröffentlicht in ABl. EPA 1984, 265 entwickelten Grundsätze keinerlei Anlaß, eine solche Kombination von Dokumenten überhaupt ins Auge zu fassen, da die beiden Dokumente (D3) und (D2) nicht aufeinanderweisen, sondern - offenbar unter ex post- Betrachtungsweise - erst in Kenntnis der Erfindung zusammen betrachtet werden sollen.
4.2.7. Nachfolgend soll aber dennoch der Fall untersucht werden, zu welcher Lösung der Fachmann bei gleichzeitiger Betrachtung der Dokumente (D3) und (D2) gekommen wäre:
Die direkte Übertragung der Unterteil-Deckel-Konstruktion gemäß Dokument (D2) erscheint zunächst unsinnig, da bereits ein Deckel "42" vorhanden ist. Es bedurfte somit schon eines seitens der Kammer nicht nachvollziehbaren Schrittes der Verlegung der vorhandenen Teilungsebene Unterteil-Deckel in die Ebene, die die Leerrohr-Längsachse enthält. Ist dieser Schritt getan, fällt auf, daß die das Winkelstück haltenden Schrauben "32, 32" durchtrennt würden und daß diese Halterung somit neu zu gestalten wäre. Die fiktive Dose müßte in weiterer Hinsicht umkonstruiert werden, weil eine Befestigung für den Deckel zu schaffen wäre; schließlich wäre auch noch die Halterung des Leerrohres neu zu überdenken, weil Anspruch 1 hierfür Ausnehmungen im Unterteil und im Deckel vorschreibt; diese Art der Klemmung mag an sich bekannt sein, sie findet aber weder im Dokument (D3) noch im Dokument (D2) in dieser Form Anwendung, so daß auch die Kombination dieser Druckschriften den Fachmann insoweit ohne Anleitung ließe. Dies trifft in erhöhtem Maße auch für die halbkreisförmige Halterung im Zusammenspiel mit einer Überwurfmutter gemäß geltendem Anspruch 1 zu, da letzteres Merkmal ohne Vorbild im Stand der Technik ist, weil das Dokument (D3) wohl eine halbkreisförmige Halterung per se, aber nicht in Verbindung mit einer Überwurfmutter beinhaltet. Insofern ist im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin der Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 doch differenzierend. Da dieses Merkmal ursächlich mit der Frage der zu lösenden Aufgabe zusammenhängt, nämlich mit der Montage "von vorne", ist es ein tragendes Merkmal des geltenden Anspruchs 1.
4.2.8. Bei dieser Sachlage ergibt sich, daß es einer Reihe von erfinderischen Schritten bedurfte, um vom Gegenstand des Dokumentes (D2) zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 zu gelangen, so daß selbst die gleichzeitige Betrachtung zweier Druckschriften nicht in naheliegender Weise zur Lehre des angegriffenen Anspruchs 1 führen konnte.
Der geltende Anspruch 1 definiert somit einen Gegenstand, der auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ), so daß dieser Anspruch Rechtsbestand haben kann.
4.3. Anspruch 2:
4.3.1. Viele Überlegungen, die für die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 sprechen, gelten auch für den Gegenstand des geltenden Anspruchs 2, da dieser in wesentlichen Teilen mit ersterem übereinstimmt. Es soll nachfolgend vor allem auf die Unterschiedsmerkmale der geltenden Ansprüche 1 und 2 eingegangen werden.
4.3.2. Das erste Unterschiedsmerkmal ist die zweifache Halterungsmöglichkeit im Unterteil und Deckel, die aus der Notwendigkeit resultiert, nebeneinanderliegende Leerrohre zu klemmen. Diese Maßnahme für sich mag naheliegend sein, aber darauf kann es im vorliegenden Falle nicht ankommen, weil hier eine Gesamtkombination unter Schutz gestellt werden soll und es gemäß Entscheidung T 37/85, veröffentlicht in ABl. EPA 1988, 86 (nur Leitsatz) unbeachtlich ist, wenn einzelne oder mehrere Merkmale der Kombination bekannt sind.
4.3.3. Mit Blick auf das Dokument (D8), vgl. Fig. 3 Bezugszeichen "3, 3" und "38" bzw. "31", ist die Rohrverbindung zweier Rohre "an sich bekannt", wenn auch das Dokument (D8) für die erste Teilaufgabe der Erfindung, nämlich einfache Erstmontage bei "Leerrohr-Technik", keinerlei verwertbaren Hinweis in Richtung einer Montagedose, die zweiteilig ist, gibt.
Schließlich ist das Merkmal des Anspruchs 2 bezüglich der Schraubenbefestigung an einer mit dem Unterteil verbundenen Platte, im hier vorliegenden Wortlaut aus dem Dokument (D2) nicht bekannt, weil dieser Wortlaut auf die Befestigung eines zwei Rohre aufnehmenden und verbindenden Anschlußstückes abgestellt ist.
4.3.4. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß der Fachmann drei Dokumente hätte kombinieren müssen, nämlich die Dokumente (D3), (D2) und (D8), um den Gegenstand des Anspruchs 2 zu erhalten. Wie die Diskussion des Gegenstands von Anspruch 1 gezeigt hat, ist es fraglich, ob der vor der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe stehende Fachmann die Dokumente (D3) und (D2) in Kombination sehen würde; noch viel fraglicher ist es, ob er zusätzlich noch das Dokument (D8), welches nicht einmal Leerrohre betrifft, und nur ein kennzeichnendes Merkmal des Anspruchs 2 trifft, aber ansonsten wenig Gemeinsamkeiten mit dem Gegenstand des Anspruchs 2 hat, zusätzlich berücksichtigen würde.
4.3.5. Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist somit insgesamt nicht durch den Inhalt der Dokumente (D3), (D2) und (D8) bestimmt, sondern das Ergebnis einer unzulässigen Auswertung dieser Druckschriften in Kenntnis der Erfindung.
4.3.6. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, daß auch der Gegenstand des geltenden Anspruchs 2 auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ) und daß auch dieser unabhängige Anspruch Rechtsbestand haben kann.
4.4. Da die sonstigen Unterlagen gemäß Hauptantrag die wesentlichen Erfordernisse des EPÜ erfüllen, ist der Hauptantrag insgesamt akzeptabel, so daß das Patent in dieser eingeschränkten Fassung rechtsbeständig ist.
Hilfsantrag:
Da schon der Hauptantrag annehmbar ist, ist auf den Hilfsantrag nicht mehr im einzelnen einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Auflage das Patent gemäß Hauptantrag aufrechtzuerhalten (vgl. Punkt VII gemäß "Sachverhalt und Anträge").