T 0484/89 () of 8.12.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T048489.19921208
Datum der Entscheidung: 08 Dezember 1992
Aktenzeichen: T 0484/89
Anmeldenummer: 84108164.9
IPC-Klasse: E06B 3/66
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbindungsstück für Hohlprofile, die als Abstandhalter für Isolierglasscheiben oder dgl. dienen
Name des Anmelders: Franz Xaver Bayer, Isolierglasfabrik KG
Name des Einsprechenden: 01: Wilhelm Frank GmbH
02: Lenhardt Maschinenbau GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 Art 114
Schlagwörter: Funktionelle Bestimmung geometrisch-mechanischer Merkmale
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Verfahrensrechtliche Bedeutung der Erklärung der Beschwerdegegnerin: (Hiermit nehmen wir den Einspruch zurück)
Novelty - yes
Opposition - withdrawal
Basis of decisions - right to be heard
Examination of own motion - opposition
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0114/99
T 0064/03
T 0066/14

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Gegenstand der am 12. Juli 1984 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 84 108 164.9 ist am 29. Juli 1987 das 17 Ansprüche umfassende Patent Nr. 133 655 erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent sind zwei Einsprüche eingelegt worden mit dem Antrag, das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Einsprüche stützten sich insbesondere auf folgende Dokumente:

D1: CH-A-579 222

D2: DE-U- 7 825 704

D4: DE-U-8 227 371.

III. In der mündlichen Verhandlung wurde von der Einspruchsabteilung das im Recherchenbericht aufgeführte Dokument

D6: DE-U-7 438 128

herangezogen. Durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. Juni 1989, zur Post gegeben am 23. Juni 1989, wurde das Patent widerrufen, da es im Hinblick auf die Dokumente D2 und D6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

IV. Gegen diesen Widerruf richtet sich die seitens der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 7. Juli 1989 mit der Beschwerdebegründung und unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingereichte Beschwerde.

Gleichzeitig sind geänderte Schutzbegehren vorgelegt worden, die als "Alternative A" bis "Alternative L" bezeichnet sind.

In der Beschwerdebegründung weist die Beschwerdeführerin darauf hin, sie sei in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 1989 dadurch überrascht worden, daß Dokument D6, das von den Einsprechenden niemals aufgegriffen worden sei, zum ersten Mal seitens der Einspruchsabteilung genannt worden sei. Sie ist der Meinung, der Verlauf der mündlichen Verhandlung hätte zu wenig Gelegenheit gegeben, Dokument D6 ausreichend zu würdigen.

Mit Schreiben, datiert vom 14. November 1989, legt die Beschwerdeführerin eine Kopie des Beschlusses des Deutschen Patentamts mit dem Aktenzeichen P 33 27 366.9- 25 bei, mit welchem das Patent 33 27 366 nach Prüfung der Einsprüche in vollem Umfang aufrechterhalten worden ist.

V. Die Einsprechende O2 war der Ansicht, daß der Gegenstand aller Alternativen A bis M nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, insbesondere da man durch Kombination von Dokument D6 mit D2 unmittelbar zum Gegenstand des erteilten Anspruchs komme.

VI. In ihrer Stellungnahme auf eine Mitteilung der Kammer legte die Beschwerdeführerin am 9. April 1991 einen Satz Patentansprüche 1 bis 16 und eine angepaßte Beschreibung vor.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"1. Verbindungsstück (1) zum jeweils teilweisen, vorzugsweise etwa hälftigen Eingreifen in stirnseitig miteinander zu verbindende und zumindest an der Verbindungsstelle (2) abzudichtende Hohlprofile (3), die als Abstandhalter für Isolierglasscheiben od. dgl. dienen, wobei der Querschnitt des Verbindungsstückes in den inneren Hohlquerschnitt des Hohlprofiles paßt und diesem vorzugsweise etwa entspricht und zur Begrenzung seiner jeweiligen Einstecktiefe ein die Stirnseiten (4) der Hohlprofile (3) übergreifender Anschlag (5) vorgesehen ist, der in seinem Umfang dem Umfang der Hohlprofile etwa entspricht und insbesondere innerhalb der Außenkontur von deren Stirnseiten angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß als Anschlag voneinander getrennte Anschlagvorsprünge (5) vorgesehen sind, die die Stirnseiten (4) der Hohlprofile (3) für eine stirnseitige Belegung und Ausfüllung der Zwischenräume zwischen den Stirnseiten (4) mit Dichtungsmasse (6) auf Abstand halten, daß wenigstens die im Gebrauchszustand nach außen weisende Oberfläche des Verbindungsstücks (1) beidseits des Anschlages jeweils wenigstens eine Vertiefung (7) zum stellenweisen Einpressen einer Wandung (8) des Hohlprofiles (3) für eine formschlüssige Verbindung aufweist und daß die Anschlagvorsprünge (5) bei beidseitigem Druck in die Stirnseiten (4) der Hohlprofile (3) eindrückbar sind."

VII. In ihrer Stellungnahme zu Mitteilungen der Kammer vertritt die Einsprechende 2 im wesentlichen die folgendermaßen zusammengefaßten Ansichten:

a) Dokument D4 zeige ein Verbindungsstück mit Vorsprüngen, die Schrägflächen 7 und 8 aufwiesen, auf welche die Hohlprofile mit ihren beiden Enden aufgeschoben würden. Es wird auf folgende Textstelle in D4 hingewiesen: "Sobald aber eine Stirnkante des Hohlprofiles 2, 3 gegen die Anlaufschräge 7, 8 trifft, stabilisiert sich die Führung des Steckverbinders 1 im Hohlprofil 2, 3 unter Auftreten eines spürbaren Widerstandes so, daß eine Relativbewegung praktisch ausgeschlossen ist." (Seite 7, Mitte). Entsprechendes werde im angegriffenen Patent beansprucht. Dazu wird auf Anspruch 4 verwiesen. Die stärkste Einpressung der Anschläge erfolge an den Innenseiten der Wandungen 8 der Hohlprofile. Die Hohlprofilstäbe gleiten also mit ihren Enden auf die Schrägflächen auf, welche sich dadurch in die Innenseiten der Hohlprofilwandungen einpressen. Nichts anderes passiere beim Gegenstand des Dokuments D4.

b) Entscheidend sei die Frage, ob ein Verbindungsstück mit bestimmten Merkmalen erfinderisch sei oder nicht, nicht aber ein Verfahren zum Verbinden zweier Hohlprofile. Eine Patentverletzung dürfe nicht davon abhängen, wie der Benutzer mit dem Verbindungsstück umgehe, sondern nur von den Merkmalen des Verbindungsstückes selbst.

c) Der angefochtene Anspruch 1 enthalte überraschend wenig Angaben über die Gestalt des Verbindungsstücks; er bestehe zum größten Teil aus Zweckangaben und Bezugnahmen auf die Hohlprofile, die ihrerseits nicht zum unter Schutz gestellten Gegenstand gehörten. Aus dem Anspruch ließen sich nur folgende Merkmale konkret ableiten:

"Das Verbindungsstück hat etwa in der Mitte als Anschlag voneinander getrennte Anschlagvorsprünge und wenigstens auf einer Seite beidseits des Anschlages jeweils wenigstens eine Vertiefung."

d) Erst aus Patentanspruch 3 entnehme der Fachmann, daß die AV vorzugsweise in ihrem Verlauf von dem Verbindungsstück weg sich verjüngen und an ihren Stirnseiten abgeschrägt seien. Damit sei aber Dokument D4 durchaus vergleichbar, insbesondere würden auch die Zweckangaben im Oberbegriff des Anspruchs zutreffen.

e) Strittig sei die Zweckbestimmung der Anschlagvorsprünge. Patentanspruch 1 sei kein Verfahrensanspruch, sondern ein auf das Verbindungsstück gerichteter Anspruch, so daß nur nach dessen Merkmalen zu fragen sei, die es ermöglichen, die Enden der Hohlprofile auf Abstand zu halten. Es verbleibe gegenüber Dokument D4 nur ein marginaler Unterschied, da ja nach der Offenbarung im angegriffenen Patent die Fuge so eng sei, daß sie "praktisch unsichtbar" sei. Dieser Unterschied könne keine erfinderische Leistung begründen.

VIII. Die Einsprechende 1 vertritt in ihrem Schreiben, datiert vom 17. Mai 1991, im wesentlichen die nachfolgend zusammengefaßte Auffassung:

a) Dokument D1 nehme den Gegenstand des Anspruchs 1 bis auf die Eindrückbarkeit der Anschlagvorsprünge in die Stirnseiten der Hohlprofile neuheitsschädlich vorweg. Dieser einzige Unterschied stelle eine Aufgabenstellung dar, ohne daß ein Raumformmerkmal als Lösung offenbart sei.

b) Jedoch vermöge die Möglichkeit dieser Eindrückbarkeit der Anschlagvorsprüng die Verdrehfestigkeit nicht zu verbessern. Dies lasse sich nicht am Verbindungsstück selbst feststellen, sondern erst nach dem Eindrücken. Dabei komme es auf den Druckaufwand an. Ohne Druckaufwand könne jedoch das Verbindungsstück trotz Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 als bloße Einschiebebegrenzung und nicht erfindungsgemäß benutzt werden. Insofern sei der Anspruch 1 klarstellungsbedürftig.

c) Infolge dieser Unklarheit werde der Wortlaut des Anspruchs 1 durch das Dokument D1 in vollem Umfang neuheitsschädlich getroffen, da die Möglichkeit der Eindrückbarkeit auch dort vorliegend sei, wie latent bei jedem Anschlagvorsprung.

d) Auch bei allfälliger Präzisierung als "Geradeverbindungsstück" würde sich der präzisierte Gegenstand in naheliegender Weise aus Dokument D1 ergeben.

IX. Die Beschwerdeführerin weist besonders darauf hin, daß sich die Angaben in Spalte 6, Zeilen 1 bis 4 über die Einpressung der Vorsprünge und die enge Fuge auf die Stirnseite beziehen.

X. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den mit Schreiben, datiert vom 9. April 1991, eingereichten Unterlagen und mit den ursprünglichen Zeichnungen in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.

XI. Mit Schreiben, eingegangen am 7. November 1992 zieht die Einsprechende O2 und mit Schreiben, eingegangen am 16. November 1992, die Einsprechende O1 ihren Einspruch zurück.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verfahrensfragen

2.1. Rechtliches Gehör

2.1.1. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rüge bezüglich einer Verletzung des rechtlichen Gehörs dadurch, daß sie in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung mit der Entgegenhaltung des neuen Dokuments D6 überrascht worden sei und diese nicht habe gebührend würdigen können, (siehe oben unter Ziffer IV) ist folgendes festzustellen:

2.1.2. Dokument D6 offenbart technisch nicht etwas, das von den sonst diskutierten Dokumenten grundsätzlich und qualitativ abweichen würde. Im Gegenteil: sowohl D6 wie auch D1 stellen eine Einsteck-Winkelverbindung für im rechten Winkel zueinander stehende Hohlprofile dar, wobei in beiden Fällen an den Berührungspunkt der beiden Hohlprofile anstoßende Vorsprünge des Verbindungsstückes vorhanden sind. Im Unterschied zu D1 ist allerdings bei D6 noch deutlich ein zurückspringender Bereich des die Stoßfuge begrenzenden Teiles dargestellt, dessen Funktion in der Beschreibung auf Seite 2 beschrieben wird. Damit ist aber ein in der Patentschrift geltend gemachter Grundgedanke der Erfindung, nämlich die Kombination von Bildung und Verhinderung einer Fuge, schon hier deutlich erkennbar vorgestellt worden. Diese technischen Zusammenhänge sind derart deutlich, daß die Bezugnahme auf dieselben zu keiner inhaltlichen Überraschung der Beschwerdeführerin führen konnte.

2.1.3. D6 ist eine im Recherchenbericht und in der Europäischen Patentschrift zitierte Entgegenhaltung. Eine solche bildet nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern im Prinzip nicht automatisch Gegenstand des Einspruchs(beschwerde)verfahrens (T 536/88, ABl. 1991, 9; T 198/88, ABl. 1991, 254). Die Einspruchsabteilung hat jedoch aufgrund von Artikel 114 (1) EPÜ die Kompetenz, alle relevanten Entgegenhaltungen zu berücksichtigen bzw. selbst aufzugreifen. Beabsichtigt sie dies, so wird sie in der Regel mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung in einem Bescheid darauf hinweisen (Art. 113 (1), 101 (2) EPÜ; Richtlinien Teil D, Kap. VI, Ziffer 3.2). Dies ist hier nicht geschehen. Vielmehr sah sich die Einspruchsabteilung veranlaßt, das Dokument D6 während der mündlichen Verhandlung aufzugreifen. In solchen Fällen sollte sie den Parteien, allenfalls nach Einräumung einer Verhandlungsunterbrechung, allenfalls auf Antrag, durch Ansetzung einer neuen Verhandlung, Gelegenheit zur Stellungnahme geben (vgl. Richtlinien Teil E, Kap. III, Ziffer 8.6). Weder aus der Entscheidung noch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung der Vorinstanz geht ein solcher Antrag hervor, auch nicht, daß die Beschwerdeführerin Antrag auf Verhandlungspause gestellt hätte, jedoch die Tatsache, daß sie sich auf die Besprechung des Dokuments D6 eingelassen hat (Protokoll S.5, Ziff. 15). Angesichts dessen stößt ihre Rüge der Gehörsverweigerung ins Leere.

2.2. Bedeutung der Rücknahmeerklärungen der Beschwerdegegnerinnen

Die beiden Beschwerdegegnerinnen erklärten im Laufe des Beschwerdeverfahrens, also nach der Entscheidung über die Einsprüche, die auf Widerruf des Patents lautete, Rücknahme ihres Einspruchs. Eine solche Erklärung läßt die Rechtshängigkeit der Beschwerde bzw. des Beschwerdeverfahrens unberührt (vgl. auch T 629/90, ABl. EPA 1992, 654). Gemäß Art. 107 EPÜ bleiben die beiden Beschwerdegegnerinnen trotzdem weiterhin am Verfahren beteiligt. Zu einer aktiven Verfahrensbeteiligung sind sie nicht verpflichtet (vgl. Singer, Kommentar, S. 443, N5 zu Art. 108 EPÜ). Ihre Erklärung ist daher insofern von Bedeutung, als sie ausdrücklich dokumentiert, daß die beiden Beschwerdegegnerinnen ihren Widerstand gegen das Patent bzw. gegen eine Aufhebung der Widerrufsentscheidung und damit ihre aktive Verfahrensbeteiligung aufgeben. Angesichts dessen entbehren die Anträge der Beschwerdegegnerinnen einschließlich des mit Schriftsatz vom 21. Februar 1990 gestellten Hilfsantrags der Beschwerdegegenerin O2 betr. mündliche Verhandlung des rechtlichen Interesses. Die Kammer hat daher den im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung bereits festgesetzten Termin zu einer mündlichen Verhandlung mit Verfügung vom 1. Dezember 1992 aufgehoben. Die Entscheidung ergeht somit schriftlich.

3. Änderungen

Der geltende Anspruch 1 stimmt mit dem Wortlaut der zusammengefaßten erteilten Ansprüche 1 und 2 überein. Die geltenden Ansprüche 2 bis 16 stimmen, mit entsprechend geänderten Rückbeziehungen, überein mit den erteilten Ansprüchen 3 bis 17. Die Beschreibung ist an den geänderten Anspruch 1 angepaßt worden. Die hinzugefügte Formulierung "Die Eindrückbarkeit der Anschlagvorsprünge verbessert vor allem die Verdrehfestigkeit der Verbindung" (Spalte 3, Zeilen 18 bis 20) ist eine erläuternde Hervorhebung dessen, was schon im vorangehenden Satz enthalten war. Also entsprechen die Änderungen den Erfordernissen des Artikels 123 EPÜ.

4. Technische Interpretation des Anspruchs 1

Das in Anspruch 1 definierte Verbindungsstück weist Anschlagvorsprünge auf, die folgendermaßen bestimmt sind:

a) sie übergreifen die Stirnseiten der Hohlprofile,

b) ihr Umfang entspricht etwa dem Umfang der Hohlprofile,

c) sie sind voneinander getrennt und wirken als Anschlag zur Begrenzung der Einstecktiefe der Hohlprofile,

d) sie halten die Stirnseiten der Hohlprofile auf Abstand, für die Belegung und Ausfüllung des Zwischenraums mit Dichtungsmasse,

e) sie sind bei beidseitigem Druck in die Stirnseiten der Hohlprofile eindrückbar.

Die funktionellen Angaben des Anspruchs, die sich auf die Hohlprofile und den Vorgang des Zusammenschiebens derselben beziehen, also insbesondere Merkmal (e), legen geometrisch-mechanische Merkmale des Verbindungsstücks selbst mit ausreichender Deutlichkeit fest. So ergibt sich aus (e) zwangsläufig, daß die Anschlagvorsprünge in Verschieberichtung und im Wirkungsbereich der Stirnflächen angeordnet sein müssen, denn nur so lassen sie sich in die Stirnseiten eindrücken. Die Anschlagvorsprünge sind infolge ihres Eindringens in die Stirnseiten in der Lage, Schubkräfte aufzunehmen und zu übertragen. Die Bestimmungen des Anspruchs 1 sind daher technisch so zu verstehen, daß die Anschlagvorsprünge bezüglich ihrer Lage, Form und Materialwahl derart ausgebildet sind, daß sie die Merkmale verformender Torsionsdübel aufweisen.

5. Neuheit

Der Einwand der Einsprechenden 1 hinsichtlich Neuheitsmangels stützt sich darauf, daß Dokument D1 ein Verbindungsstück darstelle, das in der Lage sei, die beanspruchten Funktionen auszuüben. Der in Dokument D1 dargestellte plättchenförmige Anschlag an der inneren Eckkante ist jedoch nicht als verformender Torsionsdübel ausgebildet, denn er überträgt keine Schubkräfte zwischen den Stirnflächen der Hohlprofile. Allfällige Verformungen an den Stirnflächen der Hohlprofile wären als Fehlfunktion und Konstruktionsmangel zu werten. Das in D1 dargestellte Verbindungsstück stimmt somit nicht überein mit dem Verbindungsstück nach Anspruch 1.

Da keines der entgegengehaltenen Dokumente die Merkmale des Gegenstands nach Anspruch 1 aufweist, gilt er als neu.

6. Stand der Technik, technische Aufgabe und Lösung

Das in der Beschreibung erwähnte Dokument

D7: DE-A-2 809 822

kann als der Erfindung am nächsten kommendes dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zugrunde gelegt werden. Davon ausgehend wird ein Verbindungsstück gesucht, das die Stoßstellen luftdicht verschließt. Auch soll die Verbindung fluchtend und so fest sein, daß sie vor der Montage des Abstandhalters nicht verändert und dadurch wieder undicht gemacht werden kann.

Diese Aufgabe wird vom Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt, da er einen zusätzlichen Spalt infolge einer nur partiellen Abstützung auf den Anschlagvorsprüngen einerseits und eine mechanische Verbindung zwischen Hohlprofilen und Verbindungsstück durch das Eindringen derselben in die Stirnflächen andererseits erlaubt.

7. Erfinderische Tätigkeit

7.1. Der von Dokument D7 ausgehende Fachmann findet in Dokument D4 ein Verbindungsstück, das entgegen der Konstruktion nach D7 zwischen den zu verbindenden Hohlprofilen keinen Abstand mehr zuläßt. Dabei wirken an den Schenkelrändern (6) des Verbindungsstücks geringfügig vorragende Auflaufschrägen (7, 8) zur Bildung eines Anschlags (9) derart zusammen mit am Steg des Steckverbinders nach außen vorspringenden federnden Klemmelementen (10), daß die Stirnkanten der Hohlprofile zuerst auf die Auflaufschrägen auftreffen und anschließend ein leichtes Abheben der Schenkelränder von der zugeordneten Innenfläche des Hohlprofiles verursachen. Die Auflaufschrägen und damit das Verbindungsstück werden somit durch die zusammengeschobenen Hohlprofile in Querrichtung infolge Keilwirkung weggedrückt - derart, daß sich die Anlaufschrägen am Schluß ganz im Inneren des Hohlprofiles befinden und die Stirnflächen der Hohlprofile direkt aneinander liegen. Diesen Zustand zeigt Figur 1 mit aller Eindeutigkeit.

Diese Schrägen sind somit nicht dazu ausgebildet, in die Stirnflächen der Hohlprofile einzudringen; sie sind bei orndungsgemäßer Funktion dazu auch nicht in der Lage. Die Frage ist daher nicht, ob diese Anschläge allenfalls die Stirnflächen zu verletzen vermögen - was unter ungünstigen Umständen denkbar ist - sondern, ob sie dem Fachmann den Gegenstand des angefochtenen Anspruchs 1 nahebringen können. Dies ist nur schon deshalb nicht der Fall, weil hier allenfalls ein Verletzen im Bereich der Innenkante des Querschnitts an sich möglich wäre, jedoch für D4 nicht in Betracht kommt, da dann der direkte Kontakt der beiden Hohlprofile nicht mehr gewährleistet wäre.

Von dieser Konstruktion geht deshalb keinerlei Anregung dazu aus, die sich berührenden Profile in den benachbarten Stirnflächen mechanisch in Form von in sie eindringenden Torsionsdübeln des Verbindungsstückes in irgendeiner Weise sowohl auf Abstand zu halten als auch sie zugleich miteinander zu "verriegeln", also sie direkt gegenseitig schubübertragend miteinander zu verbinden wie nach Anspruch 1.

7.2. Die Dokumente D1 und D6 betreffen Eckverbindungen, wobei in beiden Fällen ein plättchenförmiges Anschlagstück im Bereich der inneren Eckkante vorgeschlagen wird. Wie zuvor ist auch hier festzustellen, daß zwar eine Verletzung der Stirnflächen möglich wäre, daß aber auch diese Verletzungen als Fehlkonstruktionen zu werten wären und somit nicht als Lehre in Betracht kommen. Außerdem würde es in beiden Konstruktionen selbst nach einer Verletzung der Stirnflächen zu keiner Übertragung von Schubkräften in den auf Abstand angeordneten Stirnflächen der Hohlprofile kommen, so daß in D1 und D6 jedenfalls keine verformenden Torsionsdübel gemäß der Definition des Anspruchs 1 dargestellt oder überhaupt ableitbar sind.

7.3. Auch Dokument D2 enthält keine Hinweise, die zur beanspruchten Funktion der Eindrückbarkeit und den damit festgelegten geometrisch-mechanischen Merkmalen der Anschlagvorsprünge nach Anspruch 1 hätten führen können.

Somit geht der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus den Stand der Technik hervor; er ist daher nach Artikel 52 (1) und 56 EPÜ patentierbar. Gegen die vom Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 16 bestehen keine Einwendungen.

7.4. Die Überlegungen der Beschwerdegegnerinnen, die eine weitgehende Übereinstimmung der Erfindung mit der Konstruktion nach Dokument D1 bzw. D4 geltend machen, insbesondere der Anschlagvorsprünge nach Anspruch 1 mit den Anlaufschrägen gemäß Dokument D4, die ferner eine unzulässige Abhängigkeit des Anspruchsgegenstands von Verfahrensmerkmalen anführen oder nur eine Aufgabenstellung in den die Eindrückbarkeit betreffenden Merkmalen sehen wollen, sind nach Ansicht der Kammer nicht begründet. Durch die im Zusammenhang des Anspruchs beanspruchten Funktionen der Vorsprünge werden geometrisch-mechanische Merkmale des Verbindungsstücks selbst mit ausreichender Deutlichkeit festgelegt, wie oben unter Ziffer 4 nachgewiesen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 16, der geänderten Beschreibung und den ursprünglichen Zeichnungen gemäß Eingabe vom 8. April 1991, eingegangen am 9. April 1991, in geändertem Umfang aufrecht zu erhalten.

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