European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1991:T041889.19910108 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Januar 1991 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0418/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 80300829.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12P 1/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | ORTHO | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Behringwerke, Sandoz, Becton, Boehringer | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | 1. Eine durch eine Hinterlegung nach Regel 28 EPU erfolgte Offenbarung gilt nicht als ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPU, wenn die Erfindung nur nach wiederholter Anfrage bei der Hinterlegungsstelle und durch die Anwendung erheblich aufwendigerer Verfahren nachgearbeitet werden kann, als sie von der Hinterlegungsstelle empfohlen wurden (vgl. Nr. 3.14 der Entscheidungsgründe). 2. Das Aktenzeichen einer Hinterlegung eines Hybridoms ohne entsprechende schriftliche Beschreibung stellt für sich allein keine ausreichende Offenbarung einer technischen Lehre im Sinne des Artikels 83 EPU dar (vgl. Nr. 5.3 der Entscheidungsgründe). |
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Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (verneint) Hinterlegte Kultur entspricht nicht der schriftlichen Offenbarung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 17 381 wurde mit 17 Ansprüchen auf die europäische Patentanmeldung Nr. 80 300 829.1 erteilt. Die Ansprüche 1, 4, 5, 8, 11, 13 und 15 lauteten wie folgt:
1. Monoklonaler Maus-Antikörper, der i) mit im wesentlichen allen normalen menschlichen peripheren T-Zellen reagiert, nicht jedoch ii) mit den normalen menschlichen peripheren Zellen der B-Zellen, Null-Zellen und Makrophagen umfassenden Gruppe
4. Monoklonaler Antikörper nach einem der Ansprüche 1 bis 3, der mit 5 bis 10 % der normalen menschlichen Thymozyten reagiert
5. Monoklonaler Antikörper nach einem der Ansprüche 1 bis 4, der mit leukämischen Zellen von Menschen mit chronischer lymphoblastischer T-Zellen-Leukämie, nicht aber mit leukämischen Zellen von Menschen mit akuter lymphoblastischer T-Zellen- Leukämie reagiert
8. Monoklonaler Antikörper, der aus einem Hybridom ATCC CRL 8000 (OKT1) gewonnen wird
11. Hybridom ATCC CRL 8000 (OKT1)
13. Verfahren zur Herstellung eines monoklonalen Antikörpers nach einem der Ansprüche 1 bis 7, das folgende Schritte umfaßt:
i) Immunisieren von Mäusen mit E-Rosetten-positiven, gereinigten menschlichen T-Zellen;
ii) Entfernen der Milz aus den Mäusen und Bereiten einer Suspension von Milzzellen;
iii) Fusionieren der Milzzellen mit Maus-Myelom-Zellen in Gegenwart eines Mittels, das die Fusion der Zellen fördert;
iv) Verdünnen und Kultivieren der fusionierten Zellen in getrennten Näpfen in einem Medium, in dem die nicht fusionierten Myelom-Zellen nicht gedeihen;
v) Untersuchen des Uberstandes in jedem ein Hybridom enthaltenden Napf auf das Vorhandensein eines Antikörpers mit den in einem der Ansprüche 1 bis 7 angegebenen Eigenschaften;
vi) Auswählen und Klonieren von Hybridomen, die den gewünschten Antikörper erzeugen und
vii) Gewinnen des Antikörpers aus dem Uberstand über den Klonen
15. Verfahren zur Herstellung eines monoklonalen Antikörpers, das die Schritte des Vermehrens des Hybridoms ATCC CRL 8000 in einem geeigneten Medium und des Gewinnens des Antikörpers aus dem Uberstand über dem Hybridom umfaßt
II. Gegen das europäische Patent wurde von vier Beteiligten Einspruch eingelegt. Aus den in Artikel 100 a) und b) EPU genannten Gründen wurde sein Widerruf beantragt. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden insgesamt etwa 160 Dokumente berücksichtigt.
Die Beschwerdegegnerin reichte im Verfahren vor der Einspruchsabteilung einen neuen Anspruchssatz ein, der dann den Gegenstand des Hauptantrags vor der Einspruchsabteilung bildete; darin waren die Ansprüche 7, 13 und 14 wie folgt geändert (Änderungen von der Kammer hervorgehoben):
"7. Monoklonaler Antikörper nach einem der Ansprüche 1 bis 6, der von einem Hybridom erzeugt wird, das durch die Fusion von Milzzellen einer zuvor mit E-Rosetten-positiven, gereinigten normalen menschlichen peripheren T-Zellen immunisierten Maus mit Zellen einer Maus-Myelom-Linie entstanden ist"
Dementsprechend wurden die Ansprüche 13 und 14 dahingehend geändert, daß Mäuse mit "E-Rosetten-positiven, gereinigten normalen menschlichen peripheren T-Zellen" immunisiert werden.
III. Die Einspruchsabteilung erhielt das Patent auf der Grundlage der geänderten Ansprüche aufrecht.
Die Erfordernisse der Artikel 83, 54 und 56 EPU sah sie als erfüllt an.
Die Einspruchsabteilung führte in bezug auf Artikel 83 EPU aus, sie sei nicht davon überzeugt, daß der von der Beschwerdegegnerin hinterlegte und in Anspruch 8 beanspruchte monoklonale Antikörper mit dem in später veröffentlichten Dokumenten beschriebenen identisch sei. Die Beschwerdeführerinnen hätten somit nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, daß sich die Eigenschaften des hinterlegten monoklonalen Antikörpers von den in Anspruch 1 und in der Patentschrift erwähnten unterschieden. Das auf dieser Behauptung beruhende Argument der nicht ausreichenden Offenbarung sei deshalb zurückzuweisen.
Die Beschwerdeführerinnen hätten keine eigenen Versuchsdaten als Nachweis dafür vorgelegt, daß der monoklonale Antikörper nach Anspruch 8 nicht das in den Ansprüchen und in der Patentschrift genannte Reaktivitätsmuster aufweise. Infolgedessen gebe das Patent mindestens einen Weg zur Ausführung der patentierten Erfindung an, so daß die Erfordernisse des Artikels 83 EPU erfüllt seien.
IV. Die Beschwerdeführerinnen I, II und IV legten gegen die Entscheidung Beschwerde ein und begründeten diese. Am 8. Januar 1991 fand eine mündliche Verhandlung statt.
A. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden von allen Beteiligten weitere Unterlagen vorgelegt, so z. B.:
Versuchsbericht, eingereicht von der Beschwerdeführerin I,
eidesstattliche Erklärung des Herrn Prof. Janossy, eingereicht von der Beschwerdeführerin II,
Versuchsbericht, eingereicht von der Beschwerdeführerin IV.
B. Die Beschwerdeführerinnen brachten zu Artikel 83 EPU im wesentlichen folgendes vor:
a) Bekanntlich sei es im allgemeinen mühsam und außerdem wenig erfolgversprechend, einen monoklonalen Antikörper mit bestimmten Eigenschaften entsprechend einer schriftlichen Beschreibung nacharbeiten zu wollen. Der Versuch, die Erfindung ausschließlich anhand der schriftlichen Offenbarung der Patentschrift nachzuarbeiten, hieße für den Fachmann, einen unzumutbaren Aufwand auf sich zu nehmen, um das gewünschte Ergebnis - wenn überhaupt - zu erzielen. Deshalb sei gemäß Regel 28 EPU eine Hinterlegung des den monoklonalen Antikörper erzeugenden Hybridoms als ein Beispiel zur Ausführung der Erfindung erforderlich. Der von dem Hybridom erzeugte monoklonale Antikörper stimme jedoch nicht mit der schriftlichen Offenbarung überein.
b) Vor der Einspruchsabteilung sei bereits anhand von später veröffentlichten Dokumenten nachgewiesen worden, daß die von den hinterlegten Hybridomen erzeugten monoklonalen Antikörper andere Bindungseigenschaften aufwiesen als die in der Beschreibung und in den Ansprüchen des Streitpatents offenbarten. Weil die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung die Auffassung vertreten habe, daß dieser Nachweis nicht ausreiche, um die Identität der betreffenden monoklonalen Antikörper überzeugend zu belegen, hätten alle drei Beschwerdeführerinnen mit den Beschwerdebegründungen zusammen Versuchsdaten eingereicht, aus denen hervorgehe, daß es erstens - wenn überhaupt - nur mit unzumutbarem Aufwand möglich gewesen sei, die monoklonalen Antikörper aus dem hinterlegten Hybridom zu isolieren, und daß zweitens die schließlich erzielte, sehr geringe Ausbeute an monoklonalen Antikörpern nicht die Eigenschaften der in dem Streitpatent beschriebenen Erfindung aufweise. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, daß es keiner der drei Beschwerdeführerinnen mit der ersten bei der Hinterlegungsstelle angeforderten Probe gelungen sei, monoklonale Antikörper aus dem hinterlegten Hybridom zu gewinnen. Vielmehr sei es erst nach wiederholten Anfragen bei den zuständigen Bediensteten der Hinterlegungsstelle sowie mehrfacher Rücksprache mit diesen und nur dank erheblichen, weit über den allgemeinen Wissensstand hinausgehenden eigenen Fachwissens zwei der Beschwerdeführerinnen schließlich gelungen, eine sehr geringe Menge monoklonaler Antikörper aus dem hinterlegten Hyprodom zu gewinnen. Die so erzielten monoklonalen Antikörper hätten jedoch Eigenschaften aufgewiesen, die im Widerspruch zur Patentschrift stünden.
C. Die Beschwerdeführerinnen bestritten ferner das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPU.
V. In ihrer Erwiderung reichte die Beschwerdegegnerin als weiteres Dokument eine
Erklärung von Dr. Patricia E. Rao
ein und argumentierte im wesentlichen wie folgt:
a) Unter Bezugnahme auf die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, daß es nicht möglich sei, den monoklonalen Antikörper aus dem hinterlegten Hybridom zu gewinnen, berief sich die Beschwerdegegnerin auf die Erklärung von Dr. Rao, aus der hervorgehe, daß es sich bei dem von den Beschwerdeführerinnen verwendeten Verfahren um ein Standardverfahren handle, das jeder beliebige Durchschnittsfachmann mit einer aus einer Bezugsquelle wie der Hinterlegungsstelle ATCC stammenden Hybridomprobe nacharbeiten könne. Aus Herrn Prof. Janossys Erklärung gehe hervor, daß ein Fachmann den monoklonalen Antikörper ohne unzumutbaren experimentellen Aufwand aus dem bei der ATCC hinterlegten Hybridom gewinnen könne. Zahlreiche Personen hätten bei der Hinterlegungsstelle Proben des Hybridoms angefordert und nach Erhalt dieser Proben daraus offensichtlich den entsprechenden monoklonalen Antikörper gewonnen, da bis zu diesem Zeitpunkt weder der Hinterlegungsstelle noch der Patentinhaberin gegenüber beanstandet worden sei, daß die Gewinnung des monoklonalen Antikörpers aus dem hinterlegten Hybridom nicht gelungen sei. Die Hinterlegungsstelle habe zu keinem Zeitpunkt von der Patentinhaberin eine neue Probe des Hybridoms angefordert, was im Sinne von Regel 28 EPU erforderlich gewesen wäre, wenn der Hinterlegungsstelle bekannt geworden wäre, daß das hinterlegte Hybridom, aus welchem Grunde auch immer, den monoklonalen Antikörper nicht mehr erzeuge.
b) Was die Behauptung anbelange, mit dem hinterlegten Hybridom sei es nicht möglich, Antikörper zu gewinnen, die die in der Beschreibung und in Anspruch 1 beschriebenen Eigenschaften aufwiesen, so müsse die Beschreibung in derselben Weise betrachtet werden, wie dies der Fachmann zum Prioritätszeitpunkt getan hätte. Es sei unzulässig, Verfahren und Geräte zu verwenden, die erst nach dem für die Patentanmeldung maßgebenden Zeitpunkt entwickelt worden seien, um damit zu prüfen, ob die Offenbarung eines Patents ausreichend sei. Sonst könne unmöglich beurteilt werden, ob ein Patent während seiner Lebensdauer gültig gewesen sei. Es sei darauf hinzuweisen, daß die im Streitpatent dargelegten Ergebnisse mit dem besten zum Prioritätszeitpunkt verfügbaren Gerät und nach gewissenhafter Auswertung der Daten durch das Bedienpersonal erzielt worden seien. Die Patentinhaberin habe sich guten Glaubens bemüht, die zum damaligen Zeitpunkt bestmöglichen Ergebnisse vorzulegen. Somit habe das Patent zum Zeitpunkt seiner Anmeldung alle Erfordernisse des Artikels 83 erfüllt.
c) Keiner der Beschwerdeführerinnen sei es gelungen, den Beweis für die angeblich mangelnde Offenbarung zu erbringen, weil sie durchweg Verfahren und Geräte verwendet hätten, die es zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents noch nicht gegeben habe. Da diese weitaus empfindlicher und technisch anspruchsvoller seien, nehme es nicht Wunder, daß die damit erzielten Ergebnisse nicht genau mit denjenigen übereinstimmten, die mit den zum Prioritätszeitpunkt verfügbaren Maschinen erzielt worden seien. Ein Vergleich zwischen den Ergebnissen sei somit irrelevant.
d) Zu dieser generellen Frage berief sich die Beschwerdegegnerin auf eine Entscheidung des Court of Appeal (Berufungsgericht) von Großbritannien aus dem Jahr 1910 - "Z" Electric Lamp Manufacturing Company Limited v. Marpels, Leach & Co Limited (Reports of Patent Cases, Band XXVIII, 1910, S. 737) -, in der festgestellt werde, daß es nicht zu den Verpflichtungen des Patentinhabers gehöre, allwissend zu sein; zu seinen Verpflichtungen gehöre vielmehr, der Öffentlichkeit seine Erfindung zugänglich zu machen; tue er dies in gutem Glauben und in der Weise, daß die Öffentlichkeit von den Vorteilen der Erfindung Kenntnis erhalte und diese in der Praxis wiederholen könne, so spreche es nach Auffassung des Gerichts nicht gegen ihn, wenn er sich über das, was zu diesen Vorteilen geführt habe, oder die Umstände, unter denen diese Vorteile aufträten, in der Theorie eine falsche Meinung gebildet habe.
Diese Grundsätze gälten nicht nur für das Vereinigte Königreich, sondern seien generell und weltweit auf das Patentrecht anwendbar.
e) Auf Befragung durch die Kammer wurde in der mündlichen Verhandlung seitens der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, daß die Eigenschaften des aus einem Hybridom der unter der Nr. ATCC 8000 hinterlegten Art gewonnenen monoklonalen Antikörpers, wie sie aus den von den Beschwerdeführerinnen II und IV eingereichten Versuchsdaten sowie aus den später veröffentlichten Dokumenten hervorgingen, richtig wiedergegeben seien.
VIII. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerden und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche in der erteilten Fassung, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche in der durch die angefochtene Entscheidung aufrechterhaltenen Fassung oder - im zweiten Hilfsantrag - auf der Grundlage der Ansprüche 8, 11, 15 und 16 in der erteilten Fassung.
Die Anträge auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wurden zurückgezogen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Änderungen (Art. 123 (2) und (3) EPU)
Die geänderten Ansprüche 7, 13 und 14 des ersten Hilfsantrags hatten der Einspruchsabteilung vorgelegen, die gegen die Änderungen keine Einwände aufgrund des oben genannten Artikels erhob.
Die Kammer sieht keine Veranlassung, diesen Punkt zu beanstanden.
Die Ansprüche, die Gegenstand des zweiten Hilfsantrags sind, wurden nicht geändert. Somit ergeben sich auch in diesem Fall keine Einwände aufgrund von Artikel 123 (2) und (3) EPU.
3. Ausreichende Offenbarung (Art. 83 EPU)
Hauptantrag
3.1 Der Hauptanspruch des Hauptantrags ist auf einen monoklonalen Maus-Antikörper gerichtet, der durch bestimmte Reaktivitäten gekennzeichnet ist; er reagiert mit im wesentlichen allen normalen menschlichen peripheren T-Zellen, nicht aber mit normalen menschlichen peripheren Zellen der aus B-Zellen, Null- Zellen und Makrophagen bestehenden Gruppe. Die Beschwerdegegnerin beschreibt somit ihre Erfindung anhand funktioneller Merkmale. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind funktionelle Merkmale zur Definierung eines technischen Ergebnisses in einem Anspruch zulässig, wenn diese Merkmale bei objektiver Betrachtung anders nicht präziser umschrieben werden können und wenn sie dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren, die er ausführen kann (T 68/85 "Synergistische Herbizide/CIBA GEIGY", ABl. EPA 1987, 228; T 292/85 "Polypeptid-Expression/GENENTECH I", ABl. EPA 1989, 275).
3.2 Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPU setzt nicht nur voraus, daß eine Erfindung überhaupt ausgeführt werden kann, sondern auch, daß dies ohne unzumutbaren Aufwand möglich ist. Dieses Erfordernis ergibt sich aus Artikel 83 EPU, in dem es heißt, daß die Offenbarung einer Erfindung deutlich und vollständig sein muß. Läßt die Beschreibung der Erfindung den Fachmann im unklaren, so daß er nicht in der Lage ist, die Erfindung aufgrund seines Fachwissens und mit zumutbarem experimentellen Aufwand auszuführen, so ist die Offenbarung nicht ausreichend.
3.3 Im vorliegenden Fall stellt sich hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPU zunächst die Frage, ob die schriftliche Beschreibung des Streitpatents so ausführliche Informationen enthält, daß das bekanntlich mühsame und auch vom Zufall abhängige Verfahren zur Herstellung eines Hybridoms, das den beanspruchten monoklonalen Antikörper erzeugt, unter den genannten Umständen ohne unzumutbaren Aufwand ausgeführt werden kann, um so die Erfindung nach Anspruch 1 nachzuarbeiten.
3.4 Die Beschreibung des Streitpatents vermittelt Informationen über ein allgemeines Verfahren zur Herstellung von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern, bei dem das einzige speziell auf den vorliegenden Fall gerichtete Merkmal die Verwendung E-Rosetten- positiver, gereinigter normaler menschlicher peripherer T-Zellen als Antigen für die Stimulierung des Antikörpers ist. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um das Verfahren in bezug auf monoklonale Antikörper mit den in Anspruch 1 genannten Eigenschaften wiederholbar zu machen. Das Selektieren eines Hybridoms der gewünschten Art ist in jedem Falle mit erheblichem Aufwand verbunden, wobei noch nicht einmal gewährleistet ist, daß dieses Hybridom überhaupt selektiert werden kann. Würde man nach der schriftlichen Beschreibung vorgehen, so hieße dies, daß eine Vielzahl verschiedenartiger monoklonaler Antikörper erzeugt würde, die jeweils nur durch ihr Antigen definiert sind.
3.5 Das Verfahren zur Herstellung monoklonaler Antikörper wurde erstmals 1975 in "Nature", Band 256, 495 von Köhler und Milstein beschrieben. Es beruht im wesentlichen auf den folgenden Erkenntnissen und grundlegenden Verfahrensschritten:
Ein tierischer oder menschlicher Körper, der von einem Stoff, einem sogenannten Antigen, infiziert ist, entwickelt eine Immunreaktion, bei der u. a. Antikörper gegen das Antigen gebildet werden. Die diese Antikörper bildenden Zellen werden isoliert und mit einem anderen Zelltyp fusioniert, der sich unbegrenzt vermehren kann. Es sind dies Tumorzellen, z. B. sogenannte Myelom-Zellen. Das Fusionsprodukt wird Hybridom genannt und kann einen monospezifischen, d. h. monoklonalen, Antikörper unbegrenzt erzeugen, wobei der Antikörper eine Spezifität für das Antigen aufweist, das als Stimulans für seine Bildung im tierischen oder menschlichen Körper verwendet worden ist.
3.6 Wenn der Fachmann nach der vorliegenden Beschreibung vorgeht, so erhält er eine Vielzahl verschiedener Antikörper gegen die als stimulierendes Antigen verwendeten T-Zellen. Einer der Gründe für diese Vielfalt an Antikörpern besteht darin, daß die T-Zelle eine Vielzahl verschiedener sogenannter Antigen-Determinanten oder Epitope an ihrer Zelloberfläche besitzt und daß gegen jede dieser verschiedenen Antigen-Determinanten Antikörper erzeugt werden können. Außerdem können die Antikörper eine unterschiedliche Affinität zu bestimmten Antigen-Determinanten aufweisen.
3.7 Die Kammer ist der Auffassung, daß unter den hier vorliegenden Umständen, wo die schriftliche Beschreibung der Herstellung eines Hybridoms grundsätzlich in dem bekanntlich mühsamen und auch vom Zufall abhängigen allgemeinen Verfahren besteht und eine spezielle technische Lehre nur durch Identifizierung des Antigen-Typs als E-Rosetten-positive, gereinigte normale menschliche periphere T-Zellen vermittelt wird, die Erfordernisse des Artikels 83 EPU nicht erfüllt sind.
3.8 Als zweites stellt sich die Frage, ob es dem Fachmann möglich ist, anhand des hinterlegten Hybridoms die beanspruchte Erfindung auszuführen.
Die Beschwerdegegnerin hat im vorliegenden Fall tatsächlich entsprechend der Regel 28 EPU ein Hybridom bei einer anerkannten Hinterlegungsstelle hinterlegt.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen stellt diese Hinterlegung ein Ausführungsbeispiel im Sinne der im Streitpatent in schriftlicher Form gegebenen allgemeinen Beschreibung dar. Ublicherweise stellt ein Beispiel einer allgemeinen Beschreibung eine bestimmte Ausführungsart dieser Beschreibung dar und stimmt folglich mit ihr überein; es muß jedoch geprüft werden, ob das hinterlegte Hybridom im vorliegenden Fall tatsächlich ein Arbeitsbeispiel ist.
Entsprechend der von der Beschwerdeführerin II eingereichten eidesstattlichen Erklärung reagiert:
i) die Probe monoklonaler Antikörper, die von dem unter der Nr. ATCC 8000 hinterlegten Hybridom erzeugt werden (OKT1), mit 55 bis 61 % der E-Rosetten-positiven T-Zellen;
ii) OKT1 mit 65 bis 66 % der normalen Thymozyten;
iii) OKT1 mit 79 % der Zellen von Menschen mit akuter lymphoblastischer T-Zellen-Leukämie.
Von der Beschwerdeführerin IV wurden folgende Eigenschaften festgestellt: OKT1 reagiert mit
i) etwa 72 % der normalen menschlichen peripheren T-Zellen;
ii) rund 15 % der B-Zellen und
iii) Makrophagen (Monozyten).
3.9 Diese Ergebnisse zeigen, daß sich die Eigenschaften des von dem hinterlegten Hybridom erzeugten monoklonalen Antikörpers von den in Anspruch 1 und in der Beschreibung des Streitpatents genannten unterscheiden. Die aus diesen Versuchen gewonnenen
Informationen decken sich mit den in später veröffentlichten Dokumenten offenbarten (beispielhaft aus einer Reihe von relevanten Dokumenten sei erwähnt: Reinherz et al., Eur. J. Immunol. 1980. 10: 758 "A monoclonal antibody blocking human T- cell function"). Die Beschwerdegegnerin hat diese Unterschiede in den charakteristischen Merkmalen der zum Vergleich anstehenden monoklonalen Antikörper nicht bestritten. Die Kammer ist daher zu der Uberzeugung gelangt, daß sich die Eigenschaften der monoklonalen Antikörper, die von dem unter der Nummer ATCCC RL 8000 hinterlegten Hybridom erzeugt werden, nicht nur von den in Anspruch 1 sondern auch von den in den Ansprüchen 4 und 5 genannten unterscheiden.
3.10 Die Kammer schließt sich der von der Beschwerdegegnerin angeführten Entscheidung (s. Nr. V d)) voll und ganz an, wonach die Offenbarung eines Patents als ausreichend anzusehen ist, wenn dessen technische Lehre während der Lebensdauer des Patents nachgearbeitet werden kann; stellt sich heraus, daß die der technischen Wirkung zugrunde gelegte Theorie nicht richtig ist, so kann die Offenbarung noch immer als ausreichend angesehen werden, wenn die Erfindung als solche dennoch nacharbeitbar ist. Ganz anders ist der vorliegende Fall gelagert.
3.11 Die Beschwerdegegnerin hat im Verfahren betont, daß zum Prioritätszeitpunkt, als die Patentinhaberin ihre Erfindung nach bestem Wissen und Können anhand der damals verfügbaren Techniken und Geräte beschrieben habe, diese Beschreibung nicht besser habe erfolgen können, weshalb sie als ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPU zu betrachten sei. Daß sich diese Beschreibung später als falsch erwiesen habe, könne nichts an der Tatsache ändern, daß die Offenbarung zum Prioritätszeitpunkt ausreichend gewesen sei. Die Kammer kann dieses Argument nicht gelten lassen. Im vorliegenden Fall war die schriftliche Beschreibung der Erfindung von Anfang an falsch. Die Beschwerdegegnerin hatte das Hybridom entsprechend der Forderung in Regel 28 EPU als Ausführungsbeispiel der Erfindung hinterlegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, damit die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand nachgearbeitet und überprüft werden kann. Es hat sich nunmehr erwiesen, daß die Eigenschaften des von dem hinterlegten Hybridom erzeugten monoklonalen Antikörpers der im Streitpatent schriftlich beschriebenen "Erfindung" nicht entsprechen. Somit liegt auf der Hand, daß auch die Beschwerdegegnerin nicht in der Lage war, "die Erfindung" entsprechend ihrer eigenen schriftlichen Offenbarung auszuführen. Daraus ist zu schließen, daß das durch die Hinterlegung gegebene "Beispiel" nicht der schriftlichen Beschreibung entspricht.
3.12 Außerdem haben die Beschwerdeführerinnnen überzeugend dargelegt, daß es in einem ersten Versuch nicht möglich war, anhand der von der Hinterlegungsstelle empfohlenen Verfahren monoklonale Antikörper aus dem hinterlegten Hybridom zu gewinnen. Erst nach Anforderung einer zweiten oder gar dritten Probe bei der Hinterlegungsstelle gelang es zwei der Beschwerdeführerinnen dank besonderer Sachkenntnis, äußerst geringe Mengen des Antikörpers zu gewinnen. Der Sachverständige der Beschwerdeführerin II, Prof. Janossy, erläuterte in der mündlichen Verhandlung die in seiner eidesstattlichen Erklärung beschriebenen Versuche und erklärte, er habe bei einer Zelldichte von 3 bis 6 Zellen pro Napf eine Zellklonierung durchgeführt, was nicht als routinemäßiges Standardverfahren angesehen werden könne.
Von der Kammer in der mündlichen Verhandlung befragt, antwortete die Beschwerdeführerin IV, daß es ihr nicht gelungen sei, anhand der von der Hinterlegungsstelle erteilten Anleitung Antikörper aus dem hinterlegten Hybridom zu gewinnen. Sie habe das Problem mit dem zuständigen Personal der Hinterlegungsstelle wiederholt erörtert; dieses hätte jedoch keine weiteren Ratschläge erteilen können. Erst nachdem sie eine weitere Probe erhalten habe, sei es ihr gelungen, mit demselben Verfahren, das auch die Beschwerdeführerin II angewandt habe, sehr geringe Mengen des gewünschten Antikörpers zu gewinnen.
Auch die Beschwerdeführerin I hatte mehrmals neue Proben des Hybridoms angefordert und war nicht in der Lage, damit überhaupt Antikörper herzustellen.
Obwohl in der von der Beschwerdegegnerin eingereichten Erklärung Dr. Raos das Vorbringen und die Beweisführung der Beschwerdeführerinnen bestritten wurden, heißt es unter Nummer 15 dieser Erklärung, daß das von den Beschwerdeführerinnen II und IV angewandte Verfahren "... möglicherweise nicht das nächstliegende ist. Natürlich wäre es erheblich einfacher, von der ursprünglichen Probe eine Kultur herzustellen oder eine erfolgreiche Einzelzellklonierung vorzunehmen. Sollten diese beiden Möglichkeiten nicht zum Erfolg führen, dann würde der Fachmann natürlich auf die Klonierung bei vielfacher Zelldichte zurückgreifen."
3.13 Die Kammer ist der Auffassung, daß die Beschwerdeführerinnen nur als Reaktion auf die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe soviel Mühe aufgewendet haben. Sie hielten es für notwendig, die monoklonalen Antikörper um jeden Preis herzustellen, um den Beweis zu erbringen und - durch die Bestimmung ihrer Eigenschaften - aufzuzeigen, daß sie sich von den im Hauptanspruch und in der Beschreibung des Streitpatents erwähnten unterschieden. Sowohl die wiederholte Anforderung von Proben des Hybridoms wie auch die von den Beschwerdeführerinnen angewandten Verfahren waren somit durch die besonderen Umstände des hier vorliegenden Falles bedingt. Es ist davon auszugehen, daß unter anderen Begleitumständen ein Dritter seine Versuche zur Gewinnung der monoklonalen Antikörper aus dem hinterlegten Hybridom bereits früher aufgegeben hätte.
3.14 Aufgrund dieser Uberlegungen - in Verbindung mit den Ausführungen unter Nr. 3.2 - ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, daß eine gemäß Regel 28 EPU durch die Hinterlegung eines Hybridoms erfolgte Offenbarung nicht ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPU ist, wenn die Erfindung erst nach wiederholten Anfragen bei der Hinterlegungsstelle und mittels Techniken ausgeführt werden kann, die erheblich komplizierter als die von der Hinterlegungsstelle empfohlenen sind.
3.15 Unter diesen Umständen liefert das Streitpatent weder durch die schriftliche Beschreibung noch durch eine Hinterlegung nach Regel 28 EPU eine ausreichende Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPU.
4. Erster Hilfsantrag
Die Ansprüche des ersten Hilfsantrags unterscheiden sich von denjenigen des Hauptantrags so wenig, daß eine anderslautende Beurteilung des Offenbarungsgehalts des Hauptanspruchs nicht begründet werden kann. Somit gelten auch hier die obigen Ausführungen.
5. Zweiter Hilfsantrag
5.1 Der zweite Hilfsantrag beschränkt sich auf jene Ansprüche, die auf die monoklonalen Antikörper und Hybridome sowie auf die Verfahren gerichtet sind, bei denen die monoklonalen Antikörper ausschließlich aus dem hinterlegten Hybridom gewonnen werden; es handelt sich hier um die Ansprüche 8, 11, 15 und 16.
5.2 Das hinterlegte Hybridom und die einschlägigen Ansprüche sind im Gesamtzusammenhang der Beschreibung des Streitpatents zu sehen, in der dargelegt wird, was die Beschwerdegegnerin für ihre Erfindung hält. Durch die Veröffentlichung der schriftlichen Offenbarung des Streitpatents wird die Öffentlichkeit über die darin beschriebene Erfindung unterrichtet. Auch das hinterlegte Hybridom muß - zum selben Zeitpunkt - öffentlich zugänglich sein und kann für die Zwecke der Nacharbeitung der Erfindung von Dritten angefordert werden. Wenn sich nun - wie im vorliegenden Fall - die Eigenschaften des hinterlegten Hybridoms von der schriftlichen Offenbarung des Patents unterscheiden, so wird dies für die Öffentlichkeit erst dann offenkundig, wenn das angeforderte Hybridom durch Bestimmung seiner entsprechenden monoklonalen Antikörper analysiert worden ist. Dies bedeutet, daß die wahren Eigenschaften dieser monoklonalen Antikörper durch die entsprechende schriftliche Beschreibung nicht de facto öffentlich bekannt gemacht worden sind.
5.3 Selbst wenn man also in Betracht gezogen hätte, den Umfang des Patents auf das tatsächlich Hinterlegte zu beschränken und damit alle in der schriftlichen Offenbarung des Streitpatents enthaltenen Informationen weggelassen hätte, einschließlich der Angaben über den Stand der Technik, der Aufgabe und ihrer Lösung sowie der gewerblichen Anwendbarkeit, die mit den dem hinterlegten Hybridom entsprechenden Eigenschaften der "Erfindung" keineswegs mehr vereinbar gewesen wären, wäre die "Erfindung" nicht ausreichend offenbart, weil die wahren Eigenschaften der aus dem hinterlegten Hybridom gewonnenen monoklonalen Antikörper nirgendwo beschrieben und somit der Öffentlichkeit nicht zugänglich wären. Somit wird keine technische Lehre vermittelt, die eine Prüfung auf Patentierbarkeit zuließe. Die bloße Hinterlegung eines Hybridoms ohne entsprechende schriftliche Beschreibung stellt daher keine ausreichende Offenbarung einer technischen Lehre im Sinne des Artikels 83 EPU dar.
5.4 Infolgedessen erfüllen die auf das hinterlegte Hybridom oder dessen monoklonale Antikörper gerichteten Ansprüche nicht die Erfordernisse einer ausreichenden Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPU.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.