European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1991:T016189.19910516 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 Mai 1991 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0161/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 81100799.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01B 49/02 A01B 49/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Zapfwellengetriebenes Bodenbearbeitungsgerät | ||||||||
Name des Anmelders: | Maschinenfabrik Rau | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 1) Rabewerk H. Clausing 2) Amazonen-Werke Dreyer |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | admissibility of an objection under Art. 84 EPC (yes) Inventive step (no) Zulässigkeit der auf Art. 84 EPÜ gestützten Einwände (ja) - Erfinderische Tätigkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf den Gegenstand der am 5. Februar 1987 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 81 100 799.6 ist am 20. Juni 1984 das dreiundvierzig Patentansprüche umfassende europäische Patent Nr. 33 950 erteilt worden.
II. Gegen die Erteilung des Patents haben die Beschwerdegegnerin und eine zweite Einsprechende Einspruch eingelegt und beantragt das Patent zu widerrufen, da dessen Gegenstand nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Begründung haben die Einsprechenden insbesondere auf die Dokumente:
(1) DE-A-2 830 892 (2) DE-A-2 719 713 (3) Prospekt "Justine" Info Agrar (4) DE-C-432 102 (5) FR-A-1 233 316 (6) CH-A-298 426 verwiesen.
III. Das Patent wurde durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. Januar 1989 in seiner Gesamtheit widerrufen. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 3. März 1989 unter gleichzeitiger Entrichtung der Gebühr gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und beantragt das Patent mit neuen Unterlagen aufrechtzuerhalten.
Die schriftliche Begründung ist am 6. Mai 1989 eingegangen.
IV. Mit am 21. September 1989 eingegangenem Schriftsatz hat die zweite Einsprechende mitgeteilt, daß sie an dem weiteren Beschwerdeverfahren nicht mehr teilnehmen wird.
V. Einer Anregung der Beschwerdekammer folgend, hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 12. April 1991 eingegangen am 13. April 1991, hilfsweise sechs neue Patentansprüche und eine neue Beschreibung eingereicht.
VI. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 1991 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, das Patent aufgrund der am 13. April 1991 eingereichten Unterlagen aufrechtzuerhalten. Die bisherigen Verfahrensansprüche und Beschreibung wurden fallengelassen.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Bodenbearbeitungsgerät mit einem Zinkenrotor (20), welcher in die Fahrtrichtung (f) des Gerätes unterstützender Umlaufrichtung (u) angetrieben wird und dessen Zinken (1 bis 6, 1' bis 6') mit der Rotorwelle (10) fest verbunden und in Axial- und in Umlaufrichtung (u) der Rotorwelle (10) zueinander schraubenförmig versetzt sind, wobei die Zinken (1 bis 6, 1' bis 6') so gehaltert sind, daß die Längsachsen der Zinken in einem Abstand (x) an der Achse der Rotorwelle (10) vorbeigehen und die Achse der Rotorwelle (10) in Umlaufrichtung (u) der Zinken (1 bis 6, 1' bis 6') vor der in Umlaufrichtung (u) weisenden Seite der Zinken (1 bis 6, 1' bis 6') verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß die Zinkenzahl gering und jede Zinke (1 bis 6, 1' bis 6') in einer separaten Radialebene des Zinkenrotors (20) angeordnet ist, daß die Zinken (1 bis 6, 1' bis 6') jeweils eine in Umlaufrichtung (u) weisende Schlagkante (15) mit keilförmigem Querschnitt aufweisen, und daß das Erdreich beim Eingreifen der Zinken (1 bis 6, 1' bis 6') in einer Keilwelle zu beiden Seiten der jeweiligen Zinke weggeschleudert und mit gleichförmigem Arbeitsbild abgelegt wird."
Mit Bezug auf diesen neu gefaßten Patentanspruch 1 hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes geltend gemacht:
- Die Entgegenhaltung (2) zeige einen Bodenbearbeitungsgerät mit einem Rotor, der in einer der Fahrtrichtung entgegenwirkenden Umlaufrichtung drehe und keine keilförmigen, sondern schaufelartige Zinken aufweise;
- die Entgegenhaltung (4) beschreibe einen Rotor mit radialen Zinken, die mit der Rotorwelle nicht fest, sondern nachgiebig verbunden seien, und
- eine Kombination der Lehren der beiden Dokumente (2) und (4) führe nicht zum Gegenstand des Streitpatents; die Gefahr einer ex-post-facto-Analyse müsse vermieden werden;
- durch die in Anspruch 1 angegebene Merkmalskombination werde eine synergistischer Effekt im Sinne einer die Summenwirkung der Einzelmerkmale übersteigenden Gesamtwirkung erreicht;
- auch ergebe sich ein Indiz für die erfinderische Tätigkeit auf der die Erfindung beruhe, aus der Vorbildrolle, welche der Gegenstand der Erfindung für die Konkurenz darstelle, wie sich aus zahlreichen Prospekten ergebe, die nach Veröffentlichung der Erfindung von anderen Firmen verbreitet worden seien.
Die Beschwerdegegnerin ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin entgegengetreten und hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Im wesentlichen hat sie die Auffassung vertreten:
- daß das Wort "gering" unklar sei;
- daß eine Keilwelle immer vorhanden sei, unabhängig vom Querschnitt der Zinken;
- daß Dokument (4) schon die Drehrichtung des Rotors, den keilförmigen Querschnitt der Zinkenschlagkante und eine geringe Zinkenzahl lehre;
- daß Dokument (6) auch einen Rotor zeige, der eine geringe Zinkenzahl aufweise und
- daß die Merkmalsgruppe von Anspruch 1 nur eine Aggregation darstelle.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde (Regel 65 EPÜ) Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 EPÜ).
Der geltende Anspruch 1 enthält im wesentlichen eine Zusammenfassung der in den erteilten Ansprüchen 10, 13 und 14 angegebenen Merkmale, ergänzt durch Merkmale aus Spalte 5 und 12 bis 14 der erteilten Beschreibung. Der Anspruch geht auch nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus und sein Schutzbereich ist nicht erweitert worden. Er entspricht somit den Erfordernissen von Art. 123 (2) und (3).
3. Klarheit und Auslegung des Patentanspruchs 1
3.1. Werden im Beschwerdeverfahren an Patentansprüchen Änderungen vorgenommen, so sind auf Artikel 84 EPÜ gestützte Einwände gegen diese Änderungen zulässig. In diesem Fall hat die Beschwerdegegnerin einen solchen Einwand gegen den eingefügten Ausdruck "gering" des geltenden Anspruchs 1 erhoben.
Diese Einfügung ist durch Spalte 14, Zeile 6 der erteilten Patentbeschreibung gestützt, die Seite 21, Zeilen 28 bis 30 der ursprünglichen Offenbarung entspricht.
3.2. Der Ausdruck "gering" ist ein relativer Begriff der auf dem Fachgebiet der Bodenbearbeitungsgeräte keine allgemein anerkannte Bedeutung hat; da sich in der ursprünglichen Offenbarung keine Basis für eine klare Definition findet, kann dieser Ausdruck nicht dazu benutzt werden, um den Gegenstand des Patents vom Stand der Technik abzugrenzen.
4. Neuheit Nach Prüfung der im Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren erwähnten Dokumente ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, daß keines dieser Dokumente ein Bodenbearbeitungsgerät mit allen in dem jetzt geltenden Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen offenbart.
Da in der mündlichen Verhandlung die Neuheit des Gegenstands des geltenden Anspruchs 1 von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten worden ist, erübrigt es sich dies näher zu begründen.
5. Nächstkommender Stand der Technik
5.1. Unter den im Verlauf der Verfahren genannten Entgegenhaltungen stellt das Dokument (2) den am nächsten liegenden Stand der Technik dar.
Insbesondere ist zu bemerken, daß jede Zinke des Rotors dieses bekannten Bodenbearbeitungsgeräts in einer separaten Radialebene des Zinkenrotors angeordnet ist.
Darin ist festgestellt, daß der entgegen der Fahrtrichtung angetriebene Zinkenrotor den größten Leistungsbedarf hat und daß der Leistungsbedarf unter anderem davon abhängt, wie die Zinken geformt sind (vgl. Seite 10, Absatz 1 bis 3).
5.2. Der Gegenstand des Streitpatents unterscheidet sich im wesentlichen von diesem aus Entgegenhaltung (2) bekannten Gerät dadurch:
- daß der Zinkenrotor in die Fahrtrichtung des Geräts unterstützender Umlaufrichtung angetrieben wird,
- daß die Zinken jeweils eine im Umlaufrichtung weisende Schlagkante mit keilförmigen Querschnitt aufweisen und
- daß das Erdreich beim Eingreifen der Zinken in einer Keilwelle zu beiden Seiten der jeweiligen Zinken weggeschleudert und abgelegt wird.
6. Aufgabe und Lösung Ausgehend von diesem nächstkommenden Stand der Technik und den oben genannten wesentlichen Unterschieden besteht die Aufgabe darin, ein Gerät zu schaffen, welches eine einfache und kostengünstige Konstruktion aufweist und relativ geringen Anforderungen an die Antriebsleistung des Zugfahrzeuges hat.
Diese Aufgabe wird zur Überzeugung der Beschwerdekammer entsprechend dem Anspruch 1 durch die Änderung der Umlaufrichtung des Rotors und des Querschnitts der Zinken gelöst.
7. Erfinderische Tätigkeit Zur Frage, ob der vorliegende Stand der Technik die Lehre des Anspruchs 1 nahelegen konnte, ist folgendes auszuführen:
7.1. Der Fachmann, der den durch das Bodenbearbeitungsgerät nach Dokument (2) gegenüber der Antriebsleistung des Zugfahrzeuges verursachten Widerstand vermindern will, entnimmt diesem Dokument, daß der Zinkenrotor den größten Leistungsbedarf und -aufwand hat und daß die Form der Zinken die Anforderungen beeinflußt. So wird er die Lösung seiner Aufgabe in Richtung einer Veränderung der Merkmale des Rotors suchen.
7.2. Zwischen den zwei Umlaufrichtungsmöglichkeiten des Rotors sieht der Fachmann sofort, daß der Rotor in die Fahrtrichtung des Geräts unterstützender Umlaufrichtung einen geringeren Widerstand als in der Gegenrichtung leistet. Außerdem erfährt er aus Dokument (1), daß der Rotor in derselben Fahrtrichtung wie der Traktor bestens funktioniert (vgl. Seite 2 der Beschreibung, dritter Absatz) und er findet auch in Dokument (4) einen Hinweis, der für diese Richtung spricht.
7.3. Ferner erkennt der Fachmann sofort, daß Zinken mit in Umlaufrichtung weisender Schlagkante mit keilförmigem Querschnitt wie in Dokument (4) oder (5), die das Erdreich beim Eingreifen zu beiden Seiten wegschleudern, geringere Energie benötigen als schaufelartige Zinken, die die Bodenteile anheben und nach hinten werfen wie in Dokument (2) offenbart (vgl. z. B. Seite 11 und 13, zweiter Absatz).
7.4. Folglich wird der Fachmann, der den Leistungsaufwand des Rotors des Gerätes nach Dokument (2) reduzieren will und zwischen den unter 7.2 erwähnten zwei Drehrichtungsmöglichkeiten des Rotors und den unter 7.3 erwähnten zwei Möglichkeiten der Ausgestaltung der Zinken zu wählen hat, normaler- und logischerweise sein Augenmerk auf jedes energiesparende Mittel richten, d. h. auf die die Fahrtrichtung des Geräts unterstützende Umlaufrichtung des Rotors und auf die Zinkenschlagkante mit keilförmigem Querschnitt, die zwangsläufigerweise das Erdreich in einer Keilwelle zu beiden Seiten wegschleudern.
7.5. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß für den Fachmann diese Lösung naheliegt und daß er zu dieser Überlegung anhand einer logischen Analyse gelangen wird. Dagegen sieht die Kammer in der Zusammenschau der Dokumente (2) und (4) keine ex-post-facto-Beurteilung.
Das Argument der Beschwerdeführerin, durch Merkmalsgruppe werde eine Kombinationswirkung erreicht, vermag zu keiner anderen Beurteilung zu führen.
Anspruch 1 enthält in seinem kennzeichnenden Teil eine Aneinanderreihung von Merkmalen, die alle auf demselben Fachgebiet, dem auch der Oberbegriff zuzurechnen ist, bekannt sind und von deren ebenfalls bekannten vorteilhaften Einzelwirkungen bestimmungsgemäß Gebrauch gemacht wird. Es mag zwar zutreffen, daß diese Teilwirkungen jeweils zur Optimierung der Keilwelle und dadurch des Arbeitsergebnisses beitragen, doch heißt das entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, daß hierdurch ein kombinatorischer Effekt im Sinne einer die Summe der Einzelwirkungen übersteigenden, unvorhersehbaren Gesamtwirkung erreicht wird. Die betreffenden Merkmale üben vielmehr ausschließlich die ihnen spezifischen Wirkungen aus, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.
8. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.