European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1989:T027488.19890606 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Juni 1989 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0274/88 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85810401.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 41/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schraubverschluss aus Kunststoff | ||||||||
Name des Anmelders: | Gebrüder Hoffmann AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Inventive step (yes) support - by documents as filed remittal - first instance Erfinderische Tätigkeit (ja) Stützung durch die ursprüngl. Unterlagen (ja) Zurückverweisung an erste Instanz (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der europäischen Patentanmeldung 85 810 401.1, die am 4. September 1985 angemeldet wurde, unter Inanspruchnahme der Priorität von zwei früheren Anmeldungen CH.4788/84 vom 5. Oktober 1984 und CH 663/85 vom 14. Februar 1985 in der Schweiz.
II. Die Anmeldung wurde von der Prüfungsabteilung 2.3.08.082 mit Entscheidung vom 9. Februar 1988 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die mit Schriftsatz vom 13. Juni 1986 eingereichten Patentansprüche 1 bis 5 und die mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1987 eingereichten Patentansprüche 6 bis 8 zugrunde.
III. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß im damals gültigen unabhängigen Patentanspruch 1 Merkmale fehlen, die im ursprünglichen, mit der Patentanmeldung eingereichten Patentanspruch 1 enthalten waren, und daß diese Änderung Sachverhalte einbringe, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen, so daß es ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliegt.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 29. März 1988 Beschwerde ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerde ist mit einem am 30. Mai 1988 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
V. Mit einer Mitteilung gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 1983, 7) hat die Kammer am 5. April 1989 ihre vorläufige Meinung geäußert, wobei festgestellt wurde, daß der damals gültige Anspruch 1 Ausführungsformen umfaßt, die in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht offenbart waren, so daß er gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.
Dasselbe gelte für die Ansprüche 5, 6 und 7.
VI. Mit einer am 22. Mai 1989 eingegangenen und am 23. Mai 1989 bestätigten Telekopie hat die Beschwerdeführerin neue Argumente vorgebracht und einen neuen Anspruchssatz eingereicht.
VII. Während der mündlichen Verhandlung, die am 6. Juni 1989 stattgefunden hat, sind neue Unterlagen eingereicht worden, nämlich neue Ansprüche 1 bis 6, eine neue Beschreibung und ein neues Blatt Zeichnungen, das dem ursprünglich eingereichten Zeichnungsblatt mit Ausnahme der Einfügung zweier fehlender Bezugszeichen entspricht.
VIII. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Schraubverschluß (1) aus Kunststoff für Flaschen mit einem Innengewinde (7) und einer axial auf die waagrechte Stirnfläche (33) des Gewindeabschnittes (25) des zugehörigen Flaschenhalses (19) zum Aufliegen kommenden, elastisch ausgebildeten, umlaufenden Dichtungslippe (9), wobei der Boden (3) und der Mantel (5) des Verschlusses (1) durch einen bogenförmigen Abschnitt (23) miteinander verbunden sind, und der Boden (3) des Verschlusses (1) gewölbt ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Wölbungsradius des Bodens (3) gleich oder größer ist wie bzw. als der halbe Außendurchmesser (d3) des Flaschenhalses (19) an dessen oberem Ende und der Radius des bogenförmigen Abschnittes (23) größer ist als 1/10 des Wölbungsradius, daß ferner radial außerhalb der Dichtungslippe (9) eine im wesentlichen parallel zur Symmetrieachse (a) des Verschlusses (1) und konzentrisch zur Dichtungslippe (9) verlaufende Rippe (13) angeordnet ist, deren stirnseitiges Profil demjenigen des äußeren Randes der Mündung des Flaschenhalses (19), auf dem sie im Betriebszustand aufsitzt, angepaßt ist und sich an diese Kontur vollflächig anschmiegt, und daß die Lippe (9) nach innen geneigt ist und eine Dichtkante (11) aufweist, die durch die beim Aufschrauben erzeugte Spannkraft gegen das Zentrum gedrückt wird."
Es folgen fünf abhängige Ansprüche 2 bis 6.
IX. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin erklärt, daß sie auf das Recht zur Klärung der Sachfragen in zwei Instanzen verzichtet. Ferner ließ sie ihren bisherigen Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr und weitere Anträge fallen.
Sie beantragt nunmehr:
1. Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
2. Die Erteilung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Der geltende Patentanspruch 1 ist im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht mehr zu beanstanden. In ihm sind alle im ursprünglichen Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale enthalten, und auch die zusätzlich eingeführten Merkmale waren in den ursprünglichen Unterlagen bereits aufgeführt, nämlich im ursprünglichen Anspruch 5 bzw. in der ursprünglichen Beschreibung oder Zeichnung. Im einzelnen ist darauf zu verweisen, daß die Merkmale "und sich an diese Kontur vollflächig anschmiegt" und "die Lippe (9) nach innen geneigt ist" aus der Zeichnung (Fig. 2) zu entnehmen sind, während die in den letzten Zeilen des Anspruchs 1 erwähnten Merkmale "daß die Lippe (9) eine Dichtkante (11) aufweist, die durch die beim Aufschrauben erzeugte Spannkraft gegen das Zentrum gedrückt wird" im zweiten Absatz der Seite 7 der ursprünglichen Beschreibung offenbart sind.
Die geltende Beschreibung ist gegenüber der ursprünglichen Beschreibung nur dahingehend geändert worden, daß sie den geltenden Patentansprüchen angepaßt ist und den Stand der Technik angibt. Die Beschreibung ist daher hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ ebenfalls nicht zu beanstanden.
3. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung ausschließlich aus formalem Grund zurückgewiesen. Die Patentfähigkeit gemäß den Artikeln 52 bis 57 EPÜ ist von ihr nicht abschließend geprüft worden.
Nachdem - wie oben dargelegt wurde - dieser formale Mangel von der Beschwerdeführerin beseitigt worden ist, wäre die Sache normalerweise an die Vorinstanz zur Weiterbearbeitung zurückzuverweisen. Die Kammer hat jedoch im vorliegenden Fall von einer Rückverweisung abgesehen und von der ihr aufgrund von Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Befugnis, im Rahmen der Zuständigkeit der Prüfungsabteilung tätig zu werden, Gebrauch gemacht. Entscheidend hierfür war die Überzeugung, daß der Gegenstand der nunmehr geltenden Anmeldung im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß den Artikeln 52 bis 57 EPÜ patentfähig ist (vgl. Abschnitte 4 ff. hiernach). Hinzu kommt, daß die Beschwerdeführerin auf das ihr zustehende Recht auf zwei Instanzen ausdrücklich verzichtet und daß ferner die Prüfungsabteilung bereits zu erkennen gegeben hat (vgl. Bescheid vom 6.7.87), daß sie der Frage der Patentfähigkeit positiv gegenübersteht.
4. Was die Neuheit angeht, so ist unbestritten, daß das Dokument US-A-4 392 579 den am nächsten kommenden Stand der Technik wiedergibt und daß ein Schraubverschluß gemäß dem Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 aus diesem Dokument bekannt ist.
In diesem Dokument ist jedoch kein Schraubverschluß beschrieben oder gezeigt, der die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 aufweist.
Im Dokument US-A-4 429 802 wird ein Schraubverschluß beschrieben, bei dem zwei konzentrische Dichtungsrippen vorhanden sind, wobei aber die in radialer Richtung äußere Rippe mit ihrem stirnseitigen Profil nicht an das Profil der Flaschenmündung angepaßt ist und sich im Betriebszustand auch nicht vollflächig an dieses anschmiegt. Der hieraus bekannte Schraubverschluß weist ferner eine vom Gegenstand des Anspruchs 1 deutlich abweichende Gestalt auf. Er ist im Bodenbereich flach ausgebildet, lediglich die Eckbereiche sind abgerundet. Die innere Lippe ist sehr kurz ausgebildet und nicht nach innen geneigt.
Die in der Beschreibung zitierten beiden britischen Dokumente sind vom Gegenstand des Anspruchs 1 noch weiter entfernt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu.
5. In bezug auf die erfinderische Tätigkeit dieses Gegenstandes ist folgendes anzuführen:
5.1. Der Verschluß gemäß der US-A-4 429 802 soll ebenfalls dazu dienen, eine Flasche dicht abzuschließen, insbesondere in den Fällen, in denen im Behälter erhöhter Innendruck herrscht. Der Boden dieses Verschlusses ist nicht nach außen gewölbt, sondern flach gestaltet, und die äußere Rippe ist so ausgebildet, daß sie den Hals der Flasche nur entlang eines relativ schmalen Bereichs berührt, während die innere Rippe durch ihre Gestaltung nur die Funktion eines Anschlags zu erfüllen scheint und durch erhöhten Innendruck nicht stärker gegen die Stirnfläche des Flaschenhalses gepreßt wird.
Bei einem solchen Verschluß muß die Dicke des Bodens sehr stark sein, um dem inneren Druck zu widerstehen, sonst würde die leichteste Ausbiegung des Bodens zu einer Beeinträchtigung der Dichtung durch die Rippen führen.
5.2. Der Verschluß gemäß der US-A-4 392 579 ist auch zum Zweck des Widerstands gegen erhöhten Innendruck vorgesehen. In diesem Dokument werden mehrere Ausführungsformen des Verschlusses beschrieben; diejenige, die am nächsten kommt, ist in der Abbildung 4 gezeigt. Der Boden des Verschlusses ist dort bis zum Randbereich hin mit einem einzigen Biegeradius gewölbt. Zur Abdichtung dient eine innere Rippe 42, die sich beim Aufschrauben in Richtung des Inneren des Flaschenhalses abbiegt, während eine äußere Rippe 43 nicht an der Dichtung teilnehmen kann, weil Löcher 28 durch den Boden zwischen den beiden Rippen vorgesehen sind.
Solche Verschlüsse zeigen den Nachteil, daß dann, wenn der Flaschenhals beschädigt und nicht einwandfrei glatt ist, was in der Praxis durch Schläge beim Transport der Flaschen auftreten kann, keine Dichtung mehr erzielt werden kann. Im übrigen kann, wie in der geltenden Beschreibung dargelegt, bei dieser Ausführung beim Aufschrauben eine wellenförmige Verformung der Innenrippe erfolgen, die ebenfalls zum Verlust der Dichtwirkung führt.
5.3. Das Ziel der Erfindung ist es, einen Verschluß zu schaffen, der die oben erwähnten Nachteile nicht aufweist, also mit relativ geringem Materialaufwand hergestellt werden kann und trotzdem eine gute Dichtung unter Innendruck gewährleistet.
5.4. Dies wird durch die im Anspruch 1 erwähnten Merkmale erzielt, die darauf abzielen, den Mantel und den Boden des Verschlusses so zu gestalten, daß sie auch hohe Innendrücke aufnehmen und sich dabei so gering wie möglich verformen, während die äußere Rippe den Flaschenhals umschließt und auch dann dichtend wirkt, wenn die Stirnfläche Beschädigungen aufweist, während die innere Rippe gegen den stirnseitigen Teil des Flaschenhalses mit zunehmendem Innendruck immer stärker angepreßt wird, ohne sich wellenförmig zu verformen.
5.5. Die somit durch die im Anspruch 1 genannten Maßnahmen, die dem verfügbaren Stand der Technik in dieser Form nicht entnehmbar sind, erzielten Wirkungen, nämlich
- eine geringere Verformung des Verschlusses durch den Innendruck;
- die Unabhängigkeit der Dichtungen von der Verformung des Bodens und von der Beschaffenheit der Stirnfläche des Flaschenhalses (die äußere Rippe, weil sie vollflächig mit dem Außenrand des Flaschenhalses zusammenwirkt; die innere Lippe, weil sie nach innen gebogen und über eine definierte Dichtkante durch den Druck in Berührungskontakt mit der Stirnseite der Flasche bleibt), sind in keinem der vorveröffentlichten Dokumente erwähnt und konnten vom Fachmann auch nicht auf Grund seines Fachwissens vorhergesehen werden.
5.6. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auch erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ und damit patentfähig ist.
6. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 betreffen Ausführungsformen des Verschlusses gemäß dem Anspruch 1 und sind deswegen ebenfalls gewährbar.
7. Die Beschreibung ist an den Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 angepaßt und genügt auch sonst den Erfordernissen der Regel 27 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen, nämlich Ansprüche 1 bis 6, Beschreibung Seiten 1 bis 10, mit der Einfügung auf Seiten 3 und 7, und Zeichnungen Figuren 1 und 2, jeweils in der am 10. Juni 1989 in Reinschrift eingereichten Fassung unter Streichung des Wortes "kennzeichnenden" auf Seite 4 der Beschreibung zu erteilen.