European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1989:T026688.19891026 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 October 1989 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0266/88 | ||||||||
Anmeldenummer: | 81107132.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01M 1/22 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Übertragen einer gemessenen Unwuchtwinkellage auf einen Rotor und Vorricht. hierzu | ||||||||
Name des Anmelders: | Carl Schenck AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 1)Hofmann 2)Reutlinger | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Inventive step (no) - obvious first teaching stimulates application of second obvious teaching Erfinderische Tätigkeit (nein) Naheliegende erste Lehre regt zur gleichzeitigen Anwendung einer zweiten naheliegenden Lehre an |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 074 416 (Anmeldenummer 81 107 132.3).
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 dieses Patents lauten:
"1. Verfahren zum Übertragen der gemessenen Winkellage der Unwucht eines auszuwuchtenden Rotors (1) auf dessen Umfang in einer Ausgleichsebene bei dem
- der Rotor (1) in einer Auswuchtmaschine, die keine mit dem Rotor synchron umlaufenden Teile aufweist, in Rotation versetzt und die Winkellage der Unwucht bezüglich einer auf dem Rotor festgelegten Referenzposition ermittelt wird,
- aus einem ersten, ein Maß für den Umfang des Rotors in der Ausgleichsebene in dimensionslosen Einheiten darstellenden Zahlenwert sowie aus der ermittelten Winkellage ein zweiter Zahlenwert gebildet wird, der die Lage der Unwucht bezüglich der Referenzposition in den genannten Einheiten angibt, dadurch gekennzeichnet, daß
- zur Ermittlung des ersten Zahlenwerts, die von einem mit dem Rotor (1) gekoppelten Impulsgeber (22) erzeugten Impulse gezählt, die Zählung nach jeder Umdrehung mit Hilfe eines von der Referenzposition des Rotors abgeleiteten Stop-Start-Impulses beendet und erneut begonnen wird, und der jeweils bei Beendigung der Zählung nach einer Umdrehung vorliegende Zählwert festgehalten wird,
- der Rotor nach dem Stillsetzen nachträglich noch soweit verdreht wird, bis die Anzahl der während dieser Verdrehung vom Impulsgeber (22) gelieferten Impulse gleich dem zweiten Zahlenwert ist.
4. Auswuchtmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit
- einer Rotorlagerung (2, 4),
- einem Rotorantrieb (16-21), der keine synchron mit dem auszuwuchtenden Rotor (1) umlaufenden Teile besitzt,
- Meßumformern (5, 6) zur Erzeugung von den Einfluß der Unwucht auf die Rotorlagerung repräsentierenden Meßsignalen,
- einer Auswerteschaltung (7) zur Ermittlung der Winkellage der Unwucht bezüglich einer auf dem Rotor festgelegten Referenzposition anhand der Meßsignale,
- einer Signalverarbeitungsschaltung (27), die aus der ermittelten Winkellage und aus einem ersten, ein Maß für den Umfang des Rotors in der Ausgleichsebene in dimensionslosen Einheiten darstellenden Zahlenwert einen zweiten Zahlenwert bildet, der die Lage der Unwucht bezüglich der Referenzposition in den genannten Einheiten angibt, und die diesen zweiten Zahlenwert speichert, gekennzeichnet durch
- einen mit dem auszuwuchtenden Rotor (1) gekoppelten Impulsgeber (22) zur Erzeugung einer dem Drehwinkel des Rotors proportionalen Zahl von Impulsen,
- einen Vorwärts-Rückwärts-Zähler (23), dessen Zähleingang die Impulse des Impulsgebers (22) zugeführt sind,
- einen Referenzpositionsgeber (10, 11, 24) zur Erzeugung eines nach jeder Umdrehung des Rotors auftretenden Referenzsignals anhand der Referenzposition, welches der Auswerteschaltung und dem Rücksetzeingang des Zählers zugeführt ist,
- einen mit dem Ausgang des Zählers verbundenen Speicher (26), der durch das Referenzsignal zur Übernahme des Zählerstandes jeweils nach einer Umdrehung des Rotors aktivierbar ist,
- eine in der Signalverarbeitungsschaltung (27) enthaltene Vergleichsschaltung zum Vergleich des gespeicherten zweiten Zahlenwertes mit dem Zählerstand des Zählers,
- eine an die Vergleichsschaltung angeschlossene Anzeigeeinheit (28) zur Signalisierung der Gleichheit von zweitem Zahlenwert und Zählerstand."
Die Ansprüche 2 und 3 sind auf Anspruch 1 und die Ansprüche 5 bis 8 auf Anspruch 4 rückbezogen.
II. Die zwei Beschwerdeführerinnen haben gegen die Patenterteilung im Hinblick auf Art. 100 a EPÜ unter anderem gestützt auf die Dokumente:
D1: DE-A-2 548 729 und D6: "Elektronik-Anzeiger", 2. Jg., Nr. 2 vom 18.2.1970, Seiten 25-29, Einspruch erhoben.
III. Die Einspruchsabteilung hat die Einsprüche zurückgewiesen. Sie stellte dabei insbesondere fest, daß Dokument D6 sich nicht mit dem Auswuchten von Rotoren befasse und die hieraus bekannte impulstechnische Methode für die Auszählung des Rotorumfangs in Verbindung mit der aus Dokument D1 bekannten Lehre nicht zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 führe. Im nachgewiesenen Stand der Technik würden nämlich Hinweise auf Maßnahmen fehlen, die einen Vergleich des zweiten Zahlenwerts mit den beim Eindrehen erneut gezählten Impulsen beinhalten.
IV. Gegen diese Entscheidung habe die zwei Beschwerdeführerinnen (Einsprechende) Beschwerde erhoben, wobei die Beschwerdeführerin "Hofmann-Werkstatt-Technik GmbH" zur Stützung ihrer Argumentation unter anderem erstmals folgendes Dokument nannte:
D10: DE-A-2 724 696.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VB erklärte die Kammer im Hinblick auf Artikel 114 (1) EPÜ die beiden nach Ablauf der Einspruchsfrist genannten und von der Beschwerdegegnerin als "verspätet" erachteten Dokumente D6 und D10 als relevant und äußerte Bedenken hinsichtlich einer den Gegenständen der Ansprüche 1 und 4 zugrundeliegenden erfinderischen Tätigkeit gegenüber der aus Dokument D1 bekannten Bestimmung eines Umfangsanalogons des Unwuchtwinkels, welcher der jeweils gegebene Wert des gesamten Rotorumfangs zugrundegelegt wird, gegenüber der aus Dokument D6 bekannten Bestimmung des Rotorumfangs aus der Zählung von Impulsen, sowie dem aus Dokument D10 bekannten Vergleich des dem genannten Umfangsanalogon des Unwuchtwinkels entsprechenden zweiten Zahlenwerts mit den beim Eindrehen erneut gezählten Impulsen.
VI. Es wurde mündlich verhandelt.
VII. Die zwei Beschwerdeführerinnen (Einsprechende) beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
VIII. Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beschwerdeführerin "Hofmann-Werkstatt-Technik GmbH" im wesentlichen folgende Argumente vor:
1. Aus Dokument D1 sei es bekannt, für die Übertragung des gemessenen Unwuchtwinkels auf einen Rotor, ohne synchron mitumlaufende Teile ein Umfangsanalogon des Unwuchtwinkels zu benutzen, das aus dem jeweils ausgemessenen Realwert des Rotorumfangs berechnet wird.
2. Es sei als eine durchschnittliche fachmännische Leistung anzusehen, sich nach meßtechnischen Möglichkeiten für die Ermittlung des Rotorumfangs umzusehen und so zu Dokument D6 zu gelangen. Dokument D6 gibt insbesondere auf Seite 25, rechte Spalte, im letzten Absatz explizit an, daß die Verwendung eines Winkelschrittgebers zur Umfangsbestimmung eines Rotors ohne Einschränkung generell im Maschinenbau möglich sei. Die in Dokument D6 behandelte Bestimmung der "Unrundheit" sei stets Teil der Aufgabe, eine eindeutige Unwuchtbestimmung auszuführen. Insbesondere sei im Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin als erfinderisch geltend gemachte Übertragung der Referenzposition von der Meßebene in die Ausgleichsebene darauf hinzuweisen, daß bei der Benutzung der Pulstechnik diese Übertragung beim Eindrehen zwangsläufig erfolge und bereits in Fig. 6 des Dokuments D6 der Impulsgeber für den Stop und Start des Zählers in einer anderen Ebene liegt als in derjenigen, in der der Rotorumfang ausgemessen wird.
3. Das Eindrehen der Unwucht in Abhängigkeit vom Zählergebnis sei unstrittig aus Dokument D10 bekannt.
IX. Die Beschwerdeführerin "Dr. Reutlinger und Söhne GmbH u. Co. KG" gründete ihren Antrag zusätzlich zum Vorstehenden im wesentlichen auf folgende weitere Argumente:
1. Sofern der Begriff "Umfang des Rotors" in Anspruch 1 und 4 nicht als Vollwinkel von 360° sondern als eine abwickelbare Längendimension interpretiert werde, sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 bereits durch die Dokumente D1 und D6 nahegelegt. Der Fachmann für die Unwucht beschäftigt sich nämlich zwangsläufig mit dem geometrischen Erscheinungsbild der Unrundheit, da die statische "Unrundheit" die dynamisch ermittelte "Unwucht" beeinflusse. Bei der Beseitigung beider Mängel käme es darauf an, den Ort für den Abtrag des überschüssigen Materials zu ermitteln, wozu in Dokument D6 das in Fig. 6 dargestellte Schreiberdiagramm mit der den Winkel repräsentierenden Abszisse und der die Unrundheit repräsentierenden Ordinate diene. Somit gehöre das die Unrundheit ermittelnde Dokument D6 zum Fachgebiet des Unwuchtfachmanns.
2. Ausgehend von Dokument D1 stelle sich die Aufgabe, dieses bekannte Verfahren sowohl im Hinblick auf die Ermittlung des Umfangsanalogons des Unwuchtwinkels als auch in bezug auf das in Dokument D1, Seite 12, Abs. 1 angesprochene Eindrehen zu automatisieren. Da Dokument D6 die Automatisierung der Ermittlung des Umfangsanalogons der Unwucht mit Hilfe der Pulstechnik nahelege, ergibt sich ein Pulsvergleich beim Eindrehen für den Fachmann zwangsläufig, so daß bei der Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit auf das Dokument D10 verzichtet werden könne.
3. Die von der Beschwerdegegnerin als erfinderisch geltend gemachte Übertragung der Referenzposition von der Meßebene in die Ausgleichsebene sei in der Praxis überflüssig, da beim allgemein bekannten Stand der Technik die Referenzposition bereits in der Ausgleichsebene angebracht und dort abgetastet werde, um die Messung des Unwuchtwinkels zu triggern. Somit trete beim realen Stand der Technik das von der Beschwerdegegnerin angeführte Problem der Zwangssynchronisation des Referenzpunktes gar nicht auf.
X. Die Beschwerdegegnerin stützte ihren Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:
1. Eine auf die Umfangsmessung allein abgestellte objektive Aufgabe enthalte bereits erfindungswesentliche Lösungselemente, da gemäß dem Streitpatent gemäß Spalte 3, Zeilen 5-11, die Aufgabe vielmehr allgemein darin zu sehen sei, eine Übertragung von Unwuchtwinkeln auf den Rotor zu erreichen, "ohne daß eine Zwangssynchronisation zwischen Rotor und Auswuchtmaschine erforderlich ist". Unter "Zwangssynchronisation" sei die manuelle Übertragung der rotorbezogenen Referenzposition des Unwuchtwinkels aus der Meßebene (Lagerzapfenebene) in die Ausgleichsebene (Rotorumfangsebene für den Abtrag überschüssigen Materials) zu verstehen.
Insbesondere bei Rotoren mit wellenlosem Antrieb - d. h. ohne synchron mitumlaufende Teile - stelle sich nämlich das Problem, den gemessenen Winkelwert der Unwucht auf dem Rotor selbst abzutragen. Dabei sei nicht nur das Umfangsanalogon des Unwuchtwinkels zu bestimmen, sondern es sei auch die rotorbezogene Referenzposition des Winkelwertes aus der Meßebene der Unwucht am Rotorlager auf den Rotorumfang, und zwar in die Ebene zu verlagern, in der Rotormaterial zum Ausgleich der Unwucht abgetragen werden soll.
2. Beim nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D1, das dem Oberbegriff der Ansprüche 1 und 4 zugrunde gelegt ist, erfolgt die Referenzpositionsübertragung manuell und sei fehlerhaft. Die erfindungsgemäß Lösung umfasse deshalb sowohl die Ausmessung des jeweiligen Rotorumfangs mit Hilfe der Pulstechnik als auch die automatische Übertragung der Referenzposition aus der Meß- in die Ausgleichsebene.
3. Der Stand der Technik gebe ferner keine Anregung, aus der rotorbezogenen Referenzposition für die Messung eines Unwuchtwinkels den Stop-Start-Impuls zur Pulszählung für die Ermittlung des Rotorumfangs abzuleiten.
4. Dokument D6 habe nichts mit dem Unwuchtwinkel zu tun und sei nicht so naheliegend.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
2.1. Aus Dokument D1 ist ein Verfahren zum Übertragen der gemessenen Winkellage der Unwucht mit ausschließlich den im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen und eine Auswuchtmaschine mit den im wesentlichen im Oberbegriff des Anspruchs 4 genannten Merkmalen bekannt, d. h.:
a) In bezug auf den Anspruch 1: ein "Verfahren zum Übertragen der gemessenen Winkellage der Unwucht eines auszuwuchtenden Rotors auf dessen Umfang in einer Ausgleichsebene (vgl. D1, Seite 4, Zeilen 25- 32), bei dem der Rotor in einer Auswuchtmaschine, die keine mit dem Rotor synchron umlaufenden Teile aufweist (vgl. Seite 4, Zeilen 21-25 in Verbindung mit Seite 3, vorletzte Zeile bis Seite 4, Zeile 3), in Rotation versetzt und die Winkellage der Unwucht (Seite 8, Abs. 3) bezüglich einer auf dem Rotor festgelegten Referenzposition (Seite 7, Zeilen 23-25) ermittelt wird; aus einem ersten, ein Maß für den Umfang des Rotors in der Ausgleichsebene in dimensionslosen Einheiten darstellenden Zahlenwert (zmax; d. h. die maximale Zahl des den Umfang des Rotors umfassenden Zahlenbandes; vgl. Seite 8, letzter Abs. und 17 in Fig. 2) sowie aus der ermittelten Winkellage (Seite 8, Abs. 4 und 13 in Fig. 2) ein zweiter Zahlenwert (vgl. 19 in Fig. 2) gebildet wird, der die Lage der Unwucht bezüglich der Referenzposition in den genannten Einheiten angibt (Seite 9, Zeilen 1-9)."
b) In bezug auf den Anspruch 4: eine "Auswuchtmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit einer Rotorlagerung, einem Rotorantrieb, der keine synchron mit dem auszuwuchtenden Rotor umlaufenden Teile besitzt, Meßumformern zur Erzeugung von den Einfluß der Unwucht auf die Rotorlagerung repräsentierenden Meßsignalen, einer Auswerteschaltung zur Ermittlung der Winkellage der Unwucht bezüglich einer auf dem Rotor festgelegten Referenzposition anhand der Meßsignale (folgt für den Fachmann aus der z. B. auf Seite 8 in Abs. 4 als bekannt zugrundegelegten Auswuchtmaschine); einer Signalverarbeitungsschaltung (z. B. Fig. 2 in Verbindung mit Seite 8, Abs. 3 bis Seite 9, Abs. 2), die aus der ermittelten Winkellage (Seite 8, Abs. 4) und aus einem ersten, ein Maß für den Umfang des Rotors in der Ausgleichsebene in dimensionslosen Einheiten darstellenden Zahlenwert (Seite 8, letzter Absatz) einen zweiten Zahlenwert bildet, der die Lage der Unwucht bezüglich der Referenzposition in den genannten Einheiten angibt (Seite 9, Abs. 1) und die diesen zweiten Zahlenwert speichert (als Skalenausschlag 19 bei an +U liegender Schaltungsanordnung).
Die "Ermittlung des ersten Zahlenwerts" (Rotorumfang) erfolgt beim Stand der Technik gemäß Dokument D1 manuell ohne Impulsgeber und das "Verdrehen nach dem Stillsetzen" - d. h. das sogenannte Eindrehen der Unwucht in eine maschinenbezogene Referenzposition - nicht durch Pulsvergleich sondern durch visuelle Überwachung des manuell auf dem Rotorumfang abgetragenen zweiten Zahlenwerts (Umfangsanalogon des Unwuchtwinkels).
2.2. Dokument D6 beschreibt kein Verfahren zum Übertragen der gemessenen Winkellage der Unwucht auf einen Rotor und keine Auswuchtmaschine, sondern behandelt die Ermittlung der Größe des Umfangs eines Rotors mit Hilfe der Zählung von Impulsen im Rahmen der Ausmessung seiner Unrundheit. Das aus Dokument D10 bekannte Verfahren, bzw. die aus diesem Dokument bekannte Auswuchtmaschine weist im Gegensatz zu den Gegenständen der Ansprüche 1 und 4 des Streitpatents mit dem Rotor synchron umlaufende Teile auf, vgl. Dokument D10, vgl. die Antriebswelle 2,26 und die Lochscheibe 6.
2.3. Die übrigen im Verfahren befindlichen oder im Recherchenbericht genannten Dokumente liegen von den Gegenständen der Ansprüche 1 und 4 des Streitpatents weiter entfernt und können deshalb unerörtert bleiben.
2.4. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 und die Auswuchtmaschine gemäß Anspruch 4 sind somit neu.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. In bezug auf den nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D1, von dem auch die Beschwerdegegnerin ausgeht, liegt dem Streitpatent objektiv die Aufgabe zugrunde, bei der Übertragung des gemessenen Winkelwerts der Lage der Unwucht auf den Umfang des Rotors in einer Auswuchtmaschine, die keine mit dem Rotor synchron umlaufenden Teile aufweist, den Zeitaufwand herabzusetzen und die Genauigkeit zu verbessern, ohne daß eine Zwangssynchronisation (d. h. gemäß Pkt. X-1 eine manuelle Übertragung der rotorbezogenen Referenzposition aus der Meß- in die Ausgleichsebene) zwischen Rotor und Auswuchtmaschine erforderlich ist; vgl. hierzu auch das Streitpatent, Spalte 3, Zeilen 3-11 in Verbindung mit Spalte 2, Zeilen 10, 22 und 23. Auf die dieser Aufgabe zugrundeliegenden Mängel des Standes der Technik stößt ein Fachmann nach Auffassung der Kammer ohne weiteres im Rahmen der praktischen Verwendung der aus Dokument D1 bekannten Vorrichtung und Maßnahmen. Somit ist der Fachmann in der Lage, sich die obige objektive Aufgabe zu stellen, ohne erfinderisch tätig zu sein.
3.2. Auch eine alternative engere Formulierung der objektiven Aufgabe, die -gezielter auf eine Verbesserung der aus Dokument D1 bekannten technischen Sachverhalte abgestellt - auf eine Automatisierung der Ermittlung des umfangsbezogenen Zahlenwerts, der die Lage der Unwucht auf dem jeweils speziell vorliegenden Rotorumfang charakterisiert, und auf die Automatisierung des Eindrehens der so auf dem Rotorumfang lokalisierten Unwucht in eine maschinenfeste Bearbeitungsposition abgestellt ist, würde nicht zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit beitragen. Die Automatisierung bisher manuell durchgeführter Maßnahmen ist nämlich nach Auffassung der Kammer ein fachmännisches Routineziel.
Ein Lösungselement würde diese engere Aufgabe - entgegen der sinngemäßen Auffassung der Beschwerdegegnerin in Punkt X-1 - erst dann umfassen, wenn sie ein bei der Automatisierung einzusetzendes technisches Arbeitsmittel oder Prinzip erkennen lassen würde, beispielsweise die in den kennzeichnenden Teilen der Ansprüche 1 bis 4 eingesetzte Pulstechnik. Das gleiche gilt für die Formulierung der Teilaufgabe bezüglich der Automatisierung der in D1 manuell erfolgten Ausmessung des Rotorumfangs. Es ist für den Fachmann glatt selbstverständlich, daß für einen vollautomatischen Ablauf des Messens, Übertragens und Eindrehens einer Unwucht jeder zum Erreichen des Endziels erforderliche manuelle Schritt auszuschalten ist, so auch eine gegebenenfalls notwendige manuelle Übertragung der rotorbezogenen Referenzposition aus der Meß- in die Ausgleichsebene. Somit kann - entgegen der sinngemäßen Meinung der Beschwerdegegnerin in Punkt X-1 - in der Erkenntnis, daß die "Zwangssynchronisation" ebenfalls zu automatisieren ist, keine erfinderische Leistung gesehen werden. Vor allem aber ist der Beschwerdegegnerin darin nicht zu folgen, daß die Messung des Rotorumfangs als solche ein technisches Ziel der objektiven Aufgabe sein kann. Denn die Umfangsmessung als solche gehört zu dem aus Dokument D1 bekannten Stand der Technik.
3.3. Die oben genannte objektive Aufgabe - sei es in ihrer allgemeineren Formulierung gemäß Pkt. 3.1 oder in ihrer engeren Formulierung gemäß Pkt. 3.2 - wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 enthaltenen Maßnahmen bzw. durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 4 angegebenen Mittel gelöst, die sich in zwei Merkmalsgruppen unterteilen lassen:
in Maßnahmen und Mittel zur automatischen Ermittlung der Größe des Rotorumfangs und in Maßnahmen und Mittel zum automatischen Eindrehen des Unwuchtschwerpunktes in die maschinenfeste Bearbeitungsposition.
3.4. Die die automatische Ermittlung der Größe des Rotorumfangs betreffende erste Merkmalsgruppe ist im wesentlichen aus Dokument D6, insbesondere Bilder 1 und 6 in Verbindung mit Seite 26, linke Spalte, Absatz 4, bekannt, d. h.:
a) in bezug auf den Anspruch 1, daß: "zur Ermittlung des ersten Zahlenwerts die von einem mit dem Rotor gekoppelten Impulsgeber (vgl. D6, den Winkelschrittgeber in Fig. 6) erzeugten Impulse gezählt (D6, S. 26, l. Sp., Abs. 4, Z. 8) die Zählung nach jeder Umdrehung mit Hilfe eines von der Referenzposition des Rotors abgeleiteten Stop-Start- Impulses beendet und erneut begonnen wird (S. 26, l. Sp., Abs. 4, Z. 8-11, sowie den "Impulsgeber" in Bild 6) und der jeweils bei Beendigung der Zählung nach einer Umdrehung vorliegende Zählwert (vgl. den von Vorwahlzähler für z=1 abgegebenen Impuls an das UND- Gatter 1) festgehalten wird."
b) in bezug auf den Anspruch 4, daß der aus D6 bekannte Umfangsmesser (vgl. Seite 25, rechte Spalte, vorletzter Absatz) folgende Merkmale aufweist: "einen mit dem Rotor gekoppelten Impulsgeber zur Erzeugung einer dem Drehwinkel des Rotors proportionalen Zahl von Impulsen (vgl. den Winkelschrittgeber des Reibrades in Bild 6), einen Zähler, dessen Zähleingang die Impulse des Impulsgebers zugeführt sind (Seite 26, l. Sp., Abs. 4, Z. 8 bis 14. Der Zähler ist zwar in Fig. 6 nicht dargestellt, jedoch aufgrund der Informationen des Dokuments D6 über die Funktionsweise des bekannten Gerätes für den Fachmann hinter dem Ausgang des UND-Gatters 1 vorhanden), einen Referenzpositionsgeber (vgl. den "Impulsgeber" in Bild 6) zur Erzeugung eines nach jeder Umdrehung des Rotors auftretenden Referenzsignals (am Ausgang des "Vorwahlzählers" in Bild 6 bei seiner Einstellung auf den Vorwahlwert z=1), welches dem Rücksetzeingang des Zählers zugeführt wird (vgl. ergänzend auch Seite 28, rechte Spalte, letzter Absatz), einen mit dem Ausgang des Zählers verbundenen Speicher, der durch das Referenzsignal zur Übernahme des Zählerstandes jeweils nach einer Umdrehung des Rotors aktivierbar ist (vgl. die "Durchmesser-Anzeige" in Bild 6, deren Zahlenwert nach dem Unterbrechungsimpuls des Vorwahlzählers für z=1 Werkstückumdrehungen auf der Anzeigeeinheit erscheint. Aufgrund der direkten Proportionalität zwischen Rotordurchmesser und -umfang repräsentiert die auf der Durchmesser-Anzeige in Bild 6 bei z=1 erscheinende Zahlenfolge einen "Zahlenwert" für den ausgemessenen Rotorumfang in den beanspruchten "dimensionslosen Einheiten", der dem im Speicher 26 des Ausführungsbeispiels des Streitpatents gespeicherten Zahlenwert analog ist)."
In Dokument D6 dienen die Pulse des mit der Achse eines Reibrades gekoppelten Winkelschrittgebers unter anderem zur Bestimmung des Umfangsortes eines Rotors bei der örtlichen Festlegung seiner Unrundheit, die anhand der radialen Verlagerung des Reibrades mit Hilfe eines mit dem Reibrad verbundenen Wegaufnehmers gemessen wird. Die Unrundheit rotierender Werkstücke beeinflußt bekannterweise die Messung des Unwuchtwinkels. Deshalb wird ein Fachmann für Auswuchtmaschinen Unrundheiten eines rotierenden Werkstücks bei der Auswuchtung stets mitberücksichtigen. Somit gehören nach Auffassung der Kammer entgegen der sinngemäßen Auffassung der Beschwerdegegnerin in Pkt. X-4 Dokument D6 und Dokument D1 beide zum Fachgebiet des Fachmanns für die Auswuchtung von Rotoren. Es ist deshalb diesem Fachmann ohne weiteres gegeben, die aus Dokument D6 bekannte automatische Umfangsermittlung eines Rotors mit Hilfe der Pulstechnik auch zur Bestimmung des ersten Zahlenwertes in dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren einzusetzen, zumal Dokument D1 (Seite 9, Zeilen 5-9) explizit auf die Umfangslänge als Bezugswert für den abzutragenden Unwuchtswinkel hinweist und Dokument D6 (Seite 25, rechte Spalte, vorletzter Absatz) ausdrücklich erwähnt, daß die primär erwünschte Durchmesserbestimmung auf einer Umfangsmessung beruht. Über das normale Können des Fachmanns hinausgehende Schwierigkeiten beim Einbau des aus Dokument D6 bekannten Umfangsmessers in die aus Dokument D1 bekannte Auswuchtmaschine sind für die Kammer nicht erkennbar und auch von der Beschwerdegegnerin nicht geltend gemacht worden. Die dabei erforderliche Automatisierung der Einstellung des Widerstands 17 in Figur 2 des Dokuments D1 gemäß dem Zahlenwert der Druchmesser-Anzeige des Dokuments D6 ist eine vom Fachmann zu erwartende Anpassungsmaßnahme.
Die Kammer vermag der Beschwerdegegnerin nicht darin zu folgen, daß zur rationelleren und genaueren Bestimmung und Übertragung des Umfangsanalogons der Rotorunwucht die Vermeidung der beim Stand der Technik notwendigen "Zwangssynchronisation" erfinderisch sei; vgl. Pkt. X-2. Denn zum einen ist weder beim Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 noch beim Stand der Technik gemäß Dokument D1 die Lage der rotorbezogenen Referenzposition präzisiert und schon gar nicht auf die Lagerzapfenebene beschränkt. Somit erübrigt sich eine "Zwangssynchronisation" bei demjenigen Stand der Technik, bei dem unbestritten die Unwuchtmessung in der Lagerzapfenebene bereits von einer in der Ausgleichsebene angebrachten Referenzposition getriggert wird; vgl. Pkt. IX-3. Zum anderen ist in bezug auf die alternative, dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents analoge Lage der Referenzposition in der Lagerzapfenebene (Meßebene) festzustellen, daß bei der naheliegenden Anwendung der aus Dokument D6 bekannten Pulstechnik die von der Referenzposition in der Meßebene getriggerte Nullstellung des Zählers für die dem Drehwinkel proportionale Pulszahl die Aufgabe der Referenzposition in der Ausgleichsebene automatisch übernimmt und den Ausgangspunkt für den Abtrag des Umfangsanalogons des Unwuchtwinkels in der Ausgleichsebene bildet. Diese Bedeutung der Nullstellung des Zählers erkennt der Fachmann nach Auffassung der Kammer ohne weiteres. Sie ergibt sich zwangsläufig bei der praktischen Anwendung der durch Dokument D6 nahegelegten Lehre, ohne daß irgendeine zusätzliche technische Maßnahme vorzunehmen ist.
Ferner erachtet die Kammer einen Fachmann für fähig zu erkennen, daß die bei der aus Dokument D1 bekannten Unwuchtmaschine bereits vorhandene rotorbezogene Referenzposition auch zur Umfangsmessung herangezogen werden kann und die Rolle des in Dokument D6, Fig. 6, durch den "Impulsgeber" abgetasteten Zapfens zur Feststellung einer vollen Rotorumdrehung bei der Auszählung des Rotorumfangs zu übernehmen vermag. Im Weglassen einer gesonderten Referenzposition für die Umfangsmessung ist daher entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin in Pkt. X-3 keine erfinderische Tätigkeit zu sehen.
Aus den vorstehend genannten Gründen stellt die Verwendung der aus Dokument D6 bekannten Maßnahmen bzw. Mittel bei dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren bzw. bei dieser bekannten Auswuchtmaschine eine Anwendung einer bekannten Technologie in einer analogen Situation dar, die als naheliegend anzusehen ist, da ihr Einsatz keine das normale fachmännische Können übersteigenden Schwierigkeiten mit sich bringt und zu keinen überraschenden Wirkungen führt.
3.5. Die im Streitpatent beanspruchten Maßnahmen und Vorrichtungsmerkmale zum automatischen Eindrehen des Unwuchtschwerpunktes in die maschinenfeste Referenzposition gemäß der zweiten Merkmalsgruppe sind aus dem Dokument D10, insbesondere Fig. 2 und Seite 10, Abs. 3-5, bekannt; d. h.:
a) in bezug auf den Anspruch 1, daß: "der Rotor nach dem Stillsetzen nachträglich noch soweit verdreht wird, bis die Anzahl der während dieser Verdrehung vom Pulsgeber (vgl. 7, 8', 114, 116) gelieferten Impulse gleich dem zweiten Zahlenwert ist (vgl. den in 118 als Pulszahl gespeicherten Mittelwert des Unwuchtwinkels, der durch die über 114 beim Eindrehen eingehenden Pulse zu Null gezählt wird, nachdem über 122 der Rückzählstart eingegeben ist)".
b) in bezug auf den Anspruch 4, daß die aus D10 bekannte Vorrichtung zum automatischen Eindrehen folgende Merkmale aufweist:
"eine in der Signalverarbeitungsschaltung enthaltene Vergleichsschaltung (118) zum Vergleich (durch Rückwärtszählung) des gespeicherten zweiten Zahlenwertes (Mittelwert des Unwuchtwinkels) mit dem Zählerstand des Zählers (104; dessen Zählerstand mit der über 114 und 116 eingehenden Pulszahl identisch ist), eine an die Vergleichsschaltung angeschlossene Anzeigeeinheit (z. B. 22 in Fig. 1) zur Signalisierung der Gleichheit von zweitem Zahlenwert und Zählerstand (vgl. Seite 10, Abs. 5)".
Bereits die in Pkt. 3.4 als naheliegend dargelegte Verwendung der aus Dokument D6 bekannten Umfangsmessung bei dem aus Dokument D1 bekannten Auswuchten führt zur Repräsentation eines vorgegebenen Winkelinkrements des auszuwuchtenden Rotors durch einen zählbaren Puls, der analog auch in Dokument D10 als Maßeinheit für den Unwuchtwinkel benutzt wird. Aus diesem Grunde wird ein Fachmann praktisch zwangsläufig darauf hingewiesen, das in Dokument D1, Seite 12, Zeile 4, angesprochene "Eindrehen" mit Hilfe eines Vergleichs von Soll- und Istwerten gezählter Pulse durchzuführen. Die durch Dokument D6 nahegelegte Automatisierung der Umfangsmessung mit Hilfe der Pulstechnik legt es dem Fachmann ebenfalls nahe, diese Pulstechnik beim Eindrehen beizubehalten, d. h. die oben angegebenen, aus Dokument 10 bekannten Maßnahmen und Mittel bei einem Gegenstand gemäß den durch die Dokumente D1 und D6 nahegelegten Teilmerkmalen der Ansprüche 1 und 4 zu verwenden. Dabei ist es dem Fachmann nach Meinung der Kammer ohne weiteres gegeben, daß es für die Automatisierung des Eindrehens unerheblich ist, ob die Pulse durch eine mit dem auszuwertenden Rotor synchron umlaufende Drehscheibe (6 in Fig. 1 von D10) erzeugt werden oder durch den beliebig an den Rotor angekoppelten "Winkelschrittgeber" gemäß Bild 6 des Dokuments D6.
Somit bedingt auch die Automatisierung des Eindrehens mit Hilfe der Pulstechnik gemäß der zweiten Merkmalsgruppe der Ansprüche 1 und 4 keinen erfinderischen Schritt.
3.6. Desgleichen ist in der gemeinsamen Anwendung der aus den Dokumenten D6 und D10 bekannten Lehren bei dem aus Dokument D1 bekannten Auswuchten nichts Erfinderisches zu sehen, da die durch Dokument D6 nahegelegte Anwendung der Pulstechnik den Fachmann auf die aus Dokument D10 bekannte Eindrehtechnik verweist und jeweils nur von den bekannten vorteilhaften Einzelwirkungen der aus diesen Dokumenten bekannten Lehren Gebrauch gemacht wird, ohne daß es zu einer überraschenden Gesamtwirkung kommt.
4. Wie oben in Pkt. 3.1 bis 3.6 im einzelnen dargelegt, genügen die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 des Streitpatents nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) i.V.m. Art. 56 EPÜ. Das Patent kann daher mit diesen Ansprüchen nicht aufrechterhalten werden. Mit den Ansprüchen 1 und 4 fallen auch die von diesen abhängigen Ansprüche 2 und 3 bzw. 5 bis 8.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.