European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T063705.20071206 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Dezember 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0637/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99950674.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | C10M 173/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kettenschmiermittel für Förder- und Transportanlagen | ||||||||
Name des Anmelders: | Bactria Industriehygiene-Service GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Ecolab Inc. | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuer Einspruchsgrund (nicht zugelassen) - fehlende Zustimmung der Patentinhaberin Erfinderische Tätigkeit (nein) - zwangsläufiger Zusatzeffekt |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 133 540 zurückzuweisen.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche (Artikel 100 (a) EPÜ) angegriffen worden.
III. Die Grundlage der Entscheidung bildeten die Ansprüche 1 bis 9 des Patents in der erteilten Fassung, wobei der unabhängige Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Kettenschmiermittel für Förder- und Transportanlagen aus Wasser, Tensiden und Desinfektionsmitteln sowie üblichen Hilfs- und Zusatzstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß als Tensid ein synthetisches anionisches Tensid in einer Menge von 0,1 - 1,5 g/l und als Desinfektionsmittel Chlordioxid in einer Menge von 0,5 - 5 mg/l verwendet wird."
IV. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente herangezogen:
(D1) EP-A-0 359 145 und
(D3) DE-A-39 28 747
V. In der angefochtenen Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Dokument (D1) für den nächstliegenden Stand der Technik. Aufgabe des angefochtenen Patents sei es, ein Kettenschmiermittel für Transport- und Förderanlagen bereitzustellen, das reinigende, desinfizierende und biostatische Wirkungen aufweist. Der Fachmann hätte zur Lösung dieser Aufgabe das Dokument (D3), das auf die Anwendung von Chlordioxid als Desinfektionsmittel in Kettenschmiermitteln hinweist, nicht herangezogen, da erst nach dem Prioritätsdatum der vorliegenden Anmeldung deutlich wurde, dass Chlordioxid für diesen Zweck einsetzbar sei. Dokument (D1) allein lege den Gegenstand der vorliegenden Ansprüche nicht nahe.
VI. Am 6. Dezember 2007 hat eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattgefunden.
VII. Die Beschwerdeführerin machte - erstmals im Beschwerdeverfahren - geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausginge und somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
Außerdem hielt die Beschwerdeführerin den Gegenstand der Ansprüche nicht für erfinderisch. Sie sah das Dokument (D1) als nächstliegenden Stand der Technik an. Die durch den Gegenstand der Ansprüche des angefochtenen Patents im Hinblick auf dieses Dokument gelöste Aufgabe sei es, die Belastung der Kläranlagen durch die ins Abwasser gelangenden Kettenschmiermittel zu vermindern. Zur Lösung dieser Aufgabe hätte der Fachmann in dem aus Dokument (D1) bekannten Kettenschmiermittel Chlordioxid als Desinfektionsmittel eingesetzt, unter anderem da das Dokument (D3) den Zusatz von Chlordioxid als Desinfektionsmittel zu Kettenschmiermitteln offenbare und auf die höhere Effektivität von Chlordioxid und die damit verbundene geringere Abwasserbelastung hinweise.
Zwar erfordere die Lehre des Dokuments (D3) ferner die Anwesenheit von Sequestrier- oder Komplexiermittel, diese fielen jedoch unter die "üblichen Hilfs- und Zusatzstoffe" gemäß Anspruch 1 des angefochtenen Patents. Zur Stützung dieses Arguments verwies die Beschwerdeführerin auf die von ihr erstmals im Beschwerdeverfahren angezogenen Dokumente:
(D9) WO-A-96 02 616 ,
(D10) EP-A-0 044 458 und
(D11) DE-A-23 13 330 .
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat das Streitpatent auf der Basis der erteilten Fassung verteidigt. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte sie noch einen Hilfsantrag ein, dessen Anspruch 1 sich von dem des Streitpatents dadurch unterscheidet, dass direkt nach dem Wort "Transportanlagen" die Worte "in Abfüllanlagen von Lebensmitteln" eingefügt ist.
Die Beschwerdegegnerin brachte vor, der von der Beschwerdeführerin erhobene Einwand der unzulässigen Erweiterung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ führe einen neuen Einspruchsgrund unter Artikel 100 (c) EPÜ ein, dessen Zulassung im Beschwerdeverfahren gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 10/91 ihrer Zustimmung bedürfe, die sie verweigere.
Ferner seien die Dokumente (D9) bis (D11) nicht ins Verfahren zuzulassen, da sie grundlos verspätet eingereicht worden seien.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ging auch sie vom Dokument (D1) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Der beanspruchte Gegenstand löse zwei Aufgaben gegenüber dem in Dokument (D1) offenbarten Kettenschmiermittel. Einerseits bewirke der Ersatz der in diesem Dokument beschriebenen Desinfektionsmittel durch Chlordioxid eine geringere Belastung der biologischen Stufen von Kläranlagen, u. a. da Chlordioxid schon vor Erreichen der Kläranlage abgebaut würde. Andererseits erhöhe Chlordioxid die Schmierwirkung der Tenside.
Der Fachmann hätte zur Lösung dieser Aufgaben nicht das Dokument (D3) herangezogen, da dieses den Einsatz von Chlordioxid vor allem bei Reinigungsschritten vorschlage, das angefochtene Patent hingegen auf Kettenschmiermittel für den Dauerbetrieb ziele. Ferner erwähne dieses Dokument die Verringerung der Abwasserbelastung als Folge einer geringeren Konzentration an Desinfektionsmittel, nicht jedoch den Abbau von Chlordioxid vor Erreichen der Kläranlage. Schließlich sei gemäß der Offenbarung des Dokuments (D3) die Anwesenheit von Sequestrier- bzw. Komplexiermittel zwingend. Letztere seien in den Dokumenten (D9) bis (D11) nicht als Zusätze zu synthetischen anionischen Tensiden beschrieben und stellten auch deshalb nicht als übliche Hilfs- und Zusatzstoffe gemäß dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents dar. Folglich würde selbst die - ihrer Meinung nach nicht naheliegende - Kombination der Offenbarungen der Dokumente (D1) und (D3) nicht zum Gegenstand der vorliegenden Ansprüche führen.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die von der Beschwerdeführerin erstmals im Beschwerdeverfahren genannten Dokumente (D9) bis (D11) nicht zum Verfahren zuzulassen, die Beschwerde zurückzuweisen, und, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 06. Dezember 2007, aufrechtzuerhalten.
X. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulassung der Dokumente (D9) bis (D11) in das Beschwerdeverfahren
Diese Dokumente wurden von der Beschwerdeführerin eingereicht, um die von der Beschwerdegegnerin erstmals im Beschwerdeverfahren aufgestellte Behauptung zu entkräften, dass Sequestrier- und Komplexiermittel nicht zu den in Kettenschmiermitteln "üblichen Hilfs- und Zusatzstoffen" gemäß Anspruch 1 des angefochtenen Patents zu zählen seien.
Insofern ist eine der Beschwerdeführerin anzulastende Verspätung, die es rechtfertigen könnte, diese Dokumente nicht zum Verfahren zuzulassen, nicht erkennbar.
Daher ließ die Kammer diese Dokumente als Beweismittel im Beschwerdeverfahren zu.
Hauptantrag
3. Artikel 123 EPÜ
3.1 Die Ansprüche des Hauptantrags sind die des Patents in der erteilten Fassung. Sie genügen somit den Erfordernissen von Artikel 123 (3) EPÜ.
Der erstmals während des Beschwerdeverfahrens geltend gemachte Einwand gemäß Artikel 100 (c) EPÜ stellt einen neuen Einspruchsgrund dar, der im Beschwerdeverfahren nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin geprüft werden durfte. (siehe G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, Satz 3 der Stellungnahme).
Nachdem die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 2006 mitgeteilt hat, dass sie ihr Einverständnis zur Prüfung dieses neuen Einspruchsgrundes nicht erteilt, ist in diesem Beschwerdeverfahren eine Prüfung, ob Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 (c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen, ausgeschlossen.
4. Neuheit
Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 gegenüber den entgegengehaltenen Dokumenten neu ist. Da die Neuheit nicht strittig war, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ ist nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern bei Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes der nächstliegende Stand der Technik festzustellen, demgegenüber die Aufgabe zu ermitteln, die erfindungsgemäß gelöst wird, und schließlich die Frage zu klären, ob die vorgeschlagene Lösung dieser Aufgabe für den Fachmann angesichts des Standes der Technik nahelag.
5.2 Die Kammer betrachtet im Einklang mit den Parteien Dokument (D1) als nächstliegenden Stand der Technik.
Dokument (D1) offenbart Schmiermittel für Förderanlagen zur Abfüllung von Lebensmitteln, wobei die Schmiermittel anionisches Tensid in dem im Anspruch 1 des angegriffenen Patents festgelegten Konzentrationsbereich und gegebenenfalls Desinfektionsmittel enthalten (siehe (D1), Ansprüche 1, 11 und 13, sowie Seite 2, Zeilen 6-9, und Seite 4, Zeilen 55-58).
5.3 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass gegenüber diesem nächstkommenden Stand der Technik die Kettenschmiermittel gemäß dem angefochtenen Patent Kläranlagen weniger belasten und außerdem die Schmierwirkung der Tenside verbessern.
5.4 Im Hinblick auf den nächstkommenden Stand der Technik bestand die objektive Aufgabe darin, ein Desinfektionsmittel enthaltendes Kettenschmiermittel auf der Basis anionischer Tenside für den Einsatz in Förderanlagen bereitzustellen, das Kläranlagen und Umwelt nicht negativ beeinflusst und die Schmierwirkung der enthaltenden Tenside erhöht (siehe die Absätze [0015] und [0016] des angefochtenen Patents).
5.5 Zur Lösung dieser Aufgabe werden die Kettenschmiermittel nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents vorgeschlagen. Diese enthalten Chlordioxid in einer Menge von 0,5 bis 5 mg/l.
5.6 Im Hinblick auf diese sehr geringe Menge an Chlordioxid und die Tatsache, dass Chlordioxid sich insbesondere in Gegenwart von organischen Verbindungen zu unwirksamen Verbindungen zersetzt (siehe z.B. Seite 3, Zeilen 25 bis 30 und Seite 4, Zeilen 1 bis 8, sowie die Tabelle 6, des angefochtenen Patents), ist es glaubhaft, dass die erstgenannte Teilaufgabe, d.h. die Erzielung einer effektiven bioziden Wirkung ohne Belastung von Kläranlagen und der Umwelt, tatsächlich in der vollen Breite der Ansprüche gelöst wird. Die Beschwerdeführerin hat dies auch nicht bestritten.
Ob auch die Lösung der Teilaufgabe, die Schmierwirkung der Tenside zu verbessern, gelöst wird, war zwischen den Parteien strittig, ist jedoch aufgrund der unten ausgeführten Schlussfolgerungen der Kammer für die erfinderische Tätigkeit unerheblich.
5.7 Es ist nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem vor den oben definierten Teilaufgaben stehenden Fachmann Anregungen bot, diese durch ein Schmiermittel mit den im Anspruch 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmalen zu lösen.
5.8 Das Dokument (D1) offenbart Schmiermittelzubereitungen, die anionische Tenside und gegebenenfalls Desinfektionsmittel enthalten und für den Transport von Flaschen mittels Förderanlagen im Lebensmittelbereich geeignet sind (siehe oben unter Punkt 5.2). Das Dokument enthält jedoch keinerlei Hinweis darauf, Chlordioxid als Desinfektionsmittel einzusetzen, und damit auch keine Anregung zur Lösung der beiden Teilaufgaben.
5.9 Dokument (D3) betrifft ein Verfahren zur Desinfektion von harten Oberflächen mit Chlordioxid, hergestellt in Lösung durch Mischen einer Lösung aus Natriumchlorit und einer sauren Komponente, wobei als saure Komponente ein Sequestrierungsmittel und/oder ein Komplexierungsmittel verwendet wird, und die Chlordioxid-Konzentration durch eine Steuerung des Verhältnisses der Konzentration der sauren Komponenten zu Natriumchlorit besonders bevorzugt 0,5 bis 5 ppm (also etwa 0,5 bis 5 mg/l) beträgt (siehe Seite 3, Zeilen 13 bis 29, und Seite 5, Zeilen 25 bis 29). Die erhaltene Chlordioxid-Lösung kann unter anderem als Additiv zu Kettengleitmitteln als Reinigungs- und vor allem als Desinfektionskomponente eingesetzt werden (siehe Seite 3, Zeilen 64 und 65).
Aus dem Dokument (D3) ist auch zu entnehmen, dass Chlordioxid damals bereits als Desinfektionsmittel in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, sowie bei der Wasseraufbereitung bekannt war (siehe Seite 2, Zeilen 19-26).
Dokument (D3) offenbart auch, dass Chlordioxid ein Desinfektionsmittel ist, das im Vergleich zu Desinfektionsmitteln, die auf Aktivchlorbasis beruhen, sowie zu Persäuren deutliche Vorteile aufweist und dass neben höherer Effektivität hieraus die Anwendung in geringerer Konzentration und die damit verbundene geringere Abwasserbelastung resultiert (siehe Seite 2, Zeilen 6 bis 16).
Das Dokument (D3) bietet somit dem Fachmann eine konkrete und spezifische Anregung, die unter Punkt 5.4 definierte Teilaufgabe der Erzielung einer effektiven bioziden Wirkung unter Vermeidung von negativen Einflüssen auf Kläranlagen und Umwelt durch die Anwendung von Chlordioxid als Desinfektionsmittel in der beanspruchten Menge zu lösen.
5.10 Zwar gibt, wie die Beschwerdegegnerin ausführte, die Lehre des Dokuments (D3) keinen direkten Hinweis darauf, die darin offenbarte Chlordioxidlösung in einem anionisches Tensid enthaltenden Kettenschmiermittel einzusetzen, sie schränkt aber auch nicht dessen Anwendung auf bestimmte Kettenschmiermittel ein. Daher hätte sie dem Fachmann keinerlei Veranlassung gegeben, von einem Einsatz der Chlordioxidlösung in einem anionische Tenside enthaltenden Kettenschmiermittel abzusehen.
5.11 Das von der Beschwerdegegnerin betonte Fehlen eines eindeutigen Hinweises im Dokument (D3) auf einen kontinuierlichen Einsatz des die Chlordioxidlösung enthaltenden Kettenschmiermittels ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant, da der Gegenstand der Ansprüche des angefochtenen Patents nicht auf einen Dauereinsatz eingeschränkt ist (siehe Anspruch 8 des angefochtenen Patents).
5.12 Die Beschwerdeführerin hat eingewandt, dass das Dokument (D3) den Einsatz einer Chlordioxidlösung offenbare, die zwingend ein für ihre Herstellung verwendetes Sequestrierungsmittel und/oder Komplexierungsmittel als saure Komponente enthalte, der vorliegende Anspruch 1 aber den Zusatz dieser Mittel ausschließe.
Der Wortlaut dieses Anspruchs beschränkt die Inhaltsstoffe der Kettenschmiermittel auf die darin explizit genannten Komponenten ("Kettenschmiermittel ... aus Wasser, Tensiden und Desinfektionsmittel, sowie üblichen Hilfs- und Zusatzstoffen, ...").
Sequestrier- oder Komplexiermittel sind im Anspruch 1 nicht ausdrücklich genannt. Kettenschmiermittel enthaltend Sequestrier- oder Komplexiermittel könnten jedoch unter den Anspruch 1 des angefochtenen Patents fallen, falls diese Mittel zu den "üblichen Hilfs- und Zusatzstoffen" zu rechnen wären. Letzteres hat die Beschwerdegegnerin bestritten, die Beschwerdeführerin jedoch im Hinblick auf die Dokumente (D9) bis (D11) bejaht (siehe oben unter Punkt VII, dritter Absatz, und Punkt VIII, letzter Absatz).
Dokument (D9) offenbart ein Schmiermittel für Förderanlagen, das als anionisches Tensid ein Phosphatester gemäß Anspruch 4 des angefochtenen Patents, und vorzugsweise ein Sequestriermittel enthält (siehe Ansprüche 1 und 12);
Dokument (D10) offenbart ein Schmiermittel für Förderketten, das ein anionisches Tensid entsprechend der Formel (i) im Anspruch 2 des angefochtenen Patents enthält und bei hoher Wasserhärte ein Sequestriermittel enthalten soll, um die Verstopfung der Düsen zu verhindern (siehe Anspruch 1, Seite 1, Zeilen 4-9 und Zeilen 22-24); und
Dokument (D11) beschreibt ein Schmiermittel für Förderketten, das einen Komplexbildner und ein anionisches Tensid enthalten kann (siehe Seite 1, zweiter Satz des zweiten Absatzes, und Seite 2, zweiter Absatz).
Ob die Dokumente (D9) bis (D11) den Einsatz von Sequestrier- oder Komplexiermittel lediglich empfiehlt, um das Ausfällen von Fettsäureseifen durch Calciumionen zu verhindern, ist nicht relevant, da die vorliegenden Ansprüche die Anwesenheit von Fettsäureseifen nicht ausschließen (siehe Anspruch 6: "... zusätzlich andere anionische ... Tenside ...").
Folglich zeigt die Offenbarung der Dokumente (D9) bis (D11), dass Sequestrier- oder Komplexiermittel als übliche Hilfs- und Zusatzstoffe gemäß Anspruch 1 des angefochtenen Patents anzusehen sind.
Daher ist der Einsatz einer im Dokument (D3) offenbarten, Sequestrier- oder Komplexiermittel enthaltenden Chordioxidlösung vom vorliegenden Anspruch 1 nicht ausgeschlossen.
5.13 Aus den oben unter den Punkten 5.9 bis 5.12 genannten Gründen hätte der Fachmann das im Dokument (D3) beschriebene Chlordioxid als Desinfektionsmittel in dem aus dem Dokument (D1) bekannten Kettenschmiermittel eingesetzt, um die erstgenannte Teilaufgabe zu lösen, d.h. die Erzielung einer effektiven bioziden Wirkung ohne Belastung von Kläranlagen und der Umwelt (siehe oben unter Punkt 5.6, erster Absatz). Somit hätte er diese Teilaufgabe durch das im vorliegenden Anspruchs 1 beanspruchte Kettenschmiermittel gelöst.
5.14 Die oben unter Punkt 5.6 formulierte zweite Teilaufgabe, nämlich eine Verbesserung der Schmierwirkung der Tenside, tritt, wenn überhaupt, zwangsläufig ein und stellt somit einen Zusatzeffekt dar, der dem Fachmann beim Lösen der ersten Teilaufgabe zwangsläufig in den Schoß fällt. Ein solcher Zusatzeffekt kann keine erfinderische Tätigkeit begründen (siehe u. a. T 0226/88 vom 11. Oktober 1989, Punkt 3.5 der Entscheidungsgründe).
5.15 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Mit dem unabhängigen Anspruch 1 fallen auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und die auf diese rückbezogenen Verfahrensansprüche 8 und 9.
Hilfsantrag
6. Die in den Anspruch 1 des Hilfsantrags eingeführte Zweckbestimmung "in Abfüllanlagen von Lebensmitteln" ist nicht geeignet, den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auszuräumen, da die aus den Dokumenten (D1) und (D3) bekannten Kettenschmiermittel für den gleichen Zweck geeignet sind (siehe oben unter Punkt 5.2 und Punkt 5.9, zweiter Absatz).
Deshalb machte die Kammer von ihrem Ermessen gemäß Artikel 114 (2) EPÜ Gebrauch und ließ den ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag nicht zu.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.