T 0208/88 () of 20.7.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T020888.19880720
Datum der Entscheidung: 20 Juli 1988
Aktenzeichen: T 0208/88
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer: G 0006/88
Anmeldenummer: 80106574.9
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: OJ | Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mittel zur Regulierung des Pflanzenwachstums, deren Herstellung und deren Verwendung
Name des Anmelders: Bayer
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: Neuheit der zweiten nicht-medizinischen Verwendung
bei gleicher technischer Realisierungsform
Novelty of second non-medical use on similar technical
realization
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0601/92
T 0013/93
T 0144/93
T 0326/93
T 1123/09
T 1099/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 25. Oktober 1980 mit deutscher Priorität vom 7. November 1979 eingereichte europäische Patentanmeldung 80 106 574.9 (Veröffentlichungs-Nr. 28 755) wurde von der Prüfungsabteilung 001 mit Entscheidung vom 25. November 1987, berichtigt am 7. Januar 1988, zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte aufgrund von vier am 30. September 1981 vorgelegten Patentansprüchen, deren erster - in gekürzter Fassung, - wie folgt, lautet:

"Verwendung von Pyrimidin-butanol-Derivaten der Formel .......... (I) .........zur Regulierung des Pflanzenwachstums."

Die Ansprüche 2 bis 4 richten sich auf die entsprechende Verwendung je einer unter die Formel (I) fallenden Einzelverbindung.

II. Als Grund der Zurückweisung führte die Entscheidung der Vorinstanz fehlende Neuheit an. Das Dokument (1) EP-A-1 399 beschreibe - unstreitig - die Pyrimidinbutanolderivate (I) sowie deren Verwendung zur Pilzbekämpfung auf Pflanzen in jedem Entwicklungsstadium. In bewußtem Gegensatz zur Ent- scheidung der Kammer im Falle T 231/85 vom 8. Dezember 1986 ("Triazolylderivate/BASF", wird veröffentlicht) und unter Bezugnahme auf andere Beschwerdeentscheidungen (G 01/83, T 12/81 und T 53/82) vertritt die Prüfungsabteilung die Auffassung, die Erkenntnis einer neuen Eigenschaft eines Wirkstoffs könne nur dann einen Verwendungsanspruch rechtfertigen, wenn dieser Anspruch dem Fachmann eine neue technische Lehre über die Einsatzbedingungen dieses Wirkstoffes vermittle, sei es in Form expliziter Angaben, z. B. über Dosierung, Objekt oder Zeitpunkt der Anwendung, sei es implizit (Seite 7, viertletzte Zeile, bis Seite 8, Zeile 4).

Keines von beiden sei vorliegend gegeben; denn die Zweckangaben "Pflanzenwachstumsregulator" einerseits und "Pilzbekämpfung" andererseits implizieren nach Auffassung der Vorinstanz keine unterschiedlichen technischen Merkmale (Seite 4, letzter Absatz). Dementsprechend wird das Vorliegen von Neuheit verneint.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Anmelderin am 16. Januar 1988 unter gleichzeitiger Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und dazu am 19. März 1988 eine Begründung eingereicht. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grund der geltenden Ansprüche zu erteilen; hilfsweise mündliche Verhandlung und zu deren Vorbereitung Erlaß eines Zwischenbescheides; ebenfalls hilfsweise Vorlage des Falles an die Große Beschwerdekammer. Mit Eingabe vom 29. Juni 1988 hat sie klargestellt, daß vor einer Vorlage an die Große Beschwerdekammer keine mündliche Verhandlung beantragt ist. Ferner beantragt sie Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Zur Entscheidung über den Fall muß die Kammer insbesondere darüber befinden, ob sie an der Rechtsprechung im Falle T 231/85 (s. o.) festhalten oder davon abgehen will. Dies bedeutet, daß die Rechtsfrage zu beantworten ist, ob ein Anspruch auf eine nicht im Sinne von Artikel 52 (4) EPÜ "medizinische" Verwendung einer chemischen Verbindung oder Verbindungsklasse gegenüber einem Stand der Technik neu ist, der die Verwendung der gleichen Verbindung(sklasse) für einen anderen solchen "nicht-medizinischen" Zweck offenbart, so daß das einzige neue Merkmal des Anspruches der verschiedene Verwendungszweck selbst ist.

3. Unbeschadet der Möglichkeit, auf Grund eines verschiedenen technischen Sachverhalts anders zu entscheiden, möchte die Kammer im vorliegenden Fall grundsätzlich an der Rechtsprechung des Falles T 231/85 festhalten. In anderer Zusammensetzung hat die Kammer jedoch am 26. April 1988 entschieden, den Fall T 59/87 gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ der Großen Beschwerdekammer zur Beantwortung von drei Rechtsfragen vorzulegen, von denen eine der in Abschnitt 2 vorliegender Entscheidung formulierten entspricht. Der genannte Fall ist dort zur Zeit unter dem Aktenzeichen G 02/88 anhängig. Die Kammer sieht sich daher veranlaßt, einstweilen von einer abschließenden Beurteilung des vorliegenden Falles abzusehen.

4. Auf die Gründe der Entscheidung T 59/87, insbesondere auf die Abschnitte 4 bis 6 dieser Gründe, wird Bezug genommen. Sie gelten sinngemäß auch für den vorliegenden Fall. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin jedoch in ihrer Beschwerdebegründung eine Reihe von Gesichtspunkten erwähnt, die im Fall T 59/87 nicht berührt wurden und die nach Auffassung der entscheidenden Kammer von der Großen Beschwerdekammer bei der Entscheidung der anstehenden grundsätzlichen Rechtsfrage berücksichtigt werden sollten.

5. Konkret handelt es sich hierbei um die auf den Seiten 20 bis 22 der Beschwerdebegründung zusammengefaßten zwölf Punkte und hier wiederum insbesondere um die folgenden:

(i) Legitimes Interesse nicht nur der Anmelderkreise, sondern der gesamten Öffentlichkeit daran, daß Erfindungen der in Rede stehenden Art schutzfähig sind (vgl. Punkt 12 der Beschwerdebegründung);

(ii) tatsächliche Schutzfähigkeit solcher Erfindungen in der nationalen Praxis mehrerer Vertragsstaaten, einschließlich der prüfenden Patentämter von AT, DE, GB, SE (vgl. Punkt 5);

(iii) Zugehörigkeit des Verwendungszweckes als eines technischen Merkmales zum Gegenstand eines Verwendungsanspruches - im Gegensatz zum Sach- oder Verfahrensanspruch - und daher auch seine Eignung zur Abgrenzung (vgl. Punkt 3 sowie auch die unveröffentlichte Entscheidung T 30/86 vom 11. November 1987, insbesondere Seite 8, Absatz 1);

(iv) Vereinbarkeit der Entscheidung T 231/85 mit den Entscheidungen G 01/83, T 12/81 und T 53/82 (vgl. Punkte 6, 10 und 11).

5. Die Kammer hält es daher für angemessen, die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht einfach bis zum Vorliegen einer Entscheidung zum Fall G 02/88 zurückzustellen, sondern vielmehr auch den vorliegenden Fall der Großen Beschwerdekammer zur Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage zu unterbreiten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die folgende Rechtsfrage wird der Großen Beschwerdekammer vorgelegt:

Ist ein Anspruch auf die Verwendung einer chemischen Verbindung oder Verbindungsklasse für einen bestimmten nicht medizinischen Zweck neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ gegenüber einem Stand der Technik, der die Verwendung dieser Verbindung(sklasse) für einen anderen nicht-medizinischen Zweck offenbart, wenn die technische Realisierung beider Lehren identisch und das einzige neue Merkmal des Anspruches der Verwendungszweck selbst ist?

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