T 0180/88 () of 21.9.1989

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1989:T018088.19890921
Datum der Entscheidung: 21 September 1989
Aktenzeichen: T 0180/88
Anmeldenummer: 82100669.9
IPC-Klasse: C07C 85/06
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von permethylierten Oligoaminen und Aminoalkanolen
Name des Anmelders: BASF
Name des Einsprechenden: Hüls AG
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: inventive step
erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0082/92

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 30. Januar 1982 unter Beanspruchung der Priorität einer Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. Februar 1981 eingereichte europäische Patentanmeldung 82 100 669.9 wurde das europäische Patent 57 884 aufgrund von zwei Patentansprüchen erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 2. April 1986 im Patentblatt 86/14 bekanntgemacht. Der unabhängige Patentanspruch lautete wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von permethylierten Oligoaminen und Aminoalkanolen durch Umsetzung von Diolen, Etherdiolen, N,N-Dimethylaminoalkanolen und/oder Azaalkanolen mit Dimethylamin, gegebenenfalls über die Zwischenstufe des N,N-Dimethylaminoalkanols unter hydrierend/aminierenden Bedingungen, dadurch gekennzeichnet, daß man die Umsetzung in der Gasphase bei im wesentlichen atmosphärischem Druck und bei einer Temperatur zwischen 100 und 200 °C an einem Kupferkatalysator vornimmt."

II. Gegen die Erteilung dieses Patents hat die Beschwerdeführerin am 9. Dezember 1986 Einspruch eingelegt. Unter Hinweis auf sechs Dokumente, insbesondere

(1) US-A-2 412 209 (2) DE-A-2 709 864 (3) DE-A-2 838 184 (4) DE-B-2 535 073 (5) EP-A-0 006 454, wurden Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Patentgegenstands bestritten und der Widerruf des Patents in vollem Umfang beantragt.

III. Mit Entscheidung vom 10. März 1988 hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts den Einspruch zurückgewiesen.

In der Entscheidung wird ausgeführt, daß der Gegenstand des angegriffenen Patents neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Aus Druckschrift (1) sei bereits bekannt gewesen, höhere Glykole und Etherglykole mit Ammoniak bei 160 - 400 °C in Gegenwart eines Hydrierkatalysators (z. B. Kupfer) in der Gas- oder Flüssigphase umzusetzen. Konkret beschrieben sei dort jedoch nur die Umsetzung unter Druck in der flüssigen Phase, wobei nur Diamin-Ausbeuten von weniger als 25 % erzielt worden seien. Aufgrund dieser schlechten Ergebnisse sei nicht zu erwarten gewesen, daß der Ersatz von Ammoniak durch das reaktionsträgere Dimethylamin zu den erfindungsgemäßen Gesamtausbeuten an Mono- und Diamin von etwa 90 % führt.

Aus (2) und (4) sei zwar bekannt gewesen, höhere Monoalkohole mit niederen sekundären Aminen, z. B. Dimethylamin, an bestimmten Cu-haltigen Kontakten unter hydrierenden Bedingungen in der Gas- oder Flüssigphase umzusetzen. Diese Lehre sei jedoch nicht ohne weiteres auf die Umsetzung von Diolen übertragbar.

Auch (3) lehre lediglich die Umsetzung von mit Diolen nicht vergleichbaren Monoalkoholen mit Aminen unter den allgemeinen Bedingungen, die auch beim Verfahren nach dem angegriffenen Patent eingehalten werden, während sich (5) auf ein Verfahren zur Herstellung von Diaminen, aber in der Flüssigphase, beziehe.

IV. Die Beschwerdeführerin hat am 29. April 1988 gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. In der am 28. Mai 1988 eingegangenen Beschwerdebegründung wurde ausgeführt, daß das Verfahren nach dem angegriffenen Patent nur eine naheliegende Übertragung des aus (2) und (3) für die Herstellung von tertiären Aminen aus Monoalkoholen bekannten Verfahrens auf die Herstellung von ditertiären Diaminen darstelle. Diese Umsetzung verlaufe mit Monoalkoholen und Diolen grundsätzlich gleichartig. Druckschrift (5) sei nächster Stand der Technik, da dort auch Diole mit sekundären Aminen umgesetzt werden. Hierbei würden bereits in flüssiger Phase gute Ausbeuten erhalten. Es sei im Hinblick auf (2) zu erwarten gewesen, daß die nucleophile Substitution der alkoholischen Hydroxylgruppe durch Dimethylamin in der Gasphase sogar mit noch besseren Ausbeuten ablaufe, wie der Vergleich von Beispiel 1 (81 % Ausbeute, Flüssigphase) und 2 (98 % Ausbeute, Gasphase) zeige.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat dagegen ausgeführt, daß Diole im Gegensatz zu Monoalkoholen zu Nebenreaktionen (z. B. Cyclisierungen, Polymerisationen) unter den Reaktionsbedingungen befähigt sind, die die Ausbeute an erwünschtem Produkt vermindern. Da Dimethylamin unter diesen Bedingungen zu Trimethylamin und Monomethylamin disproportioniere (Umalkylierung) und letzteres bevorzugt mit dem Diol unter Cyclisierung reagiere, erhalte man je nach Umsetzungsbedingungen immer auch cyclische Produkte. Die Umsetzungen von Mono- und Dialkoholen mit Dimethylamin seien daher nicht vergleichbar. Das Verfahren gemäß dem angegriffenen Patent liefere nicht nur hohe Umsätze und reinere Produkte, sondern benötige außerdem nur extrem kurze Reaktionszeiten. Es biete daher einen überraschenden Vorteil gegenüber dem Stande der Technik und beruhe deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. In der mündlichen Verhandlung am 21. September 1989 haben beide Parteien ihr jeweiliges schriftliches Vorbringen weiter erläutert. Die Beschwerdegegnerin hat neue Unterlagen vorgelegt und Anspruch 1 auf die Verwendung eines kupferreichen Katalysators, der Oxide des Aluminiums enthält, beschränkt.

Sie hat vorgetragen, daß sich dieses Verfahren von (5), dem einzigen brauchbaren vorbekannten Verfahren zur Herstellung von permethylierten Oligoaminen durch hydrierende Aminierung von Diolen durch die Reaktionsbedingungen (Umsetzung in der Gasphase statt in der Flüssigphase) und die Wahl des Katalysators (Kupfer- Aluminiumoxid statt Kupferchromit) unterscheide. Zwar sei aus (3) bereits die Umsetzung von Alkoholen mit Dimethylamin an Kupfer-Aluminiumoxid-Katalysatoren in der Gasphase bekannt gewesen; Diole, insbesondere solche mit relativ kurzer Kettenlänge, neigten jedoch zu Selbstkondensation und Polymerisation. Diese Reaktionsmöglichkeiten, die auch in (4), Spalte 9, Zeilen 3-6 angesprochen seien, wurden anhand eines Reaktionsschemas näher erläutert. Auch wenn daher aus (3) bereits bekannt war, daß mit diesen Katalysatoren Umalkylierungen des Dimethylamins nur in geringem Maße beobachtet werden, so sei darin noch keine Anregung dafür zu sehen, die aus (3) bekannten Katalysatoren und Reaktionsbedingungen für eine Verbesserung des aus (5) bekannten Verfahrens in Betracht zu ziehen.

Die Beschwerdegegnerin hat eingeräumt, daß diese Möglichkeit von Nebenreaktionen tatsächlich gegeben sei; sie seien aber geringfügig und für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unerheblich. Auch der geltende Anspruch 1 beruhe im Hinblick auf (5) in Verbindung mit (2) bzw. (3), die beide Aluminiumoxid als möglichen Katalysatorbestandteil erwähnen (siehe (2), S. 4, Zeile 1 und (3), Anspruch 1), nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64. Sie ist daher zulässig.

2. Die geltenden Patentansprüche stützen sich auf die ursprünglichen und erteilten Ansprüche 1 und 2 in Verbindung mit den Angaben in der ursprünglichen Beschreibung, S. 3, Zeilen 11-14 sowie die entsprechenden Angaben der Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 43-46, jeweils in Verbindung mit den Beispielen. Sie sind daher im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 123 EPÜ.

3. Keine der Entgegenhaltungen beschreibt die Umsetzung von Diolen mit Dimethylamin in der Gasphase. Das Verfahren gemäß dem angegriffenen Patent ist daher gegenüber den genannten Druckschriften neu. Da dies im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten worden ist, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.

4. Es ist daher nunmehr zu untersuchen, ob das Verfahren nach dem angegriffenen Patent auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1. Hierbei geht die Kammer von (5) als nächstvergleichbarem Stand der Technik aus. Diese Druckschrift lehrt gemäß Anspruch 1 die Herstellung von Aminen der Formel I

R1 R1 N-A-N R2 R2 in der A einen gegebenenfalls durch Sauerstoff- oder Stickstoffatome unterbrochenen Alkylenrest mit 4 bis 10 Kohlenstoffatomen und R1 und R2 Alkylreste bedeuten, durch Umsetzung des entsprechenden Diols mit einem entsprechenden Dialkylamin in flüssiger Phase, wobei man die Umsetzung mit einem wenigsten einfachen molaren Überschuß des Amins an einem im Reaktor fest angeordneten oder ständig darin befindlichen Katalysator, der als wesentliche aktive Bestandteile Kupfer und Chrom enthält, bei einem Wasserstoffdruck über 5 bar und Temperaturen von 150 bis 250 °C kontinuierlich vornimmt, die Umsetzungsprodukte aus dem Reaktor kontinuierlich entfernt, das bei der Reaktion entstandene Wasser aus dem Reaktionsgemisch abdestilliert und nach Abtrennung der Amine der Formel I das nicht umgesetzte Amin und das teilumgesetzte Diol in den Reaktor zurückführt.

Gemäß Beispiel 1 werden pro Stunde 200 ml geschmolzenes Hexandiol-1,6 (ca. 1,6 Mol unter Zugrundelegung einer Dichte von 0,96 bei 50° C) mit 350 ml Dimethylamin (ca. 5 Mol unter Zugrundelegung einer Dichte von 0,55 bei 15° C) umgesetzt. Der Reaktionsaustrag enthält 30 Gew.-% Tetramethyldiaminohexan-1,6, 20 Gew.% N,N-Dimethyl-6- aminohexanol, 15 Gew.-% nicht umgesetztes Hexandiol-1,6 und 5 Gew.-% höhersiedende Nebenprodukte. Nach Rückführung des gebildeten Dimethylaminohexanols und des nicht umgesetzten Hexandiols in den Reaktor steigt der Gehalt an Tetramethyldiaminohexan im Reaktionsaustrag auf 50 Gew.-%.

Die Beschwerdeführerin hat aus diesen Angaben eine Ausbeute von 71 % (offenbar bezogen auf umgesetztes Hexandiol) errechnet (siehe Abschnitt VI der Beschwerdebegründung).

4.2. Demgegenüber kann die dem angegriffenen Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein optimiertes Verfahren zur Herstellung von permethylierten Oligoaminen oder Aminoalkoholen anzugeben, das gegenüber dem bekannten Verfahren ohne größeren Aufwand einen vollständigen Umsatz des eingesetzten Hexandiols gestattet und bessere Ausbeuten an gewünschtem Produkt liefert, ohne daß eine wesentlich vermehrte Bildung unerwünschter Nebenprodukte in Kauf genommen werden muß. Für die von der Beschwerdegegnerin außerdem geltend gemachte höhere Reinheit der Produkte finden sich hingegen im Streitpatent keine Anhaltspunkte. Dieser Gesichtspunkt bleibt daher bei der Ermittlung der Aufgabe unberücksichtigt.

4.3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß dem angegriffenen Patent ein Verfahren zur Herstellung von permethylierten Oligoaminen und Aminoalkoholen bereitgestellt, bei dem die Umsetzung des Diols mit Dimethylamin in der Gasphase bei im wesentlichen atmosphärischem Druck und einer Temperatur von 100 bis 200 °C an einem kupferreichen Katalysator, der ein Oxid des Aluminiums enthält, erfolgt. Es ist glaubhaft und auch unbestritten, daß die bestehende Aufgabe hierdurch tatsächlich gelöst wird, denn gemäß Beispiel 1 des Streitpatents wird aus 200 ml 75%iger methanolischer Hexandiol-Lösung (150 g, 1,3 Mol) pro Stunde und 400 Nl/h Kreisgas mit 20 Vol.-% Dimethylamin (80 Nl/h, ca. 3,5 Mol/h) ein Reaktionsprodukt erhalten, das neben 90 % des gewünschten Tetramethyldiaminohexans noch 2 % Trimethyldiaminohexan und 8 % andere Nebenprodukte enthält. Bei vergleichbarem Dimethylamin-Überschuß wurde also erheblich mehr Hexandiol zum permethylierten Diamin umgesetzt, ohne daß Dimethylaminohexanol und Hexandiol abgetrennt und in den Reaktor zurückgeführt werden müssen. Hierbei fielen nur 10 % unerwünschter Nebenprodukte an.

4.4. Bei der Suche nach Anregungen zur Lösung der Aufgabe wird sich der Fachmann nicht von vornherein auf Umsetzungen von Diolen mit sekundären Aminen beschränken, sondern die Literatur über den Austausch der alkoholischen Hydroxylgruppe gegen Aminogruppen generell in Betracht ziehen (siehe z. B. (5), Seite 3, Zeilen 15 bis 21), also auch die Druckschriften (2) bis (4). Aus diesen Druckschriften, insbesondere (2) und (3), kann entnommen werden, daß die hydrierende Aminierung von Alkoholen auch in der Gasphase durchgeführt werden kann und daß hierfür eine Anzahl von Katalysatoren, unter anderem auch die in (3) genannten kupferreichen, aluminiumoxidhaltigen, die auch gemäß dem angegriffenen Patent verwendet werden, in Betracht kommen.

4.5. Diese allgemeinen Angaben sind jedoch für die Lösung der bestehenden Aufgabe wenig hilfreich, da sie dem Fachmann keine erfolgversprechenden Anregungen dafür bieten, daß gerade hierdurch bei der Umsetzung von Aminen mit Diolen der Umsatz und die Ausbeute erhöht werden kann, ohne Nachteile durch unerwünschte Nebenreaktionen in Kauf nehmen zu müssen. Nach Überzeugung der Kammer ist nämlich von der Beschwerdegegnerin hinreichend glaubhaft gemacht worden, daß die Umsetzung gemäß Streitpatent keine einfache nucleophile Substitutionsreaktion, sondern eine komplexe Mehrstufenreaktion ist, bei der die Stufen des Aldehyds, Hydroxyamins und Enamins durchlaufen werden, und daß die Problematik der hierbei stattfindenden, mit jeder Zwischenstufe mehr ins Gewicht fallenden Nebenreaktionen beim Übergang von mono- auf difunktionelle Alkohole in erheblich größerem Ausmaß zum Tragen kommen. Bei diesen Nebenreaktionen stehen Selbstkondensationen des intermediär aus dem Diol gebildeten Hydroxyaldehyds oder Dialdehyds im Vordergrund. Solche Selbstkondensationen können sich gemäß (4), Spalte 9, Zeilen 3-6, schon bei der Umsetzung von Monoalkoholen mit Dimethylamin ausbeutemindernd auswirken. Es gehört zum allgemeinen Fachwissen und wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, daß die difunktionellen Zwischenstufen des Verfahrens nach dem angegriffenen Patent erheblich reaktionsfähiger sind und mehr Reaktionswege für Nebenreaktionen eröffnen als die Mono-Aldehyde. Aus dem Umstand, daß die hydrierende Aminierung mit Mono-Alkoholen unter bestimmten Bedingungen ohne Bildung von Nebenprodukten abläuft, kann daher keineswegs gefolgert werden, daß ähnliche Ergebnisse auch mit Diolen erhältlich sind.

4.6. Die Kammer vermag auch der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, wonach die Frage der Nebenreaktionen, deren potentielles Vorhandensein sie im übrigen durchaus eingeräumt hat, für die Frage des Naheliegens der gefundenen Lösung unerheblich sei. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer hat die Lösung einer bestehenden Aufgabe nur dann nahegelegen, wenn angenommen werden muß, daß ein Fachmann sie tatsächlich gefunden hätte, nicht nur mehr oder weniger zufällig gefunden haben könnte. In diesem Zusammenhang ist es sehr wohl wesentlich, daß bei der patentgemäßen Umsetzung die Gefahr von Nebenreaktionen nicht zu vernachlässigen war, denn nach Überzeugung der Kammer hätte der Fachmann nur solche Anregungen aus dem Stande der Technik aufgegriffen, die ihm auch hinsichtlich der angestrebten Vermeidung von Nebenreaktionen erfolgversprechend erscheinen mußten. Derartige Anregungen konnten dem entgegengehaltenen Stand der Technik jedoch nicht entnommen werden.

Dies gilt für Druckschrift (1) schon deshalb, weil darin nicht die Herstellung von tertiären, sondern von primären Aminen beschrieben ist und die Ausbeuten weit schlechter sind als bei dem aufgabengemäß zu optimierenden Verfahren gemäß (5). Druckschrift (2) betrifft die hydrierende katalytische Aminierung eines gesättigten aliphatischen C6-20 Alkohols mit einem primären oder sekundären niederen alipathischen Amin in einem Festbettreaktor oder besonders im Rührautoklaven (Ansprüche 1 und 2). Gemäß Seite 4, Abs. 2 eignen sich hierfür primäre gesättigte aliphatische Alkohole, z. B. n-Hexanol, n-Oktanol, n-Dekanol, n- Dodekanol, n-Hexadekanol und n-Oktadekanol. Nichts in dieser Druckschrift deutet jedoch darauf hin, daß auch difunktionelle Alkohole einsetzbar sind, die wegen ihrer strukturellen Besonderheiten üblicherweise eigens, wenigstens kategoriemäßig, erwähnt werden. Ähnliches gilt für Entgegenhaltung (3), wonach neben Carbonylverbindungen vor allem einwertige aliphatische Alkohole vom Methanol bis zum Tetradekanol hydrierend aminierbar sind (Anspruch 1 und Seite 4 Abs. 3).

4.9. Es mag zwar zutreffen, daß die in (2), Beispiel 2 beschriebene Umsetzung in der Gasphase stattfindet und bessere Ausbeuten und weniger Nebenprodukte ergibt als die entsprechende Flüssigphasen-Umsetzung gemäß dem vorangehenden Beispiel 1. Eine Anregung, diese Reaktionsbedingungen auch auf die entsprechende Umsetzung von Diolen in Erwartung entsprechender Ergebnisse anzuwenden, geht davon in Anbetracht der dargelegten, von denjenigen der Mono-Alkohole stark abweichenden Reaktivitäten der Diole nicht aus. Zwar läßt sich aus dem genannten Beispiel entnehmen, daß praktisch keine Umalkylierung des Dimethylamins sowie des gebildeten tertiären Amins stattfindet, da nur 1 % des durch Umalkylierung gebildeten Didodecylmethylamins gefunden wurden. Dies rechtfertigt jedoch allenfalls den Schluß, daß Umalkylierungsreaktionen auch bei Einsatz von Diolen nicht befürchtet werden müssen. Über die Vielzahl der unter den Reaktionsbedingungen zu gewärtigenden Kondensations- und Polymeriationsreaktionen der aus dem Diol primär gebildeten Hydroxylaldehyde und Dialdehyde lassen sich aus diesem Beispiel jedoch keine Erkenntnisse gewinnen.

4.10. Noch weniger kann diese Druckschrift eine Anregung dafür bieten, den in dem genannten Beispiel 2 verwendeten Kupfer-Chromoxid-Katalysator auf SiO2 als Träger durch den Kupfer-Aluminiumoxid-Katalysator nach dem Streitpatent zu ersetzen. Dabei legt die Kammer den Ausdruck "kupfer- reicher Katalysator, der ein Oxid des Aluminiums enthält" so aus, daß der Katalysator außer Kupfer und einem Aluminiumoxid nur Verunreinigungen, z. B. Alkali- oder Erdalkalimetalloxide, die durch das Herstellungsverfahren für den Katalysator beding sind, enthält. Die Beschwerdegegnerin hat dieser Auslegung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.

4.11. Auch aus (3) erhält der Fachmann bezüglich der aufgabengemäß angestrebten Optimierung keine Informationen, die eine Übertragung der in dieser Druckschrift zur Umsetzung von Mono-Alkoholen mit Dimethylamin verwendeten Katalysatoren und Reaktionsbedingungen auf die Umsetzung von Diolen mit Dimethylamin nahelegen würden. Zwar verspricht diese Druckschrift hohe Raum-Zeit-Ausbeuten bei guter Selektivität und läßt erkennen, daß mit Umalkylierungen kaum oder gar nicht gerechnet werden muß (siehe S. 4, Zeile 19 bis 26). Auch diese Aussagen beziehen sich jedoch auf den Einsatz von Mono-Alkoholen ohne weitere funktionelle Gruppen im Molekül, und sind aus den schon ausführlich dargelegten Gründen für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der entsprechenden Umsetzung von Diolen nicht ausreichend. Hierfür hätte es weiterer Angaben über die außerdem noch zu berücksichtigenden Nebenreaktionen bedurft. Keinesfalls reicht es zur Begründung des Naheliegens aus, daß der Fachmann diese Verfahrensparameter auch auf Diole übertragen konnte, um zu sehen, wie sich Diole unter diesen Reaktionsbedingungen verhalten, wie die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren vorgetragen hat (Schriftsatz vom 9.6.87, vorletzter Absatz). Hinzu kommt, daß Entgegenhaltung (5) als einzige Druckschrift, welche die Herstellung permethylierter Diaminoalkane beschreibt, die Aminierung in flüssiger Phase mit Cu-Chrom- Katalysatoren, also unter völlig anderen Reaktionsbedingungen als nach dem Streitpatent, empfiehlt. Die Argumentation, daß der Fachmann zwecks Optimierung dieses bereits auf hohe Wirtschaftlichkeit zielenden Verfahrens (Seite 1, Abs. 3 und Seite 3, Abs. 2) auf die die Umsetzung anderer Ausgangsstoffe betreffenden Entgegenhaltungen (2) oder (3) zurückgegriffen hätte, kann daher nicht überzeugen. Druckschrift (4) betrifft schließlich ein Verfahren zur Umsetzung von Mono-Alkoholen mit Dimethylamin in der Flüssigphase und vermag somit erst recht keinen Hinweis darauf zu bieten, die angestrebte Optimierung des Verfahrens gemäß (5) durch das patentgemäße Gasphasen-Verfahren zu bewerkstelligen.

4.12. Somit konnte die Beschwerdeführerin nicht überzeugend dartun, daß ein Fachmann in Kenntnis von (1) bis (4), insbesondere (2) und (3), die zur Lösung der bestehenden Aufgabe erforderlichen Modifikationen des aus (5) bekannten Verfahrens wegen einer hinreichend guten Aussicht auf Erfolg tatsächlich in Betracht gezogen hätte und daß somit der behauptete Mangel an erfinderischer Tätigkeit vorliegt. Der geltend gemachte Einspruchsgrund steht daher der Aufrechterhaltung des Patents im beantragten Umfang nicht entgegen.

5. Die Patentierbarkeit des Gegenstands des abhängigen Anspruchs 2 wird von derjenigen des Gegenstands des Anspruchs 1 getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung am 21. September 1989 überreichten geänderten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

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