T 0021/88 () of 18.10.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T002188.19881018
Datum der Entscheidung: 18 October 1988
Aktenzeichen: T 0021/88
Anmeldenummer: 84904099.3
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Herstellen von Lenkrollen-Schwenklagern und danach hergestelltes Schwenklager
Name des Anmelders: Haco-Rollen-Vertrieb GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
inventive step (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0799/98

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 08. November 1984 angemeldete und unter der Nummer WO 85/02151 am 23. Mai 1985 veröffentlichte Internationale Anmeldung PCT/DE 84/00 236, die das europäische Aktenzeichen Nr. 84 904 099.3 trägt, ist von der Prüfungsabteilung durch Entscheidung vom 29. September 1987 zurückgewiesen worden.

II. Die Entscheidung, der die Ansprüche 1 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 30. Dezember 1986 und geändert mit Schreiben vom 29. Juni 1987 zugrundelagen, erfolgte aus dem bereits in den Prüfungsbescheiden vom 03. September 1986 und 13. März 1987 genannten Grund fehlender erfinderischer Tätigkeit gemäß Art. 56 EPÜ. Mit Blick auf D2 (GB-A-366 664) wurde die Auffassung vertreten, daß es unabhängig von der Form des Lenkrollen-Schwenklagers, sei sie gemäß D1 (US-A-1 821 642) oder DE-C-1 605 465 bzw. DE- U-8 228 224, zum Wissen des Fachmannes gehöre, daß der Rand eines Blechteils nach dem Einfüllen der Wälzlagerkörper zum Festlegen derselben umgebördelt werden könne, wie in D2 beschrieben. Der unabhängige Verfahrensanspruch sei damit nicht auf ein erfinderische Tätigkeit beinhaltendes Herstellungsverfahren für Lenkrollen-Schwenklager gerichtet. Auch in den restlichen Ansprüchen wurde nichts Erfinderisches gesehen, Art. 56 EPÜ.

III. Die Anmelderin hat am 10. November 1987 gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und am 12. November 1987 die Beschwerdegebühr eingezahlt. Die Beschwerdebegründung ist ebenfalls am 10. November 1987 eingegangen. In ihr vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß das beanspruchte Herstellungsverfahren für Lenkrollen- Schwenklager nicht nur neu sei, sondern auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, da die D2 ihrer Auffassung nach gattungsfremd sei und von ihr keine unmittelbar übernehmbare Lehre für die Herstellung schwerer Lenkrollen-Schwenklager ausgehe. Außerdem sei in dem jahrzehntelangen Nebeneinander von Schwenklagern gemäß D1 und D2 ein Indiz dafür zu sehen, daß es nicht naheliegend war, von der bis dahin bei der Herstellung gattungsgemäßer Schwenklager üblichen Vorgehensweise gemäß D1, nämlich erst Umbördeln und dann Einsetzen der Wälzlagerkörper und Schwenklagerplatte, abzugehen.

IV. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 17. August 1988 wurde die Beschwerdeführerin davon unterrichtet, daß im Anspruch 1, der auch der angefochtenen Entscheidung zugrundelag, die Angabe, wonach die Topfwandung "um mindestens 90°" nach innen umgebogen sei, einen Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ darstelle, da diese Wendung auch die nicht offenbarte Ausführungsform mit einem Abbiegewinkel von genau 90° einschließe. Bezüglich der erfinderischen Qualität des beanspruchten Verfahrens wurden Zweifel zum Ausdruck gebracht. Mit Blick auf Anspruch 2 und 6 wurde festgestellt, daß nach Streichung des Fakultativmerkmals "Nach dem Verfahren des Anspruchs 1 hergestelltes ..." der jeweils verbleibende Gegenstand von D1 (Anspruch 2) bzw. von der DE-U-8 228 224 (Anspruch 6) neuheitsschädlich getroffen sei.

V. In Beantwortung der unter IV. genannten Mitteilung reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. September 1988 neue Ansprüche 1 bis 7 ein und führte aus, daß in Anspruch 1 die Wendung "um mindestens 90°" ersetzt sei durch "um mehr als 90°", daß Anspruch 2 durch seine Neufassung sich von D1 auch merkmalsmäßig unterscheide und daß Anspruch 6 erforderlichenfalls gestrichen werden könne. Die ebenfalls beigefügte angepaßte Beschreibungseinleitung solle an die Stelle der bisherigen Beschreibungsseiten treten.

VI. In der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 1988 hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag dahingehend abgeändert, daß nunmehr die Erteilung des Patents aufgrund eines während der mündlichen Verhandlung überreichten Schutzbegehrens mit den Ansprüchen 1 bis 6 (bis dahin geltender Anspruch 6 gestrichen und Anspruch 7 nunmehr neuer Anspruch 6), einer angepaßten Beschreibung mit den Seiten 1 bis 5, 5a, 6 und 7 und den ursprünglichen Figuren beantragt werde.

Sie hat die Auffassung vertreten, daß weder D1 noch D2 gattungsbestimmend sein könnten, sondern daß diejenigen Druckschriften, die auf schwere Baureihen von Lenkrollen- Schwenklagern gerichtet seien, vgl. geltende Beschreibungsseite 2, den Ausgangspunkt der Erfindung darstellen müßten. Daraus ergebe sich unmittelbar die Neuheit des beanspruchten Verfahrens, weil sowohl bei der DE-C-1 605 465 als auch bei der DE-U-8 228 224 zuerst die Montage der Einzelbauteile der Lenkrolle und dann erst das Verschweißen des Lagerrings an die Bodenplatte erfolge.

Für den Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei es von Bedeutung, daß es sich um eine schwere Lenkrollenausführung handle - Tragkraft bis zu 1,5 t - wobei die Kugeln der Lenkrolle durch Kippmomente unterschiedlich belastet seien, daß ferner die Lagerung einerseits spielarm (stabiles Verhalten) andererseits leicht drehbar sein müsse, was insgesamt hohe Anforderungen an das Herstellungsverfahren stelle. Aus dieser Sicht werde ein gravierender Unterschied zur D1 gesehen, da dort der Topf vollständig vorgeformt sei und die (zweiteilige) Schwenklagerplatte ebenso wie die Wälzlagerkörper erst nachträglich eingebaut würden.

Das Vorgehen gemäß D2 sei nach Auffassung der Beschwerdeführerin auf leichte Lenkrollen-Schwenklager (Tragkraft im Bereich 40kg) beschränkt, was auch durch S. 3 Z. 72 - 78 von D2 besonders unterstrichen werde. Im Unterschied zum Gegenstand von Anspruch 1 werde nur um etwa 45° umgebördelt und durch die Nachgiebigkeit des Innenringes seien bei D2 die Bördeltoleranzen kein Problem, im Gegenstaz zu den anmeldungsgemäß vorliegenden Gegebenheiten, nämlich Unnachgiebigkeit der Schwenklagerplatte dergestalt, daß der Bördelvorgang sehr genau bemessen sein müsse, da ansonsten entweder die Wälzelemente Schaden nähmen oder aber die Bördelung ein unbrauchbares Lagerspiel ergebe.

In der Tatsache, daß auch im Hause der Beschwerdeführerin der Gegenstand gemäß D2 seit Jahrzehnten hergestellt und hieraus keinerlei Anregung für das Verfahren zum Herstellen schwerer Lenkrollen abgeleitet worden sei, sei ein weiteres Indiz dafür zu sehen, daß das Verfahren nach Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Auf den Leitsatz I der Entscheidung T 271/84, abgedruckt in ABl. EPA, 1987, S. 348 werde in diesem Zusammenhang erneut verwiesen.

Zur Frage der Patentfähigkeit der Lenkrolle gemäß Anspruch 2 wurde seitens der Beschwerdeführerin im Hinblick auf D1 herausgestellt, daß dort wohl ein einstückiges Blechteil das Gehäuse des Schwenklagers bilde, daß D1 aber nicht die Merkmale gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 erfülle, so daß die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes unbestreitbar sei. Ferner sei D1 allein durch die Tatsache, daß zwei Schwenklagerplatten mit durch die Gehäusebohrung bedingt geringem Außendurchmesser benötigt werden, nicht in der Lage, die beanspruchte Lenkrolle schwerer Bauart mit der Möglichkeit der Aufnahme hoher Kippmomente und hoher Tragkräfte nahezulegen. Die Patentfähigkeit des Gegenstandes von Anspruch 2 werde in hohem Maße von derjengen des Verfahrens nach Anspruch 1 mitgetragen, da die Einstückigkeit von Boden und zylindrischer Wandung, vgl. Fig. 1, 2 und 5, eine Umbördelung nach dem Einfüllen der Wälzlagerkörper und der Schwenklagerplatte bedingten; genau dies sei aber die Verfahrenslehre von Anspruch 1. Zum Begriff "einstückig" wird noch ausgeführt, daß dieser wörtlich auszulegen sei, d. h. aus einem einzigen Blechteil gefertigt.

VII. Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Herstellen von Lenkrollen- Schwenklagern, die aus einem insbesondere geräteseitig zu befestigenden Schwenklagertopf und einer darin zwischen zwei Wälzlagerkränzen unmittelbar schwenkbeweglich gelagerten, insbesondere mit der Lenkrollengabel zu verbindenden Schwenklagerplatte bestehen, wobei der Schwenklagertopf einen Topfboden und eine zylindrische Wandung besitzt, die am offenen Topfende um mehr als 90° nach innen umgebogen ist und den hier liegenden Wälzlagerkranz unmittelbar umgreift, und wobei die Schwenklagerplatte einen größeren Durchmesser als die zwischen dem umgebogenen Topfwandungsrand gelegene Topföffnung besitzt, dadurch gekennzeichnet, daß in den mit anfänglich durchweg zylindrisch verlaufender Wandung, also nicht mit einem nach innen gebogenen Rand versehenen Schwenklagertopf zunächst die Wälzlagerkörper und die Schwenklagerplatte eingelegt werden und anschließend die zylindrische Topfwandung an ihrem freien Ende um mehr als 90° nach innen um den hier liegenden Wälzlagerkranz umgebördelt wird.

2. Nach dem Verfahren des Anspruchs 1 hergestelltes Lenkrollen-Schwenklager mit einem Schwenklagertopf (1), der einen Boden (1') und eine zylindrische Wandung (1'') besitzt, die am offenen Topfende um mehr als 90° nach innen umgebogen ist, und mit einer im Schwenklagertopf (1) zwischen zwei Kugellaufkränzen (3, 3') unmittelbar gelagerten Schwenklagerplatte (2), die einen größeren Durchmesser als die zwischen dem umgebogenen Topfwandungsrand (1''') gelegene Topföffnung besitzt, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (1') und die zylindrische Wandung (1'') des Schwenklagertopfes (1) aus einem einstückigen, entsprechend geformten Blechteil (1', 1'') bestehen. (Fig. 1, 2, 5).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Abgesehen von der Einfügung des Merkmals "um mehr als 90°" und von sprachlichen Unterschieden geringfügiger Art, entspricht der geltende Anspruch 1 demjenigen zum Zeitpunkt der Zurückweisung der Anmeldung. Dies trifft für Anspruch 2 indes nicht zu, da dieser in seinem Oberbegriff durch die Merkmale, daß ein Boden und eine zylindrische Wandung mit Umbördelung von mehr als 90° nach innen vorgesehen sind und daß die Schwenklagerplatte einen größeren Durchmesser gegenüber der nach dem Umbördeln erhaltenen Topföffnung besitzt, vervollständigt wurde.

Die Ansprüche 1 und 2 sind hinsichtlich ihrer Merkmale durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt, so daß sich unter Art. 123 (2) EPÜ kein Einwand ergibt. Dies gilt auch für das Merkmal "um mehr als 90°", das zwar in den ursprünglichen Unterlagen nicht expressis verbis erwähnt ist, jedoch aus den Figuren der Zeichnung eindeutig hervorgeht. Es ist hierbei unbeachtlich, daß dieses Merkmal eine Vielzahl von Umbördelungswinkeln zuläßt, die der Fachmann in Abhängigkeit von den jeweiligen baulichen Gegebenheiten wählen wird.

3.1. Wie ein Vergleich mit dem Inhalt der Druckschriften D1 und D2 sowie der übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften DE-C-1 605 465, DE-U-8 228 224, DE-U-8 022 219 D1, D2, CH-A-245 267, DE-A-2 010 844, FR-A-2 252 225 und US-A-1 743 255 ohne weiteres zeigt, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu. Die Neuheit ist bezüglich Anspruch 1 weder in der angefochtenen Entscheidung noch seitens der Kammer bestritten worden, so daß sich ein weiteres Eingehen auf diese Frage erübrigt.

3.2. Ausgangspunkt für die Erfindung ist die DE-C-1 605 465 bzw. die DE-U-8 228 224, vgl. Beschreibungsseite 2, Z. 1 bis 3, und nicht etwa D2, da diese kein Herstellungsverfahren für schwere Lenkrollen-Schwenklager zum Inhalt hat, sondern auf gattungsverschiedene, leichte Lenkrollen abgestellt ist und somit allenfalls Relevanz bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens haben kann. Dieser nächstkommende Stand der Technik ist im Oberbegriff des Anspruchs 1 zutreffend angegeben, weshalb Anspruch 1 auch dem Erfordernis der Regel 29 (1) (a) EPÜ entspricht.

4. Ausgehend von dem Stand der Technik, wie er mit der DE-C-1 605 465 bzw. der DE-U-8 228 224 gegeben ist, ist es Aufgabe der Erfindung, die Nachteile dieses Standes der Technik, nämlich Materialverzug und unbestimmtes Lagerspiel, verursacht durch die nachträgliche Verbindung von Boden und Lagergehäuse mit der Folge von Laufunregelmäßigkeiten und Schwergängigkeit des Schwenklagers bzw. bedingt durch die nachträgliche Oberflächenveredelung (Tauchen, Spritzen, Galvanisieren), zu vermeiden und durch den Wegfall des Materialverzugs gute Laufeigenschaften und noch größere Beanspruchbarkeit zu erzielen.

Von den Gegebenheiten des gattungsbestimmenden Standes der Technik ausgehend, dürfte es nach Auffassung der Kammer für den Fachmann auf der Hand liegen, nach Abhilfe für dessen Unzulänglichkeiten zu suchen, so daß in der Stellung der Aufgabe der Erfindung noch kein erfinderisches Vorgehen gesehen werden kann.

5. Die Prüfung der Frage, ob die im Anspruch 1 angegebene Lösung auf erfinderischer Tätigkeit beruht, ergibt folgendes:

5.1. Anspruch 1 ist für den Fachmann erkennbar auf ein Herstellungsverfahren für schwere Lenkrollen-Bauarten, vgl. 3.2, gerichtet. Im Gegensatz zum gattungsbestimmenden Stand der Technik werden zuerst die Einzelteile der Lenkrolle montiert und dann die Umbördelung des Topfrandes nach innen vorgenommen.

Dieses Vorgehen mag auf den ersten Blick als eine reine Vertauschung zweier vorbekannter Verfahrensschritte ohne besondere Wirkung bzw. Vorteil erscheinen. Bei näherer Betrachtung wird indes klar, daß sich damit nach Überzeugung der Kammer gerade für eine schwere Lenkrollen- Bauart erhebliche Vorteile im Betrieb der Lenkrolle und in der Gestaltungsfreiheit derselben eröffnen.

Die Notwendigkeit eines genau definierten Lagerspiels liegt auf der Hand, zumal eine Lenkrolle hoher Tragkraft erzielt werden soll. Mit der Möglichkeit, dieses Lagerspiel zusammen mit dem Umbördelvorgang einstellen zu können, wird erfindungsgemäß eine Voraussetzung für hohe Tragfähigkeit, gute Laufeigenschaften sowie erhöhte Lebensdauer der Lenkrolle erfüllt. Dies ist eine unmittelbar erkennbare Folge des erfindungsgemäßen Vorgehens. Eine weitere Konsequenz eröffnet sich aber auch noch insoweit, als vor dem Umbördeln eine zylindrische Topfwand vorliegt. Dies bedeutet, daß die Schwenklagerplatte und mit ihr die Wälzlagerkränze im Außendurchmeser bis nahe an den Innendurchmesser der Topfwand heran dimensioniert werden können. Wenn man bedenkt, daß die Lenkrolle Kippmomenten ausgesetzt ist, und daß die Wälzlagerlelemente unterschiedlich belastet werden, ist ersichtlich, daß die Möglichkeit des großen Außendurchmessers von Schwenklagerplatte und Wälzlagerkränzen die Gewähr dafür bietet, daß die Lagergestaltung in günstiger Weise auf die auftretenden Belastungen abgestimmt ist.

5.2. Es stellt sich die Frage, welche Anregung der Fachmann aus dem ihm zur Verfügung stehenden Stand der Technik, vor allem aus D1, D2, DE-C-1 605 465, DE-U-8 228 224 und DE-U-8 022 219 entnehmen konnte, um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen.

Ersichtlich hat in diesem Zusammenhang für den Verformungsfachmann hauptsächlich D2 Bedeutung, weil darin ein Lenkrollen-Schwenklager erst vormontiert und dann durch Umbördeln eines Topfrandes fertiggestellt wird.

Die gezielte Auswertung von D2 zeigt, daß es, gemäß S. 3 Z. 72 bis 78 darauf ankommt, daß der Topf aus dünnem Material besteht, offenbar um das Umbördeln über die Wälzlagerelemente hinweg zu ermöglichen. Damit wird aber der Fachmann nicht dazu angeregt, genau das Gegenteil zu tun, nämlich die Topfwand dick zu wählen, wie es bei einer schweren Lenkrolle notwendigerweise der Fall ist, um den hohen Belastungen gerecht zu werden. D2 lenkt insofern nicht auf den Gegenstand von Anspruch 1 hin, sondern eher weg.

Aber selbst wenn man unterstellt, daß der Fachmann die ihm aus D2 vermittelte Lehre des nachträglichen Umbördelns auf die Herstellung von schweren Lenkrollen gemäß Anspruch 1 übertragen wollte, ist die Kammer der Ansicht, daß er bei näherer Betrachtung dieses Vorgehen wegen der zu erwartenden herstellungstechnischen Schwierigkeiten als ungeeignet verwerfen würde. Der Bördelvorgang (normalerweise auf Pressen ausgeführt) erfolgt dergestalt, daß auf den Topfrand Stempel einwirken und diesen - wobei die Wälzlagerkörper als Widerlager wirken - nach innen umbördeln. Da gemäß D2 ein dünnwandiges Innenteil "b" vorliegt, ist die Dimensionierung der Bördelkraft bzw. des Stempelweges nicht kritisch, da der Innenring ausweichen kann und somit unzulässig hohe Kräfte von den Wälzlagerkörpern wegnimmt. Überträgt man diese Fertigungstechnik auf die Herstellung von Schwenklagern, deren innere Abstützung eine hohe Steifigkeit aufweist, wie sie bei schweren Lenkrollen-Bauarten vorliegt, bedeutet dies, daß jede Möglichkeit fehlt, die Wälzlagerkörper durch einfaches Nachgeben/Ausweichen des Innenringes (Lagerplatte) zu schützen. Zu großer Hub des Pressenstempels, der nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, bedeutet damit Schädigung des Lagers. Es erscheint glaubhaft, daß diese Überlegungen einen Fachmann davon abhalten konnten, die Lehre von D2 bei einer Lenkrolle der in Anspruch 1 definierten Art anzuwenden, weil er befürchten mußte, daß der "Federweg Null" zu Schäden am Lager führen würde.

Mithin ist die Lehre von D2 so zu sehen wie sie in D2 konkret offenbart ist, nämlich beschränkt auf nachgiebige Lager-Innenringe.

5.3. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen erfinderischer Überlegungen im Zusammenhang mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 ist nach Auffassung der Kammmer auch darin zu sehen, daß die Lehre von D2 im Hause der Beschwerdeführerin seit Jahrzehnten für leichte Lenkrollen Anwendung fand - wie durch die Eingabe vom 30. September 1988 glaubhaft dargelegt wurde - ohne daß eine Anregung für die Fertigung von ebenfalls seit Jahrzehnten parallel dazu gefertigten schweren Lenkrollen davon ausgegangen wäre.

5.4. Die Druckschriften DE-C-1 605 465, DE-U-8 228 224 und DE-U-8 022 219 lehren den umgekehrten Weg gegenüber dem Verfahren von Anspruch 1, so daß hiervon keine Anregung zur Auffindung des erfindungsgemäßen Verfahrens ausgehen konnte, da dort überall erst die Bördelung und dann die Verbindung von Topf und Boden vorgenommen wird, während in D1 das Gehäuse insgesamt vor der Montage der Wälzlager und der (zweiteiligen) Schwenklagerplatte fertiggestellt wird, vgl. Fig. 1 und S. 2 Z. 12 bis 57.

5.5. Die unter 3.1 ansonsten noch aufgeführten Druckschriften liegen noch weiter ab vom beanspruchten Verfahren und können demzufolge ebenfalls die erfinderische Qualität dieses Verfahrens nicht in Zweifel ziehen.

5.6. Aus vorstehenden Überlegungen resultiert, daß der verfügbare Stand der Technik weder einzeln noch in Kombination den Gegenstand gemäß Anspruch 1 nahelegt, Art. 56 EPÜ, so daß dieser Anspruch gewährbar ist.

6. Anspruch 2 ist auf ein Lenkrollen-Schwenklager gerichtet und zwar wiederum einer schweren Baureihe (zwei Kugellaufkränze ...). Allein durch die Tatsache, daß der Gegenstand von Anspruch 1 nur durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 herstellbar ist - wäre dies nicht der Fall, könnte die Topföffnung im Durchmesser nicht kleiner sein als der Außendurchmesser der Schwenklagerplatte - wird der Gegenstand von Anspruch 2, was seine erfinderische Qualität anbelangt (Neuheit ist unbestritten) von Anspruch 1 mitgetragen, da er die Kenntnis des dort beanspruchten Verfahrens voraussetzt.

D1 steht insoweit dem beanspruchten Lenkrollenlager nicht entgegen, als dort der Oberbegriff von Anspruch 2 nicht realisiert ist, da bei D1 zwei Schwenklagerplatten vorliegen, die jeweils kleiner als die Topföffnung bemessen sein müssen, da sie ansonsten nicht durch die Öffnungen des fertig vorgeformten Gehäuses einsetzbar wären. Dadurch ist D1 auf einen anderen Gegenstand (leichte Baureihe) gerichtet. Der Übereinstimmung mit dem Gegenstand von Anspruch 2, nämlich daß jeweils von einem einstückigen Blechteil für das Gehäuse ausgegangen wird, kommt bei dieser Sachlage keine patenthindernde Bedeutung zu. Vielmehr macht die sogenannte "Einbahnstraßen-Situation", wonach die Herstellung des Gegenstandes von Anspruch 2 ausschließlich mit dem Verfahren des Anspruchs 1 möglich ist, Anspruch 2 zusammenfassend ebenfalls gewährbar und mit ihm die von ihm abhängigen Ansprüche 3 bis 6.

7. Die Beschreibungseinleitung ist an die als gewährbar bezeichneten Ansprüche 1 bis 6 angepaßt und somit nicht zu beanstanden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein europäisches Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 6, der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung eingereichten Beschreibung und den ursprünglichen Zeichnungen zu erteilen.

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