European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1988:T000388.19880506 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 06 Mai 1988 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0003/88 | ||||||||
Anmeldenummer: | 84115215.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | 1-Acylimidazolinone, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung in der Landwirtschaft | ||||||||
Name des Anmelders: | Hoechst AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Berichtigung der Beschreibung Amendment of the description |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 12. Dezember 1984 mit der Priorität vom 20. Dezember 1983 eingereichte europäische Patentanmeldung 84 115 215.0, welche die Veröffentlichungsnummer 115 744 trägt, ist durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 31. Juli 1987 zurückgewiesen worden.
II. In den vorausgegangenen Bescheiden hatte die Prüfungsabteilung die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Anmeldungsgegenstandes anerkannt, die Erteilung des nachgesuchten Patents jedoch von der Beseitigung einiger Mängel in der Beschreibung abhängig gemacht. Die Beschwerdeführerin ist dem nachgekommen, hat aber zugleich in ihrem Schreiben vom 12. Februar 1987 von sich aus beantragt, "in Beispiel 52 den Schmelzpunkt in "136 ..." (statt "163 ...") zu korrigieren". Dieses Verlangen hat die Prüfungsabteilung abgelehnt, weil eine solche Änderung des Schmelzbereichs gegen Regel 88 EPÜ verstoße. Auch den Einwand, daß aus einer Streichung der Kennzahl in einem Prioritätsstreit Nachteile erwachsen könnten und daß das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an zutreffender und richtiger Information überwiege, hat sie nicht weiter gelten lassen.
In der daraufhin verfügten Zurückweisung der Anmeldung hat die Prüfungsabteilung u.a. festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Anwendung von Regel 88 vorliegend nicht gegeben seien. Zwar sei offensichtlich, daß die Angaben zum Schmelzbereich des Beispiels 52 einen Fehler enthielten, die vorgeschlagene Korrektur, die Änderung der Zahl "163" in "136", sei aber nur eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten. Der "Zahlendreher" müsse nicht unbedingt in der Untergrenze des fraglichen Bereichs liegen, auch die Obergrenze könne einen Tippfehler enthalten.
In den Prioritätsunterlagen komme das Beispiel 52 nicht vor, so daß diese nicht zur Klärung der strittigen Frage herangezogen werden könnten. Da die Beschwerdeführerin mit der Streichung der betreffenden Werte nicht einverstanden gewesen sei, lägen keine für die Erteilung eines Patents akzeptablen Unterlagen vor.
III. Gegen die Entscheidung hat die Beschwerdeführerin mit dem am 25. September 1987 eingegangenen Schriftsatz unter Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt. In ihrer am 2. Dezember 1987 eingereichten Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß sie die Anwendung von Regel 88 im vorliegenden Fall für nicht gerechtfertigt halte. Der Sinn dieser Vorschrift sei, eine nichtoffensichtliche Berichtigung der Beschreibung zu unterbinden und eine unzulässige Erweiterung der Beschreibung zu verhindern. Ähnlich wie in der Entscheidung T 13/83 (ABl 1984, 428), gehe es auch hier um eine naheliegende Berichtigung, denn das Vertauschen von Ziffern, ein sog. Zahlendreher, sei der häufigste Fehler, der beim Abschreiben von Zahlenangaben auftrete. Der Schmelzbereich sei ein inhärenter Parameter einer chemischen Verbindung, seine Richtigkeit sei jederzeit nachprüfbar. Mit der Korrektur einer solchen Konstanten werde kein neuer Sachverhalt in die Anmeldeunterlagen eingebracht.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Änderung des der Verbindung 52 zugeordneten Schmelzbereichs in "136-41" zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Die Streitanmeldung betrifft chemische Stoffe (1- Acylimidazolinone), ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung in der Landwirtschaft.
Die zugehörige Beschreibung enthält im Anschluß an die Ausführungsbeispiele eine Tabelle, in der weitere, auf analogem Wege herstellbare Stoffe unter Nennung der jeweiligen Substituenten in übersichtlicher Form zusammengefaßt sind; die letzte Rubrik ist Angaben vorbehalten, die der näheren Charakterisierung dieser Substanzen dienen. Solche Daten sind u.U. ein Beleg dafür, daß die betreffende Verbindung tatsächlich hergestellt worden ist. Bei festen Stoffen des hier beanspruchten Typs wird häufig der Schmelzpunkt angegeben; ein unscharfes Schmelzen über mehrere Celsiusgrade hinweg weist im allgemeinen auf noch vorhandene Verunreinigungen hin; bei technischen Produkten ist dies jedoch meist ohne Belang. Bei dem hier vorrangig interessierenden, mit der Nummer 52 bezeichneten Imidazolinonderivat findet man an dieser Stelle der Liste die Angabe: 163-41, was in ausführlicher Leseart -unbestritten-"163-141°C" bedeutet und einen Schmelzbereich anzeigt.
Die beantragte, von der Prüfungsabteilung unter Hinweis auf Regel 88 EPÜ abgelehnte Änderung des zuletzt genannten Zahlenbereichs in "136-41" hatte die Zurückweisung der Streitanmeldung ausgelöst.
3. Die Berichtigung von Mängeln in beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen wird generell in Regel 88 EPÜ behandelt. Soweit die Berichtigung die Beschreibung, die Patentansprüche oder die Zeichnungen betrifft, muß nach Satz 2 der Vorschrift die Berichtigung derart offensichtlich sein, daß sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte, als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird.
Im anhängigen Fall handelt es sich um die Berichtigung eines in der Beschreibung aufgetretenen Fehlers, und zwar um die Berichtigung einer stoffeigenen physikalischen Konstanten, durch welche die in Beispiel 52 offenbarte, formelmäßig definierte, chemische Verbindung näher charakterisiert werden soll.
Auf Prioritätsdokumente als Beweismittel, wie in einer früher entschiedenen, eine fehlerhafte Zeichnung betreffenden Sache, kann nicht zurückgegriffen werden, da eine Verbindung, die mit der in Beispiel 52 beschriebenen Substanz identisch ist, in ersteren nicht vorkommt (J 19/80, Abl. 1981, 65).
Indes besteht kein Zweifel, daß dem technisch versierten Leser der Streitanmeldung, der sich mit der Tabelle 1 eingehender befaßt, der Fehler bei den Angaben zum Schmelzbereich des Beispiels 52 sogleich auffällt. In aller Regel erscheint nämlich bei der Wiedergabe eines Schmelzintervalls der niedere Wert vor dem höheren. Auch die vorliegende Tabelle ist so organisiert; eine Ausnahme hiervon macht lediglich besagtes Beispiel 52, wo der Schmelzbereich beträchtlich, nämlich von 163 ° auf 141 °C, abfällt.
Die naheliegendste, aus der Sicht des organischen Chemikers akzeptable Richtigstellung dieser auffälligen Unstimmigkeit ergibt sich bei Annahme eines Zahlendrehers innerhalb des erstgenannten Eckwerts eines Übertragungsfehlers, wie er in der Praxis nicht völlig auszuschließen ist. Sie besteht im Austausch der beiden letzten Ziffern der als Fehlerquelle anvisierten Zahl und führt zu dem Wert "136".
Die Kammer ist der Auffassung, daß für einen Fachmann sofort erkennbar war, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte, als die so korrigierte Zahl.
3.2. Demgegenüber erscheinen der Kammer die weiteren Korrekturmöglichkeiten fernerliegend: ein Stellungswechsel der kompletten Zahlen in 141-163°C würde zu einem unrealistischen Ergebnis führen; die Hereinnahme einer völlig neuen Ziffer würde auf eine willkürliche Manipulation hinauslaufen. Beide Möglichkeiten brauchen daher nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden.
3.3. Nach Abwägung aller Faktoren hat die Kammer keine Bedenken, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung der fehlerhaften Zahl stattzugeben.
Demnach kann der Eckwert eines durch zwei Zahlenwerte begrenzten Bereichs (hier: Schmelzbereich einer organischen Verbindung), der in der Beschreibung falsch angegeben ist, berichtigt werden, wenn es für einen Fachmann klar ist, daß es sich um einen Zahlendreher handelt und wenn der korrigierte Wert dem entspricht, den der Antragsteller als Berichtigung vorschlägt.
3.4. Mit dem Hinweis auf die Entscheidung T 13/83 - 3.3.1 geht die Beschwerdeführerin fehl, denn dieser liegt ein anderer als der hier erörterte Sachverhalt zugrunde, nämlich die falsche Berechnung der Anteile eines Mehrkomponentensystems; sie hilft nicht weiter.
Die vorzunehmende Korrektur, die die stoffspezifische Kennzahl einer offenbarten Verbindung betrifft, führt nicht dazu, daß der Gegenstand der europäischen Patentanmeldung derart geändert wird, daß der Inhalt über den der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 123 (2) EPÜ).
4. Die Unterlagen sind noch nicht vollends zur Erteilung geeignet (z.B. unvollständige Formel in Anspruch 12; Berücksichtigung der sonstigen Änderungswünsche der Beschwerdeführerin in den Unterlagen), so daß die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen war.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung der Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, in der Beschreibung unter Beispiel 52, letzte Spalte die Zahl "163" durch die Zahl "136" zu ersetzen.