T 0387/87 () of 14.9.1989

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1989:T038787.19890914
Datum der Entscheidung: 14 September 1989
Aktenzeichen: T 0387/87
Anmeldenummer: 81107178.6
IPC-Klasse: B24B 5/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 392 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schleifmaschine zum gleichzeitigen Innen-, Aussen- und/oder Planschleifen von Werkstücken
Name des Anmelders: Buderus AG
Name des Einsprechenden: J.E. Reinecker
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Inventive step (no) - part of a problem - aggregation
Lösung von Teilaufgaben - blosse Aggregation
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0106/84
T 0037/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0294/90
T 1588/11

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Gegenstand der am 11. September 1981 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 81 107 178.6 ist am 22. Mai 1985 das zwei Ansprüche umfassende europäische Patent Nr. 51 136 erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent hat der Beschwerdegegner Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. Er verweist hierzu auf folgende Dokumente:

Zwei Prospekte der Firma Herbert Lindner GmbH betreffend einen doppelseitigen Innen- und Planschleifautomaten Typ SJD 17 und SJDP 17 mit entsprechenden Druckvermerken S62-1.69 und 08-175 (5) 10.75 (D1); DE-U-1 695 503 (D2), und Industrie-Anzeiger 94. Jg. Nr. 18/19 v. 3.3.1972, S. 370 bis 374 (D3).

III. Durch Entscheidung vom 7. Oktober 1987 hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung bzw. nach dem Hilfsantrag im Hinblick auf die den Dokumenten D1 und D2 zu entnehmenden Lehren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

IV. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 30. Oktober 1987 unter Entrichtung der Gebühr Beschwerde erhoben.

Mit der am 8. Februar 1988 eingegangenen Beschwerdebegründung hat er einen geänderten Anspruch 1 eingereicht und die Gründe vorgetragen, die nach seiner Ansicht für die erfinderische Qualität dessen Gegenstands sprechen.

Dieser Anspruch hat folgenden Wortlaut:

"Schleifmaschine, mit einem Unterbau, auf welchem beidseitig eines Mittenlagers mit Doppelmembranspannfutter Schleifeinheiten zum wahlweisen gleichzeitigen Innen- und Planschleifen eines im Mittenlager eingespannten Werkstücks lösbar angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß auf dem Unterbau (1) beidseitig des Mittenlagers (3) je eine Außenschleifeinheit (5, 5') zum gleichzeitigen Außenschleifen des Werkstücks (6) angeordnet ist und daß das Mittenlager (3) als hydrodynamisches oder hydrostatisches Gleitstützenlager ausgebildet ist."

V. Eine mündliche Verhandlung hat am 14. September 1989 stattgefunden.

(i) In dieser Verhandlung hat der Beschwerdeführer seinen Standpunkt dahingehend zusammengefaßt, daß dem schriftlich belegten Stand der Technik die Kombination der Merkmale nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 nicht zu entnehmen sei, da

- im Dokument D1 Beispiele für Schleifmaschinen dargestellt seien, die nur ein gleichzeitiges Bohrungs- und beidseitiges Planschleifen zuließen, jedoch kein Hinweis zu finden sei, demzufolge auch gleichzeitig noch ein Außenschleifen möglich und das Mittenlager als hydrodynamisches oder hydrostatisches Gleitstützenlager ausgebildet wäre, obwohl derartige Lager für den Fachmann ein bekanntes Maschinenelement seien;

- das Dokument D2 eine Schleifmaschine mit einseitiger Einspannung betreffe, wobei gleichzeitig nur ein Innen- und Außenschleifen oder ein Innen- und Planschleifen durchgeführt werden könnte;

- das Dokument D3 (S. 373, lk. Sp., Abs. 2) nur die Lehre vermittle, für die Hauptspindel als Träger des Werkzeugs eine hydrostatische Lagerung vorzusehen, wogegen es sich beim Gegenstand des Anspruchs 1 um die Lagerung des Werkstücks handle; zumindest es aber offenlasse, welchem Zweck die Hauptspindel diene, und

- ein enger wirkungsmäßiger Zusammenhang zwischen höchster Schleifgenauigkeit einerseits und Verminderung der Bearbeitungszeit andererseits bestehe.

Nach seiner Auffassung beruhe die Ansicht des Beschwerdegegners auf einer unzulässigen ex post facto-Analyse der Entgegenhaltungen in Kenntnis des Gegenstands des erteilten Patents.

(ii) Der Beschwerdegegner hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß auch der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 mit Rücksicht auf die den Dokumenten D1 und D3 zu entnehmenden Lehren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Anspruch 1, eingereicht am 8.2.88; - Anspruch 2, wie erteilt; - Beschreibung, Spalten 1 und 2, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung; - übrige Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.

Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu, da keines der im Prüfungs- und Einspruchsverfahren genannten Dokumente eine Schleifmaschine mit allen in diesem Anspruch aufgeführten Merkmalen offenbart.

3. Zur Frage, ob die Ausbildung einer Schleifmaschine nach der Lehre des geltenden Anspruchs 1 nahegelegen habe, wird folgendes ausgeführt:

3.1. Die Schleifmaschine nach dem Oberbegriff dieses Anspruchs betrifft unbestritten eine Schleifmaschine der durch das Dokument D1 bekannten Art, die den dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommenden Stand der Technik darstellt.

Nach den dort abgebildeten Beispielen ist mit der bekannten Schleifmaschine u. a. ein gleichzeitiges beidseitiges Bohrungs- und Planschleifen oder ein gleichzeitiges Bohrungs- und beidseitiges Planschleifen möglich. Das Mittenlager ist dabei als Hohlspindel ausgebildet, welche in Spezial-Kugellagern hoher Präzision läuft, wodurch eine hohe Rundheit der Bohrungen und Schlagfreiheit der geschliffenen Stirnflächen mit Sicherheit erreicht wird. Der Nachteil dieser Kugellager ist jedoch, daß mit ihnen nicht die erforderliche Schleifgenauigkeit eingehalten werden kann, da sie im besten Fall nur einen Rundlaufwert von 5 my erreichen.

3.2. Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, diese Schleifmaschine so weiterzuentwickeln, daß bei einer Verminderung der Bearbeitungszeit eines Werkstücks eine Erhöhung der Schleifgenauigkeit erzielt wird. Dieses Ziel wird durch die Einführung einer Außenschleifeinheit und einem leistungsfähigen Mittenlager erreicht.

3.3. Bei dieser Aufgabe handelt es sich um zwei Teilaufgaben, von denen die eine die Bearbeitungszeit und die andere die Schleifgenauigkeit von zu bearbeitenden Werkstücken betrifft. Dementsprechend enthält auch der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 zwei Merkmale, die sich jeweils mit der Lösung der einen bzw. anderen Teilaufgabe befassen. Wie bereits dem Dokument D1 zu entnehmen (s. a. obigen Abschnitt 3.1) ist, hängt die Bearbeitungszeit eines Werkstücks in einer Schleifmaschine insbesondere von der Art und Zahl der Schleifeinheiten in der Schleifmaschine ab, wogegen für die Schleifgenauigkeit vor allem die Lagerung des Werkstücks von Bedeutung ist.

3.4. Beim Gegenstand des Anspruchs 1 steht somit die Anordnung von Außenschleifeinheiten auf dem Unterbau der Schleifmaschine mit der Ausbildung des Mittenlagers in keiner funktionellen Wechselwirkung, in dem Sinne, daß sich die beiden Merkmale einander gegenseitig zur Erreichung eines über die Summe ihrer jeweiligen Einzelwirkungen hinausgehenden technischen Erfolgs beeinflussen. Mit Recht hat die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung daher festgestellt, daß es im vorliegenden Fall sich nicht um eine Kombination, sondern lediglich um eine bloße Aggregation der Merkmale handle. Der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zitierte Leitsatz der Entscheidung T 37/85 ("Giesspfannen/MANNESMANN", ABl. EPA, 1988, 86), der sich mit der erfinderischen Tätigkeit einer Kombinationserfindung befaßt, ist daher nicht anwendbar.

3.5. Da bei dieser Sachlage zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit keine kombinatorische Wirkung geltend gemacht werden kann, ist zu prüfen, ob sich jedes Merkmal für sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleiten läßt:

3.5.1. Eine Anregung zur Lösung für die erste Teilaufgabe, die Bearbeitungszeit für ein Werkstück zu vermindern, konnte der Fachmann schon im Dokument D1 selbst finden.

Auf dem Blatt (s. lk. Sp., Abs. 3) mit der Überschrift "Beispiele für Einsatzmöglichkeiten" ist zu lesen, daß sich die dort gezeigten typischen Beispiele als Lösung problematischer Bearbeitungsoperationen, d. h. mehrerer Arbeitsgänge in einer Aufspannung, in der Praxis bewährt haben. Im besonderen sind bei den Beispielen 2 und 4 jeweils vier bzw. drei Schleifeinheiten zu beiden Seiten des Mittenlagers derart angeordnet, daß gleichzeitig ein beidseitiges Innen- und Planschleifen oder ein Innen- und beidseitiges Planschleifen des aufgespannten Werkstücks durchgeführt wird.

Der Fachmann erkennt, daß das aus dem Dokument D1 bekannte Prinzip, nämlich beidseitig des Mittenlagers unterschiedliche Schleifeinheiten je nach Bedarf und Raumbedingungen anzuordnen, auch die Möglichkeit bietet, noch je eine Außenschleifeinheit anzubringen, so daß alle Schleifoperationen gleichzeitig durchgeführt werden können. An sich ist es schon bekannt, wie das Dokument D2 es zeigt, in einer Schleifmaschine ein Werkstück gleichzeitig außen und innen zu schleifen. Die Kombination von unterschiedlichen Schleifeinheiten liegt also im Rahmen dessen, was der Fachmann ohne erfinderische Überlegungen zu tun in der Lage ist, wenn er vor das obengenannte technische Problem gestellt wird.

3.5.2. Die zweite Teilaufgabe, die Schleifgenauigkeit zu erhöhen, wird dadurch gelöst, daß das Mittenlager als hydrodynamisches oder hydrostatisches Gleitstützenlager ausgebildet ist. Der Fachmann kennt die Eigenschaften und die Verwendung derartiger Gleitstützenlager aufgrund des allgemeinen Fachwissens. Wie z. B. in dem Band I (Abschnitte 15.1 und 15.7) der Maschinenelemente von G. Niemann (Springer-Verlag Berlin/Heidelberg/New York 1981) beschrieben ist, werden diese Gleitstützenlager vorgezogen, wenn u. a. höchste Drehzahlen, höchste Ansprüche an die Genauigkeit, und hohe Verschleißfreiheit (hohe Lebensdauer) ausschlaggebend sind. Sie haben daher insbesondere für die Verwendung im Werkzeugmaschinenbau, z. B. zur Lagerung von Werkzeugspindeln, große Bedeutung.

Auch in dem Dokument D3 (s. S. 373, lk. Sp., Abs. 3) wird bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in Schleifmaschinen, an die hinsichtlich der Bearbeitungsgenauigkeit erhöhte Anforderungen gestellt werden, an die Stelle der konventionellen Lagerung die hydrostatische Lagerung der Hauptspindel tritt. Es ist dabei offengelassen, ob es sich um die Spindel handelt, in der das Werkzeug oder das Werkstück gelagert wird. Da aber das Lösungsprinzip dem einschlägigen Fachmann geläufig ist, erfordert es keine erfinderische Tätigkeit, sich dieses Prinzips zum gleichen Zweck bei einer Schleifmaschine zu bedienen, in der aus besonderen Gründen das Werkstück in der Spindel gelagert und Rundlaufwerte von 1 my erreicht werden sollen. Bei der Frage, ob die Spindel als Lager für das Werkzeug oder Werkstück verwendet wird, handelt es sich nur um eine vom jeweiligen Bedarfsfall abhängige Wahl zwischen ausschließlich zwei Möglichkeiten.

3.5.3. Es ist auch nicht erkennbar, daß im vorliegenden Fall durch den Einbau bekannter Vorrichtungen in eine bekannte Maschine eine dem Fachmann überraschende Konstruktionsvereinfachung verbunden mit einer nicht vorhersehbaren Leistungsverbesserung erreicht wird. Die vom Beschwerdeführer zitierten Leitsätze der Entscheidung T 106/84 ("Verpackungsmaschine/MICHAELSEN", ABl. EPA, 1985, 132) sind daher im vorliegenden Fall ebenfalls nicht anwendbar.

3.6. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 wird somit dem Fachmann durch den schriftlich belegten Stand der Technik nahegelegt. Dieser Gegenstand beruht mithin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ, so daß dieser Anspruch nicht gewährbar ist.

4. Der vom geltenden Anspruch 1 abhängige erteilte Anspruch 2 fällt zusammen mit diesem Anspruch 1.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation