European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1988:T011687.19880329 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 März 1988 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0116/87 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82200367.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Goldfarbener Münzwerkstoff | ||||||||
Name des Anmelders: | Verein. Deut. Metallwerke | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit Erfinderische Tätigkeit Novelty inventive step |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung 82 200 367.9, die am 25. März 1982 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung vom 23. April 1981 (DE 3 116 135) angemeldet worden war, ist am 7. August 1985 das europäische Patent 65 321 auf der Grundlage eines einzigen Anspruchs folgenden Wortlauts erteilt worden:
"Verwendung einer Kupferbasislegierung mit 4 bis 6% Nickel, 4 bis 6% Aluminium, 0,5 bis 1,8% Eisen und 0,3 bis 1,5% Mangan, Rest Kupfer einschließlich unvermeidbarer, herstellungsbedingter Verunreinigungen, als Werkstoff zur Herstellung von Münzen oder dergleichen, die einen goldenen Farbton und eine hohe Anlaufbeständigkeit aufweisen müssen."
II. Gegen die Erteilung des europäischen Patents hat die Einsprechende am 6. Mai 1986 Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder Patentfähigkeit nach den Artikeln 52-57 EPÜ beantragt. Die Begründung wurde unter anderem auf neue Entgegenhaltungen gestützt.
III. Durch Entscheidung vom 6. Februar 1987 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen.
Zur Frage der Neuheit führt die Entscheidung aus, aus der nicht vorveröffentlichten Europäischen Patentanmeldung 33 625 (Dokument (a)) seien zwar Münzlegierungen auf der Basis Kupfer mit Ni- und Al-Zusätzen bekannt, diese Legierungen wiesen jedoch keine Zusätze an Fe und Mn auf, wie im Streitpatent gefordert.
Dokument (b) (JP-A- 52 048 929) beschreibe zwar eine Legierung mit der Zusammensetzung nach dem Streitpatent, jedoch fehle hier jeglicher Hinweis auf die Verwendung als Münzwerkstoff.
Die weiteren Dokumente beschreiben weder Legierungszusammensetzungen gemäß dem Streitpatent, noch deren Verwendung als Münzlegierung.
Bei der Frage nach erfinderischer Tätigkeit müsse Dokument (a) im Hinblick auf Artikel 54 (3) unberücksichtigt bleiben.
Dokument (b) beschreibe eine Legierungszusammensetzung mit guter Korrosionsbeständigkeit in Seewasser bei hohen Temperaturen. Da solche Bedingungen bei Münzen im Normalfall nicht auftreten, habe der Fachmann keine Veranlassung gehabt, diese Legierungen hierfür in Betracht zu ziehen.
Auch die weiteren Dokumente hätten nicht zur patentgemäßen Lösung der Aufgabe anregen können.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 17. März 1987 unter Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr am darauffolgenden Tag Beschwerde eingelegt und diese am 29. Mai 1987 begründet. Am 29. März 1988 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin sich nur noch auf das Dokument (b) stützte.
V. Die Beschwerdeführerin macht zuletzt geltend, aus Dokument (b) (in Form der am 19.11.1983 eingegangenen englischen Übersetzung) seien Legierungen bekannt, die mit den nach dem Streitpatent als Münzwerkstoff zu verwendenden Legierungen identisch seien. Die Eigenschaften dieser bekannten Legierungen seien dem Fachmann bekannt. Insbesondere die sehr gute Korrosionsbeständigkeit und der goldene Farbton hätten die Verwendung dieser Legierung als Münzwerkstoff nahegelegt.
Implizit sei sogar die Verwendung als Münzlegierung durch (b) neuheitsschädlich getroffen.
VI. Die Beschwerdegegnerin bestreitet, daß der Patentgegenstand durch die Entgegenhaltungen neuheitsschädlich vorweggenommen sei oder nahegelegen habe.
Dokument (b) beschreibe zwar eine Legierungszusammensetzung mit guter Korrosionsbeständigkeit in Seewasser bei hohen Temperaturen, es fehle jedoch jeglicher Hinweis auf eine Verwendung als Münzwerkstoff. Hierfür komme es weniger auf Korrosionsfestigkeit, sondern auf die Beständigkeit der Oberflächenfarbe an.
Der Korrosionstest in Dokument (b) sei auf abtragende Korrosion bzw. Lochfraß in Meerwasser bei hohen Temperaturen angelegt. Die Beständigkeit einer Legierung gegen diese Art der Korrosion lasse keinen Rückschluß auf deren Anlaufbeständigkeit zu.
VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt dagegen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (Seite 2, Zeilen 19-37) wird ausgeführt, daß bereits Münzwerkstoffe mit goldähnlichen Farbtönen bekannt sind. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Kupferbasislegierungen, die z.B. mit 25% Zink, mit 20% Zink und 1% Nickel, mit 5 bis 6% Aluminium und 2% Nickel oder mit 2% Aluminium und 6% Nickel legiert sind. Alle diese Werkstoffe haben jedoch den Nachteil, daß sie im Gebrauch verhältnismäßig rasch ihr ursprünglich brillantes Aussehen verlieren und einen matten und mehr ins Bräunliche gehenden Farbton annehmen.
Ferner verweist die Beschreibungseinleitung auf die GB-A- 401 313, aus der ein Verfahren zur Herstellung von metallischen Artikeln bekanntgeworden ist, deren Oberflächen Muster oder Beschriftungen aufweisen, wie Münzen, Medaillen oder Wertmarken. Dabei soll eine härtbare Kupferlegierung mit 0,5 bis 5% Aluminium und einem Gehalt an Nickel, der 3 bis 4 mal so groß ist wie der Aluminiumgehalt verwendet, die metallischen Artikel im weichen Zustand der Legierung ausgestanzt, geprägt und zur Erzielung der erforderlichen Härte eine ausreichende Zeit bei 300 bis 600°C behandelt werden. Vorzugsweise soll diese Legierung 1 bis 3% Aluminium aufweisen. Sie ist damit vom oben erwähnten Typ CuNi6Al2, der - wie ausgeführt - nur eine verhältnismäßig schlechte Anlaufbeständigkeit besitzt. Außerdem muß bei diesem Werkstoff auf eine genaue Einhaltung der Zusammensetzung und der Glühbehandlung geachtet werden, weil sonst ein einheitlicher Farbton der Oberfläche nicht einzuhalten ist.
Die Kammer sieht die zuletzt genannte Druckschrift gegenüber dem Patentgegenstand als nächstliegenden Stand der Technik an; denn beide sind auf die Verwendung einer Kupferbasislegierung als Münzwerkstoff gerichtet.
3. Diesem Stand der Technik gegenüber kann die bestehende technische Aufgabe darin gesehen werden, einen verbesserten goldfarbenen Werkstoff für die Herstellung von Münzen oder dergleichen anzugeben, der den ursprünglich vorhandenen Farbton über einen längeren Zeitraum beibehält, d.h. eine höhere Anlaufbeständigkeit aufweist.
Diese Aufgabe wird nach dem Streitpatent durch den Vorschlag einer Kupferbasislegierung mit 4 bis 6% Nickel, 4 bis 6% Aluminium, 0,5 bis 1,8% Eisen und 0,3 bis 1,5% Mangan, Rest Kupfer einschließlich unvermeidbarer herstellungsbedingter Verunreinigungen für den o.g. Verwendungszweck gelöst.
Es ist auch glaubhaft, daß diese Aufgabe tatsächlich gelöst wird; dies ergibt sich aus den Tabellen 1 und 2 des Streitpatents.
4. Keine der im Beschwerdeverfahren genannten Entgegenhaltungen beschreibt die Verwendung der patentgemäßen Kupferlegierung als Werkstoff zur Herstellung von Münzen.
Dokument (b) beschreibt zwar Kupferlegierungen, die in ihrer Zusammensetzung mit denen des Streitpatents identisch sind (vgl. Tabelle 1, Beispiel 3), jedoch fehlt in (b) jeglicher Hinweis auf die Verwendung solcher Legierungen als Münzwerkstoff, die alleiniger Gegenstand des Streitpatents ist.
Die Beschwerdeführerin vertritt nun die Auffassung, (b) offenbare implizit die Verwendung der Legierung als Münzwerkstoff. Dies soll sich daraus ergeben, daß die in der Beschreibungseinleitung von (b) Seite 2 Abs. 2 angegebenen Kupferlegierungen, deren dort aufgabengemäß angestrebte Verbesserung durch den Vorschlag bestimmter Cu-Ni-Al-Fe-Mn- Legierungen gelöst wird, ausweislich der Angaben in der Beschreibungseinleitung zur Streitpatentschrift Seite 2, Zeilen 19 bis 22 bekannte Münzwerkstoffe seien. Dieser Einwand geht schon deshalb ins Leere, weil diese Argumentation auf eine für die Beurteilung der Neuheit unzulässige Kombination zweier technischer Lehren aus verschiedenem Stand der Technik hinausläuft (Gebot des Einzelvergleichs). Übrigens sind auch die Cu-Legierungen, von denen diese beiden Druckschriften ausgehen, bereits in ihrer qualitativen Zusammensetzung nicht identisch, unterscheiden sich also wesentlich.
Die Neuheit des Patentgegenstandes ist somit gegeben.
5. Es ist daher zu prüfen, ob die Verwendung der aus (b) bekannten Legierung zur Herstellung von Münzen auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
5.1. Da Dokument (a) als nicht vorveröffentlichte europäische Patentanmeldung i.S.v. Artikel 54 (3) EPÜ bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auszuscheiden hat, fragt sich, ob es für den Fachmann nahelag, die bestehende Aufgabe, nämlich die Angabe eines verbesserten goldfarbenen Werkstoffs für die Herstellung von Münzen oder dergleichen der den ursprünglich vorhandenen Farbton über einen längeren Zeitraum beibehält, d.h. der eine höhere Anlaufbeständigkeit aufweist, durch die aus Entgegenhaltung (b) bekannten Cu-Mi-Al-Fe-Mn-Legierungen zu lösen. Diese Legierungen zeichnen sich durch eine gute Korrosionsbeständigkeit in Meerwasser bei hohen Temperaturen (120-170°C) aus (vgl. (b), Tabelle 1 und Seite 4, erster Absatz), ohne daß dort ein Hinweis auf die hier interessierende Anlaufbeständigkeit gegeben oder erkennbar ist.
Vielmehr geht (b) von Cu-Zn-Al sowie Cu-Ni-Legierungen aus, deren Nachteil darin bestehen soll, daß sie zwar bei Normaltemperatur, nicht aber bei hoher Temperatur meerwasserfest sind. Diese hohen Anforderungen erfüllen erst die gemäß (b) vorgeschlagenen Cu-Ni-Al-Fe-Mn- Legierungen. Um diesen Effekt zu demonstrieren, werden all diese Legierungstypen in Form 1 mm dicker Blättchen in Meerwasser bei 140° bzw. 170°C 10 Tage lang getestet und das Ausmaß der Korrosion durch Gewichtsverlust (mg/cm2) bestimmt. Bereits aus der Art des Korrosionstests entnimmt der Fachmann, daß die Legierungen nach (b) einer abtragenden Korrosion weitgehend standhalten, was sie für die destillative Süßwasserbereitung aus Meerwasser geeignet erscheinen läßt.
Diese Anforderungen werden an Münzlegierungen nicht gestellt, wie die Beschwerdeführerin zur Überzeugung der Kammer vorgetragen hat. Gleiches gilt für die Art des Korrosionsmediums und insbes. die extremen Temperaturbedingungen. Vielmehr geht es bei der Münzherstellung um die Beständigkeit der Legierung gegen atmosphärischen Angriff (Oxidation, besonders in feuchter und warmer Luft, vgl. Test B - F nach dem Streitpatent) und gegen Verfärbung beim manuellen Gebrauch (vgl. Test A nach dem Streitpatent). Ausweislich der Streitpatentschrift entscheidet erst die Summe dieser Tests über die Brauchbarkeit einer Legierung zu Münzzwecken.
Bereits die Gegenüberstellung dieser unterschiedlichen Anforderungen an Münzlegierungen einerseits und bei hoher Temperatur meerwasserbeständige Legierungen andererseits macht deutlich, daß die Lehre in (b) von der erhöhten Meerwasserbeständigkeit einer Legierung weder eine Aussage ermöglicht, ob diese Legierung für Münzzwecke brauchbar ist, noch auch zu entsprechenden Versuchen in dieser Richtung anregt; denn der - hier - für die Münzherstellung zuständige Fachmann hätte der Information aus (b), die auf einem von ihm weit entfernten Fachgebiet liegt, keine Beachtung geschenkt, so daß von (b) kein Anstoß ausgehen konnte, mangels möglicher Voraussagen über die Lösung der hier bestehenden Aufgabe die Zuflucht beim Experiment auf gut Glück gerade mit dieser Legierung zu suchen. Der Gegenstand des Anspruchs nach dem Streitpatent beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.