European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1990:T005987.19900814 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 August 1990 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0059/87 | ||||||||
Anmeldenummer: | 81300717.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C10M 1/54 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Mobil Oil Corporation | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Chevron | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | Ob eine vorher nicht offenbarte technische Wirkung, die zwangsläufig eintritt, wenn eine zuvor in einer schriftlichen Beschreibung offenbarte technische Lehre ausgeführt wird, der Öffentlichkeit durch diese Lehre zugänglich gemacht worden ist, ist eine Tatfrage, die im Kontext des Einzelfalles zu entscheiden ist (im Anschluß an die Entscheidung G 2/88 "reibungsverringernder Zusatz/MOBIL OIL III" vom 11. Dezember 1989, ABl. EPA 1990, 93). | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit einer zweiten nichtmedizinischen Verwendung mit denselben technischen Ausführungsmitteln Zur Verwendung als Rostschutzmittel in Ölgemischen offenbarte Verbindugen Keine Offenbarung der Verwendung solcher Verbindungen als reibungsverringernde Zusätze zu Ölgemischen Beanspruchte Erfindung der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf einen Einspruch hin widerrief die Einspruchsabteilung das europäische Patent mit der Begründung, daß der Gegenstand der Patentansprüche des Hauptantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Die Einspruchsabteilung stellte ferner fest, daß die Ansprüche des Hilfsantrags nach Artikel 123 EPU nicht zulässig seien.
II. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingelegt, und in der mündlichen Verhandlung der Beschwerde am 26. April 1988 beschloß die Kammer, den Hauptantrag und den zweiten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen und der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) EPU einige Rechtsfragen vorzulegen. Die übrigen Anträge der Beteiligten (d. h. der erste Hilfsantrag der Beschwerdeführerin und der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückweisung der Beschwerde) wurden bis zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zurückgestellt. Anschließend wurden zwei schriftliche Zwischenentscheidungen vom 26. April 1988 (reibungsverringernder Zusatz/MOBIL I und II) erlassen, in denen die Gründe für die Entscheidung der Kammer dargelegt wurden.
III. In ihrer Entscheidung G 2/88 (reibungsverringernder Zusatz/MOBIL OIL III) vom 11. Dezember 1989 (ABl. EPA 1990, 93) entschied die Große Beschwerdekammer, es sei nach Artikel 123 (3) EPU nicht zu beanstanden, wenn erteilte Ansprüche, die auf "einen Stoff" und "ein diesen Stoff enthaltendes Stoffgemisch" gerichtet seien, so geändert würden, daß die geänderten Ansprüche auf die "Verwendung dieses Stoffes in einem Stoffgemisch" für einen bestimmten Zweck gerichtet seien. Des weiteren sei ein Anspruch, der auf die Verwendung eines bekannten Stoffes für einen bestimmten Zweck gerichtet sei, dahingehend auszulegen, daß er die offenbarte technische Wirkung als funktionelles technisches Merkmal enthalte; ein solcher Anspruch sei nach Artikel 54 (1) EPU dann nicht zu beanstanden, wenn dieses technische Merkmal nicht bereits früher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.
IV. Anschließend wurden von beiden Beteiligten Stellungnahmen eingereicht. Insbesondere behauptete die Beschwerdegegnerin, daß die beanspruchte Erfindung keine neue technische Wirkung nenne, die als technisches Merkmal der Erfindung betrachtet werden könnte, und daher nicht neu sei. Außerdem beruhe die beanspruchte Erfindung nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Schließlich beantragte die Beschwerdeführerin in einem am 3. August 1990 eingereichten Schreiben, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 aufrechtzuerhalten, deren einziger unabhängiger Anspruch dem Hauptanspruch des ersten Hilfsantrags entspricht, der am 6. April 1988 eingereicht und aufgrund der bis dahin getroffenen Feststellungen der Kammer geändert worden war, und der wie folgt lautet:
"Verwendung von mindestens 1 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Gemisches, eines borierten Glycerinesters oder borierten Thioglycerinesters, hergestellt durch Borieren eines Glycerinesters oder Thioglycerinesters der Formel
(FORMEL)
worin jeweils X S oder O ist und R eine Kohlenwasserstoffgruppe mit 8 bis 24 Kohlenstoffatomen ist, als reibungsverringernder Zusatz in einem Schmiermittel mit einem Hauptanteil Schmieröl"
Entscheidungsgründe
1. In Anbetracht der oben genannten Entscheidung G 2/88 bestehen gegen die vorliegenden Ansprüche keine formalen Einwände nach Artikel 123 EPU.
2. Die vorliegenden Ansprüche sind auf die Verwendung bekannter borierter Glycerin- oder Thioglycerinester zur Verwendung als reibungsverringernde Zusätze in Schmiermitteln gerichtet.
Gemäß der oben genannten Entscheidung der Großen Beschwerdekammer kann der beanspruchte Gegenstand für neu erachtet werden, wenn die ursprünglich offenbarten reibungsverringernden Eigenschaften der borierten Glycerin- oder Thioglycerinester der Öffentlichkeit vorher nicht zugänglich gemacht worden sind.
2.1. Die Entgegenhaltung (1), in der es um Schmiermittel mit verbesserten oxidations- und korrosionshemmenden Eigenschaften geht, die Komplexverbindungen aus Borsäure mit Glykolen und Polyhydroxybenzolen umfassen, erwähnt borierte Glycerin- oder Thioglycerinester überhaupt nicht. Daher ist der beanspruchte Gegenstand in Anbetracht der Offenbarung dieser Entgegenhaltung neu.
2.2. Die Entgegenhaltung (2) offenbart rosthemmende Schmierölgemische mit 0,001 bis 10 Gew.-% borierte Triolmonoester (vgl. Anspruch 1 in Verbindung mit Spalte 1, Zeilen 32 bis 40, Spalte 2, Zeilen 23 bis 34 und Zeilen 39 bis 48 und Spalte 3, Zeilen 70 bis 75). Insbesondere werden Ölgemische beschrieben, die 0,5, 0,1 und 0,001 Gew.-% boriertes Glycerinmonooleat enthalten (vgl. Spalte 9, Zeilen 15 bis 35 in Verbindung mit den Beispielen IV und IX). Somit wird die oben beschriebene Verwendung eines Stoffgemisches nach Anspruch 1 des vorliegenden Patents in dieser Entgegenhaltung offenbart.
2.3. Die Beschwerdegegnerin hat sich auf die Tatsache berufen, daß die Verwendung des in der Entgegenhaltung (2) offenbarten Stoffgemisches in der dort ebenfalls offenbarten Weise zum Zweck der Rosthemmung zwangsläufig auch die Reibung verringern und daher eine Verwendung des Stoffgemisches im Sinne des angefochtenen Patents darstellen würde. Aufgrund dieser Tatsache hat sie behauptet, daß die Entgegenhaltung (2) die beanspruchte Erfindung inhärent offenbare und damit neuheitsschädlich sei.
In der Entscheidung G 2/88 ist jedoch unter Nr. 10.1 betont worden, daß es darum gehe zu entscheiden, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und nicht darum, was in dem der Öffentlichkeit zugänglich Gemachten inhärent enthalten gewesen sein mag. Außerdem müsse, wie unter Nr. 10 betont wird, bei der Abwägung, inwieweit die Lehre in einer schriftlichen Beschreibung der Öffentlichkeit das zwangsläufige Ergebnis der Ausführung dieser Lehre ebenfalls zugänglich macht, in jedem Fall "genau unterschieden werden zwischen dem, was tatsächlich zugänglich gemacht worden ist, und dem, was verborgen geblieben oder sonstwie nicht zugänglich gemacht worden ist". Ob eine vorher nicht offenbarte technische Wirkung, die zwangsläufig eintritt, wenn eine zuvor in einer schriftlichen Beschreibung offenbarte technische Lehre ausgeführt wird, der Öffentlichkeit durch diese Lehre zugänglich gemacht worden ist, ist daher eine Tatfrage, die im Kontext des Einzelfalles zu entscheiden ist.
2.4. Im vorliegenden Fall enthält die Entgegenhaltung (2) keine technische Lehre dahingehend, daß das offenbarte Stoffgemisch Reibung verringert. Der Test zur Bewertung der Fähigkeit von Zusätzen, zur Verhinderung der Rostbildung an Eisenmetallteilen in Gegenwart von Wasser beizutragen, der in dieser Entgegenhaltung in dem die Spalten 8 und 9 verbindenden Absatz beschrieben wird, erlaubt dem Fachmann daher keine Rückschlüsse auf ihre reibungsverringernden Eigenschaften. Die Erklärung in der Entgegenhaltung (2), daß das Rosten von Eisenmetallteilen und die sich daraus ergebende Gegenwart von Rostpartikeln in dem Schmieröl einen unebenen Kontakt der sich bewegenden Teile und damit erhöhte Reibung verursachen kann (vgl. Spalte 1, Zeilen 33 bis 40), würde außerdem dem Fachmann die Verwendung von rosthemmenden Zusätzen zur Verringerung von Reibung nicht zugänglich machen, weil nach Auffassung der Kammer die Vermeidung einer Erhöhung der Reibung nicht einer Verringerung der Reibung gleichgesetzt werden kann.
2.5. Darüber hinaus bliebe es einem Fachmann unbekannt, daß borierte Glycerin- oder Thioglycerinester in Schmiermitteln nicht nur die Rostbildung verhindern, sondern auch als reibungsverringernde Zusätze dienen, solange keine Tests wie der in dem angefochtenen Patent beschriebene zur Messung der Reibung von Testschmiermitteln vorliegen.
Aus diesen Gründen ist nach Uberzeugung der Kammer die Verwendung von mindestens 1 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Gemisches, durch Borieren der Stoffe der Formel in Anspruch 1 hergestellter borierter Glycerin- oder Thioglycerinester als reibungsverringernder Zusatz in Schmiermitteln der Öffentlichkeit nicht vor dem beanspruchten Prioritätstag des angefochtenen Patents zugänglich gemacht worden. Somit sind die Ansprüche des der Kammer vorliegenden Antrags neu.
3. In Absatz 6 ihrer Entscheidung vom 26. April 1988 (reibungsverringernder Zusatz/MOBIL II) hat die Kammer festgestellt, daß die Verwendung von borierten Glycerin- oder Thioglycerinestern als reibungsverringernder Zusatz in Anbetracht des angezogenen Stands der Technik aus den dort genannten Gründen auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Nur über die Fragen der Änderungen und der Neuheit hat die Kammer in ihrer zuvor ergangenen Entscheidung nicht entschieden; diese Rechtsfragen hat sie der Großen Beschwerdekammer vorgelegt. Unter diesen Umständen und angesichts der vorstehenden Ausführungen wird der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPU zurückgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der am 3. August 1990 eingereichten Ansprüche 1 bis 3 und einer Beschreibung aufrechtzuerhalten, die an die geänderten Ansprüche angepaßt werden muß.