European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1988:T001187.19880414 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 14 April 1988 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0011/87 | ||||||||
Anmeldenummer: | 78101574.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Zahnpasta | ||||||||
Name des Anmelders: | Blendax | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Wiedereinsetzung - gebotene Sorgfalt Hilfsperson Zwischenentscheidung/Wiedereinsetzung Restitutio in integrum assistant interlocutory decision/restitutio in integrum |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Durch Entscheidung vom 6. November 1985, zur Post gegeben am 11. Dezember 1986, hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 3023 widerrufen.
II. Am 17. Dezember 1986 hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben, ohne die Beschwerdegebühr zu zahlen.
Die Beschwerdebegründung wurde am 7. März 1987 eingereicht.
III. Am 28. Februar 1987 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gestellt und gleichzeitig die Wiedereinsetzungsgebühr zusammen mit der Beschwerdegebühr entrichtet.
IV. Zur Begründung ihres Antrags führte sie im wesentlichen aus, daß routinemäßig zu erledigende Arbeiten, wie Termin- und Fristüberwachung, rechtzeitige Zahlung von Gebühren etc. einer Sachbearbeiterin übertragen worden seien, die diese Aufgaben bisher auch fehlerfrei und ohne Beanstan- dungen erledigt habe. Schon nach der mündlichen Verhandlung vom 6. November 1985 habe die Beschwerdeführerin beschlossen, gegen diese Entscheidung Beschwerde zu erheben. Dies sei in der Akte vermerkt worden und die zuständige Sachbearbeiterin habe sofort nach Eingang der Begründung das formale Beschwerdeschreiben angefertigt.
Die betreffende Sachbearbeiterin vermöge keine Erklärung zu finden, warum die Gebührenzahlung unterblieben sei.
Der Bevollmächtigte der Patentinhaberin, Herr Wagner, nachfolgend als Vertreter bezeichnet, habe das Fehlen des Zahlungsbelegs bemerkt, als ihm die Akte zur Erstellung der Beschwerdebegründung vorgelegt worden sei; er habe daraufhin sofort den Antrag auf Wiedereinsetzung eingereicht.
V. Zwei der drei Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende II und III) haben zu diesem Antrag Stellung genommen.
Die eine Beschwerdegegnerin brachte vor, daß üblicherweise der Vertreter zusammen mit dem Beschwerdeantrag den Voucher für die Einzahlung unterschreibe oder um Abbuchung von seinem Gebührenkonto bäte. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.
Die andere Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung beantragt. Es sei nicht erkennbar, ob die beauftragte Sachbearbeiterin ausreichende Erfahrung mit dem Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt gehabt habe, so daß der Vertreter ihr diese keinesfalls der Routine zuzurechnende Tätigkeit hätte anvertrauen dürfen, ohne gegen seine gebotene Aufsichtspflicht zu verstoßen.
VI. In einem Bescheid vom 28. Dezember 1987 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, fehlende Angaben zur Qualifikation, Ausbildung und Überwachung des Hilfspersonals nachzuholen.
VII. Mit Schreiben vom 20. Januar 1988 machte der Vertreter die Angaben, daß:
a) die Hilfsperson während 4 Jahren nach ihrer Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin das Sekretariat eines Anwalts geführt habe (belegt durch Zeugnis) und daß sie ab 1. Januar 1985 als Sekretärin in der Patentabteilung der Beschwerdeführerin tätig sei.
b) bei Aufnahme dieser Tätigkeit diese Hilfsperson über die zu beachtenden Fristen ausführlich unterrichtet worden sei. Sie habe auch an Einführungskursen bzw. Seminaren über das deutsche Patentrecht und das EPÜ teilgenommen.
c) In den ersten sechs Monaten ihrer Tätigkeit sei die Hilfsperson vom Vertreter regelmäßig kontrolliert worden. Das Ergebnis dieser Kontrolle habe gezeigt, daß auf diese Mitarbeiterin bei der Durchführung aller Arbeiten, auch hinsichtlich der Fristüberwachung Verlaß sei.
Danach sei die Kontrolle auf regelmäßige Stichproben beschränkt worden, die etwa 10% der fälligen Fristen umfaßt haben, ohne daß auch nur eine einzige Beanstandung festgestellt worden sei.
d) Beschwerde- und Zahlungsfristen würden nicht nur in der Akte vermerkt, sondern zusätzlich auch noch auf dem Fristenkalender der Hilfsperson, so daß eine doppelte Kontrolle gegeben sei. Dies sei auch im vorliegenden Fall so gewesen.
VIII. Die Einsprechende III nahm zu diesen Angaben keine Stellung. Die Einsprechende II erklärte, daß sie beabsichtige, sich nicht an einer Diskussion über die Wiedereinsetzung zu beteiligen und die Einsprechende I beantragte in ihrer Stellungnahme zu dem Antrag der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) auf Wiedereinsetzung nach Art. 122 unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu
Entscheidungsgründe
1. Gemäß Artikel 122 (2) EPÜ ist der Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses einzureichen und die versäumte Handlung innerhalb dieser Frist nachzuholen.
Im vorliegenden Fall ist das Hindernis am 25. Februar 1985 weggefallen (als dem Vertreter die Akte zur Erstellung der Beschwerdebegründung vorgelegt worden ist). Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde am 28. Februar eingereicht und die versäumte Handlung (Zahlung der Beschwerdegebühr) wurde am selben Tag nachgeholt. Auch die Wiedereinsetzungsgebühr wurde rechtzeitig gezahlt; der Antrag auf Wiedereinsetzung ist daher zulässig.
2. Gemäß Artikel 122 (1) EPÜ kann ein Patentinhaber, der eine Frist nicht eingehalten hat, nur dann in den vorigen Stand wiedereingesetzt werden, wenn er trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden war, die Frist gegenüber dem Europäischen Patentamt einzuhalten.
3. In zwei Grundsatzentscheidungen (J 05/80, ABl 1981, S.343 und J 16/82 ABl 1983 S.262) hat die Juristische Beschwerdekammer anerkannt, daß der Vertreter (ob zugelassener Vertreter oder zuständiger Angestellter der Firma) einer Hilfsperson gewisse untergeordnete Arbeiten, wie z.B. das Notieren von Fristen anvertrauen konnte (siehe Entscheidung J 05/80 Punkt 5). Eine solche Hilfsperson muß sorgfältig ausgewählt, mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und bei deren Ausführung in vernünftigem Umfang überwacht werden (siehe Entscheidung J 16/82 Punkt 5).
Die Juristische Beschwerdekammer hat weiter entschieden (J 02/86 und J 03/86, ABl 1987, S. 362), daß ein einmaliges Versehen innerhalb eines ansonsten gut funktionierenden Systems jedenfalls dann nicht zu einem Rechtsverlust, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die das Versehen verständlich erscheinen lassen.
4. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den vorgebrachten Beweismitteln (siehe oben, Paragraph VII a und b), daß die Hilfsperson aureichend qualifiziert war. Sie ist ausgebildete Anwaltsgehilfin mit mehrjähriger Erfahrung und mit ihrer Arbeit durch Seminare und Einführungskurse ausreichend vertraut gemacht. Die unwiderlegbaren, glaubhaften Erklärungen des Vertreters (siehe VII, c und d) sprechen dafür, daß der Vertreter bei der Überwachung der Hilfskraft die gegebene Sorgfalt beachtet hat und daß eine Gegenkontrolle vorhanden war. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die in Art. 122 (1) vorgeschriebene Sorgfalt angewendet hat.
5. Schließlich deutet auch die Tatsache, daß der Vertreter sofort das Fehlen des Zahlungsbelegs bemerkte und sofort den Wiedereinsetzungsantrag eingereicht hat, darauf hin, daß er selbst die vorgeschriebene Sorgfalt angewendet hat.
6. Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Dem Antrag wird stattgegeben und die Beschwerdeführerin in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wieder eingesetzt. Die Beschwerde gilt daher als rechtzeitig eingegangen.