T 0246/86 (Identifikationssystem) of 11.1.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T024686.19880111
Datum der Entscheidung: 11 Januar 1988
Aktenzeichen: T 0246/86
Anmeldenummer: 80401534.5
IPC-Klasse: G07C 11/00
G07F 7/00
Verfahrenssprache: FR
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Bull
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: Die Zusammenfassung dient ausschließlich der technischen Information (Artikel 85 EPÜ) und gehört nicht zur Offenbarung der Erfindung. Sie kann daher nicht zur Bestimmung des Inhalts der Anmeldung für die Zwecke des Artikels 123 (2) EPÜ herangezogen werden.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 85
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 33
Schlagwörter: Erweiterung des europäischen Patents gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0735/03
T 0606/06
T 1437/07
T 1175/17

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 80 401 534.5 wurde ein europäisches Patent mit der Nummer 0028965 erteilt.

II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) legte gegen dieses Patent Einspruch ein und beantragte, es in vollem Umfang zu widerrufen, da sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgehe und keine erfinderische Tätigkeit aufweise.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das europäische Patent mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten europäischen Patents sei gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung erweitert worden.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und beantragte ihre Aufhebung oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents mit einem einzigen neuen Hilfsanspruch, der ihrer Beschwerdebegründung beigefügt war.

VII. Die Argumente, die die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung und in ihrer Erwiderung auf einen Bescheid des Berichterstatters der Beschwerdekammer vorgebracht hat, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Der Gegenstand des europäischen Patents gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus, und zwar aus folgenden Gründen:

- Das Merkmal des einzigen Anspruchs nach dem Hauptantrag, wonach "die Verarbeitungsschaltungen und der Speicher des Gerätes in einem tragbaren Gegenstand angeordnet sind, der an das Gerät angeschlossen wird", sei in der ursprünglichen Beschreibung enthalten, in der ausdrücklich auf eine elektronische Vorrichtung Bezug genommen werde, die der den tragbaren Gegenstand "bildenden" - und nicht der "in ihm enthaltenen" - Vorrichtung gleicht. Außerdem finde sich dieses Merkmal in der Zusammenfassung, die zum Inhalt der Anmeldung gehöre und dem Zweck diene, das technische Problem der Erfindung verständlich zu machen.

- Das Merkmal des einzigen Anspruchs, wonach die in der elektronischen Vorrichtung gespeicherten Informationen von außen unzugänglich sind, sei ebenfalls in der ursprünglichen Anmeldung beschrieben, wo vom Speicher des Geräts als geschütztem Bereich mit Zugangskontrolle die Rede sei.

- Der Inhalt der Anmeldung werde dadurch, daß ein in der ursprünglichen Anmeldung beanspruchtes, ein erstes Identifikationsmittel betreffendes Merkmal des Systems im Anspruch des angefochtenen Patents weggefallen sei, nicht erweitert, da eine solche Streichung nach Artikel 123 und Regel 86 EPÜ eindeutig zulässig sei.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat die Argumente der Beschwerdeführerin zurückgewiesen und geltend gemacht, daß die vorgenommenen Änderungen weder durch die ursprüngliche Fassung der Beschreibung und der Ansprüche noch durch die eingereichten Zeichnungen gestützt würden und die Zusammenfassung nicht als Teil der ursprünglichen Offenbarung gelten könne. (...)

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Nach Auffassung der Kammer ist das erste Element des kennzeichnenden Teils des Anspruchs, wonach "die Verarbeitungsschaltungen (5) und der Speicher (6) des Gerätes (2) in einem tragbaren Gegenstand (1bis) angeordnet sind, der an das Gerät (2) angeschlossen wird", in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart, da weder die Beschreibung noch die Zeichnungen, noch die Ansprüche in der ursprünglichen Fassung besagen, zeigen oder nahelegen, daß das Gerät einen tragbaren Gegenstand umfassen könnte, in dem sich die Verarbeitungsschaltungen und der Speicher befinden.

2.2. Die Beschwerdeführerin hat zur Untermauerung ihrer Argumentation auch auf die Zusammenfassung der ursprünglichen Anmeldung verwiesen, wonach der tragbare Gegenstand (1) und die elektronische Vorrichtung (1bis) beides "Kreditkarten" seien. Wie vorstehend unter Nummer 2.1 dargelegt, bedeutet dies keineswegs, daß die elektronische Vorrichtung (1bis) tragbar sein muß. Davon abgesehen heißt es in Artikel 85 EPÜ: "Die Zusammenfassung dient ausschließlich der technischen Information; sie kann nicht für andere Zwecke, insbesondere nicht für die Bestimmung des Umfangs des begehrten Schutzes ..., herangezogen werden." Nach Regel 33 (5) EPÜ ist "die Zusammenfassung ... so zu formulieren, daß sie eine wirksame Handhabe zur Sichtung des jeweiligen technischen Gebiets gibt und insbesondere eine Beurteilung der Frage ermöglicht, ob es notwendig ist, die europäische Patentanmeldung selbst einzusehen." Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin läßt sich also aus der Formulierung "dient ... der technischen Information" in Artikel 85 EPÜ und der Passage der Regel 33 (2) EPÜ, wonach die Kurzfassung so gefaßt sein soll, "daß sie ein klares Verständnis des technischen Problems, des entscheidenden Punkts der Lösung ... ermöglicht", nicht ableiten, daß die Zusammenfassung zur Bestimmung des Inhalts der Anmeldung für die Zwecke des Artikels 123 (2) EPÜ herangezogen werden kann. Außerdem ist die Zusammenfassung, obgleich sie gemäß Artikel 78 (1) EPÜ in jeder europäischen Patentanmeldung enthalten sein muß, nicht unbedingt erforderlich für die Zuerkennung eines Anmeldetags (Art. 80 EPÜ); fehlt sie in den Anmeldungsunterlagen, so ist dies ein Mangel, der gemäß Artikel 91 (1) c) und (2) sowie Regel 41 (1) EPÜ behoben werden kann.

Die Zusammenfassung dient demnach ausschließlich der technischen Information und gehört nicht zur Offenbarung der Erfindung. Die Kammer ist der Auffassung, daß Artikel 85 EPÜ keine andere Auslegung zuläßt, und sieht sich hierin durch die einschlägige Rechtslehre einhellig bestätigt (s. insbesondere Dr. Rainer Schulte, "Patentgesetz", Carl Heymanns Verlag, Köln 1981, 3. Auflage, S. 327, IV, Rechtliche Bedeutung, 2. Offenbarung sowie "Kommentierung des Europäischen Patentübereinkommens", Art. 82 - 86, Carl Heymanns Verlag, Köln, Berlin, Bonn, München, S. 14 und P. Mathély, "Le droit européen des brevets d'invention", Librairie du journal des notaires et des avocats, Paris, S. 234 und 235).

2.3. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 100 c) und 123 (2) EPÜ) und der Hauptantrag der Beschwerdeführerin daher zurückzuweisen ist; eine Prüfung der anderen Argumente der Beschwerdeführerin sowie der sonstigen von der Beschwerdegegnerin angeführten Einspruchsgründe erübrigt sich somit.

3. Hilfsantrag:

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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