T 0168/86 () of 22.2.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T016886.19880222
Datum der Entscheidung: 22 Februar 1988
Aktenzeichen: T 0168/86
Anmeldenummer: 81104288.6
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Auslesesicherung bei Einchip-Mikroprozessoren
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 85
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Unzulässige einschränkende Änderung (nein)
Zusammenfassung - nicht heranziehbar für die
Bestimmung der Offenbarung
Inadmissible restrictive amendment (no)
abstract - being not reliable for assessment of
disclosure
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0606/06

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 13. September 1980 am 4. Juni 1981 eingereichte europäische Patentanmeldung 81 104 288.6 war das europäische Patent 49 322 erteilt und der Hinweis auf die Erteilung am 13. Juni 1984 bekanntgemacht worden. Der erteile Anspruch 1 lautet:

"Einrichtung zur Sicherung von Programmen in Einchip- rechnern mit Rechenwerken, mit von außen programmierbaren Speichern und mit Datenbusleitungen, die den Einchip- rechner verlassen und in die für Ausgangssignale schaltbare Gatter eingeschaltet sind, die beim Vorliegen einer bestimmten vom Rechner abgegebenen Information gesperrt sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Gatter (15 bis 18) durch eine vorgegebene Information einer bestimmten, direkt auf die Gatter (15 bis 18) einwirkenden Speicherzelle des Speichers (3) ständig sperrbar sind, und daß der Teil des Speichers, der die bestimmte Speicherzelle und feste Daten zumindest teilweise enthält, als EPROM ausgebildet ist."

Ein abhängiger Anspruch 2 bezieht sich auf eine besondere Ausführungsart der Gatter.

II. Am 7. März 1985 wurde gegen das Patent Einspruch eingelegt mit der Begründung, sein Gegenstand sei nach Art. 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig (Art. 100 a) EPÜ) und gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Art. 100 c) EPÜ).

Die wesentlichen Merkmale des Anspruchs 1 seien aus DE-A- 2 621 271 bekannt und die abweichenden Merkmale, die Gatter ständig gesperrt zu halten, sowie den Speicherplatz 0 direkt mit dem Gatter zu verbinden, lägen im Ermessen des Fachmannes.

Im übrigen sei diese direkte Verbindung nicht ursprünglich offenbart und ihre nachträgliche Aufnahme in den Anspruch unzulässig.

Gemäß einem späteren Schriftsatz, eingegangen am 14. November 1985, gelte dies auch für das Merkmal der ständigen Verbindung.

III. Die Patentinhaberin widersprach diesen Ausführungen der Einsprechenden, erklärte sich jedoch hilfsweise bereit, das Wort "direkt" zu streichen.

IV. Durch Entscheidung vom 25. April 1986 widerrief die Einspruchsabteilung das Patent mit der Begründung, die "direkte" Verbindung der Gatter mit einer Speicherzelle sei nicht ursprünglich offenbart und ihre Einfügung in den Anspruch deshalb unzulässig (Art. 100 c) EPÜ), und die hilfsweise beantragte Streichung erweitere den Schutzumfang in unzulässiger Weise (Art. 123 (3) EPÜ). Der andere Einspruchsgrund (Art. 100 a) EPÜ) wurde - offensichtlich als bei dieser Sachlage irrelevant - nicht erwähnt.

V. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 26. Mai 1986 erhobene und sowohl mit der betreffenden Gebühr als auch mit einer Begründung versehene Beschwerde der Patentinhaberin.

In dieser macht die Beschwerdeführerin geltend, der Anspruch sei nicht auf eine direkte Verbindung zwischen Speicherzelle und Gatter, sondern nur auf eine direkte Einwirkung der Speicherzelleninformation auf die Gatter gerichtet und dies sei auch in der Beschreibung angegeben und ursprünglich offenbart.

VI. In einer Erwiderung, eingegangen am 21. Oktober 1986, widerspricht die Beschwerdegegnerin dieser Auffassung im wesentlichen mit dem Hinweis auf andere Beschreibungsstellen.

Die Beschwerdeführerin bekräftigt ihre Auffassung in einer Erwiderung, eingegangen am 17. Februar 1987.

VII. Laut Beschwerdeschriftsatz beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, offensichtlich mit dem Ziel, eine Entscheidung im Sinne ihres früheren, als Einspruchsgegnerin gestellten Antrages, den Einspruch zurückzuweisen, herbeizuführen.

Hilfsweise beantragt sie mündliche Verhandlung.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ein einem ihrer Hilfsanträge im Einspruchsverfahren entsprechender Hilfsantrag ist ihrer Beschwerdeerwiderung nicht entnehmbar.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht Art. 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Einspruchsabteilung die Auffassung, der Anspruch 1 sei durch das Wort "direkt", wie im Einspruchsschriftsatz gerügt, in nicht offenbarter und daher unzulässiger Weise eingeschränkt.

Strittig ist außerdem, ob, wie die Einsprechende in ihrem Schriftsatz vom 14. November 1985 ferner rügt, dasselbe für die Einschränkung des Anspruchs 1 durch das Wort "ständig" gilt.

Über diese beiden technisch zusammenhängenden Fragen, für die auch dieselben Vorschriften der Konvention maßgebend sind, ist somit seitens der Kammer zu entscheiden.

3. Da, wie das Einspruchs- und das Beschwerdeverfahren zeigen, das Merkmal der "direkt auf die Gatter einwirkenden Speicherzelle" in verschiedener Weise interpretierbar ist, ist zu seiner Interpretation die Beschreibung des erteilten Patents heranzuziehen.

Ähnliches gilt für das Merkmal, daß die Gatter durch die Speicherzelleninformation "ständig sperrbar" sind.

Die größtenteils entweder von der Beschwerdeführerin oder von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang herangezogenen relevanten Aussagen in der Beschreibung sind folgende:

a) Durch das Belegen einer Speicherzelle können entweder eine oder mehrere Leitungen gesperrt werden (Spalte 2, Zeile 15 bis 17).

b) Eine Speicherzelle wird mit Information belegt, die die Anweisung erteilt, die Datenbusleitung 6 zu sperren (Spalte 3, Zeile 8 bis 10).

c) Durch die Löschung der entsprechenden Speicherzellen wird die Datenbusleitung 6 wieder freigegeben (Zeile 13 bis 15).

d) Eine an den zweiten Eingang der Und-Glieder angeschlossene Leitung 19 führt zum Rechner 2 (Zeile 25 bis 29).

e) Ist eine bestimmte Speicherzelle im Speicher 3 nicht belegt, so weist die Leitung 19 ein 1-Signal auf (Zeile 31 bis 33).

f) Es wird eine bestimmte Speicherzelle des Speichers 3 belegt, so daß über die Leitung 19 ein 0-Signal an die Und-Glieder 15 bis 18 gelangt (Zeile 37 bis 40).

g) Die Sperreingänge der Und-Glieder brauchen nicht alle auf die Leitung 19 geschaltet sein, sie sind beispielsweise auch einzeln dem Mikroprozessor zuführbar (Zeile 45 bis 48).

h) Je nach Bedarf und Speicherinhalt im Speicher 3 können durch den Rechner 2 beliebig viele Ausgänge gesperrt werden (Zeile 48 bis 51).

4. Aus diesen Textstellen geht insgesamt klar hervor, daß das Merkmal "direkt ... einwirkend" ausschließlich so zu interpretieren ist, daß die Speicherzelle auf die Gatter ohne jede Beeinflussung seitens des Rechners 2 durch andere Informationen einwirkt.

Zu betonen ist im übrigen, daß dieses Merkmal keine Aussage über eine etwaige direkte Leitungsverbindung darstellt.

Für diese Auffassung der Kammer sind folgende Sachverhalte maßgebend:

4.1. Die Aussagen a), b), c), e), f) und ein Teil von h) ("Speicherinhalt im Speicher 3") betreffen funktionelle Aspekte.

Diesen ist gemeinsam, daß sie keinerlei logische Verknüpfung der Speicherzelleninformation mit irgendeiner anderen Information im Rechner 2 zur Bildung des Gattersperrsignals andeuten. Sie lassen lediglich zu, daß ein Negator ein Speicherzellen-Belegtsignal in ein das Gatter nicht öffnendes 0-Signal invertiert.

4.2. Einzig der andere Teil der Aussage h) ("durch den Rechner 2") könnte als anders geartete funktionelle Angabe interpretiert werden.

Eine solche anders geartete Interpretation kann entweder als Alternative zur erstgenannten oder als in Widerspruch zu dieser stehend behandelt werden.

In beiden Fällen ändert dies nichts an der Offenbarung der erstgenannten Alternative bzw. Aussage.

4.3. Die verbleibenden Aussagen d) und g) erscheinen als schaltungstechnisch.

Jedoch ist d) keine klare Aussage entnehmbar, ob die Leitung 19 an im Rechner 2 befindliche Schaltungselemente angeschlossen oder nur durch ihn hindurch zum Speicher 3 geführt ist.

Ferner ist g) ganz klar keine Verbindung mit dem Rechner 2 zu entnehmen, sondern mit dem Mikroprozessor, unter welchem der Einchip-Rechner als ganzes zu verstehen ist (siehe Spalte 2, Zeile 30 bis 32), welcher auch den Speicher 3 enthält.

Dieser letztere Umstand läßt es übrigens denkbar erscheinen, daß die Angabe "Rechner 2" in der Aussage h), eventuell auch d), auf einem Irrtum beruht und eigentlich den Einchip-Rechner meint.

4.4. Keinesfalls kann aus den mehr schaltungstechnischen Aussagen d), g) und dem betreffenden Teil von h) hergeleitet werden, daß die funktionellen Aussagen a), b), c), e), f) und im betreffenden Teil von h) unrichtig wären.

5. Die Beschwerdegegnerin verweist auch auf die mit der Anmeldung veröffentlichte Zusammenfassung. Für die Offenbarungsfrage kann die Zusammenfassung jedoch gemäß Art. 85 EPÜ nicht herangezogen werden.

6. Die Frage, ob der so interpretierte Anspruch 1 (siehe 4.) durch das Wort "direkt" in unzulässiger Weise gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen geändert wurde, reduziert sich somit auf die Frage, ob die zur Interpretation dieses Wortes herangezogenen Beschreibungsstellen des erteilten Patents auch schon in der ursprünglichen Anmeldungsbeschreibung enthalten waren.

Dies ist der Fall, und eine unzulässige Änderung im Sinne von Art. 100 c) EPÜ kann deshalb nicht vorliegen.

7. Für das Wort "ständig" gilt dann dasselbe. Die oben gegebene Interpretation des Wortes "direkt" als "unbeeinflußt durch andere Informationen" impliziert, daß die Sperrung, sobald in der Speicherzelle die betreffende Information enthalten ist (Spalte 1, Zeile 54 bis 57), eine "ständige" ist, bis diese Information zusammen mit dem Gesamtinhalt des EPROM gelöscht wird (Spalte 1, Zeile 60 bis Spalte 2 Zeile 2).

8. Bei dieser Sachlage braucht nicht untersucht zu werden, ob beispielsweise eine Streichung des Wortes "direkt" eine unzulässige Änderung des Anspruchs 1 im Sinne von Art. 123 (3) EPÜ wäre.

9. Vielmehr ist dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattzugeben, wobei sich die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung erübrigt.

10. Die Zurückweisung des Hauptantrags der Beschwerdeführerin unter Art. 100 c) EPÜ und des Hilfsantrages unter Art. 123 (3) EPÜ waren die einzigen Gründe für die angefochtene Entscheidung, das Patent zu widerrufen.

Das Einspruchsverfahren läßt keinen Hinweis erkennen, aus dem eine Ansicht der Einspruchsabteilung zum weiteren, auf Art. 100 a) EPÜ gestützten Einspruchsgrund, der Patentgegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, hergeleitet werden kann.

Aus diesem Grunde hält es die Kammer nicht für angebracht, als zweite Instanz über dieses Einspruchsvorbringen zu befinden, sondern die Sache in Ausübung ihrer Befugnis unter Art. 111 (1) zweite Alternative EPÜ an die erste Instanz zur Durchführung der Prüfung des Einspruchs in Bezug auf dieses weitere Vorbringen zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Prüfung des auf Art. 100 a) EPÜ gestützten Einspruchvorbringens an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Feststellung, daß der Anspruch 1 wie in Abschnitt 4. der Entscheidungsgründe geschehen zu interpretieren ist und in dieser Interpretation das auf Art. 100 c) EPÜ gestützte Einspruchsvorbringen einer Aufrechterhaltung des Patents aufgrund dieses Anspruchs nicht entgegenstehen würde.

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