T 0166/86 (Gesonderter Anspruchssatz) of 25.9.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:T016686.19860925
Datum der Entscheidung: 25 September 1986
Aktenzeichen: T 0166/86
Anmeldenummer: 82109966.0
IPC-Klasse: C09J 3/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
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Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Henkel
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: Wird ein gesonderter Anspruchssatz für einen Vertragsstaat, der einen Vorbehalt gemäss Artikel 167(2)(a) EPÜ erklärt hat (hier Österreich), erst nach Zustellung der Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ eingereicht, so ist dieser ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn das nicht zu einer nennenswerten Verzögerung des Verfahrens führt.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 167(2)(a)
European Patent Convention 1973 Art 97(2)(a)
European Patent Convention 1973 R 51(4)
European Patent Convention 1973 R 86(3)
Schlagwörter: Gesonderter Anspruchssatz nach Zustellung der Mitteilung gem. R.51(4)
Ansprüche für Österreich nach Vorbehalt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0375/90
T 0860/91
T 0304/92
T 0989/99
T 1201/00
T 1064/04

Sachverhalt und Anträge

I. Im Verfahren der am 28. Oktober 1982 eingereichten europäischen Patentanmeldung 82 10 99 66.0 erging nach zwei Prüfungsbescheiden und zwei Rücksprachen am 23. Oktober 1984 die Ankündigung der Mitteilung gemäß Regel 51(4) EPÜ. Die Anmelderin teilte daraufhin mit, daß die Benennung von Luxemburg gestrichen werden sollte.

II. Am 17. Januar 1985 wurde der Anmelderin die Mitteilung gemäß Regel 51(4) und (5) EPÜ zugestellt, mit der mitgeteilt wurde, daß die Prüfungsabteilung beabsichtige, ein europäisches Patent mit den näher bezeichneten Unterlagen zu erteilen.

III. Mit Schreiben vom 28. Januar 1985 erklärte die Anmelderin, daß sie mit der Erteilung des Patents in der mitgeteilten Fassung insofern nicht einverstanden sei, als noch ein getrennter Satz von Patentansprüchen für den Vertragsstaat Österreich berücksichtigt werden solle. Die Anspruchsfassung für die übrigen Vertragsstaaten werde nicht geändert.

IV. Die mit der Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ mitgeteilten 16 Ansprüche umfassen 10 Ansprüche, die sich auf No-Mix-Klebstoffsysteme beziehen, 5 Ansprüche für Herstellungsverfahren und einen Verwendungsanspruch.

V. Der für Österreich eingereichte Anspruchssatz umfaßt ebenfalls 16 Ansprüche. Er unterscheidet sich von dem nach Regel 51(4) EPÜ mitgeteilten Anspruchssatz nur dadurch, daß die Stoffansprüche in Verfahrensansprüche umgewandelt sind. Im übrigen sind sie wortgleich.

VI. Mit Schreiben vom 15. April 1985 reichte die Anmelderin Übersetzungen der Patentansprüche in die englische und französische Sprache ein und entrichtete die Erteilungs- und Druckkostengebühr.

VII. Mit Bescheid vom 26. April 1985 teilte die Prüfungsabteilung mit, daß das Einreichen von Patentansprüchen für das Land Österreich als verspätet befunden werde. Der Antrag vom 28. Januar 1985 solle daher zurückgezogen werden.

VIII. Die Anmelderin beantragte daraufhin zur Erlangung einer beschwerdefähigen Entscheidung mit Schreiben vom 5. Oktober 1985, die Prüfungsabteilung möge die mit Schreiben vom 28. Januar 1985 eingereichten Patentansprüche 1 - 16 für den Vertragsstaat Österreich als rechtzeitig eingereicht an erkennen.

IX. Durch Entscheidung vom 14. Februar 1986 wies die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung zurück. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß sie in Ausübung ihres Ermessens gemäß Regel 86(3) EPÜ alle Eingaben als unzulässig erachte, die nach Erlaß der Mitteilung gemäß Regel 51(4) EPÜ eingereicht würden und die eine Fortsetzung der Sachprüfung nach sich gezogen hätten. Da die Anmelderin mit ihrer Eingabe vom 5. Oktober 1985 den Antrag auf Erteilung im Umfang der Mitteilung der Regel 51(4) EPÜ zurückgenommen habe, könne die Anmeldung nur zurückgewiesen werden.

X. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde vom 11. April 1986. Zur Begründung hat die Anmelderin vorgetragen, daß es nach ihrer Kenntnis bisher möglich gewesen sei, einen geänderten Anspruchssatz für den Vertragsstaat Österreich auch noch nach der Zustellung der Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ einzureichen. Eine Änderung dieser Praxis sei ihr nicht bekannt, so daß sie durch die angefochtene Entscheidung überrascht sei. Sie beantragt, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, hilfsweise eine Mitteilung gemäß Regel 51(4) EPÜ mit den gleichen Unterlagen wie in der Mitteilung vom 17. Januar 1985 zu erlassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 - 108 und Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Die Prüfungsabteilung hat die Patentanmeldung zurückgewiesen, weil entgegen Art. 97(2) a EPÜ die Anmelderin mit der Fassung, in der die Prüfungsabteilung das europäische Patent zu erteilen beabsichtigte, nicht einverstanden war. Dieses mangelnde Einverständnis, das die Anmelderin mit Schriftsatz vom 28. Januar 1985 ausdrücklich erklärte, bezog sich nicht auf den sachlichen Inhalt der für die Erteilung vorgesehenen Unterlagen, sondern lediglich auf die von der Anmelderin beantragte Zulassung eines getrennten Anspruchssatzes für Österreich.

3. Die Frage, ob die Prüfungsabteilung die europäische Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat, hängt somit von der Frage ab, ob sie den für den Vertragsstaat Österreich eingereichten Anspruchssatz noch hätte berücksichtigen müssen oder nicht.

4. Wie die Anmelderin selbst einräumt, ist der Anspruchssatz für den Vertragsstaat Österreich erst in einem sehr späten Verfahrensstadium eingereicht worden, nämlich nach Zustellung der Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ.

5. Nach den Prüfungsrichtlinien Teil C-VI 4.8 eröffnet die Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ nicht die Möglichkeit, die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens wieder in Frage zu stellen. Dem vermag die Kammer im Grundsatz zuzustimmen, denn es ist nicht Sinn der Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ, dem Anmelder eine weitere Frist für Änderungen seiner Anmeldung einzuräumen. Diesem Zweck dienen vielmehr die Prüfungsbescheide und die mündlichen Verhandlungen. Im vorliegenden Verfahren sind zwei Prüfungsbescheide ergangen und zwei Rücksprachen durchgeführt worden, mit denen die gewährbare Fassung der europäischen Patentanmeldung ausführlich erarbeitet wurde. Daher vertritt die Kammer die Auffassung, daß nach der Zustellung der Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ in der Regel nur solche Änderungen zugelassen werden sollten, die sich im Rahmen von Berichtigungen halten, die nach Regel 88 EPÜ immer möglich sind, oder die ersichtlich Verbesserungen der Unterlagen zum Inhalt haben, wie z. B. die Beseitigung von Unstimmigkeiten oder von Widersprüchen (vgl. die Entscheidung der Kammer 3.2.1 vom 30. Juli 1986 T 171/85).

6. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Änderung der erteilungsreifen Unterlagen für die benannten Vertragsstaaten außer Österreich, sondern um die Zulassung eines nachträglich eingereichten getrennten Anspruchssatzes für den Vertragsstaat Österreich. Natürlich handelt es sich auch hier um eine Anspruchsänderung, da für den Vertragsstaat Österreich statt der Stoffansprüche Verfahrensansprüche formuliert werden. Daraus leiten die Prüfungsrichtlinien her, daß die Vorlage eines gesonderten Anspruchssatzes für einen benannten Vertragsstaat in dieser Phase nicht mehr zuzulassen sei.

7. Dieser Auffassung vermag die Kammer in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Nach Regel 86(3) EPÜ können weitere Änderungen und damit auch die Vorlage eines gesonderten Änspruchssatzes für einen Vertragsstaat nur mit Zustimmung der Prüfungsabteilung vorgenommen werden (vgl. Rechtsauskunft Nr. 4/80 ABl. 1980 S. 48). Die Prüfungsabteilung hat die Entscheidung über ihre Zustimmung zur beantragten Änderung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei hat sie insbesondere das Interesse des Amtes an einer zügigen Erledigung der Verfahren gegen das Interesse des Anmelders, ein rechtsbeständiges Patent in allen Vertragsstaaten zu erhalten, abzuwägen. Die Prüfungsabteilung wird ihre Zustimmung zu einer Änderung dann nicht versagen dürfen, wenn der Anmelder aus triftigen Gründen erst so spät in der Lage war, die Änderung zu beantragen oder wenn die beantragte Änderung für ihn ersichtlich wesentlich ist und ihre Berücksichtigung keine nennenswerte Verzögerung des Erteilungsverfahrens zur Folge hat. Die letztere Voraussetzung liegt nach Auffassung der Kammer hier vor. Die beantragte Änderung ist für den Anmelder ersichtlich von Bedeutung, weil er sonst für den Vertragsstaat Österreich ein angreifbares Schutzrecht bekäme, und die Berücksichtigung der beantragten Änderung führt zwar zu einer Verfahrensverzögerung, die aber angesichts der Bedeutung der Änderung für den Anmelder nicht ins Gewicht fällt. Im vorliegenden Fall sind nämlich lediglich die Stoffansprüche in Verfahrensansprüche umgewandelt worden, während sie sich sonst inhaltlich vollkommen decken.

8. Im übrigen wird die Prüfungsabteilung auch noch die Vereinbarkeit des geltenden Anspruchs 16 mit Art 52 (4) EPÜ und mit der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 05. Dezember 1984 (ABl 1985, 60) zu prüfen haben. Auf die Bedenken gegen die Patenterteilung für diesen Anspruch hat die Anmelderin selbst in ihrem Schriftsatz vom 05. Juli 1985 zutreffend hingewiesen. Die Notwendigkeit dieser unumgänglichen Prüfung hat zur Folge, daß die Berücksichtigung des nachgereichten Anspruchssatzes für Österreich zu keiner zusätzlichen Verzögerung des Erteilungsverfahrens führt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung vom 14. Februar 1986 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens (Berücksichtigung des gesonderten Anspruchssatzes für Österreich und Prüfung des geltenden Anspruchs 16) an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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