T 0111/86 () of 30.6.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T011186.19870630
Datum der Entscheidung: 30 Juni 1987
Aktenzeichen: T 0111/86
Anmeldenummer: 81200501.5
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gleitlagerwerkstoff
Name des Anmelders: Kolbenschmidt AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Eine von zwei Merkmalgruppen nicht nahegelegt
Kombinatorischer Effekt hier nicht notwendig
Inventive step (yes)
non-obviousness of one out of two categories of feat.
combinatory effect not necessary in this case
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0199/89
T 0360/90
T 0545/93

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 12. Mai 1981 angemeldete und am 25. November 1981 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 81 200 501.5 ist mit Wirkung vom 5. Oktober 1983 das europäische Patent 0 040 448 erteilt worden.

II. Gegen dieses Patent haben a) die Firma Norton Pampus GmbH, D-4156 Willich (Einsprechende I) b) die Firma Glyco-Metall-Werke Daelen & Loos GmbH, D- 6200 Wiesbaden (Einsprechende II) Einspruch eingelegt mit der Begründung, daß der Gegenstand des Streitpatents gemäß den Artikeln 52 und 56 EPÜ nicht patentfähig sei.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 1984 hat die Einsprechende II ihren Einspruch zurückgenommen.

III. Durch Entscheidung vom 6. Februar 1986 hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen. Sie kommt in ihrer Entscheidung zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des am 9. Januar 1985 eingegangenen Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nach der DE-C- 2 001 101, der DE-A- 2 818 184, dem DIN Taschenbuch, Nr. 27, Ausgabe 1974, DIN 1746 und dem Aluminium-Taschenbuch, 1963, Seite 94 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin am 28. März 1986 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 11. Juni 1986 eingegangen. Mit ihr ist ein neuer Anspruch 1 eingereicht worden.

V. Mit Schriftsatz vom 27. August 1986 hat auch die Einsprechende I ihren Einspruch zurückgenommen.

VI. In einem Bescheid vom 16. März 1987 ist der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 zwar patentfähig erscheine, daß aber im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ eine Änderung für notwendig erachtet werde. Außerdem sei nunmehr eine an den geltenden Anspruch 1 angepaßte Beschreibung unter Präzisierung der Aufgabe einzureichen.

VII. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 1987, eingegangen am 8. Mai 1987, hat die Beschwerdeführerin neue Ansprüche 1 bis 3 und eine neue Beschreibung (Seiten 1 bis 3) eingereicht.

Sie beantragt nunmehr sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den am 8. Mai 1987 eingegangenen Unterlagen sowie der Zeichnung gemäß der Streitpatentschrift.

VIII. Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Folienartiger Gleitlagerwerkstoff, bestehend aus einem mit einem Gemisch aus 10 bis 50 Vol.% Glasfasern, 5 bis 25 Vol.% Blei und 40 bis 80 Vol.% Polytetrafluoräthylen beschichteten Aluminiumgitter, gekennzeichnet durch ein aus einer Aluminium-Knetlegierung des Typs AlMgSil oder AlMg3 mit einer Bruchdehnung S5 = 8 bis 20 % und einer Brinellhärte HB 35 bis 65 bestehendes Streckmetall (2), wobei die Maschenweite ( b x L) des Streckmetalls (2) 0,5 x 1 bis 2 x 3 mm und die Stegbreite (c) 0,3 bis 1,0 mm betragen."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2.1. In formaler Hinsicht ist zunächst festzustellen, daß der geltende Anspruch 1 eine Zusammenfassung der in den ursprünglichen sowie in den gleichlautenden erteilten Ansprüchen 1 bis 3 angegebenen Merkmale enthält und mithin im Hinblick auf Art. 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden ist.

2.2. Auch im Hinblick auf Regel 29 (1)(a) EPÜ hat die Kammer keine Bedenken. In der zur Bildung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 herangezogenen DE-C- 2 001 101 ist zwar die Materialkombination Aluminium für das Trägergitter und Glasfaser + Polytetrafluorätylen + Blei für die Beschichtung nicht unmittelbar beschrieben - gemäß dem dortigen Beispiel wird vielmehr Messing als Trägermetall verwendet und ein Gemisch aus Glasfaser + Polytetrafluoräthylen + Graphit als Beschichtung -, doch ist im allgemeinen Beschreibungsteil ausgesagt, daß anstelle von Graphit auch Blei als Füllstoff in Betracht kommt und daß Aluminium für das Metallgewebe verwendet werden kann. Der Fachmann wird daher die genannten Alternativen bei der Mischung gemäß dem Beispiel ohne weiteres in Betracht ziehen, weshalb die im Oberbegriff angegebene Materialkombination als mittelbar offenbart angesehen werden kann. Hinsichtlich der jeweiligen Volumenanteile der die Beschichtung bildenden Materialien ist festzustellen, daß die betreffenden bekannten Einzelwerte jeweils in die beanspruchten Volumen-Prozent- Bereiche fallen. Bei dieser Sachlage hat die Kammer keinen Einwand gegen die Aufnahme dieser Bereiche, die als solche in der genannten Druckschrift nicht ausdrücklich genannt sind, in den Oberbegriff. Der Wortlaut der Regel 29 (1)(a) EPÜ steht dem jedenfalls nicht entgegen.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist unbestritten neu. Dies folgt schon daraus, daß bei dem Gleitlagerwerkstoff nach der vorstehend genannten DE-C- 2 001 101 kein Streckmetall, sondern ein Gewebe als Träger für die Beschichtung verwendet wird, während bei der einzigen Druckschrift, die ein Aluminiumstreckmetall als Trägermetall für einen Gleitlagerwerkstoff offenbart, nämlich der DE-A- 2 818 184 wegen des Fehlens von Glasfasern schon der Oberbegriff des Anspruchs 1 nicht erfüllt ist. Die übrigen Druckschriften liegen weiter entfernt.

4.1. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ist zunächst festzustellen, daß sich der folienartige Gleitlagerwerkstoff nach Anspruch 1 von dem nächstkommenden, gattungsbildenden Stand der Technik nach der DE-C- 2 001 101 1) durch die Verwendung eines Streckmetalls aus bestimmten Aluminium-Knetlegierungen mit einem spezifischen Bereich für Bruchdehnung und Brinellhärte anstelle eines nicht näher bezeichneten Aluminiumgewebes als Trägermetall für die Beschichtung und 2) durch eine spezielle Bemessung des Streckmetalls hinsichtlich der Maschengröße und der Stegbreite unterscheidet.

4.2. Hinsichtlich der vorstehend unter 1) genannten Merkmalsgruppe ist die Kammer der Auffassung, daß sie sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleiten und bei einem Gleitlagerwerkstoff nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 (DE- C- 2 001 101) anwenden läßt. Aus Seite 18 der DE-A- 2 818 184 in Verbindung mit den dortigen Ansprüchen 1 und 18 erhält der Fachmann nämlich den Hinweis, daß sich ein aus einer Aluminiumlegierung hergestelltes Streckmetall als Träger für eine die Reibung und den Verschleiß herabsetzende Beschichtung mit einem z.B. Blei als Füllstoff enthaltenden Fluorpolymer (PTFE) eignet. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unterschied in der jeweiligen Aufgabenstellung steht dieser allgemeinen Erkenntnis nicht entgegen. Es liegt auf der Hand, daß sich der Fachmann unter den zur Verfügung stehenden Aluminiumlegierungen diejenigen aussuchen wird, die hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften, wie Bruchdehnung und Härte, den gestellten Anforderungen entsprechen. Dies läßt sich ggf. durch einfache Versuche feststellen. Aluminium-Knetlegierungen der beanspruchten Art mit den beanspruchten mechanischen Eigenschaften standen dem Fachmann zur Verfügung, wie insbesondere aus der Entgegenhaltung "DIN-Taschenbuch", Seiten 3 und 4 hervorgeht.

4.3. Anders ist die Situation bezüglich der vorstehend unter 2) angesprochenen unterschiedlichen Merkmale. Die beanspruchte Bemessung des Streckmetalls hinsichtlich der Maschengröße (Maschenlänge x Maschenbreite) und der Stegbreite läßt sich aus dem zur Verfügung stehenden Stand der Technik einschließlich des allgemeinen Fachwissens nicht herleiten.

4.4. Die einzige Entgegenhaltung, die sich mit Abmessungen von Streckmetallgittern befaßt, ist das nach Ablauf der Einspruchsfrist und mithin verspätet eingereichte Prospektblatt der Fa. Emil Bender. Die dort aufgeführten Streckmetalle haben jedoch sämtlich eine größere Maschenlänge als das beanspruchte Streckmetall. Abgesehen von einem einzigen Sonderfall liegt auch die Stegbreite am äußersten Extremwert der beanspruchten Stegbreite oder darüber. Von diesem Prospektblatt konnte daher keine Anregung in Richtung auf die beanspruchten Abmessungen, insbesondere die Maschengröße ausgehen.

4.5. Das gleiche gilt für die von der Einspruchsabteilung zur Begründung ihrer negativen Beurteilung herangezogene DE-A- 2 818 184. Der dortigen Figur 6 in Verbindung mit Seite 25, Abs. 1 entnimmt der Fachmann lediglich, daß als Träger für die Beschichtung ein Aluminium-Legierungsband von ca. 0,8 mm Dicke mit quadratischen Durchbrüchen verwendet werden kann. Für die Durchbrüche sind keine Abmessungen angegeben; diese lassen sich auch nicht eindeutig aus der offenbar recht schematischen Darstellung der Fig. 6 herauslesen. Aber selbst dann, wenn man unterstellt, daß der Fachmann der Fig. 6 Durchbrüche mit einer Kantenlänge von ca. 0,8 mm im Querschnitt entnehmen könnte, würde ihm dies keine Anregung geben, bei Verwendung eines Streckmetalls, das sich hinsichtlich der Geometrie der Öffnungen und der gesamten Struktur grundlegend von einem gelochten Band unterscheidet, die beanspruchten Abmessungen hinsichtlich Maschengröße und Stegbreite vorzusehen.

4.6. Nachdem eine der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen beiden Merkmalsgruppen aus dem Stand der Technik nicht als naheliegend hergeleitet werden kann, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 insgesamt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen. Auf den von der Einspruchsabteilung vermißten kombinatorischen Effekt zwischen den beiden Merkmalsgruppen im Sinne einer gegenseitigen funktionellen Beeinflussung kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Er wäre lediglich dann von Bedeutung, wenn beide Merkmalsgruppen jeweils für sich durch den Stand der Technik nahegelegt wären und die erfinderische Tätigkeit mithin nur noch auf einen derartigen, die Summe der beiden Einzelwirkungen übersteigenden und insoweit überraschenden Gesamteffekt gestützt werden könnte. Im übrigen erscheint es im vorliegenden Fallglaubhaft, daß gerade durch die Vereinigung der beanspruchten Merkmale die Voraussetzung für die erstrebte hohe Formstabilität geschaffen wurde, wie dies die Beschwerdeführerin auf Seite 3 unten und Seite 4 oben ihrer Beschwerdebegründung geltend macht.

5. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 erfüllt mithin die Forderungen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ und ist daher patentfähig. In dieser Fassung hat der Anspruch 1 somit Bestand.

6. Die auf den Anspruch 1 rückbezogenen geltenden Ansprüche 2 und 3 betreffen besondere Ausführungsarten der Erfindung nach Anspruch 1 im Sinne der Regel 29 (3) EPÜ. Sie haben daher ebenfalls Bestand.

7. Die geänderte Beschreibung ist dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 angepaßt und entspricht auch sonst den Erfordernissen der Regel 27 EPÜ. Gegen sie bestehen deshalb keine Bedenken.

8. Da beide Einsprechenden ihren Einspruch zurückgenommen haben und die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) die nunmehr geltenden Unterlagen selbst eingereicht hat, bestand keine Notwendigkeit für eine Mitteilung nach Regel 58 (4) EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 3 und Beschreibung Seiten 1 bis 3, jeweils eingegangen am 8. Mai 1987, Zeichnung gemäß Patentschrift.

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