T 0291/85 (Katalysator) of 23.7.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T029185.19870723
Datum der Entscheidung: 23 Juli 1987
Aktenzeichen: T 0291/85
Anmeldenummer: 79104244.3
IPC-Klasse: C08F 4/52
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
PDF nicht verfügbar
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE | EN | FR
Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Bayer
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: Informiert eine Entgegenhaltung ausführlich über die Weiterentwicklung eines dort ohne Referenzangabe nur ganz allgemein dargestellten Standes der Technik, so ist es bei der Neuheitsprüfung unzulässig, diese allgemeinen Angaben mit solchen spezifischen Ausführungen zu kombinieren, die lediglich im Zusammenhang mit der Erläuterung zur Weiterentwicklung beschrieben sind, sofern ein Fachmann diese Kombination der Entgegenhaltung nicht entnommen hätte.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit -Kombination von Erfindungslehre u. referiertem Stand d.Technik
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Abkehr vom Stand der Technik in Verbindung mit Teilauswahl
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0739/93
T 0685/97
T 0725/98
T 0333/02
T 0463/07

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 79 104 244.3, die am 31. Oktober 1979 mit deutscher Priorität vom 11. November 1978 eingereicht worden war, wurde am 11. Mai 1983 das europäische Patent 11 184 auf der Grundlage von zehn Ansprüchen erteilt. Die unabhängigen Ansprüche 1, 9 und 10 lauteten wie folgt:

"1. Katalysator, bestehend aus:

A. einem Carboxylat der Seltenen Erden der Formel

(FORMEL)

B. einem Aluminiumalkyl Al(R4)3 und/oder (R4)2AlH

C. einer weiteren Lewissäure,

wobei in den Formeln

M ein dreiwertiges Element der Seltenen Erden mit den Ordnungszahlen 57 bis 71,

R1, R2 und R3 gleich oder verschieden Alkylreste mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen, wobei die Summe aller C-Atome in den Substituenten 6 bis 20 beträgt, und R4 einen Alkylrest mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen bedeuteten, mit der Ausnahme eines Katalysators, der ein Umsetzungsprodukt der Komponente A der Formel 1, wobei die Summe aller C-Atome in den Substituenten 6 bis 19 beträgt, mit einer Teilmenge der Komponente B enthält, wenn B die Bedeutung Aluminium-Trialkyl hat.

9. Verfahren zur Polymerisation von konjugierten Dienen in homogener Lösung, dadurch gekennzeichnet, daß ein Katalysator gemäß Ansprüchen 1 bis 8 verwendet wird.

10. Verfahren zur Herstellung eines Katalysators gemäß Ansprüchen 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß man

a) ein Carboxylat der Seltenen Erden der Formel

(FORMEL)

b) ein Aluminiumalkyl Al(R4)3 und/oder (R4)2 AlH

c) eine Lewissäure

in einem inerten organischen Lösungsmittel bei Temperaturen von -30 bis 80 °C in beliebiger Reihenfolge mischt."

II. Gegen die Patenterteilung legte die jetzige Beschwerdeführerin am 10. Februar 1984 wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Einspruch ein und stützte sich dabei auf eine Reihe von Dokumenten, von denen zuletzt nur noch (1b) GB-A- 1 294 725 zur Diskussion stand.

III. Nachdem ein hilfsweiser Antrag der Einsprechenden auf mündliche Verhandlung am 18. Juni 1985 zurückgezogen worden war, wurde der Einspruch im schriftlichen Verfahren mit Entscheidung vom 8. Oktober 1985 zurückgewiesen. Die Entscheidung erkennt die Neuheit des Patentgegenstandes an, da keines der entgegengehaltenen Dokumente ein Katalysatorsystem, dessen Herstellung oder seine Verwendung offenbare, bei dessen einer Komponente es sich um ein Salz einer Seltenen Erde mit einer tertiären Monocarbonsäure handelt.

Der Patentgegenstand beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit;

IV. Gegen diese Entscheidung hat die unterlegene Einsprechende am 4. Dezember 1985 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 7. Februar 1986 begründet. Sie bestreitet die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung.

(...)

Es fehle jedenfalls an einer klaren Abgrenzung des Streitpatentes gegenüber (1b), wo auch bereits gesagt sei, daß frisch zubereitete Katalysatoren häufig aktiver sind als gealterte.

V. Die Beschwerdegegnerin tritt dem entgegen und unterscheidet bei der Offenbarung von (1b) zwischen - einerseits - der dortigen Schilderung des Standes der Technik, in welchem Zusammenhang Salze Seltener Erde speziell mit tertiären Monocarbonsäuren nicht erwähnt seien, und - andererseits - der dortigen Erfindungsbeschreibung, zu der auch das Altern des Katalysators in Gegenwart eines konjugierten Diens gehöre, das gemäß Streitpatent nicht vorgesehen sei. Allein durch den Wegfall dieser Alterung werde schon die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Patentgegen standes begründet.

VI. In der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 1987 verteidigt die Beschwerdeführerin ihr Patent nur noch in eingeschränktem Umfang: Bei unveränderten Ansprüchen 2 bis 9 lautet nunmehr der Anfang von Anspruch 1 statt "Katalysator, bestehend aus ..." neu "In Lösungsmitteln für die Dienpolymerisation homogen löslicher Katalysator, erhalten durch Zugabe und Mischen der Katalysatorbestandteile zum Polymerisationsansatz, bestehend aus ..."; und in Anspruch 10 stehen anstelle des letzten Wortes "mischt" die Worte "dem Polymerisationsansatz zufügt". Dadurch hat sich die Beschwerdegegnerin, wie sie auf Anfrage mündlich bestätigt, auf in situ hergestellte Katalysatoren (Ansprüche 1 bis 8), Verfahren zu deren Herstellung (Anspruch 10) sowie Polymerisationsverfahren unter Verwendung so hergestellter Katalysatoren (Anspruch 9) beschränkt.

Entscheidungsgründe

(...)

5. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft einen Katalysator (Ansprüche 1 bis 8), ein Verfahren zur Polymerisation, bei dem ein solcher verwendet wird (Anspruch 9), und ein Verfahren zur Herstellung dieses Katalysators (Anspruch 10). Da Neuheit und Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit, falls sie für den Katalysator als solchen zu bejahen sein sollten, mit Sicherheit auch für die Verfahren gegeben wären, in welchem er verwendet bzw. durch welches er hergestellt wird - ein Umkehrschluß wäre natürlich nicht ohne weiteres möglich -, wird zunächst nur von dem Katalysator als solchem gesprochen.

6. Nächster und - jedenfalls nach Wegfall von (8) - einzig relevanter Stand der Technik ist (1b). Dort wird, ausgehend von einem referierten, aber nicht durch Quellenangabe identifizierten vorausgehenden Stand der Technik, auf dessen Inhalt im folgenden noch einzugehen sein wird, ein Katalysator für die Dienpolymerisation beschrieben, der die folgenden Komponenten enthält (vgl. Anspruch 1):

a) eine Organoaluminiumverbindung mit Al-C-Bindung(en), z.B. Triäthylaluminium (Seite 2, Zeile 29) oder Diäthylaluminiumhydrid (Seite 2, Zeilen 9 bis 10);

b) eine Metallkoordinationsverbindung, deren Metall ins besondere eine Seltene Erde (Ordnungszahl 57 bis 71) ist, z.B. Cer- und Neodymneodecanoat (Seite 2, Zeilen 108 bzw. 112) als Repräsentanten von Salzen Seltener Erden mit tertiären Monocarbonsäuren (genauer: mit Trialkylessigsäuren);

c) eine Verbindung mit ein oder mehr "Halidionen", z.B. Diäthylaluminiumbromid (Seite 3 Zeilen 14 bis 15); und - zwingend -

d) eine durch Präformieren und Altern des vorgenannten Systems in Gegenwart kleinerer Mengen eines konjugierten Diens gebildete Komponente (Seite 7, Zeilen 36 bis 41).

7. Davon unterscheidet sich der Katalysator nach dem Streitpatent, dessen ausschließliche Komponenten A, B und C (siehe die Worte "bestehend aus" in Anspruch 1) den unter b), a) bzw. c) erwähnten Komponenten nach (1b) weitgehend, wenn auch nicht deckungsgleich entsprechen - vgl. die allgemeine Formel (1) in Anspruch 1 und die Erwähnung von Triäthylaluminium (Seite 4, Zeile 29) und Diäthylaluminiumhydrid (Seite 4, Zeile 38) bzw. von der Lewis-Säure Diäthylaluminiumbromid (Seite 4, Zeile 57) -, jedenfalls durch das Fehlen der Komponente d) oder, anders ausgedrückt, dadurch, daß die Herstellung des Katalysators nach Streitpatent durch Zugabe und Mischen seiner Bestandteile (A, B und C) zum Polymerisationsansatz, d.h. ohne Präformieren sowie Altern in Gegenwart von Dien erfolgt. Vergleich man also die Lehre des Streitpatents ausschließlich mit der in (1b) beschriebenen Weiterentwicklung des dort ohne Quellenangabe referierten Standes der Technik, so ergibt sich deren Neuheit aus dem genannten Unterschied.

8. Die Beschwerdeführerin hat nun aber darauf hingewiesen, daß in (1b) auch ein Stand der Technik dargestellt wird, wonach ein einschlägiges Katalysatorsystem aus

a') einem Trialkylaluminium oder Alkylaluminiumhydrid,

b') einer Verbindung eines Metalls der Gruppe IIIB des Periodischen Systems und

c') einem Alkylaluminiumhalogenid bestehen kann. Es wird dort (vgl. Seite 1, Zeilen 22 bis 29) also ein Katalysatorsystem offenbart, das ebenso wie dasjenige des Streitpatents aus bloß drei Komponenten besteht, wobei unstreitig die Komponenten a') und c') des in (1b) referierten Standes der Technik den Komponenten a) bzw. c) der in (1b) beschriebenen Weiterentwicklung bzw. den Komponenten B bzw. C des Streitpatents entsprechen. Die Beschwerdeführerin meint nun, da es sich bei der Lehre von (1b) um eine Weiterentwicklung des darin dargestellten, vorstehend wiedergegebenen Standes der Technik handle, so seien die spezifischen Ausführungen beispielsweise von Seite 2, Zeilen 105 bis 116, mit der allgemeinen Darstellung des in (1b) referierten Standes der Technik auf Seite 1, Zeilen 22 bis 29, zu einer Gesamtoffenbarung zu kombinieren, die dann den Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnehme.

9. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht:

9.1. Vorweg und lediglich am Rande sei bemerkt, daß die Darstellung des referierten Standes der Technik auf Seite 1, Zeilen 22 bis 29, von (1b) nichts darüber aussagt, ob es sich bei dem angesprochenen Katalysator um einen präformierten oder einen in situ hergestellten handelt. Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Kombination zulässig wäre, erschiene es daher immer noch zweifelhaft, ob damit der Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich getroffen wäre; immerhin bedürfte es hierzu auch noch der Einbeziehung der Offenbarung von Seite 3, Zeilen 64 bis 73, von (1b). Dieser Frage braucht jedoch angesichts der folgenden Überlegungen nicht nachgegangen zu werden:

9.2. Grundsätzlich gehört zur Offenbarung eines vorveröffentlichten Dokuments - hier: (1b) - natürlich nicht nur das was darin als Erfindungslehre beschrieben, sondern auch das, was darin als Stand der Technik referiert wird, im gegebenen Fall also auch die Ausführungen von Seite 1, Zeilen 22 bis 29. Wenn es jedoch darum geht, bei der Neuheitsprüfung in eine - wie hier hinsichtlich b') - ganz allgemein gehaltene Darstellung des Standes der Technik spezifische Ausführungen der im gleichen Dokument beschriebenen Erfindungslehre hineinzulesen, so ist dies nicht schlechthin, sondern nur dann zulässig, wenn der fachmännische Leser dem Dokument eine solche Kombination tatsächlich entnommen hätte.

9.3. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die Darstellung des Standes der Technik mit einer Quellenangabe verbunden wäre und sich aus dem Originaldokument eine einschlägige spezifische Offenbarung ergäbe oder wenn die Darstellung des Standes der Technik eine direkte Bezugnahme auf die betreffende Stelle der Erfindungsbeschreibung enthielte; auch auf Grund seines allgemeinen Fachwissens könnte sich dem fachmännischen Leser eine solche Kombination eines spezifischen Merkmals der Erfindungsbeschreibung mit der allgemein gehaltenen Schilderung des Standes der Technik unter Umständen aufdrängen. Ohne das Vorliegen solcher oder ähnlicher besonderer Umstände kann jedoch nicht angenommen werden, daß der Fachmann dem Dokument eine entsprechend kombinierte Lehre entnommen hätte.

9.4. Zusammenfassend läßt sich das Folgende festhalten: Informiert eine Entgegenhaltung ausführlich über die Weiterent wicklung eines dort ohne Referenzangabe nur ganz allgemein dargestellten Standes der Technik, so ist es bei der Neuheitsprüfung unzulässig, diese allgemeinen Angaben mit solchen spezifischen Ausführungen zu kombinieren, die lediglich im Zusammenhang mit der Erläuterung zur Weiterentwicklung beschrieben sind, sofern ein Fachmann diese Kombination der Entgegenhaltung nicht entnommen hätte.

9.5. Im vorliegenden Fall ist die Definition der Komponente b') auf Seite 1, Zeilen 26 bis 28, von (1b) außerordentlich breit; unter sie fallen beliebige Verbindungen unterschiedlichster Natur jeweils einer ganzen Anzahl von Metallen. Eine Quellenangabe oder Bezugnahme im Sinne von Satz 1, erster Halbsatz, des Unterabschnittes 9.3 fehlt. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargetan, warum - auf Grund seines allgemeinen Wissensstandes oder sonstwie - ein fachmännischer Leser von (1b) die darin enthaltene Darstellung des Standes der Technik so verstanden haben sollte, daß mit den "Verbindungen" von Metallen der Gruppe IIIB ausgerechnet Salze Seltener Erden mit tertiären Monocarbonsäuren oder konkret mit der in anderem Zusammenhang auf Seite 2, Zeile 94, erwähnten Neodecansäure gemeint wären. Im übrigen vorliegenden, nicht im einzelnen abgehandelten Stand der Technik sind ebenfalls nirgends im Zusammenhang mit einer Verwendung in Dienpolymerisationskatalysatoren Trialkylessigsäuren oder deren Salze mit Seltenen Erden erwähnt. Es ist daher für die Kammer nicht ersichtlich, wieso ein Fachmann dem Dokument (1b) Dreikomponenten-Dienpoly merisationskatalysatoren mit einem Gehalt an Salzen Seltener Erden gerade mit Trialkylessigsäuren hätte entnehmen sollen.

9.6. Der Gegenstand des Streitpatentes muß daher auch unter Berücksichtigung des in Abschnitt 8 wiedergegebenen Vortrages der Beschwerdeführerin als neu gelten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird mit der Auflage an die Vorinstanz zurückverwiesen, das europäische Patent 11 184 mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation