T 0097/85 () of 16.9.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:T009785.19860916
Datum der Entscheidung: 16 September 1986
Aktenzeichen: T 0097/85
Anmeldenummer: 79103444.0
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Trockene chipsartige Nahrungs- und Genussmittel- scheiben und Verfahren zu ihrer Herstellung
Name des Anmelders: Munk
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - unterschiedliche Formgebung
Erfinderische Tätigkeit - massgebender Fachmann
novelty - different design
inventive step - competent man skilled in the art
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0968/19

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 79 103 444.0, die am 14. September 1979 mit deutscher Priorität vom 21. September 1978 angemeldet worden war, wurde am 13. Januar 1982 das europäische Patent Nr. 9219 auf der Grundlage von elf Ansprüchen erteilt. Davon richteten sich die Ansprüche 1 und 4 auf trockene chipsartige Nahrungs- und Genußmittelscheiben auf Basis von Milch oder Milchprodukten bzw. auf ein Verfahren zu deren Herstellung; und auf hiervon abhängige Ansprüche 2 und 3 bzw. 5 bis 10 folgte noch ein - inzwischen gänzlich weggefallener -Verwendungsanspruch.

II. Gegen die Patenterteilung legte die jetzige Beschwerdegegnerin am 8. Oktober 1982 Einspruch ein, der sich auf eine Reihe von Dokumenten stützte, auf die es bei der abschließenden Beurteilung durch die Vorinstanz ebenso wenig ankam wie bei der vorliegenden Entscheidung, sowie insbesondere auf das später genannte Dokument

(7) Milchwissenschaft 27, 766-771 (1972).

Von weiteren nachgenannten Dokumenten verdient nur noch

(10) H. Heising und E. Reinke, "Das Konditorbuch" (1955), 267 Erwähnung.

III. Durch Entscheidung vom 16. Januar, zur Post gegeben am 26. Februar 1985 widerrief die Einspruchsabteilung das Patent und führte dazu im wesentlichen das Folgende aus:

Sowohl nach Kapitel 6 von (7), als auch nach dem Streitpatent bestehe die Aufgabe darin, Nahrungs- und Genußmittelscheiben zu schaffen, die ohne vorherige Rekonstituierung für den sofortigen Verzehr geeignet sind. Diese Aufgabe sei bereits durch die Beispiele 3 und 4 auf den Seiten 770-771 von (7) gelöst.

Die dortigen Ausgangsprodukte enthalten einen hohen Anteil wasserlöslicher Stoffe im Sinne des Streitpatentes und weisen eine fließfähige Konsistenz auf. Der Gegenstand des Streitpatents unterscheide sich von (7) daher nur durch die Art der Formung der Produkte, worin kein erfinderischer Unterschied gesehen werden könne, zumal ein entsprechendes Formungsverfahren auf dem verwandten Fachgebiet des Bäckereiwesens üblich und ein Vorurteil gegen die Fließformung von Gefriertrocknungsprodukten nicht erkennbar sei.

IV. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 29. März 1985 unter gleichzeitiger Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 4. Juli 1985 begründet. Er macht hinsichtlich der Aufgabe geltend, bei (7) gehe es lediglich um die Verzehrbarkeit der Produkte in trockener Form in Verbindung mit deren mechanischer Stabilität, nicht aber - wie beim Streitpatent - um eine Rekonstituierung im Munde durch einen angenehmen Schmelz- und Lösevorgang. Im Kapitel 6 von (7) seien zunächst verschiedene Einzelmaßnahmen aufgezählt, die nicht zu ausreichend stabilen Produkten führen; anschließend werden vier Maßnahmenkombinationen beschrieben, die eine ausreichende Stabilität gewährleisten sollen, die aber sämtlich nicht für die Rekonstituierung im Munde geeignet seien, insbesondere wegen der erforderlichen Quellzeit. Außerdem seien die verwendeten Ausgangsmassen nicht fließfähig. Dies sei aber gemäß Streitpatent der Fall, wonach ein mindestens 50%iger Wassergehalt der Ausgangsmassen und ein hoher Gehalt an löslichen, die Speichelproduktion anregenden Stoffen (u.a. 4-20 % Zucker) vorgesehen sei, die nach (7) zugelassen, aber nicht als wesentlich erkannt seien. Beim Bäckereiwesen handle es sich im Verhältnis zu der nach dem Streitpatent vorgesehenen Gefriertrocknung um kein verwandtes Fachgebiet, so daß das Fließformen, selbst wenn es dort bekannt sein sollte, hier nicht nahegelegen habe.

V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) erhebt gegen die der Beschwerde zugrundeliegenden Ansprüche, die sich auf das Gefriertrocknen von durch Fließformung gebildeten Scheiben bzw. die so hergestellten Scheiben als solche richten, zunächst den formellen Einwand, die Fließformung sei ursprünglich nicht als bevorzugtes Herstellungsverfahren genannt oder beansprucht worden, weshalb eine unzulässige Änderung im Sinne von Artikel 123 EPÜ vorliege.

Materiell macht sie geltend, nach Kapitel 6 von (7) werde die Ausgangsmasse in Formen gegossen, müsse also fließfähig sein. Es bestehe Übereinstimmung zwischen den Massen nach Streitpatent einerseits und denen der Kombinationen 3 und 4 in Kapitel 6 von (7) andererseits. Das Produkt gemäß Kombination 3 sei keineswegs unbrauchbar. Insbesondere nehme aber Kombination 4 den Patentgegenstand vorweg oder lege ihn jedenfalls äußerst nahe, wie sich aus einer Nacharbeitung ergebe, bei der man ein mit dem beanspruchten Produkt weitgehend übereinstimmendes Produkt erhalte. Im übrigen beziehe sich die in Kapitel 7 von (7) erwähnte Quellzeit nicht auf die Produkte nach Kapitel 6, sondern auf die der Kapitel 3 und 4.

VI. In der mündlichen Verhandlung am 16. September 1986 haben die Beteiligten ihre Standpunkte bekräftigt. Der Beschwerdeführer betont besonders, daß die eine Fließfähigkeit der Ausgangsmasse voraussetzende Fließformung zu besonderen zusammensetzungsmäßigen und physikalischen Eigenschaften der Randpartien der Scheiben führe, die (in Verbindung mit dem hohen Gehalt an die Speichelproduktion anregenden Zuckern) die nach (7) - insbesondere Kombinationen 3 und 4 auf Seiten 770 bis 771 - erforderlichen Hydrokolloide entbehrlich machen. Er beantragt, ohne an seinem früheren Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr festzuhalten, die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und das Patent mit den Unterlagen des seinerzeitigen Hilfsantrages III - eingegangen am 12.6.86, nunmehr einziger Antrag - aufrechtzuerhalten. Danach lauten die Ansprüche 1 und 4, wie folgt:

"1. Nahrungs- oder Genußmittelscheiben mit einer Dicke von1 bis 10 mm für den unmittelbaren Mundverzehr aus einer im wesentlichen homogenen, wäßrigen, verzehrfertig rezeptierten Masse auf Basis von Milch bzw. Milchprodukten in offenporiger, gefriergetrockneter Form, dadurch gekenn- zeichnet, daß sie als im Munde rekonstituierbare Scheiben, ausgehend von einer Masse von fließfähiger Konsistenz, die einen Wassergehalt von mindestens 50 % besitzt und 4 bis 20 Gew.-% zugegebenen, in Wasser löslichen, die Speichelproduktion anregenden Zucker und ggf. weitere die Speichelproduktion anregende Stoffe sowie auch unlösliche Gerüstbildner enthält, durch Auftropfen bzw. diskontinuierliches Aufspritzen der Masse auf eine Unterlage und scheibenförmiges Ausbreiten der Masse und durch anschließendes Gefriertrocknen auf einen Feuchtigkeitsgehalt unter 10 % erhalten sind.

4. Verfahren zur Herstellung der Nahrungs- und Genußmittelscheiben nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß eine wäßrige Grundmasse auf Basis von Milch bzw. Milchprodukten, die 4 bis 20 Gew.-% zugesetzten wasserlöslichen, die Speichelproduktion anregenden Zucker und ggf. weitere die Speichelproduktion anregende Stoffe, sowie auch unlösliche Gerüstbildner enthält, ggf. unter Zugabe von Geschmacks- und Würzstoffen, entsprechend einer verzehrbereiten Zusammensetzung zubereitet und in eine noch fließfähig dickflüssige Konsistenz gebracht wird, die einen Wassergehalt von mindestens 50 % aufweisende Grundmasse mitels einer Dosiervorrichtung auf ein Förderband getropft bzw. diskontinuierlich aufgespritzt wird, wonach man sie sich zu Scheiben mit einer Dicke von1 bis 10 mm ausbreiten läßt, die dann unter Ausbildung eines porösen Trockenproduktes auf einen Feuchtigkeitsgehalt unter 10 % gefriergetrocknet werden."

Die Beschwerdegegnerin beantragt dagegen Zurückweisung der Beschwerde. Sie faßt ihre Argumente darin zusammen, das Streitpatent unterscheide sich von (7), insbesondere von dessen Kombination 4 (Seite 771, linke Spalte, erster Absatz) nur durch die Fließformung, die im Hinblick auf (10) nahegelegen habe. Bei der Würdigung von (7) greift sie noch auf allgemeines Fachwissen in Form von (11) Dr. Oetker Warenkunde Lexikon (1967), Seite 360, zurück.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Zur formalen Zulässigkeit der Ansprüche ist das Folgende festzustellen:

2.1. Anspruch 1 geltender Fassung ist gegenüber der erteilten Form durch Einbeziehung zusätzlicher Merkmale eingeschränkt, die sich aus den Erstunterlagen, wie folgt, rechtfertigen:

(i) "Wassergehalt von mindestens 50 %" im Hinblick auf Seite 9, Zeilen 4 bis 2 von unten;

(ii) "4 bis 20 Gew.-% ... Zucker" aus Seite 17, Zeilen 16 bis 17;

(iii) "ggf. weitere die Speichelproduktion anregende Stoffe" siehe Seite 8, vorletzte Zeile, bis Seite 9, Zeile 2;

(iv) "unlösliche Gerüstbildner" aus ursprünglichem Anspruch 3, Seite 2, Zeile 4;

(v) Gefriertrocknen "auf einen Feuchtigkeitsgehalt unter 10 %" siehe Seite 7, Absatz 2, Zeilen 3 bis 6.

Die zitierten Passagen haben auch Eingang in die Patentschrift gefunden.

2.2. Der Wegfall der einleitenden Worte "Trockene chipsartige" aus dem erteilten Anspruch 1 führt zu keiner den Schutzbereich erweiternden Änderung i.S.v. Art 123 (3), weil das Adjektiv "trocken" durch den Passus "Gefriertrocknen auf einen Feuchtigkeitsgehalt unter 10 %" lediglich präzisiert wurde, wogegen der Ausdruck "chipsartig" eine entbehrliche Überbestimmung darstellt.

2.3. Wenn die Beschwerdegegnerin beanstandet, die Fließformung - d.h. sinngemäß die Passage "durch Auftropfen ... der Masse" in den Zeilen 12 bis 14 von Anspruch 1 - sei ursprünglich nicht als bevorzugtes Herstellungsverfahren genannt, so ist dies zwar an sich richtig; dennoch kann der Schlußfolgerung nicht zugestimmt werden, wonach deswegen eine unzulässige Änderung i.S.v. Art. 123 (2) vorliege: Der Ausdruck "Fließformung" erscheint in der Überschrift von Beispiel 2 und ist inhaltlich durch Seite 16, Zeilen 8 bis 11, der Erstunterlagen wiedergegeben.

Ein Herausstellen dieser Verfahrensmaßnahme als bevorzugt in den ursprünglichen Unterlagen darf nach Auffassung der Kammer zur Rechtfertigung einer entsprechenden Beschränkung nicht gefordert werden; vielmehr genügt es hierfür, daß diese Ausführungsform - wie hier - neben den Alternativen deutlich und vollständig offenbart war.

2.4. Für Anspruch 4 gilt sinngemäß das vorstehend zu Anspruch 1 Gesagte.

2.5. Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 9 unterliegen ebensowenig einer formalen Beanstandung wie die unabhängigen Ansprüche 1 und 4.

3. Das Streitpatent betrifft zufolge Anspruch 1 gefriergetrocknete Nahrungs-oder Genußmittelscheiben auf Basis von Milch oder Milchprodukten sowie zufolge Anspruch4 ein Verfahren zu deren Herstellung. Die Merkmale der Ansprüche 1 und 4 entsprechen einander weitestgehend: Bei diesem kommen gegenüber jenem nur die Merkmale hinzu, wonach

(i) gegebenenfalls noch Geschmacks- und Würzstoffe zugegeben werden,

(ii) die fließfähige Konsistenz der Ausgangsmassen noch zusätzlich als "dickflüssig" bezeichnet wird und

(iii) das Auftropfen der Grundmasse auf das Förderband "mittels einer Dosiervorrichtung" erfolgen soll.

Hierbei handelt es sich um offenbar übliche Verfahrensausgestaltungen, für die eigener patentfähiger Gehalt weder geltend gemacht wurde, noch erkennbar ist, so daß sie hier außer acht gelassen werden können. Die Ansprüche 1 und 4 werden daher zusammen betrachtet.

4. Nächster Stand der Technik ist (7), insbesondere die mit "3" und "4" bezeichneten "Kombinationsmöglichkeiten" des auf Seite 770, linke Spalte, Mitte, beginnenden Kapitels 6 sowie das Kapitel 7 "Schlußfolgerungen" auf Seite 771. Von dort sind unbestreitbar bereits gefriergetrockente Nahrungsmittel auf Basis von Milchprodukten in Form quaderförmiger Stücke bekannt, die im übrigen dem Oberbegriff von Anspruch 1 entsprechen und ausgehend von Massen erhalten sind, die mehr als 50 % Wasser (siehe z.B. S. 770, rechte Spalte, Zeilen 24 und 29) sowie nennenswerte Mengen zugegebenen Zucker (Erwähnung von Fruchtsirup S. 770, rechte Spalte, Zeile 12 von unten, und von Instantpuddingpulver S. 771, linke Spalte, Zeile 2) enthalten und die nach Formung der Stücke durch Gefriertrocknen auf niedrige Feuchtigkeitsgehalte (z.B. Seite 770, rechte Spalte, Zeile 4 von unten) gebracht wurden.

5. Aufgabe des Streitpatents ist demgegenüber der Vorschlag eines weiteren einschlägigen Nahrungsmittelprodukts.

6. Das Streitpatent schlägt als Lösung ein gattungsmäßig dem in Abschnitt 4 Gesagten entsprechendes Produkt mit den folgenden aus Anspruch 1 ersichtlichen Unterscheidungsmerkmalen vor:

(a) Scheibenform;

(b) im Munde rekonstituierbar;

(c) hergestellt aus einer Masse, die

(C1) von fließfähiger Konsistenz ist,

(C2) 4-20 Gew.-% wasserlösliche Zucker sowie

(C3) unlösliche Gerüstbildner enthält;

(d) hergestellt ist durch

(D1) Fließformung und

(D2) anschließendes Gefriertrocknen auf einen Feuchtigkeitsgehalt < 10 %.

7. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung zwar die Neuheit des Gegenstandes des Streitpatents mit der Begründung eingeräumt, die Fließformung sei in (7) "nicht angesprochen". Dennoch erscheint es der Kammer angebracht festzustellen, inwieweit der beanspruchte Lösungsvorschlag tatsächlich neu ist; denn nur insoweit wird anschließend das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit zu untersuchen sein.

7.1. Bei Merkmal (a) stellt sich die Frage, wie weit allein unterschiedliche Formgebung die Neuheit eines Produktes begründen kann oder als bloßes Scheinmerkmal außer Betracht fallen muß. Nach Ansicht der Kammer hängt dies davon ab, ob damit über die bloße äußere, eventuell ästhetisch ansprechende Gestaltung hinaus eine im weitesten Sinne technische Funktion verbunden ist.

Im vorliegenden Falle wurde durch den Beschwerdeführer unwidersprochen und glaubhaft geltend gemacht, daß die dünneren Randpartien, die sich aus der Scheiben- oder, genauer ausgedrückt, Halbdiskus- oder Plätzchenform ergeben, infolge ihrer stärkeren Durchwärmung während des Gefriertrockens sowie einer gewissen Anreicherung des Zuckers darin zur mechanischen Festigkeit beitragen. Auf Grund dieser unleugbar "technischen" Funktion kann hier die Scheibenform die Neuheit der beanspruchten Produkte begründen.

7.2. Dagegen handelt es sich bei der Rekonstituierbarkeit im Munde (Merkmal B) zwar um eine für die Aufgabenlösung nötige oder zumindest vorteilhafte Eigenschaft, bei der es sich jedoch um einen aus der Gestalt (Merkmal A), der Rezeptur (Merkmal C) und der Herstellungsweise (Merkmal D) resultierenden Vorteil handelt und nicht um ein selbständiges technisches Merkmal, so daß B nichts zur Neuheit des beanspruchten Produktes beiträgt.

7.3. Die Ermittlung der Neuheit der Rezepturmerkmale C1 bis C3 ist dadurch erschwert, daß die Angaben der am nächsten kommenden Rezeptur von (7) -der Kombination 4 auf Seite 771, ganz links oben - sehr vage gehalten sind und einer Interpretation durch den fachmännischen Leser bedürfen.

Insbesondere fehlen dort Angaben über die angewandten Mengenverhältnisse Joghurt zu Hydrokolloide zu Schaum, über die Natur des Schaums sowie eine eindeutige Aussage darüber, ob die resultierende Masse fließfähig ist oder nicht.

7.3.1. Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 4.9.86 (Seite 1, letzte drei Zeilen) bestritten hatte, daß es sich bei der auf Seite 4, Absatz 2, des am 14.8.86 eingegangenen Schriftsatzes der Beschwerdegegnerin um eine relevante Nachstellung der oben erwähnten Kombinationsmögichkeit 4 handelt, hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung neue Muster mit Herstellungsangaben vorgelegt, von denen der Beschwerdeführer nicht bestreitet, daß sie dem genannten Stand der Technik entsprechen. Danach wurden auf 300 ml Joghurt 50 g Instantpuddingpulver (unterstellter Zuckergehalt = 60 %) eingesetzt und Eierschnee als Schaum zugefügt.

7.3.2. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Konsistenzangabe auf Seite 771 von (7), linke Spalte, Zeilen 3 bis 4, einerseits ("... entsprach einer Joghurt-Dessert-Schaumspeise") und die tatsächliche Konsistenz der Nachstellung andererseits dem Merkmal "fließfähig" entsprechen oder nicht. - Bei diesem Merkmal handelt es sich um einen ungenauen Ausdruck mit unscharfen Grenzen. Worauf es angesichts seines Zwecks (Bildung scheibenförmiger Plätzchen durch Fließformung) offenbar ankommt, ist das Zerfließen der Masse beim Aufgeben auf eine feste Unterlage (z.B. Fließband). Daher mißt die Kammer bei der Entscheidung der obigen Streitfrage (11) entscheidende Bedeutung bei, wo es unter dem Stichwort "Instant-Puddingpulver" heißt, daß die durch dessen Anrühren in kalter Milch (hier entsprechend Joghurt) hergestellten Puddinge "nicht sturzfähig" sind. Daraus folgt, besonders im Hinblick auf den die Fließfähigkeit offensichtlich fördernden Schaumzusatz, daß Fließfähigkeit gegeben ist.

Merkmal C1 vermag somit zur Neuheit nichts beizutragen.

7.3.3. Nachdem die Kammer zunächst dazu geneigt hatte, die fehlenden Mengenangaben in Kombination 4 durch die Angabe "2 % Stärke" in der vorausgehenden Kombination 3 (Seite 770, rechte Spalte, letzte zwei Absätze) zu ergänzen, mit der Folge, daß sich - bei einem fachgerecht unterstellten Zuckergehalt des Instantpuddingpulvers von 60 % und Vernachlässigung der übrigen Bestandteile - ein Wert von 5 %Instantpuddingpulver bzw. 3 % Zucker errechnet hätte, hat nicht nur die Beschwerdegegnerin die Kombination 4 mit 14 % Instantpuddingpulver, entsprechend 8,4 % Zucker, nachgestellt; der Beschwerdeführer hat auch auf eine ausdrückliche Frage der Kammer in der mündlichen Verhandlung betont, daß in Kombination 4 "wesentlich mehr als 2 % Stärke" (also wesentlich mehr als 3 % Zucker) erforderlich seien, und zwar unter Hinweis auf die in Kombination 3 erwähnten 0,7 % Gelatine und insbesondere die dort erwähnten 0,3 % des besonders stark dickenden Johannisbrotkernmehls.

Unter diesen Umständen ist Merkmal C2 nicht mehr als neu anzusehen.

7.3.4. Bei den unlöslichen Gerüstbildnern des Merkmals C3 handelt es sich, wie sich aus einer Befragung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung unter Heranziehung von Seite 3, Zeilen 40 bis 42, der Streitpatentschrift schließlich ergab, vornehmlich um pflanzliche Faserstoffe, wie sie z.B. in der in Beispiel 2 (Streitpatentschrift Seite 5, Zeile 47) erwähnten Fruchtzubereitung mit 48 % Trockensubstanz, nicht aber in dem in (7), Seite 770, rechte Spalte, Zeile 12 von unten, erwähnten Fruchtsirup enthalten sind. Ein direkter Hinweis auf Merkmal C3 ist also (7) nicht zu entnehmen; dieses ist somit neu.

7.4. Zu untersuchen bleiben die Verfahrensmerkmale D1 und D2.

7.4.1. Von diesen ist das erste, die Fließformung, (7) nicht zu entnehmen, was die Beschwerdegegnerin - wie oben bereits gesagt - auch eingeräumt hat, so daß ohne nähere Erläuterung die Neuheit des Merkmals D1 festgestellt werden kann.

7.4.2. Das ganze Dokument (7) befaßt sich mit der Gefriertrocknung von Milchprodukten. Der resultierende Feuchtigkeitsgehalt der im Vordergrund der Betrachtungen stehenden Kombination 4 ist allerdings nicht angegeben, und Kombination 3 erwähnt einen solchen von 12,8 %, also außerhalb des beanspruchten Bereiches. An anderen Stellen von (7) sind aber im Zusammenhang mit anderen Milchprodukten wesentlich niedrigere Restwassergehalte genannt, z.B. 2,8 % für Magermilch und 2,9 % für Trinkmilch auf Seite 766, linke Spalte, Zeile 6 von Unterabschnitt 1.1 bzw. Zeile 5 von Unterabschnitt 1.2.

Da das Schutzbegehren sich nicht auf Joghurtprodukte beschränkt, ist somit Merkmal D2 ebenfalls nicht als neu anzusehen.

7.5. Zusammenfassend ergibt sich, daß von den Anspruchsmerkmalen lediglich A, C3 und D1 neu sind.

8. Das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit ist, ausgehend von (7), im Hinblick auf die bestehende Aufgabe zu untersuchen.

8.1. Auf diese Aufgabe ist im vorliegenden Zusammenhang nochmals zurückzukommen. Sie wurde in Abschnitt 5 als "Vorschlag eines weiteren einschlägigen Nahrungsmittelprodukts" definiert, d.h. eines für den direkten Mundverzehr geeigneten Gefriertrocknungsproduktes auf Basis von Milch oder Milchprodukten. In diese Aufgabenformulierung sind die vom Beschwerdeführer hervorgehobenen organoleptischen Vorzüge des beanspruchten Produkts nicht eingegangen. Der Beschwerdeführer hat diese Vorzüge in der mündlichen Verhandlung insbesondere damit erklärt, daß die sich aus der Fließformung ergebende Scheibenform in Verbindung mit dem -freilich nunmehr als bekannt anzusehenden - 4- bis 20%igen Zuckergehalt einen Verzicht auf die nach den Kombinationen 3 und 4 von (7) vorgeschriebenen relativ großen Mengen an Dickungsmitteln ermöglichen; die günstigen organoleptischen Eigenschaften des beanspruchten Produktes seien aber eben darauf zurückzuführen, daß die Dickungsmittel fehlen oder stark verringert werden können, im Sinn einer größeren Rezepturfreiheit.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß ein Fehlen oder eine mengenmäßige Beschränkung der Dickungsmittel im Anspruch keinen Niederschlag findet, weshalb auch die daraus folgenden organoleptischen Vorzüge bei der Formulierung der Aufgabe nicht berücksichtigt werden können.

8.2. Es fragt sich also, ob es für den maßgebenden Fachmann angesichts der bestehenden wenig ambitionierten Aufgabe nahelag, die nach (7) erhältlichen Produkte

(i) durch Wahl einer aus Fließformung sich ergebenden Scheibenform (Merkmale A + D1) und

(ii) durch Zusatz unlöslicher Gerüstbildner (C3) abzuwandeln.

8.2.1. Aus (10), Seite 267, erster Absatz, "Schweizer Gebäck", und der zugehörigen Abbildung ist es auf dem Gebiete der Backwarenherstellung schon bekannt, Plätzchen zu "dressieren", (d.h. durch Fließformung zu bilden) und anschließend zu backen. Auf der Abbildung sind auch der aus der Fließformung resultierende dünnere Rand und dessen wegen seiner stärkeren Durchheizung dunklere Farbe deutlich zu erkennen. Es fragt sich lediglich, ob der mit der Herstellung gefriergetrockneter Nahrungsmittel auf Basis von Milchprodukten befaßte Fachmann auf dem Gebiete der Backwarenherstellung nach einem Vorbild für die Lösung der obigen Aufgabe suchen würde.

8.2.2. Der für die Beurteilung einer Erfindung maßgebende Fachmann ist regelmäßig derjenige, den man üblicherweise mit der Lösung der bestehenden Aufgabe betrauen würde. Im vorliegenden Fall stellt die Gefriertrocknung neben der Rezeptur und Zubereitung der Ausgangsmassen und deren Formung nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des beanspruchten Verfahrens dar. Maßgebender Fachmann für das Streitpatent ist daher nach Auffassung der Kammer nicht der Gefriertrocknungsspezialist, sondern der Lebensmitteltechnologe, von dem vorausgesetzt werden kann, daß er sowohl auf dem Gebiete der Gefriertrocknung, als auch auf dem für die Marktfähigkeit von Lebensmitteln wichtigen Gebieten der Rezeptur und der Formgebung Kenntnisse hat. Diese Kenntnisse umfassen dann aber auch das Formen von Backwaren, zumal wenn es sich, wie hier, um so einfache Kenntnisse wie das Backen dressierter Plätzchen handelt, das jeder Hausfrau geläufig ist.

Es lag daher nahe, für den Vorschlag eines weiteren einschlägigen Nahrungsmittelproduktes die aus der Fließformung sich ergebende Scheibenform zu wählen, die aus (10) für Backwaren bereits bekannt ist.

8.2.3. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob die absolut nicht außergewöhnliche Scheiben- oder Plätzchenform angesichts der bloßen Aufgabenstellung eines weiteren einschlägigen Produktes nicht schon auf Grund der Aussage von (7), Seite 770, linke Spalte, Zeilen 3 bis 4 des Kapitels 6, nahegelegen hätte, wonach gefriergetrocknete Nahrungsmittel auf Basis von Milchprodukten "praktisch jede gewünschte Form ... erhalten" können.

8.2.4. Ein Zusatz unlöslicher Gerüstbildner, z.B. von Fruchtzubereitungen, ist zur Bereitstellung eines weiteren Nahrungsmittelproduktes etwa auf Joghurtbasis denkbar naheliegend, und zwar sowohl für sich allein genommen, als auch in Verbindung mit einer aus Fließformung sich ergebenden Plätzchenform; denn der Zusatz von Fruchtstückchen oder Marmelade und dergleichen zu frischen Joghurtprodukten ist handelsüblich, und nachdem aus Kombination 3 von (7) ein Gefriertrocknungsprodukt auf Joghurtbasis mit einem Gehalt an Fruchtsirup bereits bekannt war, ist nicht einzusehen, was den Fachmann hätte davon abhalten sollen, einem solchen Produkt statt des Sirups eine gerüststoffhaltige Fruchtzubereitung zuzusetzen. Da der Zusatz solcher Fruchtzubereitungen auch zu Backwarenplätzchen gang und gäbe ist, bedurfte es ebenso wenig erfinderischer Tätigkeit für deren Zusatz zu plätzchenförmigen wie zu anders geformten Gefriertrocknungsprodukten auf Joghurtbasis.

8.3. Somit beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 und 4 angesichts der bestehenden Aufgabe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

9. Die Merkmale der Unteransprüche betreffen Maßnahmen, für die eigene erfinderische Tätigkeit weder geltend gemacht, noch erkennbar ist. Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 9 müssen daher zusammen mit den unabhängigen Ansprüchen 1 und 4 fallen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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