T 0968/19 () of 30.6.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T096819.20210630
Datum der Entscheidung: 30 Juni 2021
Aktenzeichen: T 0968/19
Anmeldenummer: 14700203.4
IPC-Klasse: A61K 31/42
A61P 29/00
A61P 37/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: PHARMAZEUTISCHE ZUSAMMENSETZUNG UMFASSEND LEFLUNOMID
Name des Anmelders: Alfred E. Tiefenbacher (GmbH & Co. KG)
medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/08
T 0097/85
T 0422/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die in der mündlichen Verhandlung vom 21 September 2018 verkündete und am 29. Oktober 2018 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 14 700 203.4 zurückzuweisen.

II. Im Verlauf des Verfahrens vor der Prüfungsabteilung wurden unter anderen die folgenden Schriftstücke genannt:

D3: J Rheumatol 31 (Suppl 71), 13-20 (2004)

D4: Rheumatology 43, 744-749 (2004)

Exhibit A: Tierstudie "Leflunomide 15 mg" (März 2017)

G3: Technisches Gutachten Prof. Friede (September 2018)

III. Grundlage für die angefochtene Entscheidung waren ein im Vergleich mit der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung geänderter Hauptantrag und ein Hilfsantrag ("Hilfsantrag 1").

IV. In der Sache kam die Prüfungsabteilung zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand der Ansprüche beider Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Ebenso wie die vorliegende Anmeldung befasse sich die Entgegenhaltung D3, die den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, mit der Ermittlung des optimalen Dosierungsschemas für die Therapie der rheumatoiden Arthritis mit dem Wirkstoff Leflunomid.

Wie von den Anmelderinnen vorgeschlagen, bestehe die ausgehend von D3 zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen pharmazeutischen Zusammensetzung, die eine Nicht-Unterlegenheit gegen-über einer täglichen Dosierung von 20 mg Leflunomid in der Therapie der rheumatoiden Arthritis aufweise.

Während die Anmeldung selbst keine experimentellen Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der beanspruchten Dosierung (Verabreichung einer Einzeldosis von 15 mg Leflunomid pro Tag) enthalte, könne unter Berücksichtigung der von den Anmelderinnen diesbezüglich nachgereichten Unterlagen (Exhibit A und insbesondere Gutachten G3) diese technische Aufgabe als durch den Anspruchsgegenstand glaubhaft gelöst angesehen werden, sofern unter Nicht-Unterlegenheit der Erhalt von 50% bis 80% der Wirksamkeit verstanden werde.

Allerdings wäre zur Lösung der technischen Aufgabe die Bereitstellung einer Tabletten-Einzeldosis von 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung für den Fachmann naheliegend gewesen, da aus D3 bereits zu entnehmen sei, dass Tagesdosierungen im Bereich von 10 mg bis 20 mg eine wirksame Therapie der rheumatoiden Arthritis ermöglichten. Auch wenn die technische Aufgabe darin bestanden hätte, eine gleichwertige therapeutische Wirksamkeit mit einer Dosierung von 20 mg pro Tag zu erzielen, wäre der beanspruchte Gegenstand naheliegend gewesen.

V. Die Anmelderinnen (Beschwerdeführerinnen) legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

VI. Mit der Beschwerdebegründung legten die Beschwerde-führerinnen ein weiteres technisches Gutachten vor:

G4: Technisches Gutachten Prof. Friede (März 2019)

VII. Die Ansprüche der ebenfalls mit der Beschwerde-begründung als Hauptantrag und Hilfsantrag eingereichten Anträge sind bis auf unwesentliche sprachliche Korrekturen identisch mit den Ansprüchen der in der angefochtenen Entscheidung behandelten Anträge. Der einzige Anspruch des Hilfsantrags lautet wie folgt:

"1. Pharmazeutische Zusammensetzung in Tablettenform umfassend Leflunomid zur Verwendung bei der Prophylaxe und/oder Behandlung der Autoimmunerkrankung rheumatoider Arthritis, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung als Einzeldosis mit 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung hergerichtet ist."

Das die Herrichtung betreffende Merkmal fand auch im Hauptantrag Verwendung, und dort insbesondere als einziges kennzeichnendes Merkmal eines auf Leflunomid-Tabletten gerichteten reinen Erzeugnisanspruchs ohne Angabe einer therapeutischen Indikation.

VIII. Die Kammer lud die Beschwerdeführerinnen zur mündlichen Verhandlung und erläuterte in einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK ihre vorläufige Einschätzung. Unter anderem wies sie darauf hin, dass das Merkmal:

"dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung als Einzeldosis mit 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung hergerichtet ist"

lediglich aussage, dass eine Tablette 15 mg Wirkstoff enthalte, und darüber hinaus keine einschränkende Bedeutung habe (vgl. Abschnitt 1 der Mitteilung).

IX. Mit ihrem Schriftsatz vom 27. November 2020 legten die Beschwerdeführerinnen daraufhin einen weiteren Antrag als Hilfsantrag 2 vor.

X. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 30. Juni 2021 statt.

a) In der Verhandlung zogen die Beschwerdeführerinnen den bisherigen Hauptantrag zurück und machten den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag zu ihrem neuen Hauptantrag (zum Wortlaut des einzigen Anspruchs vgl. Punkt VII).

b) Der bisherige Hilfsantrag 2 (vgl. Punkt IX) wurde durch einen neuen Hilfsantrag 1 ersetzt. Der einzige Anspruch dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Pharmazeutische Zusammensetzung in Tablettenform umfassend Leflunomid zur Verwendung bei der Prophylaxe und/oder Behandlung der Autoimmunerkrankung rheumatoider Arthritis, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung als Einzeldosis mit 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung hergerichtet ist und bei der Prophylaxe und/oder Behandlung der Autoimmunerkrankung rheumatoider Arthritis einmal täglich verabreicht wird."

Der Unterschied zum Wortlaut des einzigen Anspruchs des bisherigen Hilfsantrags 2 besteht darin, dass das Wort "täglich", das zuvor versehentlich ausgelassen worden war, als drittletztes Wort eingefügt wurde.

c) Die Kammer ließ den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 zum Verfahren zu.

d) Die Kammer gelangte nach Anhörung der Beschwerdeführerinnen zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand keines der beiden noch anhängigen Anträge auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

XI. Die Argumentation der Beschwerdeführerinnen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Auslegung des Anspruchswortlauts

Die in Anspruch 1 des Hauptantrags verwendete Formulierung "dass die Zusammensetzung als Einzeldosis mit 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung hergerichtet ist" bewirke für sich bereits, dass die einmal tägliche Verabreichung als Anspruchsmerkmal anzusehen und entsprechend bei der Beurteilung der Patentierbarkeit zu berücksichtigen sei. Für den Fall, dass die Kammer dieser Auslegung nicht zustimmen sollte, werde Hilfsantrag 1 mit einem überarbeiteten Anspruchswortlaut vorgelegt.

Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von der Entgegenhaltung D3 bestehe die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung in Tablettenform als Einzeldosis, die bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis gleichwirksam sei zu einer 20 mg-Tabletten-Einzeldosis von Leflunomid, welche einmal täglich verabreicht werde.

Diese Aufgabe werde, wie auf Seite 6, Absatz 1 der Anmeldung erwähnt, durch die beanspruchte Einzeldosis von 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung gelöst, was mit dem Versuchsbericht "Exhibit A" am Rattenmodell belegt worden sei.

Für den statistischen Begriff der Nicht-Unterlegenheit habe sich im medizinischen Bereich der Begriff der therapeutischen Gleichwertigkeit etabliert. Anders als von der Prüfungsabteilung vorausgesetzt, drückten diese Begriffe daher denselben Sachverhalt aus, nämlich das Vorliegen gleicher Wirksamkeit.

Der Vorteil des anspruchsgemäßen Dosierungsschemas bestehe also darin, dass - bei einem geringeren Risiko für Toxizität und Nebenwirkungen - die gleiche Wirksamkeit wie bei der einmal täglichen Verabreichung von 20 mg Leflunomid erzielt werde. Dies sei überraschend, da der Fachmann eigentlich eine lineare Dosis-Wirkungsbeziehung erwartet hätte.

Der Review-Artikel D3 richte sich an Fachärzte. Der für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz maßgebende Fachmann sei daher ein praktizierender Internist/Rheumatologe. Nach üblicher Definition verfüge ein Durchschnitts-fachmann nicht über den Wissensstand internationaler klinischer Experten wie beispielsweise der Autoren von D3.

D3 offenbare lediglich drei Tagesdosierungen für Leflunomid, nämlich 10 mg bzw. 20 mg als Erhaltungs-dosen und 100 mg als anfängliche Beladungsdosierung. Da auch nur die entsprechenden Tablettenstärken (10 mg, 20 mg und 100 mg) im Handel erhältlich waren und Leflunomid als lange bekannter und erforschter Wirkstoff galt, hätte für den Fachmann kein konkreter Anlass bestanden, andere Stärken bzw. Dosierungen zu prüfen. Schon gar nicht hätte er gezielt eine Einzeldosis von 15 mg pro Tag ausgewählt, um die genannten Vorteile zu erzielen.

Weiter hätten die zum Zeitrang der vorliegenden Anmeldung im Handel befindlichen Leflunomid-Tabletten auch keine Einkerbungen aufgewiesen, die es ermöglicht hätten, Dosierungen mit exakt 5 mg bzw. 15 mg Leflunomid herzustellen. Der maßgebende Fachmann bzw. der Patient hätte daher nicht mit routinemäßigen Mitteln die erfindungsgemäße 15 mg-Dosierung von Leflunomid herstellen können. Zur routinemäßigen Tätigkeit des maßgebenden Fachmanns als praktizierender Arzt gehöre es gerade nicht, neue Tablettenstärken zu entwickeln und ein Zulassungsverfahren für diese zu betreiben.

Selbst wenn als Fachmann ein klinischer Pharmakologe angenommen würde, hätte sich dieser nicht routinemäßig mit einem altbekannten Medikament befasst, da seine eigentliche Aufgabe darin bestehe, neue Wirkstoffe und Wirksamkeiten zu identifizieren. So hätten auch die Originatoren von Arava**(®) (mit den im Handel befindlichen Stärken 10 mg, 20 mg und 100 mg) keine weiteren klinischen Studien zu Leflunomid durchgeführt. Die Beschwerdeführerinnen seien die ersten Wettbewerber mit der Tablettenstärke 15 mg gewesen.

Die Bemerkungen in D3 zur Optimierung der Dosierung (D3: Seite 16, rechte Spalte) erläuterten die bekannte Praxis, den Bedürfnissen des jeweiligen Patienten entsprechend zwischen den üblichen Dosierungen von 10 mg und 20 mg pro Tag zu wechseln. Dies lege aber nicht die Anpassung der Dosierung auf 15 mg pro Tag nahe. In dem Wissen, dass die Tagesdosis von 10 mg als weniger wirksam galt, hätte der Fachmann grundsätzlich eine lineare Dosis-Wirkungsbeziehung erwartet und damit eine geringere Wirksamkeit für eine Tagesdosis von 15 mg im Vergleich mit 20 mg Leflunomid. Auch Abbildung 8 in D3 weise nicht auf die Gleichwertigkeit dieser Dosierungen hin. Eine im Stand der Technik D4 vorgestellte Nicht-Unterlegenheits-Studie bestätige zusätzlich, dass die Tagesdosis von 10 mg jedenfalls nicht die gewünschte Gleichwertigkeit aufweise.

Aus diesen Gründen, und da außerdem D3 selbst (Seite 14, rechte Spalte, Absatz 3) zwei bekannte und langjährig erprobte Standard-Therapien, nämlich die Behandlung mit Methotrexat oder Sulfasalazin, als gleichwertig mit der Behandlung mit Leflunomid nenne, hätte der maßgebende Fachmann es nicht in Betracht gezogen, die Dosierung von Leflunomid auf 15 mg täglich zu ändern. Stattdessen hätte er auf die besagten Standardtherapien oder auf ein ebenfalls zum damaligen Zeitpunkt bereits bekanntes alternatives Second-Line-Therapeutikum ("Humira**(®)") zurückgegriffen, um die technische Aufgabe zu lösen.

XII. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents

- auf der Grundlage des Hauptantrags (ursprünglich eingereicht mit der Beschwerdebegründung als "Hilfsantrag");

- hilfsweise auf der Grundlage von Hilfsantrag 1 (eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer);

und, sollte dem Hauptantrag stattgegeben werden, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse von Artikel 106 bis 108 und Regel 99 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1

2.1 Im Interesse einer konzisen Darstellung erscheint es im vorliegenden Fall angebracht, den Hilfsantrag vor dem Hauptantrag abzuhandeln.

Vorliegende Anmeldung und Anspruchsgegenstand

2.2 Die vorliegende Anmeldung berichtet zum Stand der Technik und zum allgemeinen Fachwissen (Seite 1, Zeilen 5 bis 18; Seite 2, Zeilen 20 bis 25), dass Leflunomid als Prodrug-Wirkstoff für die Behandlung von rheumatoider Arthritis und Psoriasis-Arthritis bekannt war, für weitere Indikationen erforscht wurde und dass Tabletten mit 10 mg, 20 mg und 100 mg Leflunomid im Handel erhältlich waren. Weiter wird erwähnt, dass gemäß der Fachinformation des im Handel befindlichen Präparats Arava**(®) empfohlen werde, zur Behandlung von rheumatoider Arthritis mit einer Aufsättigungsdosis von 100 mg Leflunomid einmal täglich über drei Tage zu beginnen und anschließend einmal täglich eine Erhaltungsdosis von 10 mg bis 20 mg Leflunomid je nach Schwere der Erkrankung zu verabreichen.

2.3 Als Zielsetzung (Seite 3, Zeile 11 bis 28) wird die Bereitstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung umfassend Leflunomid angegeben, deren Verabreichung gegenüber einer einmal täglichen Verabreichung von 20 mg oder 10 mg Leflunomid

- eine vergleichbare oder verbesserte Wirksamkeit bei der Prophylaxe und/oder Behandlung einer Liste verschiedener Erkrankungen (bevorzugt: rheumatoider Arthritis) zeigt und/oder

- eine Reduzierung von Nebenwirkungen ermöglichst und/oder

- eine Reduzierung an Leflunomid-Therapieabbrüchen bzw. Wechseln zu anderen Therapeutika ermöglicht.

2.4 Die Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung schlägt zum Erreichen dieser Ziele als Einzel-dosis formulierte Zusammensetzungen mit 14 bis 17,5 mg, bevorzugt 15 mg, Leflunomid zur ein- bis viermal täglichen Verabreichung vor (Seite 4, Zeilen 5 bis 8 und Seite 4, Zeile 27 bis Seite 5, Zeile 21).

2.5 Im Gegensatz dazu beschränkt sich Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 auf Tabletten mit 15 mg Leflunomid und deren einmal tägliche Verabreichung zur Prophylaxe und Behandlung speziell von rheumatoider Arthritis.

2.6 Im Text der Anmeldung wird weiter angegeben (Seite 6, erster Absatz):

"Erfindungsgemäße pharmazeutische Zusammen-setzungen, die 14 bis 17,5 mg, bevorzugt 15 bis 17,5 mg, besonders bevorzugt 15 mg Leflunomid als Einzeldosis enthalten und einmal täglich verabreicht werden, zeigen überraschenderweise allerdings eine gleiche bzw. verbesserte Wirksamkeit insbesondere bei der Prophylaxe und/oder Behandlung von Autoimmunerkrankungen, bevorzugt von rheumatoider Arthritis, von Psoriasis Arthritis, von Arthritis als Komplikation zystischer Fibrose, von Lupus Nephritis, von systemischem Lupus Erythematodes, von Uveitis, von Myasthenia Gravis und/oder von Granulomatose mit Polyangitis (Morbus Wegener) gegenüber pharmazeutischen Zusammensetzungen, die 20 mg Leflunomid als Einzeldosis enthalten und einmal täglich verabreicht werden."

Die Anmeldung enthält keine experimentellen Daten, beispielsweise aus Studien, zur Stützung dieser Aussage.

Ausgangspunkt im Stand der Technik

2.7 Dass die Entgegenhaltung D3 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt, wurde nicht bestritten.

2.8 D3 berichtet als Übersichts­artikel über die Monotherapie von rheumatoider Arthritis mit Leflunomid (D3: Titel und Zusammenfassung). Dabei bestand die Zielsetzung, Empfehlungen für eine optimierte Anwendung von Leflunomid zu finden:

"The primary objective of this review is to define recommendations for the optimal use of leflunomide, based on the review of key studies by international experts in rheumatology at a panel meeting held in Paris in 2003." (D3, Seite 13, rechte Spalte),

übersetzt:

"Diese Übersichtsarbeit hat vorrangig zum Anliegen, Empfehlungen für den optimalen Einsatz von Leflunomid zu definieren. Grundlage hierfür war die Durchsicht von Schlüsselstudien durch internationale Experten für Rheumatologie bei einer Tagung in Paris im Jahr 2003."

2.9 Wie auch in der vorliegenden Anmeldung (Seite 2, Zeilen 20-25 im Zusammenhang mit dem Präparat Arava**(®)) werden in D3 gängige Erhaltungsdosen von 10 mg bzw. 20 mg pro Tag genannt, die - gegebenenfalls nach einer einleitenden Aufsättigungsphase mit höherer Dosierung - über längere Zeiträume zu verabreichen sind (D3: Abstract und Seite 16, Spalte 2 "Maintenance dose"). Bei den in D3 erwähnten klinischen Studien der Phase III wie auch bei einer Open-Label Studie zur weiteren Beobachtung der klinischen Praxis wurden einleitend drei Tage lag 100 mg Leflunomid und im Anschluss eine Erhaltungsdosis von 20 mg täglich verabreicht (D3: Seite 14, linke Spalte, Zeilen 1-3; Seite 15, linke Spalte).

2.10 Die an der in D3 erwähnten Tagung teilnehmenden Experten wurden zusätzlich zu ihren Erfahrungen und ihrer Vorgehensweise in der klinischen Praxis befragt (D3: Seite 16, rechte Spalte, vorletzter Absatz). In diesem Rahmen wurde unter anderem berichtet, dass beim Auftreten von Nebenwirkungen die übliche Erhaltungsdosis von 20 mg täglich auf 10 mg täglich gesenkt werden könne. D3 kommt zu dem Schluss, dass es möglich ist, die Erhaltungstherapie entweder mit einer Tagesdosis von 10 mg zu beginnen und anschließend auf 20 mg zu wechseln oder umgekehrt, und dass Flexibilität bei der Dosierung angebracht sein kann (D3: Seite 19, linke Spalte, letzter Absatz; und letzter Satz des Abschnitts "Maintenance dose", beginnend auf Seite 16, rechte Spalte).

2.11 Die Kammer sieht im Rahmen von D3 insbesondere die Ausführungen in dem Absatz "Leflunomide: optimal dosing schedule/Maintenance dose" auf Seite 16 als Ausgangs-punkt an, da hier das Verabreichungsschema für die Erhaltungsdosis von Leflunomid behandelt wird, worauf auch die vorliegende Anmeldung abzielt.

2.11.1 In dieser Passage wird mit Verweis auf einen Referenzartikel dargelegt,

- dass Studien der Phase II mit mehreren Dosierungen von Leflunomid gezeigt hätten, dass die nach 24 Behandlungstagen ermittelte Steady-State-Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten von Leflunomid (auch als A77 1726 bezeichnet) proportional zur verabreichten Dosierung sei,

- und weiter, dass es offenbar einen Schwellenwert der Plasmakonzentration im Hinblick auf den Behandlungserfolg gebe (vgl. Abbildung 8 in D3). Bei 10 mg/l werde nur die Hälfte der maximalen Wirkung erzielt, während bei dem Schwellenwert von 13 mg/l dann ein Plateau im Hinblick auf die Wirksamkeit (ausgedrückt als Wahrscheinlichkeit des klinischen Erfolgs) erreicht werde.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

2.11.2 Da die Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten proportional ist zur verabreichten Dosierung von Leflunomid, muss der in Abbildung 8 dargestellte nichtlineare Zusammenhang mit Ausbildung eines Plateaus entsprechend auch für die Beziehung zwischen der Dosierung von Leflunomid und der Wirksamkeit gelten.

2.11.3 Weiter wird in D3 (Seite 16: "Maintenance dose") erläutert, dass berechnet worden sei, dass mit einer Tagesdosierung von 20 mg Leflunomid bei wenigstens 95% der Patienten der relevante Wert von 13 mg/l für die Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten (und damit die maximale Wirksamkeit) erreicht würde, während eine Erhöhung der Dosierung auf 25 mg die Wahrscheinlichkeit für den klinischen Erfolg nicht weiter steigere. Auf dieser Grundlage sei für die Durchführung von Phase-III-Studien eine Tagesdosierung von 20 mg Leflunomid empfohlen worden.

Technische Aufgabe und Lösung

2.12 Auslegung von Anspruch 1

2.12.1 Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 entspricht dem für weitere medizinische Verwendungen vorgesehenen Format des zweckgebundenen Erzeugnisanspruchs gemäß Artikel 54(5) EPÜ, wobei als spezifische therapeutische Anwendung die Prophylaxe und/oder Behandlung von rheumatoider Arthritis genannt wird. Diese spezifische Anwendung wird weiter gekennzeichnet durch die folgende Dosierungsanleitung:

"dass die Zusammensetzung als Einzeldosis mit 15 mg Leflunomid [...] einmal täglich verabreicht wird").

2.12.2 Hieraus ergibt sich, dass die einmal tägliche Verabreichung von 15 mg Leflunomid als Anspruchsmerkmal gilt, das bei der Beurteilung der Patentierbarkeit heranzuziehen ist (G2/08, ABl. EPA 10/2010, 456; Leitsätze 1 und 2).

2.12.3 Auch wenn der vorliegende Anspruch nicht ausdrücklich auf die Behandlung menschlicher Patienten beschränkt ist (vgl. auch den Text der Anmeldung auf Seite 8, Zeilen 4 und 23, wonach die Patienten "vorzugsweise", aber nicht obligatorisch, menschlich sind), setzt die Kammer im folgenden voraus, dass die beanspruchte Dosierungsanleitung auf die Erhaltungsdosis bei menschlichen Patienten abzielt.

2.13 Unterscheidungsmerkmale im Vergleich mit D3

2.13.1 Wie im Titel bereits deutlich wird ("The Efficacy of Leflunomide Monotherapy in Rheumatoid Arthritis"), hat die Entgegenhaltung D3 die Monotherapie rheumatoider Arthritis mit Leflunomid zum Gegenstand. Insbesondere befasst sich D3 auch im Detail mit Empfehlungen zur Dosierung von Leflunomid bei der Erhaltungstherapie (D3: Seite 16, rechte Spalte; s.o. Punkt 2.8 und 2.11).

Dementsprechend unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand vom Ausgangspunkt in D3 nicht in der Wahl des Wirkstoffs (in beiden Fällen Leflunomid).

2.13.2 Somit muss das Argument der Beschwerdeführerinnen scheitern, wonach innerhalb der technischen Offenbarung von D3 bereits in einer ersten Auswahl ein Second-Line-Therapeutikum zu wählen wäre, wobei dann in diesem Rahmen wiederum Leflunomid auszuwählen wäre, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.

Artikel 56 EPÜ verlangt das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem gesamten Stand der Technik. Bei der Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes ist es daher sachgerecht, für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit insbesondere vom nächstliegenden Stand der Technik auszugehen und dabei auch innerhalb einer Entgegenhaltung die dem zu beurteilenden Anspruchsgegenstand - auch im Hinblick auf die technischen Merkmale - am nächsten liegende Ausführungsform als Ausgangspunkt zu wählen.

Im vorliegenden Fall befasst sich allerdings ohnehin das gesamte Dokument D3 mit der Therapie mit Leflunomid als Wirkstoff, und zwar mit dem Ziel einer Optimierung.

In diesem Kontext erscheint der von den Beschwerdeführerinnen verfolgte Ansatz, die in der Entgegenhaltung bereits getroffene Festlegung des Wirkstoffs in Frage zu stellen und dessen erneute Auswahl als Bestandteil der Lösung der technischen Aufgabe darzustellen, künstlich konstruiert und unangebracht.

Der von den Beschwerdeführerinnen hervorgehobene Vergleich mit den bekannten First-Line-Therapeutika Methotrexat und Sulfasalazin wird im übrigen in D3 lediglich als Randnotiz in dem Zusammenhang erwähnt, dass diese als Vergleichspräparate ("active comparator") bei den Leflunomid-Studien der Phase III gedient hätten. Hierbei habe sich gezeigt, dass die Behandlung mit 20 mg Leflunomid der jeweiligen Referenztherapie mindestens ebenbürtig sei, was den beobachteten Anteil an Respondern gemäß dem Kriterium ACR 20% (American College of Rheumatology 20% response rate) betreffe (D3: Seite 13, rechte Spalte, letzter vollständiger Absatz bis Seite 14, rechte Spalte, letzter vollständiger Absatz).

2.13.3 D3 nennt keine Einzelheiten zur verwendeten Darreichungsform.

2.13.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von der technischen Offenbarung gemäß D3 somit dadurch, dass das Leflunomid in Tablettenform vorliegt, wobei eine Tablette 15 mg Wirkstoff als Einzeldosis enthält, die einmal täglich zu verabreichen ist.

2.13.5 Wie in der vorliegenden Anmeldung erwähnt (Seite 2, Zeilen 20 bis 25; s.o. Punkt 2.2), war Leflunomid in Form von Tabletten mit 10 mg, 20 mg oder 100 mg Wirkstoff kommerziell erhältlich und wurde laut Fachinformation (die allgemeines Fachwissen darstellt) in dieser Form bei der Behandlung rheumatoider Arthritis eingesetzt, wobei vorgesehen war, dass die Erhaltungsdosis von 10 mg bis 20 mg einmal täglich verabreicht wird. Da dies die gängige Praxis darstellte, ist davon auszugehen, dass auch die in D3 erörterte klinische Alltagspraxis auf der einmal täglichen Verabreichung der Tagesdosis in Form von Tabletten beruhte.

Die Beschwerdeführerinnen haben das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit dementsprechend auch nicht damit begründet, dass die beanspruchte Darreichungsform eine Tablette (im Unterschied zu einer anderen Darreichungsform) ist, oder dass sie einmal täglich (im Unterschied zu einer anderen Häufigkeit) oder als Einzeldosis (im Unterschied zur gleichzeitigen Einnahme mehrerer Tabletten pro Dosis) verabreicht wird.

Das für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevante Unterscheidungsmerkmal ist somit die einmal tägliche Verabreichung von 15 mg anstelle von 20 mg Leflunomid in einer Dosierungsform als Einzeldosis.

2.14 Technische Wirkung

2.14.1 Laut den Beschwerdeführerinnen besteht der Vorteil der anspruchsgemäßen Dosierungsanleitung darin, dass mit weniger Wirkstoff die gleiche Wirksamkeit wie bei der einmal täglichen Verabreichung von 20 mg Leflunomid erzielt wird (therapeutische Gleichwertigkeit bzw. Nicht-Unterlegenheit).

2.14.2 Als Beleg dieser behaupteten technischen Wirkung wurde der Studienbericht "Exhibit A" in Kombination mit verschiedenen technischen Gutachten (u.a. G3 und G4) genannt. Hierbei handelt es sich um nachgereichte Daten aus einer Studie am Tiermodell ("PIA"-Rattenmodell).

2.14.3 In diesem Zusammenhang könnte sich die Frage stellen, ob - in Anbetracht des Fehlens von Belegen für die behauptete technische Wirkung in der Anmeldung selbst (vgl. Punkt 2.6) - später nachgereichte experimentelle Daten noch zu berücksichtigen sind.

Angesichts der Lehre von D3 und der Tatsache, dass bereits Präparate mit konkreten Dosierungsangaben zur Behandlung menschlicher Patienten bei rheumatoider Arthritis im Handel waren, erscheint es auch fraglich, ob ein Tiermodell, das zwangsläufig weiter vom Anspruchsgegenstand entfernt ist als dieser Stand der Technik, hier weiter präzisierende Erkenntnisse zur Optimierung der Dosierung beim Menschen liefern kann.

Weiter wurde die zur statistischen Überprüfung von den Beschwerdeführerinnen angenommene Nichtunterlegenheits-Schranke von 50% nicht mit Blick auf die tatsächliche Vergleichbarkeit der Wirkung aus der Sicht von Patienten mit rheumatoider Arthritis begründet, sondern offenbar anhand anderer Kriterien gewählt (Ausrichtung an für andere Therapien veröffentlichten Nichtunterlegenheits-Schranken und Vereinbarkeit mit der Größe der Tierstudie von Exhibit A; vgl. die Ausführungen hierzu in G3: Seite 1, vorletzter Absatz bis Seite 2, Zeile 2 und G4: Seiten 2 und 3).

2.14.4 Die folgenden Überlegungen zur Formulierung der technischen Aufgabe und zum Naheliegen der Lösung gehen zugunsten der Beschwerdeführerinnen von der Voraussetzung aus, dass das statistische Kriterium angemessen gewählt wurde und dass die behauptete technische Wirkung, also die therapeutische Gleichwertigkeit der Dosierungen von 15 mg und 20 mg Leflunomid als Tagesdosis beim Menschen, tatsächlich erzielt wird.

Da im Ergebnis dieser Überlegungen das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit verneint wurde (vgl. nachstehend Punkt 2.23), ist eine weitergehende Prüfung der unter 2.14.3 angesprochenen Fragestellungen nicht erforderlich.

2.15 Technische Aufgabe und Lösung

2.15.1 Ausgehend von der technischen Lehre der Entgegenhaltung D3 und unter Berücksichtigung der behaupteten technischen Wirkung bestand die dem Gegenstand von Anspruch 1 zugrundeliegende objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer pharmazeutischen Darreichungsform enthaltend Leflunomid zur Verabreichung bei rheumatoider Arthritis gemäß einer Dosierungsanleitung, die bei Einsatz geringerer Wirkstoffmengen eine mit der Verabreichung einer Tagesdosis von 20 mg Leflunomid vergleichbare, möglichst gleichwertige, Wirksamkeit erzielt.

2.15.2 Wie bereits erwähnt (vgl. Punkt 2.14.4), gehen die folgenden Überlegungen davon aus, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 diese technische Aufgabe löst.

Maßgebender Fachmann

2.16 Der für die Beurteilung einer Erfindung maßgebende Fachmann ist regelmäßig derjenige, den man üblicher-weise mit der Lösung der bestehenden technischen Aufgabe betrauen würde (T 0097/85, Gründe 8.2.2; T 0422/93, ABl. EPA 1997, 25). Dieser Fachmann hat dementsprechend nicht nur Zugang zum Stand der Technik und zum allgemeinen Wissensstand, sondern verfügt auch über die Fähigkeiten und Mittel, routinemäßig auf dem Gebiet der technischen Aufgabe zu arbeiten und die gewonnenen Erkenntnisse in den Anspruchsgegenstand umzusetzen.

2.17 Im vorliegenden Fall ist der maßgebende Fachmann daher nicht, wie seitens der Beschwerdeführerinnen vorgetragen, der praktizierende Rheumatologe, sondern ein mit der pharmazeutischen Produktentwicklung befasster Fachmann, da die technische Aufgabe in dessen üblichem Aufgabenbereich angesiedelt ist, ein Medikament mit einer zugehörigen Dosierungsanleitung zur Verfügung zu stellen.

Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens existieren unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche. Die vorliegend beanspruchte pharmazeutische Zusammensetzung wird nicht durch ihre Herstellung, Hilfsstoffe oder galenischen Merkmale charakterisiert, sondern durch die Höhe der zur einmal täglichen Verabreichung enthaltenen Einzeldosis. Der hier maßgebende Fachmann ist daher nicht der pharmazeutische Technologe, sondern der klinische Pharmakologe, der systematische Untersuchungen und Studien zu Dosierung und Verabreichung durchführt und aufgrund der erhaltenen Ergebnisse den erforderlichen Wirkstoffgehalt der pharmazeutischen Darreichungsform im Zusammenspiel mit der Dosierungsanleitung ermittelt und für die weitere Umsetzung in der Produktentwicklung vorgibt. Auch wenn solche Untersuchungen einen gewissen Aufwand erfordern können, gehören sie an sich zur üblichen Routinetätigkeit des maßgebenden Fachmanns.

Naheliegen der Lösung für den Fachmann

2.18 Aus D3 (s.o. Punkt 2.9 bis 2.10) und aus dem in der vorliegenden Anmeldung (Seite 1, Zeile 19 bis Seite 3, Zeile 2) dargestellten allgemeinen Fachwissen war bekannt, dass die übliche Erhaltungsdosis von täglich 20 mg Leflunomid gut wirksam gegen rheumatoide Arthritis war und aufgrund der langen Halbwertszeit des aktiven Metaboliten einmal täglich als Einzeldosis verabreicht werden konnte, wobei Tabletten als Darreichungsform gängig waren. Bei zu starken Nebenwirkungen und/oder bei geringerer Schwere bzw. Aktivität der Erkrankung wurde eine reduzierte Erhaltungsdosis von 10 mg täglich empfohlen, die aber bekanntermaßen eine geringere Wirksamkeit aufwies als die Dosierung von 20 mg täglich.

2.19 Die Frage des Ausgleichs zwischen der Wirksamkeit und dem Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen stellt sich dem Fachmann routinemäßig - in dem Sinne, dass den Anwendern Darreichungsformen und Dosierungsanleitungen zur Verfügung gestellt werden sollen, die diesen Ausgleich ermöglichen bzw. erleichtern. Um die laut D3 erwünschte patientenindividuelle und flexible Dosierung zu erleichtern, hätte der maßgebende Fachmann die Prüfung weiterer Dosierungen zwischen 10 mg und 20 mg ohnehin in Betracht gezogen - in Erwartung einer besseren Wirksamkeit als bei 10 mg und einer Verringerung des Risikos von Nebenwirkungen/Toxizität und des Wirkstoffverbrauchs im Vergleich mit 20 mg. Dass D3 nicht auf die weitere pharmazeutische Produktentwicklung abzielt und sich daher nicht mit möglichen Zwischendosierungen befasst, hätte nicht zu einem Vorbehalt des Fachmanns gegen die Prüfung weiterer Dosierungen geführt.

2.20 Aus der technischen Lehre von D3 hätte sich vielmehr zusätzlich noch der Anreiz ergeben, eine Dosierung zwischen 10 mg und 20 mg zu ermitteln, die sich möglichst durch therapeutische Gleichwertigkeit mit der Dosierung von 20 mg auszeichnet:

2.20.1 Wie bereits erläutert (vgl. Punkt 2.11.1 bis 2.11.3) ist aus D3 zu entnehmen, dass bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis beim Menschen mit Leflunomid die Dosis-Wirkungsbeziehung nicht über den gesamten Bereich der therapeutisch verwendbaren Dosierungen (insbesondere von 10 mg bis 25 mg) linear verläuft, sondern dass ab einem gewissen Punkt sich bei weiterer Steigerung der Dosis die Wirksamkeit nicht mehr nennenswert verbessert.

Mit der Tagesdosis von 20 mg wird dieses Plateau der maximalen Wirksamkeit von Leflunomid laut D3 erreicht, während dies für die andere gängige Tagesdosis von 10 mg (empfohlen bei mangelnder Verträglichkeit der Dosis von 20 mg) in D3 nicht bestätigt wird.

Wie von den Beschwerdeführerinnen hervorgehoben wurde, war ergänzend aus D4 zu entnehmen, dass bei rheumatoider Arthritis eine Nicht-Unterlegenheit (also Gleichwertigkeit) der Dosierung von 10 mg Leflunomid pro Tag gegenüber der Dosierung von 20 mg pro Tag tatsächlich nicht gegeben ist (D4: Seite 744, vierter Absatz: "Conclusions"; Seite 746, linke Spalte: "Efficacy"; Seite 748: "Efficacy" bis Ende rechte Spalte).

2.20.2 Die mit 20 mg erzielbare Wirksamkeit liegt folglich auf dem Plateau und die mit 10 mg erzielbare Wirksamkeit auf dem Anstieg vor dem Plateau der Dosis-Wirkungskurve, während D3 keine Auskunft gibt über dazwischen liegende Dosierungen und also auch die Möglichkeit nicht ausschließt, dass diese eine mit 20 mg vergleichbare Wirksamkeit im Bereich des Plateaus erreichen.

2.20.3 In Kenntnis dieser Sachverhalte hätte es für den mit der objektiven technischen Aufgabe befassten Fachmann nahegelegen, zwischen 10 mg und 20 mg liegende Tagesdosierungen von Leflunomid einschließlich der Tagesdosierung von 15 mg daraufhin zu prüfen, ob mit diesen bereits das Plateau der maximalen Wirksamkeit und damit eine therapeutische Gleichwertigkeit zur Tagesdosierung von 20 mg erreicht werden kann. Auf dieser Grundlage wäre der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zum Anspruchsgegenstand gelangt (wobei die Bereitstellung der Tagesdosis als Tabletten-Einzeldosis der gängigen Praxis entspricht).

2.20.4 Die allgemeine Erwägung, dass eine solche Prüfung auch hätte erfolglos bleiben können, hätte keine schwerwiegenden Zweifel aufgeworfen, die den Fachmann von vornherein von einer Prüfung weiterer Tages-Dosierungen abgehalten hätten. Der Grund, weshalb Studien überhaupt durchgeführt werden, ist, dass sie einen ungewisses Ergebnis haben. Es handelt sich jedoch um Routineversuche, und die bloße Tatsache, dass der Ausgang ungewiss ist, macht das schließlich ermittelte Ergebnis noch nicht erfinderisch.

2.21 Die Beschwerdeführerinnen betonten, dass es sich bei Leflunomid um einen seit 1976 bekannten, längst erforschten, zugelassenen und längere Zeit unverändert als Medikament am Markt befindlichen Wirkstoff gehandelt habe. Somit habe für den Fachmann überhaupt kein Anlass bestanden, sich mit der genannten Aufgaben-stellung zu befassen. Dementsprechend hätten auch die Entwickler des bekannten Medikaments Arava**(®) später nie den Ansatz verfolgt, weitere Tablettenstärken auf den Markt zu bringen, und im Zuge der in D4 beschriebenen Nichtunterlegenheits-Studie sei die Dosierung 15 mg nicht mituntersucht worden.

2.22 Dieses Argument ist aus den folgenden Gründen nicht überzeugend:

2.22.1 Der maßgebende Fachmann betreibt nicht nur Forschung zum Auffinden neuer Wirkstoffe und zur Entwicklung neuer Medikamente, sondern befasst sich auch mit Anpassungen und Verbesserungen bekannter Medikamente. Die im Übersichtsartikel D3 zusammengefassten Informationen und der mithin bekannte Bedarf nach flexiblen Lösungen für die mit Leflunomid zu behandelnden Patienten stellten einen ausreichenden Anlass dar, bestehende Wissenslücken zu schließen und zu prüfen, ob weitere Tablettenstärken einen zusätzlichen Nutzen bringen könnten.

2.22.2 Unternehmerische Entscheidungen oder Entscheidungen in der wissenschaftlichen Forschung betreffend Umfang und Priorisierung von Aufgabestellungen und Projekten können von vielen Faktoren beeinflusst werden. Dass andere Parteien, soweit bekannt, nicht bereits in der Vergangenheit an weiteren Tablettenstärken gearbeitet hatten, bedeutet nicht notwendigerweise, dass man keine Erfolgsaussicht oder keine lohnende Anwendungs-möglichkeit gesehen hätte. Der angeführte Sachverhalt ist jedenfalls kein hinreichender Beleg für ein technisches Vorurteil, das gegen eine Umsetzung gesprochen hätte.

2.23 Aus diesen Gründen liegt dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 keine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ zugrunde.

3. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags ist wie Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Format gemäß Artikel 54(5) EPÜ abgefasst, enthält aber nicht die Dosierungsanleitung, wonach die Tabletten-Einzeldosis von 15 mg "einmal täglich verabreicht wird".

3.2 Daraus ergibt sich allerdings für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des vorliegenden Hauptantrags kein wesentlicher Unterschied:

3.2.1 Wäre, wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen, die Auslegung beider Ansprüche identisch, wäre der Anspruchsgegenstand ohnehin, aus denselben Gründen wie bereits für Hilfsantrag 1 ausgeführt, als nicht erfinderisch anzusehen.

3.2.2 Tatsächlich bedeutet der Wortlaut, wonach die Zusammensetzung in Tablettenform als Einzeldosis mit 15 mg Leflunomid zur einmal täglichen Verabreichung "hergerichtet ist", nur, dass pro Tablette 15 mg Leflunomid enthalten sind und somit die Eignung zur Verabreichung als Einzeldosis von 15 mg gegeben ist. In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird dem Ausdruck "hergerichtet" keine darüber hinausgehende spezielle Bedeutung zugeschrieben.

3.2.3 Auf die gewünschte Dosierungsanleitung (15 mg täglich als Einzeldosis) wird im Anspruch also zwar Bezug genommen, sie ist mit dem gewählten Wortlaut aber kein obligatorisches Anspruchsmerkmal.

Da allerdings laut allgemeinem Fachwissen (vgl. die Punkte 2.2, 2.9 und 2.18) 20 mg Leflunomid die höchste übliche Tages-Erhaltungsdosis bei rheumatoider Arthritis ist und die einmal tägliche Verabreichung den Normalfall darstellt, erschiene die Wahl einer höheren Tagesdosis (Vielfache von 15 mg) oder einer weniger häufigen Verabreichung als nicht zweckmäßig.

Aufgrund dieser Umstände ist auch für den Hauptantrag bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit realistischerweise davon auszugehen, dass die beanspruchten 15 mg-Tabletten insbesondere einmal täglich als Einzeldosis verabreicht werden sollen.

3.2.4 Das relevante Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D3 ist die Formulierung als 15 mg-Einzeldosis, die sich dementsprechend zur einmal täglichen Verabreichung von 15 mg Leflunomid eignet.

3.2.5 Wird wie zuvor vorausgesetzt (vgl. Punkt 2.14.4), dass die therapeutische Gleichwertigkeit der Dosierungen von 15 mg und 20 mg Leflunomid als Tagesdosis beim Menschen tatsächlich gegeben ist, kann die objektive technische Aufgabe wie folgt formuliert werden:

Bereitstellung einer pharmazeutischen Darreichungsform enthaltend Leflunomid zur Verabreichung bei rheumatoider Arthritis, welche geeignet ist zur Verabreichung gemäß einer Dosierungsanleitung, die bei Einsatz geringerer Wirkstoffmengen eine mit der Verabreichung einer Tagesdosis von 20 mg Leflunomid vergleichbare, möglichst gleichwertige, Wirksamkeit erzielt.

Diese Aufgabe kann aufgrund obiger Voraussetzung als durch den Anspruchsgegenstand gelöst angesehen werden.

3.2.6 Abgesehen von der dem Anspruchswortlaut geschuldeten leichten Modifizierung der technischen Aufgabe und den gegebenenfalls sich daraus mutatis mutandis ergebenden Anpassungen in der Begründung ergibt sich sodann im Vergleich mit Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 kein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2: Punkt 2.2 bis 2.22.2).

3.3 Infolgedessen liegt auch dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags keine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ zugrunde.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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