T 0035/83 () of 25.7.1984

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1984:T003583.19840725
Datum der Entscheidung: 25 Juli 1984
Aktenzeichen: T 0035/83
Anmeldenummer: 80101410.1
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Bogenführende Folie als Aufzug für Gegendruckzylinder
Name des Anmelders: Heidelberger Druckmaschinen A
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Erfinderische Tätigkeit
Inventive step
Activité inventive
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0486/99

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 18. März 1980 angemeldete, unter der Nummer 0 017 776 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 80 101 410.1, für die die Priorität einer früheren Anmeldung vom 24. April 1979 in Anspruch genommen wird, ist von der Prüfungsabteilung 086 auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 1982 zurückgewiesen worden.

Der Entscheidung lagen die am 14. April 1981 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde.

II. In der am 07. September 1982 zur Post gegebenen Entscheidung führt die Prüfungsabteilung aus, die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 2 beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie begründet ihre Auffassung unter Hinweis auf die französische Veröffentlichung 2 285 995 und die deutsche Auslegeschrift 1 258 873.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 13. Oktober 1982 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den vorliegenden Unterlagen zu erteilen. Die schriftliche Begründung der Beschwerde ist am 05. Februar 1983 eingegangen.

Mit der Beschwerdebegründung hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 und 2 vorgelegt; gleichzeitig hat sie auf den der Entscheidung zugrunde liegenden Patentanspruch 3 verzichtet. Sie meint, die in den Ansprüchen 1 und 2 angegebene Ausbildung einer bogenführenden Folie sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Den Inhalt der Ansprüche 1 und 2 hat die Anmelderin im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zu folgendem, am 05. Mai 1984 eingegangenen einzigen Patentanspruch zusammengefaßt:

"Bogenführende Folie (2) aus Metall als Aufzug für Gegendruckzylinder von Rotationsdruckmaschinen für Schön- und Widerdruck, deren eine Fläche glatt ausgebildet und deren gegenüberliegende Fläche mit statistisch gleichmäßig verteilten, gleich hohen Kugelkalotten (3) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Folie von einer Trägerschicht (6) und einer Deckschicht (7) gebildet wird, die Trägerschicht (6) aus Nickel oder Kunststoff mit hohem Elastizitätsmodul, z.B. Polyamid oder PVC, besteht, die der Deckschicht (7) zugekehrte Seite der Trägerschicht (6) mit statistisch gleichmäßig verteilten, gleich hohen Kugelkalotten versehen ist und auf diese Seite eine deren Mikrorauhheit ausgleichende, dünne Chromschicht als Deckschicht (7) aufgebracht ist''. Außerdem hat sie die Seiten 1, 2, 3, 4 und 6 der Beschreibung durch die am 01. Juni 1984 eingegangene Neufassung dieser Seiten ersetzt und gleichzeitig beantragt, im Oberbegriff des vorstehenden Patentanspruchs die Worte "aus Metall" zu streichen.

IV. Wegen des Wortlauts der ursprünglichen Patentansprüche und Beschreibung wird auf die Veröffentlichung Nr. 0 017 776 verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Anmelderin hat ihre frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde gegen die am 07. September 1982 zur Post gegebene Entscheidung verspätet am 05. Februar 1983 begründet. Durch Entscheidung der erkennenden Kammer vom 22. Dezember 1983 ist sie jedoch in die versäumte Begründungsfrist wiedereingesetzt worden. Die Beschwerde entspricht daher den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist demnach zulässig.

2. Die im geltenden Patentanspruch aufgeführten Merkmale sind in den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 3 offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs geht deshalb nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).

3. Im Oberbegriff des Anspruchs hat die Anmelderin die Merkmale der bogenführenden Folie nach der Erfindung aufgeführt, die in Verbindung miteinander durch die französische Veröffentlichung 2 285 995 bekanntgeworden sind. Gegen die Ableitung des Oberbegriffs von dieser Folie hat die Kammer keine Bedenken, da ein dem Gegenstand des Anspruchs näherkommender Stand der Technik nicht ermittelt worden ist (vgl. Abschnitt 6).

Die beantragte Streichung der Worte "aus Metall" ist zulässig. Sie dient der Klarstellung. Im Unterschied zu der bekannten Folie muß die Folie nach der Erfindung nämlich nicht ausschließlich aus Metall bestehen.

Insoweit genügt die der Patenterteilung antragsgemäß zugrunde zu legende Fassung des Anspruchs daher Regel 29 EPÜ.

4. Nach Seite 2, Absatz 3, der Beschreibung ist das Farbabgabeverhalten von bogenführenden Folien nach der französischen Veröffentlichung 2 285 995 in der Anlaufphase nach der Inbetriebnahme nicht zufriedenstellend. Das optimale Farbabgabeverhalten werde erst nach längerem Gebrauch der Folie erreicht.

5. Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Folie der durch die französische Veröffentlichung 2 285 995 bekanntgeworden Art zu schaffen, deren Farbabgabeverhalten während der gesamten Lebensdauer der Folie annähernd konstant gut ist.

6. Wie sich aus den Ausführungen in Abschnitt 3 ergibt, unterscheidet sich die als Lösung dieser Aufgabe vorgeschlagene Ausbildung der Folie von der Folie nach der vorstehenden Veröffentlichung durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs angegebenen Merkmale. Von den übrigen im Recherchenbericht aufgeführten Dokumenten betrifft nur die deutsche Offenlegungschrift 2 820 549 eine bogenführende Folie. Diese Folie weist auf ihrer mit der Farbe in Berührung kommenden Seite als tragende Flächenteile keine gleich hohen Kugelkalotten, sondern ungleich hohe und verschieden große Erhebungen auf und fällt demnach schon nicht unter den Oberbegriff des Patentanspruchs.

Die Folie nach diesem Anspruch ist daher gegenüber dem ermittelten Stand der Technik neu.

7. Die Prüfung, ob dieser Stand der Technik den Gegenstand des Anspruchs nahelegt, ergibt folgendes:

7.1 Nach den Ausführungen der Anmelderin ist das anfänglich unbefriedigende Farbabgabeverhalten der durch die franzosische Veröffentlichung 2 285 995 bekanntgewordenen bogenführenden Folien aus Nickel auf die Mikrorauhheit der mit den Kugelkalotten versehenen Fläche zurückzuführen. Zur Erkenntnis dieser Ursache bedürfte es zwar keiner erfinderischen Tätigkeit. Es gehört zum normalen Aufgabenbereich des Fachmanns, nach der Ursache für einen von ihm empfunden Mangel zu suchen. Die gemäß dem Patentanspruch vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beseitigung der Mikrorauhheit lagen jedoch nicht nahe. Zu ihnen sind dem Stand der Technik keine Anregungen zu entnehmen.

7.2 Die Verwendung von Chromschichten auch bei Gegendruckzylindern für Schön- und Widerdruck war dem Fachmann durch die deutsche Auslegeschrift 1 258 873 und die auf dieselbe Anmeldung zurückgehende USA-Patentschrift 3 161 130 bekannt. Diese Schichten erfüllen nach Angabe der Auslegeschrift die an sie gestellten Anforderungen aber nur dann, wenn sie ausreichend rauh ausgeführt sind. Eine glatte, glänzende Chromschicht verursache ein Verschmieren der Farbe und eine unerwünschte Farbübertragung. Der Fachmann, der nach einer Lösung dafür suchte, die Mikrorauhheit einer Folie nach der französischen Veröffentlichung 2 285 995 zu beseitigen, und dabei in Erwägung zog, die Mikrorauhheit durch einen Überzug zu beseitigen, mußte bei Lektüre dieser Dokumente daher zu dem Schluß kommen, daß die Verwendung eines glatten Chromüberzugs im vorliegenden Fall jedenfalls nicht in Frage komme.

Der in der deutschen Auslegeschrift 1 258 873 und der USA-Patentschrift 3 161 130 beschriebene aufgerauhte Chromüberzug ist für ein durch Sandstrahlen aufgerauhtes Aluminiumblech bestimmt. Diese Veröffentlichung konnte es deshalb auch nicht nahelegen, die den Überzug tragende Schicht aus einem Kunststoff mit großem Elastizitätsmodul, z.B. Polyamid oder PVC, herzustellen.

7.3 Mit der Anordnung eines Überzugs auf einer Tragschicht befaßt sich auch noch die deutsche Offenlegungsschrift 2 820 549. Bei der in ihr beschriebenen metallenen Bogenführungsfolie ging es darum, einen Weg zu finden, den Nickelbedarf für die Folie zu senken und den Bearbeitungsaufwand zu verringern. Um dies zu erreichen, wird die Folie aus einer Trägerschicht aus Nichteisenmetall und einer auf die mit den Vertiefungen versehene Seite der Trägerschicht aufgebrachten Nickelschicht hergestellt. Mit diesem zweischichtigen Aufbau soll folglich ein anderes Problem gelöst werden, als es der Erfindung zugrunde liegt. Außerdem besteht der Überzug nach der Lehre dieses Dokuments aus jenem Material, das bei der Folie nach der franzosischen Veröffentlichung 2 285 995 das anfänglich unbefriedigende Farbabgabeverhalten verursacht.

Die deutsche Offenlegungsschrift 2 820 549 konnte daher weder für sich noch in Verbindung mit den durch die im vorangehenden Abschnitt erörterten Veröffentlichungen vermittelten Lehren den Gegenstand des Anspruchs nahelegen.

7.4 Die im Recherchenbericht noch aufgeführten Dokumente (französische Veröffentlichung 2 255 176 und USA-Patentschrift 2 804 417) und die von der Anmelderin im Beschwerdeschriftsatz genannte deutsche Offenlegungsschrift 2 605 330 befassen sich weder mit der Aufgabe, die mit der Erfindung gelöst werden soll, noch enthalten sie irgendwelche Anregungen zu der im Patentanspruch niedergelegten Aufgabenlösung, die sich nach Angabe der Anmelderin zusätzlich dadurch auszeichnet, daß die Folie seltener als die bekannte Nickelfolie gewaschen zu werden braucht und eine längere Lebensdauer hat.

7.5 Die Folie nach dem Patentanspruch beruht demnach auf einer erfinderischen Leistung im Sinn des Artikels 56 EPÜ.

8. Der Patentanspruch ist daher gewährbar (Artikel 52 EPÜ).

9. Die geltende Fassung der Beschreibung unterscheidet sich von der ursprünglichen Beschreibung im wesentlichen dadurch, daß sie dem geänderten Patentbegehren angepaßt ist. Die übrigen Änderungen sind redaktioneller Natur. Sie ist für die Patenterteilung deshalb geeignet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden: 1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, auf die Anmeldung ein europäisches Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

ein Patentanspruch, eingegangen am 05. Mai 1984, unter Streichung der Worte "aus Metall" in Zeile 1 des Anspruchs, Seiten l, 2, 3, 4 und 6 der Beschreibung, eingegangen am 01. Juni 1984, Seite 5 der ursprünglichen Beschreibung sowie ursprüngliche Zeichnung.

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