T 0172/24 (Stahlbauteil/THYSSENKRUPP) of 3.6.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T017224.20250603
Datum der Entscheidung: 03 Juni 2025
Aktenzeichen: T 0172/24
Anmeldenummer: 18733832.2
IPC-Klasse: C21D 9/46
C21D 1/673
C23C 2/12
C23C 2/26
B32B 15/01
C23C 2/28
C23C 8/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM HERSTELLEN EINES MIT EINEM ÜBERZUG VERSEHENEN STAHLBAUTEILS UND STAHLBAUTEIL
Name des Anmelders: ThyssenKrupp Steel Europe AG
thyssenkrupp AG
Name des Einsprechenden: ArcelorMittal
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention Art 115
European Patent Convention R 103(1)(a)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Einwendungen Dritter - relevant (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
R 0013/21
T 0412/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberinnen 1 und 2 (Beschwerdeführerinnen 1) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin 2) betreffen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 3 645 757 B1 in geänderter Fassung auf der Basis des damaligen Hilfsantrags 12 aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerden wurden am 1. bzw. am 13. Februar 2024 eingereicht, die Beschwerde­begründungen am 12. bzw. 15. April 2024, und die Beschwerdeerwiderungen am 2. bzw. am 19. August 2024.

III. Im Beschwerdeverfahren wurden am 19. August 2024 zudem Einwendungen einer Dritten erhoben.

IV. Unter anderem waren die folgenden Dokumente Gegenstand im Einspruchsverfahren:

D1 |EP 2 086 755 B1 |

D1a|WO 2008/053273 A1 |

D2 |EP 1 380 666 A1 |

D3 |WO 2015/061911 A1 |

D4 |US 2010/0086002 A1 |

D5 |US 2015/0344986 A1 |

D6a|K.S. Jhajj, "Heat Transfer Modeling of Roller Hearth and Muffle Furnace", Master thesis, 2015 |

D10|"Flexible Wärmebehandlung zur gezielten Gestaltung von Bauteileigenschaften und zur Erhöhung der Energieeffizienz der Prozesskette Warmumformen (FlexWB)", Abschlussbericht, 2012|

D11|T. Vibrans, "Induktive Erwärmung von Formplatinen für die Warmumformung", Dissertation, Technische Universität Chemnitz, 2016 |

D13|D. W. Fan, B.C. De Cooman, "State-of-the-Knowledge on Coating Systems for Hot Stamped Parts", steel research int. 83(5), 2012, 412-433 |

D15|DE 10 2009 014 670 A1 |

V. Die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags (erteilte Fassung) lauten wie folgt (Hervorhebung durch die Kammer):

"1. Verfahren zum Herstellen eines mit einem Korrosions­schutz­überzug beschichteten Stahlbauteils, umfassend folgende Arbeitsschritte:

a) Zurverfügungstellen eines mit einem aluminiumbasierten Korrosions­schutz­überzug beschichteten Stahlflachprodukts,

b) Wärmebehandeln einer aus dem beschichteten Stahlflachprodukt gebildeten Platine in einem Ofen, wobei gilt:

0,0034 °C/min <= Q <= 0,021 °C/min

mit Q = (T * d)/(t * L), wobei

T = Ofentemperatur in °C,

d = Platinendicke in mm,

t = Verweildauer der Platine im Ofen in min,

L = Ofenlänge in mm

c) Umformen der Platine in einem Umformwerkzeug zu einem Stahlbauteil."

"11. Stahlbauteil umfassend ein Stahlsubstrat und einen mindestens auf einer Seite des Stahlsubstrats vorhandenen Korrosionsschutzüberzug, dadurch gekennzeichnet, dass der Korrosionsschutzüberzug mindestens umfasst:

- eine erste siliziumreiche Schicht (Si1), welche neben unvermeidbaren Verunreinigungen mehr als 4 und bis zu 8 Gew.-% Si, 40 - 70 Gew.-% Fe, bis zu 1 Gew.-% Mn und 30 - 60 Gew.-% Aluminium enthält, wobei die Summe der vorliegenden Bestandteile 100 Gew.-% beträgt, und welche oberhalb der ersten siliziumarmen Schicht (A) liegt,

- eine erste siliziumarme Schicht (A), welche neben unvermeidbaren Verunreinigungen 1 - 4 Gew.-% Si, 30 - 60 Gew.-% Fe, bis zu 1 Gew.-% Mn und 40 - 60 Gew.-% Aluminium enthält, wobei die Summe der vorliegenden Bestandteile 100 Gew.-% beträgt, und welche zwischen einer ersten siliziumreichen Schicht (Si1) und einer

zweiten siliziumreichen Schicht (Si2) liegt,

- eine zweite siliziumreiche Schicht (Si2), welche neben unvermeidbaren Verunreinigungen mehr als 4 und bis zu 8 Gew.-% Si, 40 - 70 Gew.-% Fe, bis zu 1 Gew.-% Mn und 20 - 50 Gew.-% Aluminium enthält, wobei die Summe der vorliegenden Bestandteile 100 Gew.-% beträgt, und welche zwischen der ersten siliziumarmen Schicht (A) und der zweiten siliziumarmen Schicht (B) liegt,

- eine zweite siliziumarme Schicht (B), welche neben unvermeidbaren Verunreinigungen 0,5 - 4 Gew.-% Si, 40 - 97 Gew.-% Fe, 0,5 -1,5 Gew.-% Mn und 2- 40 Gew.-% Aluminium enthält, wobei die Summe der vorliegenden Bestandteile 100 Gew.-% beträgt, und welche an das Stahlsubstrat grenzt,

wobei der Quotient X aus der Dicke (dB) der zweiten siliziumarmen Schicht (B) in mym durch die Dicke (dA) der ersten siliziumarmen Schicht (A) in mym mindestens 0,4 und höchstens 1,1 beträgt."

VI. Am Ende von Schritt (a) von Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags folgendes Merkmal hinzugefügt:

"wobei der aluminiumbasierte Korrosions­schutz­überzug

7 - 12 Gew.-% Silizium, 1 - 3,5 Gew.-% Eisen, Rest Aluminium und unvermeidbare Verunreinigungen enthält,"

Der Wortlaut des unabhängigen Produktanspruchs 8 von Hilfsantrag 1 ist identisch zu dem von Anspruch 11 des Hauptantrags.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 12 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.

VII. Die entscheidungs­wesentlichen Argumente der Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag:

Der Hauptantrag erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ und 56 EPÜ unter anderem gegenüber D6a.

Hilfsantrag 1:

Hilfsantrag 1 erfülle weder die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ noch die von Artikel 83 EPÜ.

Der Gegenstand von Verfahrensanspruch 1 sei nicht neu gegenüber D1/D1a, wie durch weitere Dokumente belegt werde. Der Gegenstand von Produktanspruch 8 sei nicht neu gegenüber D1/D1a, D2, D6a, D10 und D11.

Der Gegenstand von Verfahrensanspruch 1 und Produktanspruch 8 sei nicht erfinderisch gegenüber:

- D1/D1a in Kombination mit weiteren Dokumenten

- D2, D10 und D11

- D6a in Kombination mit D13

VIII. Die entscheidungs­wesentlichen Argumente der Patentinhaberinnen können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Einwendungen der Dritten seien nicht zu berücksichtigen.

Die Beanstandungen der Einsprechenden unter Artikel 83 EPÜ seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen.

Alle Anträge würden die Erfordernisse des EPÜ erfüllen.

Das rechtliche Gehör der Patentinhaberinnen sei nicht respektiert worden und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

IX. Die Patentinhaberinnen (Beschwerdeführerinnen 1) beantragen, den Einspruch unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen. Hilfsweise beantragen sie die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Basis eines der folgenden Hilfsanträge:

- Hilfsanträge 1, 7, 9, 11 und 13 eingereicht mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2023,

- Hilfsanträge 2, 4, 8, 10 und 12 eingereicht mit der Beschwerdebegründung,

- Hilfsanträge 3 und 5 eingereicht mit Schriftsatz vom 7. September 2023,

- Hilfsanträge 6 und 14, eingereicht während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren, und

- Hilfsanträge 15 bis 20 eingereicht mit Schriftsatz vom 19. August 2024.

Zudem beantragen sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) beantragt, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.

Entscheidungsgründe

1. Berücksichtigung der Einwendungen der Dritten

Nach gängiger Rechtsprechung sollen Dritte im Sinne des Artikels 115 EPÜ nicht günstiger behandelt werden als Verfahrensbeteiligte, die in dieser Phase des Verfahrens solche Schriftstücke einreichen möchten (Rechtsprechung de Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, III.N.4.4).

Im vorliegenden Fall wurden die Einwendungen der Dritten am 19. August 2024, d.h. am selben Tag wie die spätere der beiden Beschwerdeerwiderungen, überreicht.

Es ist nicht ersichtlich, warum das erst zu diesem späten Zeitpunkt erfolgte, und nicht bereits nach der Überreichung der Beschwerdeschriften, spätestens jedoch der Beschwerdebegründungen der Parteien.

Eine Berücksichtigung dieser Einwendungen hätte insbesondere auch zur Folge, dass die Patentinhaberinnen nicht mehr in der Anfangsphase des Beschwerdeverfahrens (gleichzeitig mit ihrer Erwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden) darauf hätten reagieren können.

Schon im Hinblick darauf können die Einwendungen der Dritten nicht berücksichtigt werden.

Hauptantrag (erteilte Fassung)

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Gegenstand von Verfahrensanspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D6a zwar die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ, nicht aber von Artikel 56 EPÜ.

2. Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ

2.1 D6a offenbart Versuchsergebnisse mit Usibor**(®) 1500 P in zwei verschiedenen Öfen, in einem industriellen Rollenherdofen ("roller hearth furnace") und in einem Ofen im Labormaßstab ("lab scale muffle furnace"). Diese Versuche dienen dazu, den Wärmeübergang zu untersuchen. Für die Versuche im Rollenherdofen wurde die industrielle Produktion gestoppt (Seite 9, erster Absatz).

Bei Usibor**(®) 1500 P handelt es sich um ein Stahlflachprodukt mit einem aluminiumbasierten Korrosions­schutz­überzug (D6a, Zusammenfassung, Seite iii).

Auf den Seiten 9 bis 14 von D6a werden Ergebnisse von Versuchen präsentiert, die in dem ca. 30 m langen industriellen Rollenherdofen durchgeführt worden sind (Seite 9, Zeile 2 von Punkt 2.1.1). Figur 8 offenbart dabei die Verwendung von Stahlprodukten mit einer Dicke zwischen 1.3 mm und 3.0 mm, bei Temperaturen von 935°C. Die entsprechenden Verweilzeiten sind zwischen ca. 350 s und 450 s. Aus diesen Parametern ergeben sich Q-Werte im Bereich von Anspruch 1 des Streitpatents.

Entgegen der Auffassung der Patentinhaberinnen gibt es keinen Nachweis dafür, dass diese Versuche der D6a nur mit unzumutbarem Aufwand nacharbeitbar sind.

In D6a wird jedoch im Zusammenhang mit den Versuchen von Figur 8 kein Umformschritt offenbart.

Ein Umformschritt wird zwar in der Einleitung von D6a genannt, nämlich in Figur 2(a) auf Seite 2, aber es gibt keine Offenbarung, dass ein solcher Umformschritt im Rahmen der Versuche auf Seiten 9 bis 14 durchgeführt würde. Für das Modellieren des Wärmeübergangs im Ofen ist ein Umformen auch nicht zwingend erforderlich.

Da die Produktion im industriellen Rollenherdofen für die Versuche gestoppt wurde (Seite 9, erster Absatz), ist es unerheblich, dass sich im industriellen Betrieb ein Umformschritt anschließt ("hot stamping", zweiter Absatz auf Seite 9; "hot forming die quenching" (HFDQ) auf Seite 6).

Daher ist der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 neu gegenüber D6a (Artikel 54(1) und (2) EPÜ).

2.2 Da der Gegenstand dieses Anspruchs jedoch nicht erfinderisch ist (siehe den nachfolgenden Punkt 3.), kann offenbleiben, ob die sonstigen, im Verfahren erhobenen Neuheitseinwände berechtigt wären.

3. Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ

Aus den folgenden Gründen ist der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 nicht erfinderisch gegenüber D6a (Artikel 56 EPÜ).

3.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines mit einem Korrosions­schutz­überzug beschichteten Stahlflachprodukts (Absatz [0001]).

3.2 Da ein solches Stahlflachprodukt auch in D6a hergestellt wird und D6a mehrere übereinstimmende Merkmale mit dem Gegenstand von Anspruch 1 aufweist, ist dieses Dokument entgegen der Ansicht der Patent­inhaberinnen als nächstliegender Stand der Technik geeignet.

3.3 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines Verfahrens, welches zu einem mit einem Korrosions­schutz­überzug versehenen Stahlbauteil mit guter Schweißbarkeit und guten Klebeeigenschaften führt (Abschnitte [0015] bis [0017]).

3.4 Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch das Verfahren nach Anspruch 1 zu lösen, welches durch den Umformschritt (c) charakterisiert ist.

3.5 Es wurde jedoch nicht gezeigt, dass die gestellte Aufgabe durch den Umformschritt (c) gelöst wird.

Das Streitpatent bestätigt, dass die Schweiß- und Klebeeigenschaften ein Resultat der Wärmebehandlung mit bestimmten Werten des Quotienten Q sind (siehe z.B. Abschnitt [0015]), nicht des Umformschritts. Die Wärmebehandlung ist allerdings kein unterscheidendes Merkmal.

3.6 Daher muss die Aufgabe weniger ambitioniert formuliert werden und ist darin zu sehen, ein weiteres Verfahren bereitzustellen.

3.7 Der Umformschritt (c) in Anspruch 1 kann dabei keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D6a begründen. Es ist vielmehr eine Routinetätigkeit der Fachperson, die im Rahmen der Versuche von D6a untersuchten Betriebs­parameter auch industriell anzuwenden und dabei in Einklang mit Figur 2a von D6a einen Umformschritt durchzuführen.

Daher erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

4. Aus diesen Gründen ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

Hilfsantrag 1

Hilfsantrag 1 trägt die Bezeichnung "Hilfsantrag ES1, korrigiert".

Gegenüber dem Hauptantrag enthält der unabhängige Verfahrensanspruch 1 zusätzlich ein Merkmal bezüglich der Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs.

5. Artikel 123(2) EPÜ

Wie im folgenden zunächst aufzuzeigen ist, enthält Anspruch 1 einen offensichtlichen Mangel bzw. Fehler, der nach Regel 139 EPÜ berichtigungsfähig ist.

Im Übrigen wird im Rahmen der Anpassung der Beschreibung noch ein weiterer offensichtlicher Fehler in Tabelle 3 zu korrigieren sein.

5.1 Im Erteilungsverfahren ist die für die Länge L des Ofens zu verwendende Einheit in der Formel von Anspruch 1 von Meter ("m") in der ursprünglichen Fassung in Millimeter ("mm") in der erteilten Fassung geändert worden.

Bei Betrachtung der Tabelle 3 der Anmeldung wie (ursprünglich) eingereicht erkennt die Fachperson sofort, dass die Formel von Anspruch 1 bei Verwendung der dort angegebenen Einheiten durch diese Änderung um einen Faktor 1000 zu große Q-Werte ergibt.

Nur wenn man die verwendeten Einheiten entsprechend korrigiert, beispielsweise durch die Verwendung der Einheit Millimeter für die Ofenlänge L (statt Meter), ergeben die Werte für die Platinendicke d, die Ofentemperatur T, die Verweildauer t der Platine im Ofen und die Ofenlänge L aus Tabelle 3 die dort angegebenen Q-Werte.

Es ist dabei im Ergebnis gleichgültig, ob dieser Faktor 1000 in der Formel von Anspruch 1 durch die Änderung der Einheit

(i) der Platinendicke d im Zähler (von Millimeter in Meter) oder

(ii) der Ofenlänge L im Nenner (von Meter in Millimeter)

erzielt wird.

Die Patentinhaberinnen haben bei der Änderung von Anspruch 1 im Erteilungsverfahren die Alternative (ii) gewählt.

Beide Alternativen führen zum gleichen Ergebnis, sodass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach Regel 139 EPÜ vorliegen, wonach "die Berichtigung derart offensichtlich sein [muss], dass sofort erkennbar ist, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird". Somit kann auch kein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vorliegen.

5.2 Nach Auffassung der Einsprechenden sei es wegen unterschiedlicher Messtoleranzen nicht das Gleiche, ob in der Formel für Q in Anspruch 1:

- die Ofenlänge (statt in m) in mm eingesetzt oder

- die Platinendicke (statt in mm) in m eingesetzt werde.

Dieses Argument überzeugt jedoch nicht. Die Fachperson weiß, dass Öfen in diesem Gebiet eine Länge von einer beträchtlichen Anzahl von Metern haben. Sie würde die Messgenauigkeit dementsprechend ansetzen, unabhängig davon, ob die Einheit der Ofenlänge in der Formel von Anspruch 1 in Meter oder in Millimeter einzugeben ist.

5.3 In diesem Zusammenhang wird es der Einspruchsabteilung obliegen, im Rahmen der Anpassung der Beschreibung die Einheit der Ofenlänge L in Tabelle 3 von "[mm]" in der erteilten Fassung wieder in die in der Fassung wie ursprünglich eingereichten "[m]" zu ändern und somit einen weiteren offenkundigen Fehler zu korrigieren.

6. Artikel 83 EPÜ

Die Einsprechende argumentierte, dass die Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar und daher nicht ausreichend offenbart sei.

Da die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ erfüllt sind, kann die von den Patentinhaberinnen aufgeworfene Frage der Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände dahingestellt bleiben.

Das Streitpatent enthält zahlreiche Beispiele, deren Nacharbeitbarkeit ausdrücklich nicht bestritten worden ist. Diese Beispiele zeigen, wie man das Verfahren durchführt und wie man zum beanspruchten Schichtaufbau gelangt.

Die Einsprechende hat keinen Beleg dafür geliefert, dass die Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar wäre. Die Fachperson würde dabei technisch unsinnige Ofentemperaturen - beispielsweise solche, die die Bildung eines Korrosionsschutz­überzugs nicht ermöglichen oder die ein anschließendes Umformen unmöglich machen - nicht in Betracht ziehen.

Schließlich hat die Einsprechende auch keinen Beleg dafür geliefert, dass es die Lehre des Streitpatents in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nicht erlaube, die beanspruchte Zusammensetzung des Überzugs, beispielsweise mit einem geeigneten Tauchbad, zu erzeugen.

Die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ sind daher erfüllt.

7. Artikel 54 EPÜ

Aus den folgenden Gründen erfüllt Hilfsantrag 1 auch die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

7.1 Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 nicht neu gegenüber D1/D1a sei.

Es ist unbestritten, dass D1/D1a beispielsweise in den Beispielen 1 und 2 konkrete Werte für T, d und t offenbart. D1/D1a offenbart zudem einen aluminium­basierten Überzug mit einer Zusammensetzung, welche im beanspruchten Bereich liegt (D1a: Seite 12, Zeilen 6 bis 7).

Des weiteren räumt die Einsprechende zwar ein, dass D1/D1a die Ofenlänge L nicht explizit offenbart. Allerdings führe im Beispiel 1 von D1/D1a jede Ofenlänge zwischen 12 m und 73.4 m zu einem Q-Wert im beanspruchten Bereich. Das allgemeine Fachwissen (illustriert durch eine ganze Reihe von Dokumenten wie beispielsweise D3, D4, D5, D6a, D10 und D11) belege, dass eine solche Ofenlänge L in D1/D1a implizit offenbart sei.

Dies ist nicht überzeugend.

D1/D1a erwähnt die Ofenlänge nicht, und auch nicht, dass alle Beispiele im selben Ofen durchgeführt worden wären.

Die Einsprechende bringt selbst vor, dass der Bereich zwischen 12 m und 73.4 m lediglich die meisten Öfen abdeckt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der/die in D1/D1a verwendete(n) Ofen/Öfen kürzer oder länger ist/sind.

Auch der vorliegende Stand der Technik zeigt ein uneinheitliches Bild in Hinsicht auf die Ofenlänge. Während etwa D15 in Abschnitt [0008] eine bevorzugte Länge von 10 m offenbart, nennt D10 in Abbildung 1-5 auf Seite 4 eine Länge von ca. 80 m.

Nun wird aber ein Q-Wert im beanspruchten Bereich nicht erzielt, wenn:

- in den Beispielen 1, 3 und 4 der D1/D1a ein Ofen der Länge 10 m und

- in den Beispielen 1 und 2 ein Ofen der Länge 80 m

verwendet wird. Dies wurde auch nicht bestritten.

Die Dokumente D3, D4, D5, D6a, D10 und D11 sind Patentdokumente, Fachartikel oder eine Dissertation und können insbesondere wegen dieses uneinheitlichen Bildes nicht den Nachweis erbringen, dass die Ofenlänge von D1/D1a zwingend zu einem Q-Wert im beanspruchten Bereich führt. Wegen dieses uneinheitlichen Bildes sind die Umstände daher anders gelegen als beispielsweise in T 412/09 (siehe insbesondere Punkt 2.1.3 der Entscheidungsgründe).

Aus diesen Gründen offenbart D1/D1a auch implizit keine Ofenlänge, die zu einem Q-Wert im beanspruchten Bereich führt.

Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beispiele der D1/D1a zwingend die Schichtzusammensetzung aus Anspruch 8 haben.

Daher ist der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 neu gegenüber D1/D1a (Artikel 54(1) und (2) EPÜ).

7.2 Was den Gegenstand des unabhängigen Produktanspruchs 8 von Hilfsantrag 1 betrifft, vertritt die Einsprechende in einer weiteren Argumentationslinie zudem die Auffassung, dass dieser im Übrigen auch angesichts jedes der Dokumente D2, D10, D11 und D6a nicht neu sei. Da der unabhängige Produktanspruch des Hilfsantrags 1 den gleichen Wortlaut habe wie der des Hauptantrags, führe das aus ihrer Sicht neuheits­schädlich getroffene Verfahren aus Anspruch 1 des Hauptantrags unweigerlich zu einem Produkt nach Anspruch 8 von Hilfsantrag 1.

Diese Argumentation ist ebenfalls nicht überzeugend. Verfahrensanspruch 1 des Hauptantrags beinhaltet keinerlei Einschränkung der Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs. Es ist aber nicht gezeigt, und ergibt sich auch nicht aus dem Streitpatent, dass jegliche Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs in einem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags zu den im unabhängigen Produktanspruch geforderten Konzentrationen in den verschiedenen Schichten des Korrosions­schutz­überzugs führen würde.

Daher würde ein für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags neuheitsschädliches Verfahren des Standes der Technik nicht zwingend zu einem Produkt nach Anspruch 8 von Hilfsantrag 1 führen.

7.3 Der Vollständigkeit halber ist zudem festzuhalten, dass der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 neu gegenüber D2, D10, D11 und D6a ist und dass daher die Verfahren dieser Dokumente nicht zwingend zu einem Produkt nach Anspruch 8 führen.

In der Tat offenbart keines dieser Dokumente die beanspruchte Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs. Dies wurde auch nicht bestritten.

So enthält der Korrosions­schutz­überzug der D6a vor der Wärmebehandlung entgegen Anspruch 1 kein Eisen (D6a, S.4, 1. Absatz unter Punkt 1.2).

Zudem offenbart keines der Dokumente D2, D10 und D11 in Kombination Parameter für T, d, t und L, die zu einem Q-Wert im beanspruchten Bereich führen würden.

8. Artikel 56 EPÜ

Die Einsprechende argumentiert, dass ausgehend von jedem der Dokumente D1/D1a, D2, D6a, D10 und D11 jeweils als nächstliegendem Stand der Technik das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu verneinen sei.

Aus den folgenden Gründen kann eine erfinderische Tätigkeit jedoch anerkannt werden.

8.1 Verfahrensanspruch 1

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines beschichteten Stahlflachprodukts (Anspruch 1).

8.1.1 D1/D1a betrifft das gleiche technische Gebiet wie die Erfindung und weist mehrere übereinstimmende Merkmale auf (siehe Punkt 7.1). Daher ist D1/D1a ein geeigneter Ausgangspunkt, um die erfinderische Tätigkeit zu prüfen.

Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines mit einem guten Korrosions­schutz­überzug versehenen Stahlbauteils mit guter Schweißbarkeit und guten Klebeeigenschaften (Abschnitte [0015] bis [0017]).

Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe mittels des Verfahrens aus Anspruch 1 zu lösen, welches charakterisiert ist durch eine Kombination der Parameter Ofentemperatur T, Platinendicke d, Verweildauer t und Ofenlänge L, die dazu führt, dass der Q-Wert = (T * d)/(t * L) innerhalb des beanspruchten Bereichs liegt.

Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass diese Aufgabe nicht erfolgreich gelöst worden wäre. Die Aufgabe muss also nicht weniger ambitioniert formuliert werden.

Das Streitpatent legt in den Abschnitten [0016] und [0017] dar, dass die Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs im Zusammenspiel mit der Wärmebehandlung zu einer gezielten Diffusion des Eisens des Substrats in den Überzug führt. Demnach resultiert diese Diffusion in spezifischen Konzentrationen von Si und Fe in den verschiedenen Schichten des Überzugs. Diese Konzentrationen wirken sich wiederum positiv auf den Korrosionswiderstand aus.

So soll nach Abschnitt [0017] (und nach Produktanspruch 8) eine erste siliziumarme Schicht (siehe die substrat-ferne Schicht (A) in den Figuren des Streitpatents) mit einem Fe-Gehalt von höchstens 60% erzeugt werden, da ein zu hoher Eisenanteil in dieser Schicht zu einem nachteiligen Korrosionswiderstand führt.

Dagegen offenbart D1/D1a, wie die Patentinhaberinnen dargelegt haben, in der dortigen substrat-fernen Schicht (c) eine Fe-Konzentration von 65% (D1a: Seite 20, Zeilen 7 bis 9). Dies wurde ebenfalls nicht bestritten.

Das Streitpatent enthält zudem zahlreiche erfindungsgemäße Beispiele, die ein gutes Schweißverhalten ("Schweißbereich" in Tabelle 6) und gute Klebeeigenschaften (Zusammenspiel aus "Bruchflächenanteil" und "Zugscherfestigkeit"; s.a. Abschnitt [0053]) belegen.

Dass bereits D1/D1a gute Schweiß- und Klebeeigenschaften aufweisen würde, hat die Einsprechende nicht geltend gemacht. Sie hat auch keine Belege dafür geliefert, dass die Aufgabe nicht erfolgreich gelöst worden wäre, beispielsweise in Form von Vergleichsversuchen.

Eine erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 kann anerkannt werden, da es weder in D1/D1a selbst noch im genannten Stand der Technik einen Hinweis darauf gibt, die gestellte Aufgabe in der beanspruchten Weise zu lösen. So mögen dort Ofenlängen offenbart sein, die in Zusammenschau mit D1/D1a zu Q-Werten im beanspruchten Bereich führen würden, aber die Fachperson findet keinen Anreiz dafür, diese Ofenlängen auch wirklich auszuwählen, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Da im Stand der Technik auch Ofenlängen offenbart werden, die für bestimmte Beispiele der D1/D1a nicht zu Q-Werten im beanspruchten Bereich führen (siehe Punkt 7.1), liegt entgegen der Auffassung der Einsprechenden auch keine "Einbahnstraßen-Situation" vor.

8.1.2 Da auch die Dokumente D2, D10 und D11 in Kombination keine Werte für die Parameter T, d, t und L offenbaren, die zu Q-Werten im beanspruchten Bereich führen, gilt das zu Punkt 8.1.1 Gesagte, gleichfalls ausgehend von einem dieser Dokumente.

8.1.3 Was zudem das Dokument D6a betrifft, wurde nicht bestritten, dass es die Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs nicht offenbart.

Wie oben unter Punkt 8.1.1 dargelegt, führt diese Zusammensetzung in Kombination mit der Wärmebehandlung zu einem verbesserten Korrosionsschutz.

Die Einsprechende hat nicht dargelegt, weshalb die Fachperson die beanspruchte Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzuges auswählen würde, um die gestellte Aufgabe erfolgreich zu lösen.

Auch die Kombination von D6a mit D13 führt letztlich nicht zum beanspruchten Gegenstand. D13 offenbart auf Seite 414 unter Punkt "3.1 Initial Coating Structure" zwei Arten von Überzügen, nämlich einen Al-Si Überzug ("Type 1") und einen Überzug aus reinem Aluminium ("Type 2"). Selbst wenn die Fachperson erkennen würde, dass die im die Seiten 414 und 415 überbrückenden Absatz genannte Zusammensetzung 88% Al, 9% Si und 3% Fe zur ersten Art des Überzugs gehört, so fehlt auch hier ein Hinweis, wieso spezifisch diese Zusammensetzung Vorteile aufweisen sollte und die hier gestellte Aufgabe lösen würde.

8.1.4 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Verfahrensanspruch 1 erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).

8.2 Produktanspruch 8

8.2.1 Was den Gegenstand des Produktanspruchs 8 betrifft, argumentiert die Einsprechende in einer ersten Argumentationslinie, dass dieser gegenüber D1/D1a, D2, D10, D11 und D6a schon deshalb nicht erfinderisch sein könne, da er aus dem nahegelegten Verfahren von Anspruch 1 resultiere.

Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, da der Gegenstand des unabhängigen Verfahrens­anspruchs 1 sehr wohl auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (siehe Punkt 8.1).

8.2.2 In einer weiteren Argumentationslinie argumentiert die Einsprechende, dass Produktanspruch 8 von Hilfsantrag 1 identisch sei mit dem unabhängigen Produktanspruch 11 des Hauptantrags. Da der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs des Hauptantrags naheliegend sei, müsse dies zwangsläufig auch für das aus diesem Verfahren resultierende Produkt gelten. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 8 von Hilfsantrag 1 schon im Hinblick darauf nicht erfinderisch.

Dies ist jedoch nicht zutreffend. Wie unter Punkt 7.2 dargelegt, ist die Zusammensetzung des Korrosions­schutz­überzugs in Verfahrensanspruch 1 des Hauptantrags nicht eingeschränkt. Es ist daher nicht gezeigt, dass jegliche Zusammensetzung zu den spezifischen Konzentrationen in den unterschiedlichen Schichten von Anspruch 11 des Hauptantrags führen würde. Dies gilt entsprechend auch für Anspruch 8 von Hilfsantrag 1.

Daher würde selbst ein Dokument, welches in naheliegender Weise zum Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags führt, nicht zwingend in naheliegender Weise zum Gegenstand von Produktanspruch 8 von Hilfsantrag 1 führen.

8.2.3 Daher beruht auch der Gegenstand von Produktanspruch 8 von Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

8.3 Aus den unter den Punkten 8.1 und 8.2 genannten Gründen beruht auch der Gegenstand der abhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit.

9. Deshalb sind die Ansprüche von Hilfsantrag 1 gewährbar.

10. Wesentlicher Verfahrensmangel und Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Patentinhaberinnen

Gemäß Regel 103(1)a) EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.

Im vorliegenden Fall berücksichtigte die Einspruchsabteilung die damaligen Hilfsanträge 2, 4 und 6 bis 10 nicht, und zwar aufgrund angeblich mangelnder Konvergenz hin zu einem nach vorläufiger Einschätzung gewährbaren Gegenstand (Punkt II.1.3.2 der angefochtenen Entscheidung).

Konvergenz wurde hier somit nicht im Vergleich zum jeweils höherrangigen Anspruchssatz untersucht, sondern im Vergleich zum nach der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten damaligen Hilfsantrag 11 ("ES 11"), welcher am 7. September 2023 eingereicht wurde (siehe Punkt 4.1 des Protokolls).

In der angefochtenen Entscheidung wird hierzu ausgeführt, dass "Änderungen ... im Verfahren nur insoweit berücksichtigt [wurden], wie diese eine Konvergenz, wahlweise hin zu dem nach vorläufiger Auffassung der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtetem Gegenstand aufwiesen" (Punkt II.1.3.2).

Dieser Logik folgend erachtete die Einspruchsabteilung, dass beispielsweise der damalige Hilfsantrag 2 (d.h. der am 7. September 2023 eingereichte Hilfsantrag mit der Bezeichnung "ES2") keine Weiterentwicklung hin zum gewährbaren Gegenstand darstelle und dass er daher nicht zulässig sei (s.s. Punkte 4.1 und 9 des korrigierten Protokolls der mündlichen Verhandlung).

Unbeschadet der Frage, ob und unter welchen Umständen das Konvergenzkriterium als einziges Kriterium bei der Überprüfung der Berücksichtigung von Hilfsanträgen ausreichend sein kann, wurde es im vorliegenden Verfahren jedenfalls fehlerhaft angewendet. Konvergenz ist nicht im Vergleich zu einer nach vorläufiger Meinung gewährbaren Fassung zu untersuchen, sondern im Vergleich zum jeweils höherrangigen Anspruchssatz. Im vorliegenden Fall schränkt aber der damalige Hilfsantrag 2 den Gegenstand des damaligen Hilfsantrags 1 weiter ein, wobei letzterer wiederum den Gegenstand der erteilten Fassung weiter einschränkt. Somit ist Konvergenz für den damaligen Hilfsantrag 2 entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung sehr wohl gegeben.

Dies bedeutet, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen insoweit in fehlerhafter Weise ausgeübt hat, als sie den damaligen Hilfsantrag 2 nicht berücksichtigt hat. Im Lichte der Rechtsprechung begründet eine willkürliche oder offensichtlich rechtswidrige Ausübung des Ermessens einen wesentlichen Verfahrensmangel (vgl. etwa R 13/21 (Gründe 4) mit weiteren Nachweisen).

Dieser Verfahrensmangel hat die Patentinhaberinnen daran gehindert, das Patent mit einem höherrangigen Hilfsantrag zu verteidigen, was den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens maßgeblich zu ihren Ungunsten beeinflusst haben könnte. Möglicherweise hätten sie bei Gewährung des höherrangigen damaligen Hilfsantrags 2 auch vom Einlegen einer Beschwerde absehen können.

Dieser wesentliche Verfahrensmangel gebietet nach Regel 103(1)a) EPÜ deshalb die vollständige Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Patentinhaberinnen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrages 1, eingereicht am 13. Oktober 2023, und einer anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

3. Die Beschwerdegebühr der Patentinhaberinnen wird zurückgezahlt.

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