T 1999/23 (Fothotermisches Messgerät/OPTISENSE) of 18.7.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T199923.20250718
Datum der Entscheidung: 18 Juli 2025
Aktenzeichen: T 1999/23
Anmeldenummer: 15164324.4
IPC-Klasse: G01B 21/08
G01N 25/72
G01B 11/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fotothermisches Messgerät sowie Verfahren zur fotothermischen Messung
Name des Anmelders: OptiSense GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Söldner, Tassilo
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 54(3)
Schlagwörter: Verbot der reformatio in peius - Hauptantrag (ja)
Auslegung der Ansprüche
Neuheit - (nein)
Neuheit - Hilfsanträge
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0001/99
G 0001/24
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1016/23
T 1465/23
T 1846/23
T 2027/23

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und des Einsprechenden (nachfolgend auch Beschwerdeführer) richteten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Streitpatent (EP 3 086 087) in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin,

- als Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, was der Aufrechterhaltung in erteilter Fassung entspricht,

- hilfsweise das Streitpatent auf Grundlage der Ansprüche eines der Hilfsanträge 1 bis 6, erneut eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten, wobei der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1 einem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde des Einsprechenden gleichkommt.

Mit seiner Beschwerdebegründung beantragte der Einsprechende,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent vollständig zu widerrufen.

Beide Beteiligten beantragten für den Fall, dass ihrem jeweiligen Hauptantrag nicht stattgegeben werden könne, hilfsweise eine mündliche Verhandlung.

III. Das folgende Dokument spielte im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eine Rolle und wird auch im Beschwerdeverfahren herangezogen:

| |

D23:|EP 2 975 360 A1|

IV. Die Kammer teilte den Beteiligten in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 2. Mai 2025, die gleichzeitig mit der Ladung zur antragsgemäß anberaumten mündlichen Verhandlung erlassen wurde, ihre vorläufige Auffassung mit, nach der mit einem Widerruf des Streitpatents zu rechnen sei.

V. Mit Schreiben vom 28. Mai 2025 und vom 6. Juni 2025 nahm die Patentinhaberin ihre Beschwerde und ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte eine entsprechende Erstattung der Beschwerdegebühr. Weiteres Vorbringen zu ihren Anträgen oder zur Sache gab es nicht.

VI. Die mündliche Verhandlung wurde abgesagt und die Beschwerdegebühr der Patentinhaberin zu 50% zurückgezahlt.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde des Einsprechenden

Die Beschwerde des Einsprechenden erfüllt die Voraussetzungen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 99 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Zurücknahme der Beschwerde der Patentinhaberin

Mit der Rücknahme ihrer Beschwerde wurde die Patentinhaberin gemäß Artikel 107 Satz 2 EPÜ zur Beteiligten im Beschwerdeverfahren und im Hinblick auf die anhängige Beschwerde des Einsprechenden zur Beschwerdegegnerin.

3. Entscheidung im schriftlichen Verfahren

Mit der Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2025 gab die Patentinhaberin zu erkennen, dass sie sich zur Verteidigung ihres Patents ausschließlich auf ihr schriftliches Vorbringen stützt. Da im Ergebnis dem Hauptantrag des Einsprechenden stattgegeben werden kann, kann die vorliegende Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.

4. Hauptantrag - Verschlechterungsverbot

4.1 Die Kammer geht zugunsten der im Ergebnis unterlegenen Beschwerdegegnerin davon aus, dass die Erklärung der Rücknahme ihrer Beschwerde nicht gleichzeitig auch die Erklärung der Rücknahme ihres Hauptantrags, d.h. die Zurückweisung des Einspruchs und Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung, bedeutete.

4.2 Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin ist jedoch unzulässig, da er gegen das Verbot der reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) verstößt.

4.3 Ist der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang so ist der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind (siehe G 9/92, Entscheidungsformel, Punkt 2).

Nach der Entscheidungsformel der Entscheidung G 1/99 ist ein geänderter Anspruch, der den alleinigen Beschwerdeführer schlechterstellen würde als ohne die Beschwerde, grundsätzlich zurückzuweisen.

4.4 Der Hauptantrag ist das Patent wie erteilt und geht somit über den Umfang des Hilfsantrags 1 hinaus, in dessen Fassung die Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung des Patents in Aussicht gestellt hat. Eine erfolgreiche Durchsetzung des Hauptantrags im Beschwerdeverfahren würde den Einsprechenden daher schlechterstellen, als wenn er keine Beschwerde eingelegt hätte.

4.5 Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot liegen nicht vor. Da der Hauptantrag im Vergleich zum Hilfsantrag 1 einen erweiterten Umfang aufweist, ist er weder sachdienlich noch erforderlich zur Verteidigung des Patents gegen die Beschwerde. Zudem ist der Hauptantrag nicht durch die Beschwerde veranlasst (vgl. G 9/92, Gründe Nr. 16), da die gegen den Hilfsantrag 1 gerichteten Einwände bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht und entschieden wurden.

4.6 Daher ist der Hauptantrag unzulässig.

5. Hilfsantrag 1 (Patent in geänderter Fassung wie von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet) - Auslegung des Anspruchswortlauts

5.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt (Merkmalsgliederung durch die Kammer):

M1.1|"Fotothermisches Messgerät, umfassend |

M1.2|wenigstens eine Anregungslichtquelle (4) zur Erwärmung einer Probe (5), einen Infrarot-Detektor (6) zur Detektion von Wärmestrahlung der erwärmten Probe (5) und einen Messkopf (3),|

M1.3|wobei der Messkopf (3) ein Linsensystem (9) zur Bündelung des Anregungslichtes auf der Probe (5) sowie zur Sammlung der von der Probe (5) ausgehenden Wärmestrahlung aufweist, |

M1.4|wobei das Linsensystem (9) einen Fokus (F) des Anregungslichtes bestimmt, |

M1.5|wobei das Linsensystem (9) und der Infrarot Detektor (6) eine Messfläche definieren, |

|dadurch gekennzeichnet, dass |

M1.6|die wenigstens eine Lichtquelle (4) eine Leuchtdiode ist, |

M1.7|wobei eine Anregungsfläche (12) 8 mm**(2) bis 200 mm**(2) beträgt, |

M1.8|wobei das fotothermische Messgerät ein Abstandsmessgerät umfasst." |

5.2 Merkmal M1.7 ist auszulegen. Es ist in allen unabhängigen Ansprüchen der Hilfsanträge 1 bis 6 enthalten.

5.3 Für sich genommen würde die Fachperson unter dem Begriff "Anregungsfläche" die Querschnittsfläche des Anregungslichts auf der Probe verstehen - unabhängig von der Entfernung zwischen Probe und fotothermischem Gerät. Ein gemäß M1.3 vorgesehenes Linsensystem zur Bündelung erzeugt eine im Wesentlichen kegelförmige Lichtverteilung. Deren Querschnittsfläche variiert mit dem Abstand zum Messkopf, ist im Fokus minimal und hat nach oben keine feste Begrenzung.

5.4 Diese Auslegung wird durch die Beschwerdegegnerin selbst gestützt: Auf Seite 24 ihrer Beschwerdebegründung führt sie im ersten Absatz aus, die Anregungsfläche werde durch den Abstand zwischen Messkopf und Probe mitbestimmt. Im vorletzten Absatz derselben Seite betont sie zudem, dass die Anregungsfläche aufgrund des divergierenden Strahlverlaufs in Figur 6 der Entgegenhaltung D3 "massiv abstandsabhängig" sei. Gleiches gilt auch für das im Anspruch definierte Messgerät.

5.5 Allerdings wird dieser für die Fachperson klare Begriff in Absatz [0008] der Beschreibung des Streitpatents in einschränkender Weise definiert: "Der Begriff 'Anregungsfläche' meint die Querschnittsfläche des Anregungslichts im Fokus." (Hervorhebung durch die Kammer)

5.6 Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung G 1/24 klargestellt, dass bei der Auslegung von Patentansprüchen die Beschreibung heranzuziehen ist, im Übrigen aber auf die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verwiesen.

Einer dieser Grundsätze lautet, dass eine einschränkende Begriffsdefinition in der Beschreibung nicht dazu verwendet werden darf, den ansonsten für die Fachperson eindeutig breiteren Anspruchsgegenstand einzuschränken (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, Juli 2022 - "RdBK" - II.A.6.3.4).

5.7 Dieser Grundsatz behält auch nach der Entscheidung G 1/24 Gültigkeit, da die Große Beschwerdekammer betont hat, dass die Auslegung bei den Patentansprüchen beginnt und auf ihnen beruht.

5.8 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin durch die inkonsistente Verwendung des Begriffs "Anregungsfläche" - einerseits im Anspruch ohne Einschränkung, andererseits in der Beschreibung mit fachunüblicher Einschränkung - eine Zweideutigkeit geschaffen.

Die Kammer sieht keinen sachlichen Grund, weshalb es einem Patentinhaber gestattet sein sollte, bei der Formulierung des Gegenstands, von dessen Nutzung Dritte ausgeschlossen werden sollen, von der fachlich etablierten Terminologie ohne erkennbare Rechtfertigung abzuweichen und hierauf nur in der Beschreibung hinzuweisen. Ein uneingeschränktes Recht hierzu würde die Rechtssicherheit untergraben. Zwar mag es im Einzelfall rechtfertigende sachliche Gründe geben. Im vorliegenden Fall ist ein solcher Grund für die Kammer jedoch nicht ersichtlich.

5.9 Im Ergebnis zeigt der Blick in die Beschreibung lediglich, dass in der Beschreibung eine begriffliche Abweichung von der fachüblichen Terminologie besteht, die sich im Anspruch nicht widerspiegelt. Diese Zweideutigkeit zulasten desjenigen aufzulösen, der sie ohne sachliche Notwendigkeit geschaffen hat, entspricht dem Prinzip der Rechtssicherheit sowie dem in der Entscheidung G 1/24 bekräftigten Vorrang der Patentansprüche.

5.10 Daher ist der Begriff "Anregungsfläche" im Anspruch im Sinne seiner fachüblichen Bedeutung als "Querschnittsfläche des Anregungslichtes unabhängig vom Abstand" und nicht eingeschränkt als "Querschnittsfläche des Anregungslichts im Fokus" zu verstehen.

6. Hilfsantrag 1 - Fehlende Neuheit gegenüber D23

6.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist nicht neu gegenüber dem fotothermischen Messgerät gemäß D23 im Sinne von Artikel 54 (1) und (3) EPÜ.

6.2 Der Anmeldetag des Streitpatents ist der 20. April 2015. Der Anmeldetag von D23 ist der 18. Juli 2014 und der Veröffentlichungstag ist der 20. Januar 2016. Der Anmeldetag des Streitpatents fällt zwischen den Anmelde- und Veröffentlichungstag von D23, welches eine europäische Patentanmeldung ist. Daher gehört Dokument D23 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ.

6.3 Der Vortrag des Beschwerdeführers in den Punkten 2.2.2.1 und 2.2.2.2 seiner Beschwerdebegründung, die sich auf den Hauptantrag beziehen, gilt ebenso für die identischen Merkmale M1.1 bis M1.7 des Hilfsantrags 1. Gemäß Punkt 3.2.1 der Beschwerdebegründung sieht der Beschwerdeführer auch das Merkmal M1.8 in D23 offenbart.

Die Beschwerdegegnerin wendet in Punkt 9.2, zweiter und dritter Absatz, ihrer Beschwerdebegründung ein, Leuchtdioden seien gemäß D23 nur als Alternative für die Laserdiode offenbart, siehe Absatz [0011]. Dokument D23 favorisiere die Laserdiode aufgrund ihrer höheren Leistung deutlich gegenüber den Leuchtdioden. Die Beschwerdegegnerin bestreitet also die Offenbarung des Merkmals M1.6 durch D23.

Außerdem fände sich, der Beschwerdegegnerin zufolge, in D23 weder ein Hinweis auf die Bewegungstoleranz, also die technische Aufgabe, noch auf die Lösung in Form der beanspruchten Anregungsfläche. Ein Wert der Anregungsfläche, und damit das Merkmal M1.7 des Hilfsantrags 1, seien in D23 also nirgends offenbart.

6.4 Die Kammer ist vom Vortrag des Beschwerdeführers überzeugt. Auch für sie ist die Offenbarung der Merkmale M1.1 bis M1.5 gegeben.

6.5 Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin in den Absätzen 2 und 3 des Punktes 9.2 auf Seite 32 ihrer Beschwerdebegründung, die "Favorisierung" von Laserdioden und ein angeblich fehlender Hinweis auf die subjektive Aufgabe, sind für die Frage der Neuheit bedeutungslos. Daher ist auch Merkmal M1.6 offenbart.

6.6 Wie in Punkt 5.3 dargelegt liegt die Anregungsfläche abhängig vom Abstand in einem Bereich, der die Größe des Fokus als untere Grenze hat und nach oben nicht beschränkt ist. Gemäß Punkt 5.10 ist der Anspruchsgegenstand nicht so auszulegen, dass die Anregungsfläche die Querschnittsfläche im Fokus ist, sondern in einem nicht vorgegebenen Abstand. Beim Messgerät gemäß D23 lässt sich durch Wahl eines geeigneten Abstandes jede Größe der Anregungsfläche erzeugen. Daher hat Merkmal M1.7 bei korrekter Auslegung keine einschränkenden Wirkung. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich also gegenüber dem Messgerät gemäß D23 nicht durch Merkmal M1.7.

6.7 Gleichermaßen bildet Merkmal M1.8 kein Unterscheidungsmerkmal bezüglich D23 (siehe zum Beispiel Absatz [0007], wie vom Beschwerdeführer auf Seite 19, Punkt 3.2.1 der Beschwerdebegründung vorgetragen).

6.8 Daher ist das fotothermische Messgerät gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber dem aus D23 bekannten Messgerät.

7. Hilfsantrag 2 - Fehlende Neuheit gegenüber D23

7.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist nicht neu gegenüber dem fotothermischen Messgerät gemäß D23.

7.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat die Merkmale M1.1 bis M1.8 des Hilfsantrags 1 und zusätzlich das Merkmal

M1.9|"wobei das Abstandsmessgerät in der Lage ist, automatisch Abstandsmessungen zwischen dem Messkopf (3) und der Probe (5) vorzunehmen".|

7.3 Der Vortrag des Beschwerdeführers in Punkt 4.2.1 der Beschwerdebegründung überzeugt die Kammer. In den Absätzen [0027] und [0029] der D23 ist Merkmal M1.9 offenbart. Die Beschwerdegegnerin bestreitet dies nicht, sondern argumentiert lediglich, Dokument D23 offenbare nicht Merkmal M1.7 (siehe Beschwerdeerwiderung vom 12. Juli 2024, Punkt 8). Dies ist aus den voranstehenden Gründen (siehe Entscheidungsgründe 5.) nicht zutreffend.

7.4 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht neu gegenüber D23.

8. Hilfsantrag 3 - Fehlende Neuheit gegenüber D23

8.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist nicht neu gegenüber dem fotothermischen Messgerät gemäß D23.

8.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hat die Merkmale M1.1 bis M1.9 des Hilfsantrags 2 und zusätzlich das Merkmal

M1.10|"so dass die fotothermische Messung zum richtigen Zeitpunkt ausgelöst wird".|

8.3 Ungeachtet der Frage der Deutlichkeit dieses Merkmals, ist die Kammer vom Vortrag des Beschwerdeführers in Punkt 5.2.1 der Beschwerdebegründung überzeugt. In den Absätzen [0021] und [0028] der D23 wird offenbart, dass eine fotothermische Messung automatisch ausgelöst wird, oder ein Bediener angewiesen wird, die Messung auszulösen, wenn der Abstand sich im Sollbereich befindet. Dies nimmt das Merkmal M1.10 bei konstruktiver Auslegung des Begriffs "zum richtigen Zeitpunkt" vorweg. Die Beschwerdegegnerin argumentiert lediglich, Dokument D23 offenbare nicht Merkmal M1.7 (siehe Beschwerdeerwiderung vom 12. Juli 2024, Punkt 9). Dies ist aus den voranstehenden Gründen (siehe Entscheidungsgründe 5.) nicht zutreffend.

8.4 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht neu gegenüber D23.

9. Hilfsantrag 4 - Fehlende Neuheit gegenüber D23

9.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist nicht neu gegenüber dem fotothermischen Messgerät gemäß D23.

9.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 hat die Merkmale M1.1 bis M1.10 des Hilfsantrags 3 und zusätzlich das Merkmal

M1.11|"wobei der Messkopf (3) zur Führung mit der Hand geeignet ist".|

9.3 Die Kammer ist vom Vortrag des Beschwerdeführers in Punkt 6.2.1 der Beschwerdebegründung überzeugt. In Absatz [0008] der D23 wird Merkmal M1.11 offenbart. Die Beschwerdegegnerin argumentiert wiederum lediglich, Dokument D23 offenbare nicht Merkmal M1.7 (siehe Beschwerdeerwiderung vom 12. Juli 2024, Punkt 10). Dies ist aus den voranstehenden Gründen (siehe Entscheidungsgründe 5.) nicht zutreffend.

9.4 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 nicht neu gegenüber D23.

10. Hilfsantrag 5 - Fehlende Neuheit gegenüber D23

10.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 ist nicht neu gegenüber dem fotothermischen Messgerät gemäß D23.

10.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 hat die Merkmale M1.1 bis M1.11 des Hilfsantrags 4 und zusätzlich das Merkmal

M1.12|"wobei die Intensität des Anregungslichtes in der Anregungsfläche (12) zwischen 1 mW/mm² und 100 mW/mm² liegt".|

10.3 Die Kammer ist vom Vortrag des Beschwerdeführers in Punkt 7.2.1 der Beschwerdebegründung überzeugt. In Absatz [0011] der D23 wird offenbart, dass die Ausgangsleistung im Bereich zwischen wenigstens 50 mW bis zu 450 mW liegt. Merkmal M1.7 schränkt den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 nicht ein. Es existieren Abstände, in denen die Anregungsfläche im beanspruchten Bereich von 8 bis 200 mm**(2)liegt. Es folgt aus der Lehre der Ausgangsleistung gemäß D23, dass in diesen Abständen eine Intensität vorliegt, die in den beanspruchten Bereich fällt. Der durch den Ausgangsleistungsbereich implizit offenbarte Intensitätsbereich überlappt nahezu vollständig mit dem beanspruchten Intensitätsbereich, bis auf Randpunkte bei der höchsten beanspruchten Anregungsfläche und der niedrigsten offenbarten Ausgangsleistung.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, es läge eine Auswahl aus mehrfachen Listen vor (Punkt 11, erster Absatz der Beschwerdeerwiderung vom 12. Juli 2024.), greift nicht. Die Fachperson muss lediglich prüfen, ob die Lehre der D23 zu einer Intensität im beanspruchten Bereich führt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin (loc. cit., zweiter Absatz) ist das Vorliegen einiger weniger Randpunkte, die nicht in diesen Bereich fallen, nicht schädlich. Die Offenbarung eines einzigen Werts, der in den beanspruchten Bereich fällt, wäre bereits neuheitsschädlich. Umso mehr ist dies bei nahezu vollständiger Überlappung mit dem beanspruchten Bereich der Fall.

10.4 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 nicht neu gegenüber D23.

11. Hilfsantrag 6 - Fehlende Neuheit gegenüber D23

11.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 ist nicht neu gegenüber dem fotothermischen Messgerät gemäß D23.

11.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 hat die Merkmale M1.1 bis M1.12 des Hilfsantrags 5 und zusätzlich das Merkmal

M1.13|"wobei das Linsensystem (9) eine Ringlinse (8) aufweist, welche eine erste Strahlachse definiert".|

11.3 Die Kammer ist vom Vortrag des Beschwerdeführers in Punkt 8.2.1 der Beschwerdebegründung überzeugt. In Absatz [0024] der D23 wird Merkmal M1.13 offenbart. Sphärische ringförmige Linsen definieren inhärent eine Strahlachse.

Die Beschwerdegegnerin verweist in Punkt 12, erster Absatz der Beschwerdeerwiderung vom 12. Juli 2024 lediglich auf die im Kontext der höherrangigen Hilfsanträge vorgetragenen Argumente, die aus den voranstehend genannten Gründen nicht greifen.

11.4 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 nicht neu gegenüber D23.

12. Das Patent ist zu widerrufen, da kein Anspruchssatz gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 gewährbar ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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