European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T105623.20250401 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 April 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1056/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09752277.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01D 39/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | FILTERMEDIUM ZUR PARTIKELFILTRATION | ||||||||
Name des Anmelders: | Carl Freudenberg KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Neenah Gessner GmbH Johns Manville Europe GmbH Low & Bonar B.V. |
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Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Hilfsantrag 1 (ja) Spät eingereichter Einwand - zugelassen (nein) Zurückverweisung an die erste Instanz Zurückverweisung - (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 und der Einsprechenden 2 betreffen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent No. 2 340 098 zurückzuweisen.
II. Folgende in der angefochtenen Entscheidung zitierten Dokumente sind hier von Relevanz
D1: NL 9401993 A
D1a: Englische Übersetzung der D1
D2: US 6 649 547 B1
D5: Hutten, Handbook of Nonwoven Filter Media, 2007,
Seiten 8, 74 bis 75, 78 bis 81, 94, 149, 152,
247 bis 253
D9: Verbakel, H; Colmelt®/ Colback®/ Colprop®, 1997
D12: EP 0 564 799 A2
D20: Dictionary of Fiber & Textile Technology, Seiten
94 und 95
D21: EP 1 236 494
D22: Textile Terms and Definitions, 1986, Seiten 96
und 238
D29': Wikipedia-Artikel Kabinenluftfilter (Version vom
28.06.2008)
D35b': Ergebnisse der Dickenmessung von S Bico PP/PE
III. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende 2 folgende Dokumente ein:
D41: Automotive Cabin Air Filtration, Polyester
Spunbond, 08/2008 & SpunFil**(TM) EasyPleat 06/2007,
Johns Manville Infoblatt
D41a: Erklärung von Hans-Jürgen Meitinger 8.8.2023
D41b: Preliminary Product Technical Data Sheet,
SpunFil**(®) EasyPleat, May 2007
D41c: Filtration - Automotive Cabin Air Filtration -
Polyester Spunbond, July 2008, Johns Manville
D41d1: Absatzstatistiken 047 075, August 2007 bis
September 2008
D41d2: Absatzstatistiken 047 100, 03.2007 bis 09.2008
D41e: Rechnung 22.02.2008 Johns Manville Spunbond 047
100 & 047 75
D41f: Produkt-Handbuch, Trägervlies J - 75g/m**(2),
02.11.07
IV. Die Einsprechende 1 reichte mit der Beschwerdebegründung unter anderem folgende Dokumente ein.
D42: A.F. Turbak, Nonwovens, 1993, Chapter 8, Seiten
171 bis 192
D43: Declaration Herr Raabe, 21. Juli 2023
D44: T. Batt, Doktorarbeit, Universität Stuttgart,
2015, Seiten I-VI, XIV, XV, 24-29, 211-213
D47: Colback**(®) 10/2009
D48: Colbond, Colback**(®)WA, PDS, September 2009
D49: Colbond, Colback**(®)Pro PWS, PDS, September 2009
D50a: Johns Manville, Polyester Nonwovens, Average
Physical Properties, Typ 568/90, Januar 2005
D50b: Johns Manville, Evalith**(®)568/90, Technische
Produktdaten, 18 Oktober 2017
D51: US 3,849,241 B1
D52: Declaration Hans Georg Geus, 11.08.2023
D53: Meltblowing, NC State University, März 2008
D54: Insight 2005, Reicofil**(®) Melt Blown
V. Die Patentinhaberin reichte mit der Beschwerdeerwiderung unter anderem folgendes Dokument ein.
D59: INDA Nonwoven Glossary, Seiten 22, 23, undatiert
VI. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) ist wie folgt.
"1. Filtermedium, umfassend eine Trägerlage (1) und eine auf dieser aufgebrachte Mikrofaserlage (2), wobei die Mikrofaserlage (2) zweite Fasern aufweist, die als endlose Meltblownfasern ausgestaltet sind, wobei die Trägerlage
(1) erste Fasern aufweist, die als endlose Bikomponentenfasern und Spinnvliesfasern ausgestaltet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Trägerlage (1) eine Dicke von 0,6 bis 2,0 mm aufweist und dass die Trägerlage (1) eine Porosität von mindestens 70 %, bevorzugt von mindestens 80 %, und dass die Mikrofaserlage (2) eine Porosität von mindestens 70 %, bevorzugt größer 80 %, aufweist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthält demgegenüber die nachfolgend hervorgehobenen Änderungen.
"1. Filtermedium, [deleted: umfassend eine ]bestehend aus einer Trägerlage (1) [deleted: und eine ], einer auf diese aufgebrachte Mikrofaserlage (2) und optional einer Adsorptionslage (3), welche das Filtermedium
als Kombifilter ausrüstet, wobei die Mikrofaserlage (2) zweite Fasern aufweist [...]."
Ansprüche 2 bis 13 beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1.
VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden 1 und 2 können wie folgt zusammengefasst werden.
D1/D1a nehme die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrags wie auch des Hilfsantrags 1 vorweg. Das auf Seite 13 der D1a gezeigte Ausführungsbeispiel offenbare zwar nicht explizit endlose Meltblownfasern, jedoch sei es implizit, wie durch mehrere Dokumente belegt, dass Meltblownfasern endlos seien. Die Dicke der Trägerlage sei in D1/D1a gemäß der DIN 53855 gemessen worden. D35b' belege, dass die Dickenmessung eine Unschärfe aufweise, sodass der in D1/D1a angegebene gemessene Wert von 0,5 mm nicht vom untersten Wert 0,6 mm des in Anspruch 1 angegebenen Bereichs unterschieden werden könne. Eine der die Meltblown Membran umgebenden Schichten des Ausführungsbeispiels aus D1 könne als Adsorptionsschicht angesehen werden, auch angesichts des Anspruchs 10 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1.
Auch D21 nehme die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrags vorweg.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- sowie des Hilfsantrags 1 beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es lägen keine Versuchsbeispiele gegenüber D1a vor, die zeigen würden, dass irgendein unerwarteter technischer Effekt gegenüber dem in D1a offenbarten Filtermedium erreicht würde. Die Beispiele im Patent seien dafür nicht geeignet, da die Referenz keine Meltblownschicht enthalte. Die Aufgabe sei also nur ein alternatives Filtermedium bereitzustellen, das gegebenenfalls Gerüche beseitigen könne. Die Lösung dieser Aufgabe sei nahegelegt, insbesondere auchangesichts der D29'.
Die Einwände unter Artikel 123(2) und (3) EPÜ seien auf prima facie Relevanz zu prüfen und gegebenenfalls in das Verfahren zuzulassen.
Die Einspruchsabteilung habe die Hilfsanträge noch nicht behandelt; deshalb sei der Fall zurückzuverweisen, falls die Beschwerdekammer zu der vorläufigen Meinung gelange, dass die Erfordernisse der Artikel 54 und 56 EPÜ erfüllt seien.
VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin, soweit sie sich nicht schon in den unten angegebenen Entscheidungsgründen widerspiegeln, können wie folgt zusammengefasst werden.
Die Ausführungsbeispiele des Patents zeigten, dass ein Filtermedium, das eine Trägerlage und eine Mikrofaserlage mit den Merkmalen von Anspruch 1 des Hauptantrags aufweise, die in Absatz [0006] angegebene Aufgabe löse. Angesichts der Lehre des Patents und der Ausführungsbeispiele könne eine Fachperson die Aufgabe lösen. Ausführungsformen, die die Aufgabe nicht lösten, würden schlicht nicht berücksichtigt werden. Auch sei es nicht naheliegend, sowohl die Dicke der Trägerlage als auch die Art der Meltblownfasern gleichzeitig zu ändern.
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2025 waren die Anträge wie folgt.
Die Einsprechenden 1 und 2 beantragten die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Sie beantragten zudem die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung, falls einer der Anträge den Erfordernissen der Artikel 54/56 EPÜ genüge.
Die Patentinhaberin beantragte die Beschwerden zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in geänderter Fassung aufrecht zu erhalten auf Basis einer der Hilfsanträge 1 bis 20, eingereicht am 25. Juli 2019 im Einspruchsverfahren oder auf Basis der Hilfsanträge 21 bis 23, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag (Patent wie erteilt)
1. Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ
Artikel 54 EPÜ steht aus folgenden Gründen der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
1.1 D1/D1a offenbart ein Ausführungsbeispiel (D1a: Seite 13). Es war zwischen den Parteien strittig, ob die dortigen Meltblownfasern endlos sind und ob die Dicke von 500 mym der Trägerphase als Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Anspruch 1 gelten kann.
D1/D1a ist aus dem Jahr 1996. Es ist eindeutig, dass D1/D1a zwischen Fasern ("fibers", "vezels") und Filamenten ("filaments", "filamenten") unterscheidet. Im explizit offenbarten Beispiel (D1: S.8; D1a: S.13) wird eine PP meltblown Membran enthaltend Fasern offenbart, die auf beiden Seiten von einer Membran, enthaltend PP/PP Bikomponenten Filamente, mit einer Dicke von 0,5 mm, gemessen gemäß DIN 53855, umgeben ist. Dieses Filtermedium ist besonders als Kabinenfilter geeignet.
Filamente sind unbestritten endlos (siehe z.B. D22 und D59), wohingegen dies für Fasern nicht zwingend der Fall ist. Unbeschadet der Frage, ob die Dokumente, die die Einsprechende 1 mit der Beschwerdebegründung eingereicht hat, als Teil des Beschwerdeverfahrens anzusehen sind (Art. 12(4) und (6) VOBK), stellt sich die Frage, ob im Jahr 1996 Meltblownfasern zwingend endlos waren. Falls dem so wäre, wäre das Merkmal der endlosen Meltblownfasern in D1/D1a verwirklicht und kein Unterscheidungsmerkmal.
Obwohl Herr Geus in D52 argumentiert, dass eine Meltblownfaseranlage immer endlose (kontinuierliche) Meltblownfasern aufweist und dazu auch auf D53 und D54 verweist, gibt es auch Dokumente, die diese Eindeutigkeit für das Jahr 1996 in Zweifel ziehen. So offenbart z.B. die von Herrn Geus erwähnte D51, dass auch Membranen mit nicht endlosen Fasern und sehr feinen sogenannten Shots hergestellt werden konnten (Spalte 2, letzte Zeile bis Spalte 3, Zeile 8). D5 (Seite 79, Kapitel 3.4, Punkt (k)) offenbart basierend auf D42, dass Meltblownfasern kontinuierlich sind, jedoch offenbart D42 ebenso, dass die Verfahrensbedingungen entscheidend sind (Seite 184, erster Absatz). Herr Raabe behauptet in D43, dass prozessbedingt die Meltblownfertigung sich durch die Erzeugung von Endlosfasern auszeichnet und eine Faserkürzung in Form von Filamentbrüchen bei der Einhaltung üblicher Prozessbedingungen nicht zu erwarten ist. D1/D1a enthält keinerlei Angaben zu den Prozessbedingungen, die zur Herstellung der Meltblownfasern benutzt wurden. Auch D44 aus dem Jahr 2015, das den Stand der Technik zusammenfasst, offenbart, dass Meltblowfasern in der Regel endlos sind. Ob diese Regel auch für D1/D1a gilt, lässt sich anhand der fehlenden Prozessbedingungen nicht feststellen. Zudem offenbart auch D20 ("Dictionary of Fiber and Textile Technology"), dass Meltblownfasern kurz sein können.
Aus all diesen Dokumenten ergibt sich, dass Meltblownfasern zum Prioritätszeitpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit endlos waren, dies im Einzelfall jedoch auch anders sein konnte. Da die Relevanz eines Dokumentes für die Frage der Neuheit nicht aufgrund von Wahrscheinlichkeiten bestimmt wird (T 464/94, Gründe 16), ist mangels unmittelbarer und eindeutiger Offenbarung die endlose Meltblownfaser als Unterscheidungsmerkmal gegenüber D1/D1a anzusehen.
Zudem offenbart D1/D1a nicht, dass die Trägerlage eine Dicke von 0,6 bis 2,0 mm aufweist. Die einzige Angabe in D1/D1a zur Dicke der Schicht enthaltend die Bikomponentenfilamente ist im vorher erwähnten Beispiel vorhanden (0,5 mm). Obwohl der untere Wert von 0,6 mm in Anspruch 1 des Patents eine gewisse Unschärfe beinhaltet, wie diese Kammer in der Entscheidung T 691/20 erwähnt hat (Gründe 1.9), gibt es keinen Beleg dafür, dass der in D1 angegebene, mit der DIN 53855 gemessene Wert, bei einer Messung mit anderen Methoden zu Werten innerhalb des Wertebereichs von 0,6 bis 2,0 mm führen würde. Die Ergebnisse aus D35b' sind nicht mit dem gleichen Bikomponentenmaterial wie das Ausführungsbeispiel aus D1/D1a (PP/PE vs. PP/PP) sowie mit einer unterschiedlichen Dicke durchgeführt worden und lassen somit keine eindeutige Schlussfolgerung, die für die Frage der Neuheit jedoch erforderlich ist, bezüglich der Variabilität zu.
Unbeschadet der Frage, ob ein Material mit einem Flächengewicht von 100 g/m**(2),**()das im bevorzugten Bereich der allgemeinen Beschreibung ist, jedoch nicht explizit offenbart ist, (D1: Seite 4, Zeilen 28 und 29; D1a: Seite 5, letzte Zeile bis Seite 6, erste Zeile),**()zwingend eine Dicke von 1 mm bedeuten würde, stellt ein Ausführungsbeispiel eine jeweils in sich abgeschlossene, spezielle Ausführungsform dar, die nur eine spezifische Kombination von Einzelkomponenten in ganz bestimmten Mengenverhältnissen offenbart (T 210/05, Gründe 2.3). Diese kann nicht beliebig mit der Beschreibung kombiniert oder alterniert werden.
1.2 Auch D21 nimmt die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 nicht vorweg. Zumindest eine Trägerlage, die Fasern aufweist, die als endlose Bikomponentenfasern und Spinnvliesfasern ausgestaltet sind und eine Dicke von 0,6 bis 2,0 mm aufweist, ist nicht in D21 offenbart. Absatz [0025] erwähnt zwar endlose Spinnvliesfasern, jedoch nicht als Bikomponentenfasern. Zudem ist keine Dicke des dort bezeichneten "single tier" angegeben. Die in Anspruch 4 der D21 angegebene Dicke (> 0,5 bis < 2,5 mm) ist nicht für eine Lage enthaltend Fasern, die als endlose Bikomponentenfasern und Spinnvliesfasern ausgestaltet sind, offenbart.
1.3 Die Bedingungen des Artikels 54 EPÜ sind somit erfüllt.
2. Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ
2.1 Die Erfindung betrifft ein Filtermedium, umfassend eine Trägerlage und eine auf dieser aufgebrachte Mikrofaserlage.
2.2 D1/D1a ist unbestritten ein geeigneter Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit. Ein explizites Ausführungsbeispiel ist, wie oben angegeben, offenbart (D1: S.8; D1a: S.13).
2.3 Die gemäß Patent zu lösende Aufgabe besteht darin, ein Filtermedium anzugeben, welches einen relativ geringen Druckverlust bei einem guten Fraktionsabscheidegrad und einem sehr guten Staubspeichervermögen zeigt (Absatz [0006]).
2.4 Es wird vorgeschlagen, die Aufgabe durch ein Filtermedium gemäß Anspruch zu lösen, dadurch gekennzeichnet, dass die Mikrofaserlage zweite Fasern aufweist, die als endlose Meltblownfasern ausgestaltet sind und die Trägerlage eine Dicke von 0,6 bis 2,0 mm aufweist.
2.5 Die im Patent vorhandenen Daten zeigen, dass die im Patent formulierte Aufgabe für ein zweilagiges Material gelöst wird, jedoch ist Anspruch 1 angesichts der offenen Formulierung ("umfassend") nicht auf ein solches Material beschränkt. Auch beschreibt D1/D1a, wie von der Einspruchsabteilung unter Punkt 3.3. der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde, dass die Filter aus D1/D1a eine gute Filtrationskapazität haben. Die gute Festigkeit und Durchlässigkeit ist auch für das Ausführungsbeispiel auf Seite 13 gezeigt. Die im Patent angegebene Aufgabe wird somit bereits in D1/D1a gelöst und es ist nicht glaubhaft, dass die im Patent vorgebrachten Ergebnisse, v.a. die betreffend den Druckverlust, zwingend für viellagige Filtermedien gelten würden. Da es sich, wie von der Patentinhaberin argumentiert, um ein Multiparameterproblem handelt, kann nicht von vorneherein angenommen werden, dass eine zusätzliche Lage technisch sinnlos sei, da eine solche möglicherweise das Staubspeichervermögen verbessert. Das Argument, dass die Fachperson nur solche Filter vorsehen würde, die die Aufgabe lösen, spiegelt sich nicht in den Merkmalen des Anspruchs wider und ist somit nicht überzeugend.
Obwohl D1/D1a selbst keine Ergebnisse zeigt, ist, wie erwähnt, das Ziel vergleichbar mit dem Ziel des vorliegenden Patents (D1: Seite 2, letzter Absatz; D1a: Seite 3, erster Absatz). Da die im Patent gezeigten Ergebnisse nicht glaubhaft für die gesamte beanspruchte Breite des Anspruchs 1 gelten, kann nicht geschlussfolgert werden, dass eine Verbesserung gegenüber D1/D1a über die gesamte Breite des Anspruchs 1 erzielt werden kann.
Deshalb muss die Aufgabe umformuliert werden und kann, im Einklang mit der Einspruchsabteilung (Punkt 3.3 der angefochtenen Entscheidung), darin gesehen werden, ein alternatives Filtermedium bereitzustellen.
2.6 Die Lösung dieser nicht sehr ambitionierten Aufgabe ist aus folgenden Gründen naheliegend.
Es ist unbestritten, dass durch das Meltblown-Verfahren auch kontinuierliche Fasern erzeugt werden können (siehe z.B. D2; Spalte 4, Zeilen 1 bis 7 oder D5, Seite 79). Das Meltblown-Verfahren so zu wählen, dass auch kontinuierliche Fasern erhalten werden und diese dann im Filtermedium aus D1/D1a einzusetzen, ist naheliegend. Ein Gemisch von kurzen wie auch kontinuierlichen Meltblownfasern, das unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fällt, ist somit eine naheliegende Alternative zu den in D1/D1a offenbarten Fasern.
D1/D1a offenbart ein einziges Ausführungsbeispiel in dem die Dicke der Trägerlage mit 0,5 mm vor dem Kalandrieren angegeben ist. Es ist eindeutig, dass die Lehre der D1/D1a nicht auf diese Dicke eingeschränkt ist, ebenso wenig wie sie auf das im Beispiel 1 angegebene Flächengewicht eingeschränkt ist. Eine Dicke von 0,6 mm, die ja nur um etwa 20% vom Ausführungsbeispiel abweicht, ist eine naheliegende Alternative. Es sei noch angemerkt, dass für den Fall, dass die Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer Alternative besteht, keine Motivation der Fachperson vorliegen muss (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, I.D.9.21.9. a)). Zudem kann eine willkürliche Auswahl aus einer Reihe von Möglichkeiten nicht erfinderisch sein (T 939/92, Gründe 2.5.3).
Aus diesem Grund überzeugt die Argumentation der Einspruchsabteilung, die Fachperson würde die Trägerschicht nicht verstärken, um keine Druckverluste zu erhöhen, nicht. Einerseits repräsentiert das eine Beispiel nicht die gesamte Lehre der Druckschrift, so dass die Fachperson nicht von dieser Lehre abweichen müsste, sondern vielmehr innerhalb des Rahmens der Lehre nach geeigneten Schichtdicken suchen und unter anderem auch zu einer Dicke von 0,6 mm kommen würde. Andererseits bedarf es zur Auswahl aus mehreren sich bietenden Alternativen keiner besonderen Motivation, so dass es - wenn nicht ein deutliches Weglehren vorliegt - nicht auf die Frage ankommt, ob die Fachperson die Erhöhung von Steifigkeit und Filterkapazität oder doch die Verringerung der Druckverluste priorisieren würde.
2.7 Deshalb ist die Kammer, im Gegensatz zur Einspruchsabteilung, zur Einschätzung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.
Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
Hilfsantrag 1
Anspruch 1 dieses Antrags wurde dahingehend eingeschränkt, dass das Filtermedium nun nur noch aus einer Trägerlage, einer Mikrofaserlage und optional einer Adsorptionslage besteht, welche das Filtermedium
als Kombifilter ausrüstet.
3. Artikel 54 EPÜ
Die Bedingungen des Artikels 54 EPÜ sind weiterhin erfüllt.
Die für den Hauptantrag festgestellten Unterscheidungsmerkmale gelten weiterhin.
Zudem unterscheidet sich das Filtermedium jetzt zusätzlich vom Ausführungsbeispiel der D1/D1a dadurch, dass es entweder nur zweilagig ist, oder als dritte Lage eine Adsorptionslage enthält. Das in D1/D1a gezeigte Ausführungsbeispiel enthält zwar auch nur drei Lagen, jedoch kann die Nonwoven-Membran aus PP/PP Kern-Mantel-Bikomponentenfilamenten nicht als Adsorptionslage angesehen werden. Es stimmt, dass Anspruch 10 vorsieht, dass die Adsorptionslage eine Vliesstofflage aufweist, die elektrostatisch geladen ist, jedoch würde die Fachperson erkennen, dass zusätzlich ein Adsorbens vorhanden sein muss, damit diese Lage als Adsorptionslage gelten kann, die das Filtermedium als Kombifilter ausrüstet. Die Adsorptionslage und der Kombifilter bedingen, dass chemische Substanzen adsorbiert werden können. Eine solche Eigenschaft kann einer herkömmlichen Vliesstofflage nicht zugesprochen werden. Dieses Verständnis ist auch im Einklang mit der Offenbarung in Absatz [0024] des Patents, wo angegeben ist, dass durch die Adsorptionslage unangenehme Gerüche adsorbiert werden können.
Somit gibt es drei Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem Ausführungsbeispiel der D1/D1a.
4. Artikel 56 EPÜ
4.1 Die Frage, ob jetzt das Erzielen eines technischen Effekts gegenüber D1/D1a anerkannt werden kann, kann dahingestellt bleiben, da selbst unter der für die Patentinhaberin unvorteilhaften Annahme, dass die Aufgabe weiterhin nur in der Bereitstellung eines alternativen Filtermediums gesehen werden kann, die vorgeschlagene Lösung aus den untenstehenden Gründen nicht nahegelegt ist.
4.2 Die Bereitstellung einer Alternative bedeutet, dass ein gleichwertiges Filtermedium zu dem in D1/D1a gezeigten erhalten werden muss, das demzufolge auch als Kabinenfilter geeignet ist. D1/D1a offenbart nicht viele Eigenschaften des Filters, jedoch wird explizit die Luftdurchlässigkeit sowie die Festigkeit angegeben, sodass diese als besonders wichtig angenommen werden können, um einen geeigneten Kabinenluftfilter bereit zu stellen.
D1/D1a thematisiert die Adsorption von Substanzen in keiner Weise. Die Fachperson erkennt möglicherweise aus D29', dass Kabinenluftfilter vorteilhaft als Kombifilter ausgestaltet sind, jedoch beruht die Annahme, dass die Fachperson diese Lehre in der Weise auf D1/D1a anwenden würde, dass einer der Lagen bestehend aus der Nonwoven-Membran aus PP/PP Kern-Mantel-Bikomponentenfilamenten einfach Aktivkohle hinzugefügt würde, auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Die gewünschte Festigkeit wird im Ausführungsbeispiel D1/D1a durch das Vorhandensein der zwei Lagen bestehend aus der Nonwoven-Membran aus PP/PP Kern-Mantel-Bikomponentenfilamenten erreicht. Dies wird auch auf Seite 7, Zeilen 18 bis 21 der D1a erwähnt. Dort wird in keiner Weise darauf hingewiesen, dass eine dieser Schichten einfach durch eine Aktivkohle enthaltende Schicht ersetzt werden könnte, ohne die dort erwähnten für den Kabinenluftfilter wichtigen Eigenschaften zu beeinträchtigen. Vielmehr lehrt D29', dass ein Kombifilter eine zusätzliche Schicht enthält, sodass die Fachperson eine solche zu dem aus D1/D1a bekannten Filter hinzufügen würde.
Auch würde die Fachperson nicht einfach aus dem in D1/D1a offenbarten Ausführungsbeispiel eine Schicht weglassen. Wie im vorherigen Absatz erwähnt, offenbart D1a (Seite 7, Zeilen 18 bis 21) die Vorteile der zwei Schichten bestehend aus der Nonwoven-Membran aus PP/PP Kern-Mantel-Bikomponentenfilamenten. Das Weglassen einer dieser Schichten würde die Festigkeit, die als sehr wesentlich für die Kabinenluftfilter dargestellt wird, beeinträchtigen, sodass das Weglassen einer Schicht nicht zu einer geeigneten Alternative führen würde und somit nicht als Möglichkeit zur Lösung der Aufgabe berücksichtigt würde.
D2 betrifft ein Laminatmaterial beinhaltend zwei Spinnvliese und eine Mikrofaserschicht. Es enthält somit drei Lagen, wobei jedoch keine Adsorptionslage vorhanden ist, und kann deshalb nicht als Kombifilter im Sinne des Anspruchs angesehen werden. Eine Adsorptionsschicht wird in D2 ebenso wenig gelehrt wie das Weglassen einer Schicht im Ausführungsbeispiel aus D1/D1a.
D9 beschreibt generell, dass Colback**(®) und Colprop**(®) Filtermedien für den Einsatz in Kombifiltern geeignet sind. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, das Ausführungsbeispiel aus D1/D1a so abzuändern, dass es unter den Anspruchswortlaut fällt.
D12 betrifft einen dreischichtigen Filter, der jedoch keine Adsorptionslage offenbart. Somit legt das Dokument auch nicht ein zweilagiges oder dreilagiges Filtermedium enthaltend eine Adsorptionslage nahe.
D21 offenbart die Möglichkeit einer zusätzlichen Kohleschicht (Seite 4, Zeile 25), jedoch würde die Fachperson basierend auf dieser Lehre in D1/D1a, aus den oben angegebenen Gründen, eine Zusatzschicht vorsehen.
Unbeschadet der Frage, ob D41 bis D41f sowie D47 bis D50b als Teil des Beschwerdeverfahrens anzusehen sind (Artikel 12(4) und (6) VOBK), offenbaren die Dokumente lediglich, dass Spinnvliese aus endlosen Bikomponentenfasern mit einer Dicke im beanspruchten Bereich am Anmeldetag des Patents möglicherweise bekannt waren. Eine Lehre, eine Schicht in D1/D1a wegzulassen, oder in eine Adsorptionsschicht umzuwandeln enthalten sie nicht.
Das gegenüber dem Hauptantrag eingefügte zusätzliche Unterscheidungsmerkmal begründet somit eine erfinderische Tätigkeit gegenüber D1/D1a als nächstliegendem Stand der Technik.
4.3 D21 wurde von den Einsprechenden als weiterer möglicher nächstliegender Stand der Technik zitiert. Dieser Einwand war Teil der Einspruchsschrift der Einsprechenden 2 und es gibt keinen Hinweis, dass dieser Einwand im Einspruchsverfahren zurückgenommen wurde. Das in Figur 1 gezeigte zweilagige Filtermedium offenbart keine Trägerlage mit Fasern, die als endlose Bikomponentenfasern und Spinnvliesfasern ausgestaltet sind. Das in Figur 3 gezeigte dreilagige Material enthält keine Adsorptionslage (Absatz [0085]). Obwohl D21 auch Kabinenfilter offenbart, gibt es im Gegensatz zu D1/D1a kein explizites Ausführungsbeispiel, dem eine Geeignetheit für solche Anwendungsgebiete und demzufolge auch ein relativ geringer Druckverlust bei einem guten Fraktionsabscheidegrad und einem sehr guten Staubspeichervermögen zugesprochen werden können (Absatz [0006]). Deshalb ist ausgehend von D21 die im Patent angegebene Aufgabe (siehe oben Punkt 2.3) zugleich als objektive Aufgabe anzusehen. Es ist glaubhaft, dass durch die Wahl der Trägerlage die Aufgabe gelöst wird.
Die Aufgabe muss also nicht umformuliert werden.
Obwohl solche endlosen Bikomponentenfasern bekannt waren, gibt es in keinem der Dokumente D2, D9, D13 sowie D47 bis D49, unabhängig von der Frage, ob letztere Teil des Beschwerdeverfahren sind, eine Lehre und somit einen Hinweis, dass diese Materialien in Kombination mit einer Lage, die endlose Meltblownfasern beinhaltet, von Vorteil sind, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ansprüche 2 bis 13 beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1 und enthalten dessen Gegenstand. Demzufolge sind die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
Der Hilfsantrag 1 ist somit gewährbar.
5. Artikel 13(2) VOBK
Im Schreiben vom 16. Januar 2025 brachte die Einsprechende 2 als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer unter Artikel 15(1) VOBK Einwände unter Artikel 123(2), (3) und 84 EPÜ vor, die bis dahin im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gegen den Hilfsantrag 1 geltend gemacht worden waren.
Dies stellt also unstrittig eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar.
Gemäß Artikel 13(2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung einer Mitteilung nach Artikel 15 Absatz 1 grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, stichhaltige Gründe dafür werden aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu, da weder solche Gründe aufgezeigt wurden, noch außergewöhnliche Umstände erkennbar sind. Diese Einwände hätten in einer zeitnahen Replik auf die Beschwerdeerwiderung eingereicht werden müssen (T 2843/19, Gründe 3.3).
Selbst wenn wie in T 574/17 angesichts der G 10/91 (Gründe 19) die prima facie Relevanz des Einwands unter Artikel 123(2) EPÜ geprüft würde, so kann diese im vorliegenden Fall nicht bejaht werden, wobei die Kammer auch der in T 574/17 (Gründe 2.3.8) gemachten Bemerkung zustimmt, dass aus dem obiter dictum in G 10/91 keine Verpflichtung der Kammer hergeleitet werden kann, in jedem Verfahrensstadium zu überprüfen, ob die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt sind.
Anspruch 1 basiert auf den Ansprüchen 1, 7, 9, 10 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Aus den Beispielen ist ersichtlich, dass ein zweilagiges oder dreilagiges Filtermedium bevorzugt ist. Deshalb kann prima facie kein Verstoß gegenüber Artikel 123(2) EPÜ erkannt werden.
Der Einwand unter Artikel 84 wurde nur vorsorglich, für einen Fall, der nicht eingetreten ist, vorgebracht.
Der Einwand unter Artikel 123(3) EPÜ ist ebenfalls prima facie nicht durchgreifend, da Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des erteilten Patents durch das Einfügen von "bestehend aus" deutlich eingeschränkt und nicht zugleich erweitert wurde. Die Ansprüche 2 bis 13 enthalten den Gegenstand des Anspruchs 1.
Demzufolge sind die Einwände unter Artikel 123(2) und (3) sowie 84 EPÜ gegenüber Hilfsantrag 1 nicht Teil des Beschwerdeverfahrens.
6. Zurückverweisung (Artikel 11 VOBK)
Die Kammer sieht keinen Grund, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, da der Hilfsantrag 1 keine neuen Fragen aufwirft, die nicht bereits Teil der angefochtenen Entscheidung waren (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10.Auflage, 2022, V.A.9.6.1). Es bleibt also bei der Grundregel des Artikel 11 VOBK, für deren Anwendung im vorliegenden Verfahren auch der Umstand spricht, dass es sich bereits um das zweite Beschwerdeverfahren in dieser Sache handelt und ein endgültiger Abschluss des Verfahrens daher in besonderer Weise geboten ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten auf der Basis der Ansprüche 1-13 des Hilfsantrags 1 und einer anzupassenden Beschreibung.