European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T069120.20220217 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 17 Februar 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0691/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09752277.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01D 39/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | FILTERMEDIUM ZUR PARTIKELFILTRATION | ||||||||
Name des Anmelders: | Carl Freudenberg KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Neenah Gessner GmbH Johns Manville Europe GmbH Low & Bonar B.V. |
||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein) Rechtliches Gehör - wesentlicher Verfahrensmangel (nein) Zurückverweisung - (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Januar 2020, das europäische Patent EP 2 340 098 B1 zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung fand, dass der Einspruchsgrund unter Artikel 100(b) EPÜ für alle Anträge durchgreife, da die Fachperson aus der Offenbarung in dem Patent nicht wisse, welches Messverfahren verwendet werden sollte, um den beanspruchten Dickenparameter festzulegen, und welche Messbedingungen für ein beliebiges ausgewähltes Verfahren verwendet werden könnten.
II. Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"1. Filtermedium, umfassend eine Trägerlage (1) und eine auf dieser aufgebrachte Mikrofaserlage (2), wobei die Mikrofaserlage (2) zweite Fasern aufweist, die als endlose Meltblownfasern ausgestaltet sind, wobei die Trägerlage (1) erste Fasern aufweist, die als endlose Bikomponentenfasern und Spinnvliesfasern ausgestaltet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Trägerlage (1) eine Dicke von 0,6 bis 2,0 mm aufweist und dass die Trägerlage (1) eine Porosität von mindestens 70 %, bevorzugt von mindestens 80 %, und dass die Mikrofaserlage (2) eine Porosität von mindestens 70 %, bevorzugt größer 80 %, aufweist."
Die Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen und beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1.
III. Die folgenden in der Entscheidung zitierten Dokumente sind hier von Relevanz:
E5: Hutten I.M., Handbook of Nonwoven Filter Media,
2007, Seiten 8, 74-75, 78-81, 94, 149, 152,
247-253
E14: Fuchs, H, Albrecht W., Vliesstoffe, 2012, Seiten
376, 658
E24: Standard Test Method for Thickness of Nonwoven
Fabrics, ASTM Designation: D 5729-97
E25: Edana Nonwovens Standard Procedures, Standard
Procedure: NWSP 120.1.R0 (15)
E26: Measurement of thickness of S Bico PP/PE, S PP/PE,
S Bico S/S PP/PE und KB5
E27: Thickness measurement of KB5 before and after
calendering
E34: Prüfverfahren für Vliesstoffe, DIN EN ISO 9073-2
E37: Messung der Dicke von Vliesstoffen (Patentinhaber)
IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin Hilfsanträge 1 bis 20 ein.
V. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) überarbeitete Dokumente E26, E27, E35 und E35b als E26', E27', E35' und E35b' ein.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 17. Februar 2022 statt.
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin betreffend Artikel 100(b) EPÜ reflektieren sich in der unten angegebenen Beschwerdebegründung. Zudem argumentierte sie, dass die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angebracht sei, da ihr Vortrag vor der Einspruchsabteilung keinen Niederschlag in der angefochtenen Entscheidung gefunden habe.
VIII. Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechenden 1 und 2) argumentierten im Wesentlichen wie folgt:
E26, E27, E35 und E35b hätten von der Einspruchsabteilung in das Verfahren zugelassen werden müssen, ansonsten seien E26', E27', E35' und E35b' zuzulassen. Die Unschärfe in der Bestimmung der Dicke der Trägerlage sei so groß, dass sie den gesamten beanspruchten Bereich durchdringe und somit zur mangelnden Ausführbarkeit führe. Die Entscheidungen T 575/05, T 2387/09, T 422/11 sowie T 626/14 beträfen auch breite Bereiche und seien somit einschlägig. Die Trägerlage könne eine voluminöse Vliesstofflage sein. Die Fachperson würde verschiedene Normen und somit auch unterschiedliche Prüfdrücke für die Messung der Dicke der Trägerlage in Betracht ziehen. Dem Patent könne keine Information über die Druck- und Kompressionsfestigkeit der Trägerlage bei der Dickenmessung entnommen werden. Eine visuelle Kontrolle der Dickenbestimmung sei nicht möglich, ein Standardverfahren dazu existiere nicht.
Auch gebe es keinerlei Angaben, wie die erfindungswesentliche Porosität der einzelnen Lagen in einem integralen Verbund zu messen bzw. zu bestimmen sei.
Rasterelektronenmikroskopie sei nicht geeignet, die Dicke von Vliesstoffen zu bestimmen.
IX. Die weitere Beteiligte (Einsprechende 3) nahm ihren Einspruch am 22. Juni 2020 zurück.
X. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt sie, das Patent in geänderter Fassung aufrecht zu erhalten, basierend auf einem der Hilfsanträge 1 bis 20, eingereicht mit der Beschwerdebegründung. Zur Prüfung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit beantragt sie, das Verfahren gegebenenfalls an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Darüber hinaus beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 beantragen die Beschwerde zurückzuweisen. Zudem wird dem Antrag der Beschwerdeführerin, die Sache gegebenenfalls an die Einspruchsabteilung zurückzuweisen, zugestimmt.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 100(b) EPÜ
1.1 Der Einspruchsgrund unter Artikel 100(b) EPÜ greift durch, wenn das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass eine Fachperson sie ausführen kann.
Die ausreichende Offenbarung wird auf der Grundlage der Anmeldung insgesamt, einschließlich der Entgegenhaltungen, deren Inbezugnahme berücksichtigt werden kann, beurteilt. Darüber hinaus kann die Fachperson das allgemeine Fachwissen nutzen, um die in der Anmeldung enthaltenen Informationen zu ergänzen. Das allgemeine Fachwissen wird als Enzyklopädien, Handbücher, Lehrbücher oder Lexika definiert (T 1253/04, Gründe 10, mit Verweis auf T 14/83, T 267/91, T 206/83, T 766/91 und T 234/93).
1.2 Die Erfindung wird durch Anspruch 1 definiert und betrifft ein Filtermedium. Dieses eignet sich für Verwendungen in Kraftfahrzeugen, insbesondere zur Herstellung von Autoinnenraumfiltern (Absatz [0032]).
1.3 Die entscheidende Frage ist, ob die Fachperson in die Lage versetzt wird, ein Filtermedium gemäß Anspruch 1 herzustellen.
Das Filtermedium umfasst eine Trägerlage und eine auf dieser aufgebrachte Mikrofaserlage. Die Dicke der Trägerlage soll 0,6 bis 2,0 mm sein und die Porosität sowohl der Mikrofaserlage als auch der Trägerlage soll mindestens 70% betragen. Die Dicke sowie die Porosität beziehen sich also auf die einzelnen Lagen im Endprodukt Filtermedium, das keinem Druck ausgesetzt ist. Die Trägerlage wird in den Absätzen [0014] bis [0017], [0019], [0020] und [0022], die Mikrofaserlage in den Absätzen [0016], [0018] und [0021] beschrieben. Im Absatz [0026] wird erwähnt, dass die Trägerlage und die Mikrofaserlage entweder durch punktförmige Stege kalandriert und/oder miteinander ultraschallgeschweisst werden.
Die Fachperson weiß demzufolge wie die einzelnen Schichten herzustellen sind und wie sie miteinander verbunden werden können. Jedoch enthält das Patent keine Angaben darüber, wie die Dicke der Trägerlage, sowie die Porosität der beiden Lagen individuell sowie im Produkt bestimmt werden können. Es ist der Fachperson jedoch bekannt und es geht aus den Eingaben der Parteien (z.B. E5 (Seite 247), E14, E24, E25 und E34) hervor, dass mehrere Methoden für die Bestimmung der Dicke von Vliesstoffen existieren.
1.4 Auch wenn keine der Methoden im Patent explizit erwähnt wird, so ist die Methode in der E34 doch eine geeignete Norm, die die Fachperson, die versucht beim Lesen des Patents, die Erfindung zu verstehen, in Betracht gezogen hätte, vor allem auch deshalb, weil auch für andere Bestimmungen DIN EN ISO Normen verwendet wurden (siehe Absätze [0023], [0051], [0054], [0056], [0059], [0061] sowie [0063]). Die Fachperson erkennt, dass für den Dickenbereich von 0,6 bis 2 mm die Verfahren A und B der E34 prinzipiell geeignet sind. Das Verfahren A gilt für normale Vliesstoffe, während das Verfahren B für voluminöse Vliesstoffe geeignet ist, also solche die bei Änderung des aufgebrachten Druckes von 0,1 kPa auf 0,5 kPa um mindestens 20% zusammendrückbar sind (Punkt 3.1 der E34). Angesichts der Tatsache, dass die Dicke für eine Trägerlage eines Filtermediums zu bestimmen ist, ist das Verfahren A der Fachperson das nächstliegende. Selbst wenn die zu testende Lage sich als voluminös gemäß E34 herausstellen würde, so würde die Fachperson für jenes Material die gleiche Norm und dort dann das Verfahren B verwenden. Falls die Fachperson für solche voluminösen Vliesstoffe eine andere Norm auswählen würde, würde auch dort ein geringer Druck angelegt.
1.5 Es ergibt sich aus E14 und E24 und ist der Fachperson auch bekannt, dass sich die gemessene Dicke mit dem angelegten Druck verändern kann. Das Ziel der Druckanlage ist es auch, wiederholbare Ergebnisse zu erhalten, da abstehende Fasern die Dickenmessung beeinflussen können und eine vorherige Glättung durch Druck eine bessere Reproduzierbarkeit ermöglicht. Jedoch sollte der Druck nicht so gewählt sein, dass die Filterlage komprimiert wird.
1.6 Die von der damaligen Einsprechenden 3 am 2. Oktober 2018 eingereichten Versuche, deren genaue Durchführung nicht beschrieben ist, sodass unklar ist, ob die Messungen unter Druck stattfanden wie in E34 angegeben (siehe 9.1.4 und 9.1.5) oder kurze Zeit nach Anlegung des Maximaldrucks (siehe E24: Punkt 9.5 und E25: Punkt 8.4), sind deshalb nur bedingt aussagekräftig, da ein Teil dieser Versuche bei sehr hohem Druck (874 kPa, 158 kPa, 20 kPa) und sehr kleiner Probengröße (0,01 cm**(2), 0,32 cm**(2), 0,64 cm**(2)) durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der verbleibenden Versuche unterscheiden sich nicht so wesentlich, vor allem wenn berücksichtigt wird, dass der in Anspruch 1 vorhandene Bereich für die Dicke von 0,6 bis 2 mm reicht und diese Versuche nur Materialien betreffen, die ein Flächengewicht von 120 g/m**(2) aufweisen.
1.7 Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versuche E37 zeigen, dass ausgehend von den aus dem Verfahren 1 aus E34 bekannten Druck (0,5 kPa) und einer Probengröße von 25 cm**(2) eine Erhöhung des Drucks bei Reduktion der Fläche (1,25 kPa/10 cm**(2)) keinen großen Unterschied in der Dickenmessung zur Folge hat. Dabei ist erwartungsgemäß der Unterschied größer bei dem Material mit dem geringeren Flächengewicht.
1.8 Es kann dahingestellt bleiben, ob die Versuche E26, E26', E27, E27', E35, E35', E35b sowie E35b' als Teil des Verfahrens anzusehen sind, da sie letztlich nur zeigen, dass die Messung der Dicke vom Druck und dem Flächengewicht abhängt, wobei der Einfluss des Druckes bei geringerem Flächengewicht des getesteten Materials größer ist. Zudem sind auch hier einige der gewählten Drücke (z.B. 100kPa sowie 10 kPa) wohl eher unrealistisch hoch.
1.9 Es ergibt sich somit, dass die Bestimmung der Dicke der Trägerlage allein vor allem im unteren beanspruchten Bereich von 0,6 mm sowie in dem unteren Bereich des anvisierten Flächengewichts von 40 bis 200 g/m**(2)(Absatz [0022]) mit einer gewissen Unschärfe behaftet ist, die jedoch nicht im selben Maße den gesamten breiten Anspruch 1 betrifft. Da die Reindichte des Materials sowie das Flächengewicht bekannt sind und die Dicke mit einer gewissen Unschärfe bestimmt werden kann, kann auch die Porosität der Trägerschicht berechnet werden.
1.10 Aus der Figur 2b, die eine rasterelektronen-mikroskopische Aufnahme eines flächigen Filtermediums zeigt, ergibt sich, dass die Trägerlage 1' weit dicker ausgebildet ist, als die Mikrofaserlage 2'. Zudem erkennt die Fachperson aus Figur 2a, die ebenfalls eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines erfindungsgemäßen Filtermediums zeigt, dass das Überlappen der Fasern bezogen auf die Dicke der Trägerschicht minimal ist. Selbst wenn akzeptiert wird, dass Rasterelektronenmikroskopie sowie andere optische Methoden angesichts der Probenvorbereitung nicht dazu geeignet sind, die Dicke in dem relativ großen Bereich von 0.6 bis 2 mm absolut zu bestimmen, so erlauben es diese der Fachperson wohl bekannten Methoden jedoch, relative Aussagen zur Dicke von unterschiedlichen Schichten zu machen. Zudem lässt sich überprüfen, ob der Übergang von einer Schicht zur nächsten so undeutlich ist, dass er einen schwerwiegenden Einfluss auf die Dicke des Trägermaterials hat.
1.11 Die Fachperson kann also die gewünschte Mikrofaserlage herstellen (Absätze [0016], [0018] und [0021]) und mit der Trägerschicht verbinden (Absatz [0026]). Die Dicke dieses Filtermediums kann bestimmt werden. Obwohl Absätze [0045] und [0049] Bezug nehmen auf die Dicke des zweilagigen Filtermediums, wird auch an der Stelle keine Methode zur Bestimmung der Dicke angegeben. Da jedoch, wie oben dargelegt, die Dicke der Trägerschicht mit einer gewissen Ungenauigkeit bestimmt werden kann, wird die Fachperson mit der gleichen Methode die Dicke des zweilagigen Filtermediums bestimmen und kann daraus die Dicke der Mikrofaserlage abschätzen, was es wiederum erlaubt, die Porosität zu bestimmen.
1.12 Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit Dokument E37, aus dem hervorgeht, dass sowohl die Dicke der Trägerlage (Materialien A und B) als auch die Dicke der Trägerlage plus Mikrofaserlage (Materialien AM und BM) bestimmt werden können.
1.13 Zusammenfassend ist die Kammer der Meinung, dass die Fachperson die einzelnen Lagen herstellen kann, sie durch ein im Patent beschriebenes Verfahren zusammenfügen kann und somit zu einem Filtermedium gemäß Anspruch 1 gelangen kann. Eine wesentliche Veränderung der Eigenschaften der einzelnen Lagen durch deren Zusammenfügen ist nicht gezeigt oder zu erwarten und es gibt auch keine Hinweise dafür.
1.14 Die von den Beschwerdegegnerinnen zitierten Entscheidungen sind nicht einschlägig, da sie im Hinblick auf ein anderes Fachgebiet ergingen und keine Filter betreffen. Zudem betrifft T 575/05 vor allem den unteren Endpunkt von 0,3 mm, und gibt nicht an, wieso das dort festgestellte Problem über den gesamten Bereich auftreten soll. T 422/11 betrifft ebenfalls das Gebiet der T 575/05, und im Gegensatz zum vorliegenden Fall, wo mehrere Methoden geeignet sind die Dicke zu bestimmen, ist dort keine Methode geeignet die Dichte zu bestimmen (Gründe 1.19). T 2387/09 ist wiederum aus dem gleichen Gebiet wie die vorherigen Entscheidungen, wobei die dortige Kammer in der fallspezifischen Sache die durch die unterschiedlichen Methoden hervorgerufenen Abweichungen für so gravierend erachtete, dass sie den gesamten beanspruchten Bereich beträfen. Das gilt auch für T 626/14. Aus all diesen Umständen ergibt sich, dass die Sache vorliegend anders gelagert ist.
1.15 Die Schlussfolgerung steht auch im Einklang mit der etablierten Rechtsprechung betreffend unklare Parameter, die basierend auf der Entscheidung T 608/07 in T 593/09 weiterentwickelt wurde und in T 2403/11 Anwendung fand. Der dort erwähnte und von der Beschwerdegegnerin 1 zitierte Vier-Stufen-Test (T 2403/11, Gründe 2.2, mit Verweis auf T 593/09, Gründe 2.1. to 3.7) würde auf der vierten Stufe zum Resultat führen, dass die mögliche Unklarheit betreffend die exakte Bestimmung der Dicke der Trägerlage nicht so groß ist, dass keine Filtermedien mehr bereitgestellt werden können, die das Ziel der Erfindung erreichen. Vor allem sind die dort angegebenen Variationen von mehreren Größenordnungen (Gründe 2.7) hier, bei Anwendung von realistischen Drücken, wie sie die Fachperson - im Willen das Patent zu verstehen und ohne Begierde es misszuverstehen - wählen würde, nicht verwirklicht. Auch kann im vorliegenden Fall noch mit ausreichender Sicherheit überprüft werden, ob das Ziel der Erfindung, wie es in Absatz [0006] formuliert ist, erreicht wurde.
1.16 Dadurch, dass die Dicke und die Porosität nicht eindeutig und zweifelsfrei definiert sind, ergibt sich ein Auslegungsproblem des Anspruchs 1, dem bei der Diskussion der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit durch eine weite Auslegung der enthaltenen Bereichsangaben Rechnung zu tragen ist. Diese Bereiche sind dann tangiert, wenn Messungen mit irgendeiner der mehreren geeigneten Methoden Dicken oder Porositäten im beanspruchten Bereich ergeben. Jedoch kommt angesichts der Gesamtoffenbarung des Patents die Kammer zum Schluss, dass dieses Klarheitsproblem die Ausführbarkeit nicht in Frage stellen kann.
1.17 Deshalb greift der Einspruchsgrund unter Artikel 100(b) nicht durch.
2. Artikel 113(1) EPÜ
Die Beschwerdeführerin beanstandet die mangelnde Begründung der Entscheidung und sieht deshalb ihr rechtliches Gehör als verletzt an. Deshalb wird eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr beantragt.
Eine mangelhafte Begründung kann dann zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen, wenn entweder erkennbar ist oder aufgrund der Auslassungen nicht ausschließbar zu befürchten ist, dass der Spruchkörper wesentliche Argumente einer Partei bei der Entscheidung nicht vor Augen oder gar bewusst ignoriert hatte und daher in seine zur Entscheidung führenden Erwägungen nicht einbezogen hat.
Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin dahingehend überein, dass die Begründung der Einspruchsabteilung sehr kurz und dürftig ist und möglicherweise einige Punkte nicht explizit angesprochen worden sind. Dies scheint jedoch nicht an der Nichtberücksichtigung von Argumenten zu liegen, sondern vielmehr an der etwas oberflächlichen Auseinandersetzung mit den in der angefochtenen Entscheidung zitierten Entscheidungen (Gründe 3.1.7), die zu der Fehlbeurteilung führte, dass diese so einschlägig seien, dass die nicht eindeutige Angabe eines Messverfahrens eines Parameters (hier der Dicke der Trägerlage) und damit einhergehende Schwankungen bei den Ergebnissen zwingend zu einer solch großen Unklarheit führten, dass auch die Ausführbarkeit nicht gegeben sei.
Diese Beurteilung teilt die Kammer nicht, wie oben angegeben, jedoch sieht sie darin keinen schwerwiegenden Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung, der eine vollständige Rückerstattung der Beschwerdegebühr begründen würde, sondern lediglich eine fehlerhafte rechtliche Einschätzung.
Dass die Einspruchsabteilung die Argumente der Beschwerdeführerin vor Augen hatte, sie nur aufgrund Überbetonung der unter 3.1.7 genannten Rechtsprechung offenbar bei ihrer knappen Begründung unter 3.1.6 und 3.2 nicht für durchschlagend hielt, ergibt sich auch aus den Punkten 3.1. und 3.1.4 der Entscheidung.
3. Artikel 111(1) EPÜ
Die Beschwerde ist also begründet und die angefochtene Entscheidung dementsprechend aufzuheben. Die Kammer ist aus folgenden Gründen der Meinung, dass besondere Gründe für eine Zurückverweisung nach Artikel 11 VOBK 2020 sprechen.
3.1 Wenn der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ der einzige in der angefochtenen Entscheidung abgehandelte Einspruchsgrund darstellt und die weitergehenden Einwände unter dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise adressiert wurden, so liegt nichts vor, was die Kammer auf seine Richtigkeit hin beurteilen könnte. Es ist jedoch, wie nunmehr in Artikel 12 (2) VOBK 2020 ausdrücklich niedergelegt, vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Dem widerspräche es, über Einspruchsgründe, die nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren, im Beschwerdeverfahren erstmals abschließend und keiner weiteren inhaltlichen Überprüfung zugänglich zu entscheiden. Siehe T 1487/18, Gründe 4.
3.2 Zudem stimmen im vorliegenden Fall alle beteiligten Parteien einer Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung ausdrücklich zu.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.