T 0445/23 (Staubsaugerfilterbeutel/EUROFILTERS) of 10.3.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T044523.20250310
Datum der Entscheidung: 10 März 2025
Aktenzeichen: T 0445/23
Anmeldenummer: 17710017.9
IPC-Klasse: A47L 9/14
B01D 39/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: STAUBSAUGERFILTERBEUTEL AUS RECYCLIERTEN KUNSTSTOFFEN
Name des Anmelders: Eurofilters N.V.
Name des Einsprechenden: Wolf PVG GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/93
T 0270/22
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 3 429 451 B1 zu widerrufen.

II. Unter anderem war das folgende Dokument Gegenstand im Einspruchsverfahren:

D8|DIN EN 15347, "Kunststoffe - Kunststoff-Rezyklate - Charakterisierung vonKunststoffabfällen; Deutsche Fassung EN 15347:2007", Februar 2008, 1-9|

III. Die Einspruchsabteilung war unter anderem zum Schluss gekommen, dass der mit Schriftsatz vom 9. September 2022 eingereichte Hilfsantrag 2 nicht die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ erfüllt (Punkte II.13 bis II.15 der angefochtenen Entscheidung).

IV. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens machte die Beschwerdeführerin diesen Antrag zu ihrem Hauptantrag. Dessen unabhängige Ansprüche lauten (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung durchgestrichen):

"1. Staubsaugerfilterbeutel, umfassend einen Innenraum umschließende Wandung aus einem luftdurchlässigen Material sowie eine in die Wandung eingebrachte Einlassöffnung,

dadurch gekennzeichnet, dass das luftdurchlässige Material mindestens eine Lage eines Vliesstoffes und/oder eine Lage aus einem Faservlies umfasst, der bzw. das Fasern umfasst oder hieraus besteht, die einen recyclierten Kunststoff oder mehrere recyclierte Kunststoffe beinhalten oder aus einem recyclierten Kunststoff oder mehreren recyclierten Kunststoffen [deleted: gemäß der Norm DIN EN 15347:2007] gebildet sind."

"14. Verwendung von recyclierten Kunststoffen [deleted: gemäß der Norm DIN EN 15347:2007] zur Herstellung von Vliesstoffen und/oder Faservliesen für Staubsaugerfilterbeutel."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.

V. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Beschwerde­führerin werden wie folgt zusammengefasst:

Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ.

VI. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Einsprechenden (Beschwerdegegnerin) werden wie folgt zusammengefasst:

Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ nicht.

VII. Die Patentinhaberin beantragt unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Basis:

- des Hauptantrages, mit Schriftsatz vom 9. September 2022 eingereicht als Hilfsantrag 2;

- des mit Schriftsatz vom 9. September 2022 eingereichten Hilfsantrages 3;

- des während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrags 3A;

oder

- eines der mit Schriftsatz vom 9. September 2022 eingereichten Hilfsanträge 4 bis 24.

Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragt, die Beschwerde zurückweisen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Artikel 123(2) EPÜ

Die Beschwerdegegnerin hatte keine Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ.

Da das umstrittene Merkmal "gemäß der Norm DIN EN 15347:2007" (i.e. D8), welches im Erteilungsverfahren in den erteilten unabhängigen Ansprüchen hinzugefügt worden war, wieder gestrichen worden ist, sind die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ erfüllt.

2. Artikel 123(3) EPÜ

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass das Streichen des Merkmals "gemäß der Norm DIN EN 15347:2007" in den Ansprüchen 1 und 14 den Schutzumfang im Vergleich zur erteilten Fassung erweitere, da es technische Relevanz besitze. So unterscheide die Norm D8 zwischen normgemäßen und nicht-normgemäßen Kunst­stoffen und schränke daher den Fundus der zur Verfügung stehenden Kunststoffe ein.

Das überzeugt nicht.

Nach G 1/93 ist es statthaft, ein nicht offenbartes Merkmal ohne jegliche technische Bedeutung aus einem Anspruch zu streichen, ohne dass gegen Artikel 123(3) EPÜ verstoßen wird. Punkt 4 der Entscheidungsgründe hält fest: "Strittig dürfte auch nicht die in der Sache T 231/89 vertretene Auffassung sein, dass ein hinzugefügtes, nicht offenbartes Merkmal ohne jegliche technische Bedeutung aus einem Anspruch gestrichen werden kann, ohne dass gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen wird".

Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu, da die Norm D8 (siehe Punkt 1 auf Seite 5) lediglich ein "Schema für die Charakterisierung von Kunststoff­abfällen" (Hervorhebung durch die Kammer) liefert, also eine Art Etikettierung des Ausgangsmaterials für die Herstellung der Fasern.

Dagegen stellt die Norm ausdrücklich keine Anforderungen an die Kunststoff-Rezyklate selbst (siehe die "Anmerkung" in Punkt 1 auf Seite 5 von D8).

So sind auch die von D8 "geforderten Daten" bzw. "freiwilligen Daten" für Kunststoffabfälle (ebd. sowie die Tabellen 1 und 2 auf Seite 7) keine technischen Merkmale des recyclierten Kunstoffes bzw. der recyclierten Kunststoffe an sich. Nach dieser Norm kann ein Kunststoffabfall außerdem auch mit dem Etikett "Nicht klassifiziert" bzw. "Keine Informationen" versehen werden (siehe den ersten Absatz von Punkt 4.2 oder auch die "Anmerkung" in Tabelle 1). Nirgends in D8 wird somit vorgeschrieben, dass bestimmte Kunststoffabfälle nicht verwendet werden dürfen.

Selbst die mögliche Beeinträchtigung durch Verunreinigungen (letzter Absatz der Einleitung auf Seite 4) stellt keinen Ausschluss von Kunststoffabfällen dar.

Das in die erteilte Fassung eingefügte Merkmal impliziert höchstens, dass es sich bei dem Ausgangsstoff für den recyclierten Kunststoff um Kunststoffabfall bzw -abfälle handelt. Dies ist aber auch nach dem Streichen des Merkmals der Fall, da sich Anspruch 1 immer noch auf recyclierte(n) Kunststoff(e) bezieht. Wenn Kunststoff recycliert werden soll, ist er zwingend "Kunststoffabfall", denn nur Abfall kann recycliert werden kann.

Insofern stellt das Merkmal keine weitere Einschränkung des Fundus der verwendbaren Kunststoffabfälle dar und kann gestrichen werden, ohne Artikel 123(3) EPÜ zu verletzen (ebenso T 270/22, Gründe 3.2).

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Fasern nach Anspruch 1 aus einem oder mehreren recyclierten Kunststoffen "gebildet" sind (und diese nicht nur "umfassen"). Es ist in der Tat unerheblich, ob die Fasern aus einem Kunststoff mit dem technisch unerheblichen Merkmal gebildet sind oder diesen Kunststoff nur umfassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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