European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T002723.20250205 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Februar 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0027/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10798738.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12C 7/22 C12C 7/26 C12C 13/00 C12C 7/06 F28D 20/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUM RÜCKGEWINNEN VON ENERGIE | ||||||||
Name des Anmelders: | Krones AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BrauKon GmbH ZIEMANN HOLVRIEKA GmbH |
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Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Angefochtene Entscheidung - begründet (nein) Rechtliches Gehör - wesentlicher Verfahrensmangel (ja) Zurückverweisung - (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 2 richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, nach der das europäische Patent Nr. 2 516 614 (das "Streitpatent") in geänderter Fassung auf der Grundlage der am 21. Juli 2022 eingereichten Beschreibungsseiten 1 bis 15, der Ansprüche 1 bis 15 gemäß Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 1b mit Schreiben vom 30. August 2018) und der Blätter 1/5 bis 5/5 der Zeichnungen gemäß Streitpatent, und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Es wurden zwei Einsprüche unter Berufung auf Artikel 100 a) und b) EPÜ gegen das Streitpatent eingelegt.
III. Eine erste Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung wurde von der Patentinhaberin und der Einsprechenden 2 angefochten.
IV. Mit der Entscheidung T 357/18 hob die Kammer, in einer anderen Zusammensetzung, diese erste Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung auf und verwies die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurück, das Streitpatent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 15 gemäß Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 1b mit Schreiben vom 30. August 2018) und einer daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.
V. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022 reichte die Patentinhaberin die Beschreibungsseiten 1 bis 15 vor der Einspruchsabteilung ein.
VI. Mit Schreiben vom 8. August 2022 nahm die Einsprechende 2 zu den von der Patentinhaberin eingereichten Beschreibungsseiten 1 bis 15 Stellung und beantragte, das Streitpatent auf Basis der vorliegenden Unterlagen nicht aufrechtzuerhalten, sondern den Antrag der Patentinhaberin zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte die Einsprechende 2 eine mündliche Verhandlung.
VII. Mit Zwischenentscheidung vom 26. Oktober 2022 hielt die Einspruchsabteilung, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, das Streitpatent unter anderem auf der Grundlage der am 21. Juli 2022 von der Patentinhaberin eingereichten Beschreibungsseiten 1 bis 15 aufrecht. Gegen diese Zwischenentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden 2.
VIII. Mit der Mitteilung vom 23. Dezember 2022 wies die Einspruchsabteilung darauf hin, dass sie die Eingabe der Einsprechenden 2 vom 8. August 2022 übersehen und daher diese Eingabe bei der Entscheidung nicht berücksichtigt hatte.
IX. In ihrem Beschwerdevorbringen und in einem weiteren Schriftsatz vertrat die Einsprechende 2 ("Beschwerdeführerin") unter anderem die Auffassung, dass die Einspruchsabteilung ihre oben genannte Eingabe vom 8. August 2022 übersehen habe. Ihre Argumente seien in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt worden, was zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geführt habe. Diese Verletzung stelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, der die Erstattung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
X. In ihrer Beschwerdeerwiderung vertrat die Patentinhaberin ("Beschwerdegegnerin") die Auffassung, dass die Beschwerde unzulässig und unbegründet sei.
XI. Die Parteien wurden antragsgemäß zu einer mündlichen Verhandlung geladen.
XII. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erging eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK. In dieser Mitteilung äußerte die Kammer unter anderem die vorläufige Auffassung, dass die Beschwerde zulässig sei, und dass ein Verstoß gegen Artikel 113 (1) und Regel 111 (2) EPÜ vorlag. Außerdem beabsichtigte die Kammer, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen, und die Beschwerdegebühr nach Regel 103 (1) a) EPÜ zu erstatten. Die Kammer war zudem der vorläufigen Auffassung, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zweckdienlich war. Aus diesem Grund forderte sie die Parteien auf, zur Mitteilung der Kammer Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob sie ihren Antrag auf eine mündliche Verhandlung aufrechterhielten.
XIII. Mit darauffolgenden Schriftsätzen zogen beide Parteien ihre Anträge auf eine mündliche Verhandlung zurück. Die vorläufige Auffassung der Kammer wurde nicht bestritten.
XIV. Mit darauffolgender Mitteilung hob die Kammer den Termin zur mündlichen Verhandlung auf.
XV. Anträge
Die abschließenden Anträge der Parteien, die für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lauteten wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents. Sie beantragte ferner die Hilfsanträge 1 und 2 der Patentinhaberin nicht zuzulassen und die Beschwerdegebühr zu erstatten.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Hilfsweise beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde. Weiter hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Beschreibungsseiten gemäß einem der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2. Weiter hilfsweise beantragte die Beschwerdegegnerin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung.
Die Einsprechende 1, Verfahrensbeteiligte gemäß Artikel 107, Satz 2, EPÜ, reichte keine schriftliche Stellungnahme oder Anträge ein.
XVI. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Ausführungen der Parteien wird auf die nachstehende Begründung der Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit der Beschwerde - Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ
1. Die Beschwerdegegnerin bezog sich auf den in der Beschwerdebegründung enthaltenen Verweis der Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen vor der Einspruchsabteilung. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern könne der Verweis auf das eigene Vorbringen in der ersten Instanz die explizite Angabe der rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Beschwerde nicht ersetzen, siehe zum Beispiel T 450/13. Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, dass sich die Beschwerde lediglich in Behauptungen zu Widersprüchlichkeiten zwischen den Ansprüchen und der vorliegenden Beschreibung erschöpfe, ohne dies im Einzelnen zu begründen. Die Beschwerde sei somit als unzulässig zu verwerfen.
2. Diese Argumente überzeugen die Kammer nicht.
2.1 Nach Artikel 108 Satz 3 EPÜ ist die Beschwerde nach Maßgabe der Ausführungsordnung (Regel 99 (2) EPÜ) zu begründen. Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, dass die angefochtene Entscheidung fehlerhaft sei, dann muss die Kammer aus der Beschwerdebegründung ohne eigene Ermittlungen unmittelbar ersehen können, warum die Entscheidung fehlerhaft sein soll und auf welche Tatsachen die Beschwerdeführerin ihre Argumente stützt.
2.2 Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die angefochtene Entscheidung ihre Eingabe vom 8. August 2022, mit der sie die von der Beschwerdegegnerin eingereichte geänderte Fassung der Beschreibung beanstandet habe, nicht berücksichtigt habe. Es liege somit ein schwerwiegender Verfahrensfehler vor.
2.3 Die Kammer stellt fest, dass, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, die mangelnde Berücksichtigung der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 8. August 2022 von der Einspruchsabteilung selbst eingeräumt wurde (siehe die Mitteilung der Einspruchsabteilung vom 23. Dezember 2022). In dieser Mitteilung wies die Einspruchsabteilung sogar explizit darauf hin, dass die geänderte Fassung der Beschreibung nur durch eine Beschwerde beanstandet werden könne.
2.4 Die Kammer kann daher aus der Beschwerdebegründung unmittelbar ersehen, warum nach Ansicht der Beschwerdeführerin die angefochtene Entscheidung fehlerhaft ist. Allein aus diesem Grund ist die Beschwerde zulässig.
2.5 Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Beschwerdebegründung zudem mit der Begründung der Einspruchsabteilung auseinandersetzen. Eine solche Auseinandersetzung war im vorliegenden Fall gar nicht möglich, weil die Einspruchsabteilung, aus den oben genannten Gründen, nicht begründet hat, warum die Argumente der Beschwerdeführerin gegen die geänderte Fassung der Beschreibung nicht überzeugend seien.
2.6 Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 450/13 betrifft einen anderen Sachverhalt. In diesem Fall hatte die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung 83 neue Dokumente eingereicht und drei offenkundigen Vorbenutzungen geltend gemacht. Die zuständige Kammer stellte fest, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung auf lediglich acht der 83 Dokumente Bezug genommen hatte, und dass die drei geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen nicht substanziiert waren. Sie ließ somit die auf diese drei offenkundigen Vorbenutzungen gestützten Einwände nicht zu (Ziffer 4.4 bis 4.7 der Entscheidungsgründe). Der Fall T 450/13 ist daher für die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde irrelevant.
2.7 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass die Beschwerde zulässig ist.
Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) und Regel 111 (2) EPÜ
3. Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen der Einspruchsabteilung nur auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.
Gemäß Regel 111 (2) EPÜ sind zudem Entscheidungen der Einspruchsabteilung zu begründen. Insbesondere muss die Einspruchsabteilung begründen, warum die von der unterlegenen Partei vorgebrachten Argumente nicht überzeugend sind.
3.1 Im vorliegenden Fall war unstrittig, dass die Einspruchsabteilung die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 8. August 2022, mit der die von der Beschwerdegegnerin eingereichte geänderte Fassung der Beschreibung beanstandet wurde, übersehen hatte. Dies wurde auch von der Einspruchsabteilung selbst eingeräumt (siehe oben). Die Einspruchsabteilung führte infolge dieses Versehens weder die von der Beschwerdeführerin beantragte mündliche Verhandlung durch noch berücksichtigte sie die Argumente der Beschwerdeführerin in der angefochtenen Entscheidung. Das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin wurde daher verletzt, wenngleich versehentlich.
3.2 Es liegt somit ein Verstoß gegen Artikel 113 (1) und Regel 111 (2) EPÜ vor. Dies stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt.
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ - Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ
4. Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ kann die Kammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Einspruchsabteilung tätig werden oder die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverweisen.
5. Gemäß gefestigter Rechtsprechung verweist die Kammer die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurück, wenn das dortige Verfahren wesentliche Mängel aufweist, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückverweisung sprechen.
6. Wie oben ausgeführt, weist das Verfahren vor der Einspruchsabteilung im vorliegenden Fall wesentliche Mängel auf. Zudem sind keine besonderen Gründe zu erkennen, die gegen die Zurückverweisung sprechen würden.
7. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen und die Beschwerdegebühr nach Regel 103 (1) a) EPÜ in voller Höhe zu erstatten ist, da der Verfahrensfehler für die Beschwerde ursächlich war und die Rückerstattung deshalb der Billigkeit entspricht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Die Beschwerdegebühr wird in voller Höhe zurückgezahlt.