T 2328/22 () of 28.5.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T232822.20250528
Datum der Entscheidung: 28 Mai 2025
Aktenzeichen: T 2328/22
Anmeldenummer: 11009298.8
IPC-Klasse: B62K 3/00
B62J 1/00
B62K 9/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kleinkind-Roller
Name des Anmelders: Micro Mobility Systems AG
Name des Einsprechenden: 1. Pik and Roll
2. Scoot & Ride Holding GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 105
European Patent Convention Art 111(2)
European Patent Convention Art 112(1)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention R 80
Schlagwörter: Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - Zeitpunkt des Beitritts nach Beschwerdekammerentscheidung mit Zurückverweisung zur Anpassung der Beschreibung
Rechtskraftbindung - res judicata (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Patentansprüche - mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund
Patentansprüche - Stützung durch die Beschreibung (ja)
Änderungen in Beschreibung
Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Änderung veranlasst durch Einspruchsgrund - (ja)
Orientierungssatz:

Umfang des Beitritts (Gründe 1.5.7)

Anpassung der Beschreibung (insbesondere Gründe 6.5.5)

Angeführte Entscheidungen:
G 0004/91
G 0001/94
G 0003/14
T 0167/93
T 0694/01
T 2538/16
T 0121/20
T 1892/23
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2476607 in geändertem Umfang.

II. Während des Einspruchsverfahrens mit der Einsprechenden 1 und der Patentinhaberin als Parteien wurde das Patent mit der am 12. September 2016 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten. Dagegen hatte die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Mit der Entscheidung T 2538/16 vom 18. Februar 2020 hatte die Beschwerdekammer die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderten Fassung gemäß Hauptantrag und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

III. Während der Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zur Anpassung der Beschreibung ist am 21. Dezember 2020 die Einsprechende 2 als vermeintliche Patentverletzerin beigetreten.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wurde entschieden, dass der Beitritt der Einsprechenden 2 die Erfordernisse des Artikels 105(1)(b) EPÜ erfülle, der Umfang des Beitritts jedoch auf Einwände gegen die Anpassung der Beschreibung begrenzt sei. Weiterhin wurde die Beschreibung in der Fassung des Hilfsantrags 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, als gewährbar angesehen, um das Patent gemäß der T 2538/16 aufrechtzuerhalten.

Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende 2 (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

V. Am 26. Mai 2025 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt, an der die Einsprechende 1, wie mit Schreiben vom 12. Mai 2025 angekündigt, nicht teilnahm.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) beantragte

1. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

2. die Vorlage der folgenden beiden Fragenkomplexe an die Große Beschwerdekammer:

1.1 Ist Artikel 84 EPÜ so auszulegen, dass eine Figur den Anspruch stützen muss?

1.2 Ist ein Patent nach Artikel 83 EPÜ mangelnd offenbart und/oder liegt eine mangelnde Klarheit eines Anspruches oder eine mangelnde Stützung des einen Anspruches nach Artikel 84 EPÜ vor, wenn ein Teil der Beschreibung und/oder ein Teil der Figuren nicht von dem in den Ansprüchen definierten Schutzgegenstand umfasst ist ("Widerspruch zwischen der Beschreibung und den Ansprüchen")?

1.3 Unter welchen Bedingungen oder Voraussetzungen kann oder muss das Patent folglich im Einspruchsverfahren widerrufen werden, wenn die Patentinhaberin einen Widerspruch zwischen der Beschreibung und/oder den Figuren und den Ansprüchen, insbesondere den geänderten Ansprüchen nicht durch die Anpassung der Beschreibung an die Ansprüche (auch) im Einspruchsverfahren beseitigt?

2.1 Kann die Stellung des Beitretenden nach Artikel 105 EPÜ durch eine Entscheidungsformel einer vorangegangenen Beschwerdekammerentscheidung in dem Ausmaß derart beschnitten werden, dass der dem Einspruchsverfahren später Beitretende keine Bemängelung nach allen Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 EPÜ vorbringen kann?

2.2 Ob und unter welchen Umständen kann aus dem Grund der res judicata eine Bindungswirkung der Beschwerdekammerentscheidungen über die in Artikel 111(2) EPÜ konkret vorgesehene hinaus hergeleitet werden?

2.3 Ist eine in einer Entscheidungsformel einer Entscheidung getroffene Tatsachenfeststellung auch auf neue Einwände nach Artikel 100 EPÜ eines nach der Entscheidung dem Einspruchsverfahren beitretenden vermeintlichen Patentverletzers anzuwenden, welche Tatsachenfeststellungen die Einwände des Beitretenden nicht berücksichtigen?

2.4 In welchem Ausmaß ist die Entscheidung T 2538/16 für die von der Einsprechenden 2, als eine nach der Entscheidung zu T 2538/16 Beitretende, genannten Einspruchsgründe bindend?

3. hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung, die Einspruchsgründe von der Einsprechenden 2 in vollen Umfang, oder weiterhin hilfsweise im teilweisen Umfang, zuzulassen.

4. die Berichtigung der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2022, hilfsweise nach vorheriger Befragung der Zeugen Dr. Alexander Haertel und Dr.-Ing Felix Veith Grödl zum Verlauf der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte

1. die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag),

2. hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents mit einer angepassten Beschreibung gemäß Hilfsantrag 1 oder 2, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, oder weiter hilfsweise gemäß einer angepassten Beschreibung, deren Inhalt von der Beschwerdekammer zu definieren sei.

Die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 1) hatte auch im schriftlichen Verfahren keine Anträge gestellt.

VI. Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung laut Entscheidungsformel der T 2538/16 (Hauptantrag) lautet wie folgt (Merkmalsgliederung von der Kammer eingefügt, angelehnt an die im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden 1 verwendete Gliederung):

a) Fahrgerät für Kleinkinder

b) mit einem Trittbrett (1),

c) einem daran befestigten vorderen (2) und hinteren (3) Fahrwerksträger,

d) wobei der vordere Fahrwerksträger (2) zwei Räder und der hintere Fahrwerksträger (3) ein Rad trägt,

e) einer vertikalen Lenkstange (11),

f) die mit dem vorderen Fahrwerksträger verbunden ist, und

g) einer Griffeinrichtung (16) am oberen Teil der Lenkstange,

h) wobei die Steuerung des Fahrgeräts alleine durch Gewichtsverlagerung erfolgt und

i) die Lenkstange (11) lediglich die Griffeinrichtung (16), jedoch keinen Lenker enthält, und wobei

j) das Fahrgerät weiterhin eine Sitzeinrichtung (12) aufweist,

k) wobei die Sitzeinrichtung (12) an der Lenkstange befestigt ist, und, dass

l) die Sitzeinrichtung (12) im vorderen Teil in eine integral ausgeführte Befestigungseinrichtung (24) übergeht,

m) die im montierten Zustand die Lenkstange (11) ummantelt.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Umfang des Beitritts

Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung könne die Entscheidungsformel der T 2538/16 die Rechte des Beitretenden als eine am Verfahren zu T 2538/16 nicht beteiligte Partei nicht beschneiden, weil eine rechtsverbindliche Sache nur zwischen am Verfahren beteiligten Parteien endgültig entschieden werden könne (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage, V.A.10.1, zweiter Absatz).

Weiterhin betone Artikel 111(2) EPÜ, dass die Bindungswirkung nur gelte, soweit der Tatbestand derselbe sei. Da die Einsprechende 2 auch neue, nicht in T 2538/16 berücksichtigte Entgegenhaltungen vorgebracht habe, sei der Tatbestand gerade nicht derselbe.

Vorlagefragen zu Artikel 84 EPÜ bzw. zu Artikel 105 EPÜ mit Artikel 111(2) EPÜ

Die Fragestellung zu Artikel 84 EPÜ richte sich darauf, ob ein Patent wegen mangelnder Anpassung der Beschreibung an die Ansprüche widerrufen werden könne. Hierzu gebe es widersprüchliche Rechtsprechung. Die Antwort auf die Fragestellungen sei jedoch entscheidend für den Ausgang dieses Beschwerdeverfahrens.

Auch die Fragen zu Artikel 105(2) EPÜ (Beitritt) in Verbindung mit Artikel 111(2) EPÜ ("res judicata") seien essentiell für den Ausgang des Verfahrens. Weiterhin stehe die Entscheidung der Einspruchsabteilung zum Umfang des Beitritts im Widerspruch zu vorhandener Rechtsprechung, insbesondere zu G 0001/94, wonach dem Beitretenden das Recht eingeräumt werden müsse, das Patent mit allen verfügbaren Mitteln anzufechten. Die Große Beschwerdekammer müsse daher erst klären, in welchem Ausmaß die Entscheidung T 2538/16 für die von der Einsprechenden 2 - als eine nach dieser Entscheidung Beitretende - genannten Einspruchsgründe bindend sei.

Zulassung der angepassten Beschreibung

Die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Beschreibung in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 sei zu spät eingereicht worden und hätte nicht zugelassen werden dürfen. Die Einspruchsabteilung habe für ihre Ermessensentscheidung keine prima-facie Prüfung durchgeführt, so dass die Zulassung willkürlich erfolgt sei. Selbst wenn die Einspruchsabteilung für sich eine prima-facie Prüfung durchgeführt haben sollte, sei eine solche nicht mit den Parteien diskutiert worden, so dass das Recht auf Gehör verletzt worden sei.

Die Zulassung der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Beschreibung widerspreche auch einer fairen Verfahrensführung. Das Ersetzen von einzelnen Begriffen in z.B. Absatz [0025] sei für die Einsprechende 2 überraschend gewesen. Weiterhin sei sie durch die späte Zulassung ihres Rechts beraubt worden, detaillierte Argumente gegen den Hilfsantrag 2 vorzubereiten.

Antrag auf Berichtigung des Protokolls

Der Antrag werde in Verbindung mit der fehlenden Diskussion zur prima-facie Überprüfung gestellt, da aus dem Protokoll nicht hervorgehe, dass Absatz [0018] der A1-Veröffentlichung des Streitpatents als Basis für die Änderungen in der Beschreibung nie diskutiert worden sei. Hilfsweise werde eine Zeugenbefragung zum Verlauf der mündlichen Verhandlung beantragt.

Mangelnde Anpassung der Beschreibung

Die vorgenommenen Änderungen in der Beschreibung erfüllten nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 123(3) EPÜ. Auch stünden sie teilweise im Widerspruch zur Regel 80 EPÜ.

Weiterhin sei die Beschreibung nicht ausreichend angepasst worden. Artikel 84 EPÜ fordere, dass die Ansprüche von der Beschreibung gestützt werden müssten. Dies sei hier nicht der Fall. Während der Anspruch z.B. eine Lenkung alleine durch Gewichtsverlagerung definiere, gebe dies die vorliegende Beschreibung nicht eindeutig wieder. Auch aus den Figuren des Streitpatentes sei nicht eindeutig und unmittelbar ableitbar, welche Lenkungsart die gezeigten Ausführungsformen hätten.

Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 68) müsse die Beschreibung an den Anspruchswortlaut als Ganzes angepasst werden, um Artikel 84 EPÜ zu erfüllen.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Umfang des Beitritts

Die Einspruchsabteilung habe zurecht entschieden, dass der Beitritt der Einsprechenden 2 aufgrund der "res judicata"-Wirkung der Beschwerdekammerentscheidung T 2538/16 auf Einwände gegen die Anpassung der Beschreibung zu beschränken sei.

Vorlagefragen zu Artikel 84 EPÜ und Artikel 105 EPÜ

Keine der vorgeschlagenen Fragen sei dahingehend von grundsätzlicher Bedeutung, dass sie auch für den vorliegenden Fall entscheidungsrelevant wäre.

Zulassung der angepassten Beschreibung, Anpassung des Protokolls

Die Einspruchsabteilung habe die Richtlinien D-VI, 7.2.1 korrekt angewendet und in der mündlichen Verhandlung versucht, eine Fassung des Patents in geändertem Umfang herbeizuführen, der die Patentinhaberin zustimmen könne. Die als Hilfsantrag 2 eingereichte angepasste Beschreibung sei korrekterweise als direkte Reaktion auf den Verlauf der Verhandlung gesehen und unter dem Kriterium der prima facie Relevanz zugelassen worden.

Folglich spiegele auch das Protokoll den Verlauf der Verhandlung korrekt wieder.

Mangelnde Anpassung der Beschreibung

Bei der Anpassung der Beschreibung gehe es darum, die wegen den Einspruchsgründen verursachten Änderungen in den Ansprüchen auch in der Beschreibung aufzunehmen. Es gehe nicht darum, die Beschreibung erneut komplett zu prüfen, sondern sie im Rahmen der Regel 80 EPÜ und der Richtlinien H-IV, 5.3 mit den geänderten Ansprüchen in Einklang zu bringen. Dies sei mit der damals als Hilfsantrag 2 eingereichten angepassten Beschreibung erreicht worden.

Weiterhin müsse die Beschreibung im Kontext gesehen werden und in sich schlüssig sein. Die Beschwerdeführerin greife isolierte Passagen und Figuren heraus, um einen Widerspruch zu konstruieren.

Entscheidungsgründe

1. Umfang des Beitritts

1.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass sich der Umfang des Beitritts der Einsprechenden 2 (Beschwerdeführerin) auf Einwände gegen die Anpassung der Beschreibung beschränkt (res judicata, Artikel 111(2) EPÜ).

1.2 Punkt 50 der angefochtenen Entscheidung betont zu Recht, dass ein Beitritt kein Rechtsmittel sei, mit dem sich eine im Einspruchsbeschwerdeverfahren ergangene Entscheidung anfechten ließe. Ein Betritt eröffnet auch keinen neuen Verfahrensabschnitt, der die verbindlichen Ergebnisse des bisherigen Verfahrens außer Kraft setzen könnte. Ein Beitritt zu einem laufenden Verfahren kann nur in den Grenzen möglich sein, in denen das Verfahren noch zur Entscheidung offen ist.

1.3 Insofern ist die gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren, dass für Personen, die aus einem Patent wegen vermeintlicher Verletzung in Anspruch genommen werden, nicht etwa ein eigenes Einspruchsrecht noch nach Ablauf der 9-monatigen Einspruchsfrist des Artikels 99(1) EPÜ geschaffen wurde, sondern nur im Falle eines noch anhängigen Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens durch Artikel 105 EPÜ ein Beitritt zu diesem Verfahren ermöglicht wird. Der Beitretende erhält zwar nach Artikel 105(2) EPÜ die Stellung eines Einsprechenden, dies aber nur im Rahmen des Einspruchsverfahrens, dem er gemäß Artikel 105(1) EPÜ beitritt.

Aus diesem Grund muss er das Verfahren so übernehmen, wie es steht. Etwaige ergangene Entscheidungen binden ihn daher nicht etwa wegen einer direkt ihm gegenüber eingetretenen res judicata Wirkung, sondern wegen der Akzessorietät des Beitritts zu einem Verfahren mit nur noch beschränktem Streitgegenstand, der sich daraus ergibt, dass deren bisherige Teilnehmer bereits durch eine eingetretene res judicata Wirkung gebunden sind.

Daher geht der Verweis der Beschwerdeführerin, sie selbst könne nicht durch die vorangegangene Entscheidung der Beschwerdekammer gebunden sein, ins Leere.

1.4 Die Beschwerdeführerin berief sich auf die G 0001/94 (Entscheidungsgrund 13), auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage (im Folgenden RSBK), Kapitel V.A.10.1 und u.a. die T 0167/93. Aus alldem gehe hervor, dass die in Artikel 111(2) EPÜ geregelte Rechtsbindung der T 2538/16 nicht für sie als Beitretende nach Artikel 105 EPÜ gelte.

1.4.1 Die Einspruchsabteilung habe das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu G 0001/94 (Entscheidungsgrund 13) nicht berücksichtigt. Daraus gehe eindeutig hervor, dass ein vermeintlicher Patentverletzer, der einem anhängigen Einspruchsverfahren beitritt, das Recht habe, das Patent "mit allen verfügbaren Mitteln, also auch mit neuen, vom eigentlichen Einsprechenden nicht geltend gemachten Einspruchsgründen nach Artikel 100 EPÜ, anzufechten". Sonst "würde der Zweck des Beitritts verfehlt".

1.4.2 Weiterhin sei die T 0167/93 für den vorliegenden Fall relevant. Demnach gelte eine rechtskräftige Entscheidung nur gegenüber den daran beteiligten Parteien und für die darin betrachteten Tatfragen. Gleiches finde sich in der RSBK, Kapitel V.A.10.1 wieder. Auch Artikel 111(2) EPÜ beschränke die Bindungswirkung einer Beschwerdekammer-Entscheidung auf gleiche Tatbestände.

Die Einsprechende 2 sei jedoch an dem Beschwerdeverfahren in der Sache T 2538/16 gar nicht beteiligt gewesen und habe mit der Einspruchsschrift neue Tatsachen (Entgegenhaltungen) vorgebracht.

1.4.3 Folglich sei res judicata in Bezug auf die Einsprechende 2 und insbesondere auf die von ihr neu vorgebrachten Tatbestände nicht anzuwenden, so dass die Entscheidung T 2538/16, insbesondere in Bezug auf den als gewährbar erachteten Anspruchswortlaut, keine Rechtsbindung für sie habe.

1.5 Diese Argumente können vor dem Hintergrund der oben unter Punkt 1.3 geschilderten Regelung des EPÜ nicht überzeugen. Im Einzelnen:

1.5.1 Die G 0001/94 befasst sich nicht mit einem Beitritt nach einem bereits abgeschlossenen Einspruchsbeschwerdeverfahren, in dem bereits eine Entscheidung erlassen wurde, sondern mit einem Beitritt während eines anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens, d.h. bevor eine rechtskräftige Entscheidung erlassen wurde. Vor diesem Hintergrund ist die G 0001/94 hier nicht anwendbar. Siehe hierzu auch unten stehenden Punkt 1.5.5.

1.5.2 Auch in der von der Beschwerdeführerin genannten T 0167/93 lag keine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Situation vor. Die T 0167/93 beschäftigte sich mit der Frage, ob eine Beschwerdekammer-Entscheidung zu einer Entscheidung der Prüfungsabteilung eine Bindung gegenüber der Einspruchsabteilung entfalten könne.

Dabei handelt es sich jedoch um zwei vom EPÜ als völlig getrennt gesehene Verfahren.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch um ein und dasselbe Einspruchsverfahren, in dem bereits rechtskräftig über einen gewährbaren Anspruchssatz von der Beschwerdekammer entschieden wurde, und eben um genau das Organ, das die Entscheidung erlassen hat.

Folglich ist auch die T 0167/93 hier nicht anwendbar.

1.5.3 Stattdessen folgt die Kammer der T 0694/01, in der es um eine ähnliche Situation ging wie im vorliegenden Fall. In einem ersten Einspruchsbeschwerdeverfahren wurde zur Anpassung der Beschreibung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen. Der Beitritt der weiteren Einsprechenden erfolgte danach und zwar während des zweiten Einspruchsbeschwerdeverfahren. In T 0694/01 wurde die Frage diskutiert, ob die Beitretende als zuvor nicht am Verfahren beteiligte Partei mit neuen Tatbeständen (in Form eines neuen Einspruchsgrunds) den von der Beschwerdekammer als gewährbar angesehenen Anspruchswortlaut noch anfechten könne und damit um die gleiche Fragestellung wie im vorliegenden Fall.

1.5.4 In T 0694/01 verneinte die Kammer zwar die unmittelbare Rechtskraftwirkung der Beschwerdekammer-Entscheidung gegenüber der Beitretenden, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Rechtskraftwirkung der Entscheidung gegenüber den bisherigen Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellt werden kann (Entscheidungsgrund 2.15).

1.5.5 Die Entscheidung legt überzeugend dar, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Entscheidungsgrund 13 der G 0001/94 ausdrücklich auch Konstellationen wie die vorliegende regeln wollte, in der bereits eine abschließende Entscheidung über die Patentfähigkeit eines bestimmten Anspruchswortlauts getroffen worden war bzw. dass die Große Beschwerdekammer mit ihrer Erwägung so fundamentale Verfahrensgrundsätze wie die formelle und materielle Rechtskraft einer Entscheidung außer Kraft setzen wollte, ohne dass dies im EPÜ ausdrücklich vorgesehen wäre, vgl. T 0694/01 Gründe Nr. 2.18 und 2.21. In Ermangelung einer solchen Bestimmung besteht somit kein Auslegungsspielraum, der es ermöglichen würde, dem Interesse der Einsprechenden 2 an einer inhaltlichen Entscheidung noch vor dem EPA Rechnung zu tragen.

1.5.6 Auch T 0694/01 weist darauf hin, dass Artikel 105 EPÜ kein Rechtsmittel bietet, mit dem sich eine im Einspruchsbeschwerdeverfahren ergangene Entscheidung anfechten ließe. Dem schließt sich die Kammer, wie eingangs ausgeführt, an. Artikel 105(1) EPÜ sieht nicht vor, dass bisherige Rechtswirkungen oder Entscheidungen durch den Beitritt ausgesetzt werden.

Insbesondere bezieht sich Artikel 105(1) Satz 1 EPÜ auf den Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers zu einem laufenden Einspruchsverfahren und nicht auf die Überprüfung einer im Einspruchsverfahren ergangenen Entscheidung (Gründe Nr. 2.18 in T 0694/01).

Wie Grund 2.19 der T 0694/01 überzeugend darlegt, schließt Artikel 105(1) EPÜ auch aus, dass mit dem Beitritt ein gänzlich neues Verfahren oder ein eigenständiger Verfahrensabschnitt in Gang gesetzt werden könnte mit der von der Beschwerdeführerin erstrebten Folge, dass "die Rechtsnatur dieses Verfahrens im Verhältnis zum vorangegangenen Verfahrensabschnitt die materielle Rechtskraftwirkung der im bisherigen Einspruchsverfahren ergangenen Entscheidungen entfallen läßt." Denn Artikel 105 (1) EPÜ erlaubt, wie ausgeführt, nicht mehr als den Beitritt zu einem anhängigen Einspruchsverfahren.

Diese Auslegung von Artikel 105 EPÜ entspricht auch der in G 0004/91 (Gründe Nr. 7) getroffenen Feststellung, dass ein Beitritt gegenstandslos ist, wenn er nach Erlass der Entscheidung der Einspruchsabteilung erfolgt und die zuvor Beteiligten keine zulässige Beschwerde einlegen.

1.5.7 Es ist daher zusammenfassend kein Grund ersichtlich von den überzeugenden Ausführungen in den Gründen Nr. 2.20 der T 0694/01 abzuweichen, dass ein Beitretender einem fremden Verfahren beitritt und infolgedessen das Verfahren in der Lage annehmen muss, in der es sich zum Zeitpunkt des Beitritts befindet.

Der Beitritt der Einsprechenden 2 hängt vom rechtlichen Umfang der Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens ab. Da im vorliegenden Fall das Einspruchsverfahren nur noch bezüglich der Anpassung der Beschreibung anhängig ist, kann die Beitretende nicht mehr dem verfahrensrechtlich abgeschlossenen Teil des Einspruchsverfahrens beitreten, der die Gültigkeit des Wortlauts der Patentansprüche betraf. Da darüber abschließend entschieden wurde, ist die Frage, ob die Einsprechende 2 ihre Einwände auf einen bekannten oder einen neuen Sachverhalt stützt, irrelevant.

2. Vorlagefragen nach Artikel 112 (1) EPÜ

Dem Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer mit den von der Beschwerdeführerin formulierten Fragenkomplexen ist keine Folge zu geben.

2.1 Vorlage zu Artikel 84 EPÜ

2.1.1 Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage von Fragen betreffend die Notwendigkeit zur Anpassung der Beschreibung aufgrund von im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren geänderten Ansprüchen.

2.1.2 Die Kammer sieht keinen Grund zur Vorlage, da die formulierten Fragen für den vorliegenden Fall nicht relevant sind. Zwischen den Parteien bestand kein Streit darüber, dass Artikel 84 EPÜ eine Anpassung der Beschreibung bedingt, wo sie nicht mehr in Übereinstimmung mit den Ansprüchen ist, wenn letztere geändert wurden. Die Patentinhaberin hat evtl. vorhandene Widersprüche, die durch Einspruchsgründe veranlasste Änderungen in den Ansprüchen verursacht wurden, durch die Anpassung der Beschreibung beseitigt.

2.1.3 Der von der Beschwerdeführerin formulierte Fragenkomplex zu Artikel 84 EPÜ beinhaltet auch den Aspekt, ob eine fehlende Stützung der erteilten Ansprüche durch die erteilte Beschreibungsfassung zu einem Widerruf des Patents im Einspruchsverfahren führen kann. Dies ist zu verneinen, da Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt, wie von der Großen Beschwerdekammer bereits in G 0003/14 geklärt.

2.2 Vorlage zu Artikel 105 EPÜ mit Artikel 111(2) EPÜ

2.2.1 Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage von Fragen, die sich mit dem Umfang des Beitritts der Einsprechenden 2 befassen.

2.2.2 Auch dieser Antrag ist abzulehnen, da es an den in Artikel 112(1) EPÜ gestellten Voraussetzungen hierfür fehlt. Bei den gestellten Fragen handelt es sich nicht um Rechtsfragen, zu denen bisher keine Rechtsprechung oder eine widersprüchliche Rechtsprechung vorliegt.

2.2.3 T 0694/01 hat in einem weitgehend gleich liegenden Fall (Beitritt nach Entscheidung über einen gewährbaren Anspruch und Zurückverweisung zur Anpassung der Beschreibung) eine klare und überzeugende Entscheidung getroffen, der sich die Kammer anschließt. Die Unterschiede zum vorliegenden Fall, dass der Beitritt nicht bereits im zweiten Einspruchsverfahren, sondern erst im zweiten Einspruchsbeschwerdeverfahren erfolgte und dass ein neuer Einspruchsgrund als neuer Tatbestand statt neuen Entgegenhaltungen bzgl. Artikel 54 und 56 EPÜ vorgebracht wurde, bieten keinen Anlass, die überzeugend ausgeführten Rechtsfragen anders zu beurteilen. Auch ist der Kammer nicht bekannt, dass es eine dem widersprechende Rechtsprechung anderer Beschwerdekammern gäbe.

2.2.4 Die von der Einspruchsabteilung vorgebrachte Begründung wendet die anwendbaren Vorschriften und Rechtsprechung daher korrekt an, und eine Notwendigkeit, die Frage der Großen Kammer vorzulegen, ist nicht ersichtlich.

3. Zulassung der angepassten Beschreibung

3.1 Hinsichtlich der Einwände zur Zulassung der angepassten Beschreibung ins Einspruchsverfahren verwies die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftlichen Vortrag. Die Kammer sieht daher keinen Grund von ihrer vorläufigen Einschätzung abzuweichen, die hiermit bestätigt wird und wie folgt lautet:

3.2 Die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Zulassung des Hilfsantrags 2 erfolgte unter Anwendung der korrekten Kriterien, widerspricht nicht dem Grundsatz eines fairen Verfahrens und verletzt nicht das rechtliche Gehör der Einsprechenden 2.

3.3 Die Beschreibung in der Fassung des Hilfsantrags 2 wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung und damit verspätet eingereicht. Gemäß Punkt 73 der angefochtenen Entscheidung trugen aus Sicht der Einspruchsabteilung die im Hilfsantrag 2 vorgenommenen Änderungen allen bisherigen, unter Punkt 71 der Entscheidung zusammengefassten Gründen der Nicht-Gewährbarkeit Rechnung. Daraus ist zu entnehmen, dass die Einspruchsabteilung entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin durchaus eine Prüfung der prima facie Relevanz durchgeführt hat. Weiterhin hat die Einspruchsabteilung damit auch das richtige Kriterium ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt.

3.4 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass ihr rechtliche Gehör verletzt worden sei, weil sie zu der in der Entscheidung, Punkt 74, genannten Basis für die Änderung von "Lenker" zu "Haltegriff" in Absatz [0021] und [0025] angeblich nicht Stellung nehmen konnte.

3.5 Hiervon ist die Kammer nicht überzeugt. Die betroffenen Änderungen von "Lenkrad" in Absatz [0021] bzw. "Lenker" in Absatz [0025] zu "Haltegriff" wurden in Bezug zum Hauptantrag für Absatz [0031] bereits diskutiert und basierend auf Absatz [0018] der Al-Offenbarung als gewährbar angesehen (Entscheidung, Punkt 66.h und Punkt 70). Für die Änderungen in Absatz [0021] und Absatz [0025] verweist die Einspruchsabteilung auf denselben Absatz [0018]. Dass angesichts der zum Hauptantrag bereits getroffenen Schlussfolgerung in Bezug auf den Hilfsantrag 2 nicht erneut die Änderung von "Lenker" zu "Haltegriff" diskutiert wurde, entspricht einer effizienten Verfahrensführung ohne das rechtliche Gehör einer Partei zu verletzen.

3.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte weiterhin, dass es überraschend gewesen sei, dass die Einspruchsabteilung Änderungen zugelassen habe, bei denen einzelne Begriffe ersetzt worden seien. Dies falle nicht unter die Richtlinien F-IV, 4.3 iii, wonach eine Anpassung der Beschreibung nur durch Streichung unstimmiger Ausführungsformen oder Kenntlichmachen von nicht unter den Anspruch fallenden Ausführungsformen erfolgen dürfe. Weiterhin habe die Einsprechende 2 durch die späte Zulassung keine detaillierten Argumente gegen den Hilfsantrag 2 vorbereiten könne.

3.7 Der Einwand zu den genannten Richtlinien wurde in Punkt 75 der Entscheidung adressiert. Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass die genannten Richtlinien eine Umformulierung nicht ausschließen. Insbesondere gibt es keine Vorschrift, wonach das Ersetzen eines Ausdrucks grundsätzlich verboten ist. Folglich kann auch nicht überraschen, dass ein von der Einsprechenden 2 konkret beanstandeter Begriff mit einem - aus Sicht der Patentinhaberin den Einwand ausräumenden - anderen Begriff ersetzt wurde.

3.8 Weiterhin ist nicht ersichtlich, dass das rechtliche Gehör der Einsprechenden 2 missachtet wurde. Die wenigen Änderungen im Hilfsantrag 2 im Vergleich zum Hauptantrag sind in Punkt 74 der Entscheidung genannt und adressieren von den Einsprechenden vorgebrachte Einwände. Nach Einreichung des Hilfsantrags 2 erhielten die Einsprechenden Zeit zu dessen Prüfung (Protokoll, Seite 3, zweiter Absatz). Dass die zugestandene Zeit nicht ausreichend gewesen sei, wurde zu diesem Zeitpunkt nicht geltend gemacht und auch kein Antrag auf Einräumung weiterer Zeit gestellt. Die Parteien konnten anschließend zu den Änderungen detailliert Stellung nehmen (Protokoll, Seite 3, unten). Somit wurde das rechtliche Gehör gewahrt.

4. Antrag auf Berichtigung der Niederschrift

4.1 Die Beschwerdeführerin beantragte in Verbindung mit obigem Punkt 3.4, dass aus ihrer Sicht die Basis für die Änderungen im Hilfsantrag 2 nie diskutiert worden sei, eine Berichtigung der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Dass keine Diskussion stattgefunden habe, gehe aus der Niederschrift nicht hervor.

4.2 Die Kammer gab dem Antrag aus folgenden Gründen nicht statt:

4.3 Ein Antrag auf Korrektur ist nicht bei der Beschwerdekammer, sondern bei der Einspruchsabteilung zu stellen (RSBK 10. Auflage, II1.C.7.10.3, Seite 826, vierter Absatz). Mit der Eingabe vom 13. Mai 2022 wurde zwar ein vermutlich von der Beschwerdeführerin selbst erstelltes Memo zur mündlichen Verhandlung an die Einspruchsabteilung übermittelt, ein Antrag auf Korrektur wurde aber anscheinend nie gestellt.

4.4 Selbst wenn ein solcher Antrag gestellt worden wäre, wäre eine eventuelle Ablehnung auf Korrektur keine anfechtbare Entscheidung, gegen die Beschwerde eingelegt werden könnte (siehe T 1892/23). Die Kammer ist nicht zuständig für die Beurteilung der Richtigkeit der Niederschrift der ersten Instanz (RSBK 10. Auflage, III.C.7.10.3, Seite 826, fünfter und sechster Absatz).

5. Einwände zu den Anpassungen in der Beschreibung

5.1 Die Beschreibung in der aufrechterhaltenen Fassung enthält die folgenden, für diese Entscheidung relevanten Änderungen A1 bis A3 gegenüber der erteilten Fassung:

A1) In Absatz [0021] (Absatz [0019] der A1-Schrift) wurde der Begriff "Lenkrad" durch den Begriff "Haltegriff" ersetzt.

Absatz [0021] bezieht sich auf die Ausführung nach Figur 2.

A2) In Absatz [0025] (Absatz [0023] der A1-Schrift) wurde der Begriff "Lenker" bzw. "Lenkereinrichtung 56" durch den Begriff "Haltegriff 58" ersetzt.

Absatz [0025] bezieht sich auf Figur 5, die zur Ausführung der Figur 2 gehört.

A3) In Absatz [0031] (Absatz [0029] der A1-Schrift) wurde der Begriff "Lenker" ebenfalls durch den Begriff "Haltegriff" und der Wortlaut "Befestigung am Lenker" durch "Befestigung an der Lenkstange" ersetzt.

Absatz [0031] bezieht sich auf die als nicht mehr erfindungsgemäß gekennzeichnete Ausführung nach Figur 8.

5.2 Artikel 123(2) EPÜ

5.2.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung (Punkt 74), dass die Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen.

5.2.2 Laut Beschwerdeführerin führe das Ersetzen von "Lenker", "Lenkrad" bzw. "Lenkereinrichtung" durch "Haltegriff" in den oben genannten Absätzen (Punkt 5.1) zu einer unzulässigen Erweiterung. Insbesondere implizierten die Begriffe unterschiedliche strukturelle Merkmale.

Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung könne Absatz [0018] der A1-Veröffentlichung nicht als Basis für die vorgenommenen Änderungen dienen, da sich dieser Absatz nur auf die erste Ausführungsform der Figur 1 beziehe. Die geänderten Absätze würden jedoch andere, in den Figuren 2, 5, 7 und 8 gezeigte Ausführungsformen betreffen. Jede Ausführungsform sei grundsätzlich als eigenständig anzusehen und könne nicht beliebig kombiniert werden.

Auch sei die in den Figuren 2, 5, 7 und 8 gezeigte Griffeinrichtung nicht zweifelsfrei ein Haltegriff.

Folglich sei ursprünglich ein Fahrgerät mit einem Lenker/Lenkrad offenbart gewesen sei, in Hilfsantrag 2 sei nun jedoch ein Fahrgerät mit einem Haltegriff offenbart, wodurch ein neues Fahrgerät geschaffen werde. Die ursprüngliche Nennung von Lenkstange und Lenkrad impliziere ausschließlich eine Drehlenkung, jetzt sei jedoch auch eine alleinige Gewichtsverlagerungssteuerung möglich.

5.2.3 Die Kammer stimmt aus folgenden Gründen keinem der vorgebrachten Argumente zu.

Figur 1 zeigt eine erste Ausführung, für die unstrittig in Absatz [0018] der A1-Schrift ein Haltegriff offenbart ist.

Die Figuren 2 und 5 bis 7 zeigen gemäß den Absätzen [0019], [0023], [0025] und [0027] der A1-Schrift (Absätze [0021], [0025], [0027] und [0029] der B1-Schrift) eine einzige Ausführungsform. Dem Absatz [0023] (Mitte) der A1-Schrift ist zu entnehmen, dass auch in dieser Ausführung der Lenker ein "Haltegriff 58" ist, der "vorzugsweise elliptisch" ausgeformt ist. Im Übrigen nennt auch der Absatz [0039] der Al-Schrift (Absatz [0041] der B1-Schrift) den Begriff "Haltegriff" unmittelbar in Verbindung mit Figur 2.

Der die Figur 8 beschreibende Absatz [0029] der A1-Schrift enthält zwar nicht den Begriff "Haltegriff", bezieht sich aber mit dem Wortlaut "Zu erkennen ist erneut der vorzugsweise elliptisch ausgeführte Lenker 81 [...]" eindeutig auf den für die Ausführung der Figuren 2 und 5 bis 7 offenbarten Haltegriff 58.

5.2.4 Tatsächlich wird als Unterschied zwischen den Ausführungen der Figuren 1, 2 und 8 in Absatz [0019] bzw. Absatz [0029] der A1-Schrift die Sitzeinrichtung genannt, wodurch der Fachmann versteht, dass die anderen Merkmale - wie z.B. der Haltegriff - unverändert sind. Entsprechend ist auch der in den Figuren 2, 5, 7 und 8 gezeigte Haltegriff immer gleich dargestellt.

Bei einer isolierten Betrachtung der Begriffe "Lenker" bzw. "Lenkrad" und "Haltegriff" mag der Beschwerdeführerin zuzustimmen sein, dass ein Fachmann hierunter unterschiedliche Dinge versteht. Allerdings ist der gesamten Offenbarung nirgends zu entnehmen, dass eine der Ausführungsformen ursprünglich eine Drehlenkung gehabt habe. Stattdessen werden die Begriffe "Lenker", "Lenkrad" und "Haltegriff" gleichbedeutend verwendet, wodurch der Begriff "Lenker" auf die Bedeutung des Haltegriffs reduziert wird.

Somit war ursprünglich bereits in den Absätzen [0019], [0023] und [0029] der A1-Schrift (Absätze [0021, [0025] und [0031] der B1-Schrift) für die jeweilige Ausführungsform ein Fahrgerät mit einem Haltegriff offenbart.

5.2.5 Zu Absatz [0031] der B1-Schrift argumentierte die Beschwerdeführerin weiter, dass es keine Basis für die Änderung von "Zur Befestigung am Lenker" zu "Zur Befestigung an der Lenkstange" gebe. Ein Lenker und eine Lenkstange seien technisch unterschiedliche Dinge, so dass sich durch die Änderung eine grundsätzlich unterschiedliche Anordnung ergebe.

5.2.6 Die Kammer stimmt zwar dahingehend zu, dass ein Lenker keine Lenkstange ist, allerdings bezieht sich Absatz [0031] auf die Figur 8. Diese bildet mit dem letzten Satz des Absatzes [0031], wonach die Sitzeinrichtung mit der Befestigungsstrebe "an der Lenkstange 85 anliegt", eine Basis für die Änderung.

Der Fachmann erhält durch die Änderung technisch keine neuen Informationen, da für den Fachmann unmittelbar klar ist, dass auch ursprünglich die Befestigung an der Lenkstange erfolgte.

5.2.7 Folglich erfüllen die Änderungen in der Beschreibung gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

5.3 Artikel 123(3) EPÜ

5.3.1 Die aufrechterhaltene Fassung der Beschreibung erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ. Der hierunter erhobene Einwand wurde erstmals mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin erhoben und betrifft die Änderung A1 in Absatz [0021] der B1-Schrift.

5.3.2 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass die Änderung A1 zu einer Erweiterung des Schutzumfangs führe. Der Begriff "Lenkrad" in Absatz [0021] der erteilten Fassung sei auf die Form eines Rades beschränkt. Absatz [0021] beziehe sich auf Figur 1, die entsprechend einen ringförmigen Lenker zeige. Der Begriff "Haltegriff" sei jedoch auf keine geometrische Form begrenzt. Weiterhin habe der Begriff "Lenkrad" die Lenkung auf eine Drehlenkung beschränkt. Der Begriff "Haltegriff" schränke jedoch auf keinen besonderen Lenkmechanismus ein, so dass neben oder statt der Drehlenkung nun auch eine Gewichtsverlagerungslenkung möglich sei.

5.3.3 Die Kammer ist nicht überzeugt. Durch die Änderung A1 ändert sich nicht der durch die Ansprüche festgelegte Schutzbereich des Streitpatents. Darin ist eindeutig definiert, dass das Fahrgerät eine Griffeinrichtung, jedoch keinen Lenker, aufweist und alleine durch Gewichtsverlagerung gesteuert wird.

5.3.4 Der Begriff "Lenkrad" wird in der Figurenbeschreibung der Figur 2 auch nicht verwendet, um den Begriff "Haltegriff" auf eine Radform und/oder eine Drehlenkung zu beschränken. Der Begriff "Lenkrad" kommt im Streitpatent in Verbindung mit dem erfindungsgemäßen Fahrgerät ohnehin nur einmal, nämlich in Absatz [0021], vor. Eine Rad- oder Ringform wird immer als bevorzugt präsentiert (siehe Absatz [0020] oder Absatz [0025] der B1-Schrift). Eine Drehlenkung wird an keiner Stelle des Streitpatents erwähnt.

5.3.5 Somit ist aufgrund der vorgenommenen Änderungen keine Erweiterung des Schutzbereichs ersichtlich.

5.4 Einwände unter Regel 80 EPÜ

5.4.1 Die Änderungen in der aufrechterhaltenen Fassung der Beschreibung wurden alle wie von Regel 80 EPÜ gefordert von einem Einspruchsgrund veranlasst. Der hierunter erhobene Einwand wurde erstmals mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin erhoben und betrifft die Änderung A3 in Absatz [0031] der B1-Schrift.

5.4.2 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass zwar die in Absatz [0031] beschriebene Figur 8 korrekterweise als "nicht anspruchsgemäß" gekennzeichnet worden sei, damit jedoch die Änderung A3 von "Zur Befestigung am Lenker" zu "Zur Befestigung an der Lenkstange" und von "Lenker" zu "Haltegriff" nicht mehr durch einen Einspruchsgrund bedingt und nicht zulässig seien.

5.4.3 Allerdings bezieht sich Absatz [0031] auf den "elliptisch ausgeführten Lenker", der in Absatz [0025] in Verbindung mit der erfindungsgemäßen Ausführung nach Figur 5 als "elliptisch ausgeformter Haltegriff" offenbart war. Die Änderung unterliegt daher demselben Einspruchsgrund wie die Änderung in Absatz [0025] (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 71).

5.4.4 Die Änderung in Absatz [0031] von "am Lenker" zu "an der Lenkstange" ist als offensichtlicher Fehler zu sehen in Verbindung mit Figur 8 und dem letzten Satz des Absatzes [0031], wonach die Sitzeinrichtung mit der Befestigungsstrebe "an der Lenkstange 85 anliegt".

6. Einwände unter Artikel 84 EPÜ

6.1 Die aufrechterhaltene Fassung der Beschreibung gemäß Hauptantrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

6.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die vorgenommenen Änderungen nicht weit genug gingen. Die vorliegende Beschreibung enthalte noch zahlreiche Widersprüche, so dass die Ansprüche nicht durch die Beschreibung gestützt seien.

Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 68) sei die Beschreibung nicht nur mit Blick auf geänderte Merkmale der Ansprüche anzupassen, sondern auch hinsichtlich bereits in der B1-Schrift vorhandener und im Einspruch bemängelter Widersprüche.

Im Einzelnen:

6.3 Absatz [0011] der Beschreibung

6.3.1 Absatz [0011] der angepassten Beschreibung lautet: "Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Kickboard- oder Scooter-Version vorzuschlagen, die ...".

6.3.2 Aus Sicht der Beschwerdeführerin sei Absatz [0011] widersprüchlich zu Merkmal h ("alleine durch Gewichtsverlagerung"), weil ein Scooter immer ein Fahrgerät mit Drehlenkung sei. Somit impliziere ein Scooter einen Lenker, wohingegen das dem erteilten Anspruch hinzugefügte Merkmal i gerade keinen Lenker erlaube. Der Begriff "Scooter" als Ausgangspunkt für die Erfindung stehe daher im Widerspruch zu Anspruch 1 und müsse gestrichen werden.

6.3.3 Dieser Einwand überzeugte nicht. Absatz [0011] nennt eine "Kickboard- oder Scooter-Version", so dass dem lesenden Fachmann sofort klar ist, dass es sich bei der Erfindung um ein - einem bekannten Kickboard oder Scooter - ähnliches Fahrgerät handelt. Welche Merkmale nun von einem solchen bekannten oder zuvor beschriebenen Kickboard oder Scooter abweichen, bleibt offen. Somit stellt Absatz [0011] keinen Widerspruch zu den Merkmalen h und i dar.

6.4 Merkmale h, i ("alleine durch Gewichtsverlagerung", "keinen Lenker")

6.4.1 Die Merkmale h und i, von denen Merkmal i im Beschwerdeverfahren T 2538/16 hinzugefügt wurde, schließt unstrittig gemäß der genannten Entscheidung jede Variante eines "lenkenden Lenkers" aus.

6.4.2 Darauf basierend argumentierte die Beschwerdeführerin, dass folglich keine der als erfindungsgemäß präsentierten Ausführungsformen (Figuren 1 bis 7) weder implizit noch explizit eine von der Gewichtsverlagerungsteuerung abweichende Lenkung zulassen dürfe. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Stattdessen

- sei die Verwendung des Begriffs "Kickboard" in Absatz [0015] in Bezug auf Figur 1 keine Einschränkung auf einen bestimmten Lenkmechanismus,

- umfasse der in Absatz [0016] verwendete Begriff "Lenkmechanismus" alle aus dem Stand der Technik bekannten Formen der Lenkung und impliziere eine Drehlenkung,

- gelte die in Absatz [0020] (letzten zwei Zeilen) genannte "Hebelwirkung" auch für übliche "lenkende" Lenker, so dass das Entfalten von Hebelkräften ebenfalls eine Drehlenkung impliziere,

- habe der Begriff "Haltegriff" in den Absätzen [0020], [0021] und [0025] keine einschränkende Wirkung, da auch ein an einem lenkenden Lenker angesteckter Griff ein Haltegriff sei. Insbesondere setze Absatz [0002] des Streitpatents den Scooter, der immer eine Drehlenkung habe, in Verbindung mit einem "Lenker mit Griffen", so dass auch ein "Haltegriff" eine Drehlenkung impliziere.

- beinhalte auch der Begriff "Lenkstange" in den Absätzen [0018], [0021] und [0030] eine Drehlenkung.

Da diese Begriffe in der Beschreibung das Fahrgerät nicht auf eine Steuerung ausschließlich durch Gewichtsverlagerung beschränke, sondern eine breitere Auslegung erlaubten, seien die Ansprüche nicht durch die Beschreibung gestützt, was den Widerruf des Patents begründe.

Zuletzt könne auch Absatz [0036] ("...basiert die vorliegende Erfindung auch auf der Idee, das Fahrgerät durch Gewichtsverlagerung zu lenken und somit Kurven zu fahren und nicht über ein Lenkrad,...") diesen Widerspruch nicht beheben, da das Wort "auch" die Steuerung durch Gewichtsverlagerung als Ergänzung, d.h. optional, präsentiere, und nicht als ausschließliche Ausführung.

6.4.3 Zu diesem Einwand, der im Einspruchsverfahren nur teilweise vorgebracht wurde, befand die Einspruchsabteilung unter Punkt 69 der angefochtenen Entscheidung, dass die Hebelwirkung in Absatz [0020] mit dem Anspruchswortlaut kompatibel sei. Dem stimmt die Kammer - auch für alle weiteren beanstandeten Begriffe - zu.

6.4.4 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin "impliziert" keiner der angeführten Begriffe eine Drehlenkung oder einen lenkenden Lenker. Stattdessen baut die Beschreibung - wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht - aufeinander auf und wird vom Fachmann als Ganzes gesehen.

So steht nirgends in der Beschreibung, dass das beanspruchte Fahrgerät über eine Drehlenkung gesteuert wird. Aufgrund des Merkmals h ist für den Fachmann klar, dass mit "Kickboard" in Absatz [0015] ein Fahrgerät gemeint ist, das durch Gewichtsverlagerung gesteuert wird, mit "Lenkmechanismus" in Absatz [0016] genau der durch Gewichtsverlagerung gemeint ist, die Hebelwirkung zur Steuerung durch Gewichtsverlagerung verwendet wird und der Haltegriff und die Lenkstange eben nicht der Drehlenkung dienen.

Der Fachmann liest die genannten Begriffe in Zusammenschau mit den beschriebenen Figuren und dem Anspruch, wonach der Haltegriff gerade kein lenkender Lenker ist.

6.4.5 Absatz [0036] bestätigt genau dieses Verständnis. Das Wort "auch" wird hier vom Fachmann in Bezug auf das zuvor genannte Kinderkickboard gesehen: "Das erfindungsgemäße Fahrgerät ist, wie oben beschrieben, vorzugsweise vom Grundaufbau wie ein Kinderkickboard beschaffen, jedoch im Wesentlichen mit anderer Lenkeinrichtung, insbesondere dem ovalen Griff und einer Sitzeinrichtung, die vorzugsweise an der Lenkstange befestigt ist. Insbesondere basiert die vorliegende Erfindung auch auf der Idee, das Fahrgerät durch Gewichtsverlagerung zu lenken und somit Kurven zu fahren und nicht über ein Lenkrad,...".

Folglich hat das Fahrgerät den Grundaufbau des Kinderkickboards und wird - genau wie dieses, also "auch" - durch Gewichtsverlagerung gelenkt.

Im Folgenden wird der Lenkmechanismus weiter beschrieben, "der sich alleine durch Gewichtsverlagerung steuern lässt" (Absatz [0038], letzter Satz). An keiner Stelle wird ein anderer Lenkmechanismus erwähnt oder angedeutet.

6.5 Merkmal c ("befestigter vorderer Fahrwerkträger")

6.5.1 Merkmal c werde laut Beschwerdeführerin nicht von der Beschreibung gestützt. Die Ausführungsform der Figur 1 werde in Absatz [0015] mit einem "integrierten" vorderen Fahrwerkträger beschrieben, während Merkmal c "befestigt" definiere. Dies sei widersprüchlich, da die Begriffe unterschiedliche Bedeutungen hätten.

6.5.2 Dieser Einwand wurde in der Entscheidung, Punkt 66.a) mit Punkt 68 als nicht durch die Änderungen in den Ansprüchen verursacht angesehen und blieb daher im Rahmen der Richtlinien H-IV, 4.3 unberücksichtigt.

6.5.3 Tatsächlich handelt es sich bei diesem Einwand um einen Klarheitseinwand zu einem erteilten Merkmal gegenüber einem erteilten Beschreibungswortlaut. Klarheit ist jedoch kein Einspruchsgrund (Artikel 100 EPÜ) und kann somit zu diesem Zeitpunkt nicht mehr beanstandet werden. Entsprechend besagen die Richtlinien H-IV, 4.3, dass die "in das Patent aufgenommenen Änderungen" zu prüfen sind. Hier gibt es jedoch keine Änderungen.

6.5.4 Die Beschwerdeführerin bezog sich auf T 0121/20, wonach ein erteilter Anspruchswortlaut von der Kammer als widersprüchlich zur Beschreibung beanstandet worden sei. Die G 0003/14 sei hier nicht anwendbar, da sie sich auf Klarheit in den Ansprüchen, nicht auf die Beschreibung beziehe.

6.5.5 Die G 0003/14 findet jedoch dahingehend Anwendung, dass für die erteilte Fassung eines Patents in seiner Gesamtheit davon auszugehen ist, dass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt sind, d.h. auch die Stützung der Ansprüche durch die Beschreibung gegeben ist. Folglich ist der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass der vorgebrachte Klarheitseinwand zum Merkmal c nicht zu berücksichtigen ist.

Zur T 0121/20 ist anzumerken, dass darin gar nicht über die einzelnen, erforderlichen Anpassungen der Beschreibung entschieden, sondern zu deren Durchführung zurückverwiesen wurde. Die T 0121/20 (Gründe 10.2) hält nur fest, dass der Leser nicht mit "widersprüchliche Informationen" konfrontiert werden sollte.

6.6 Merkmale l, m ("integrale Befestigungseinrichtung, die die Lenkstange ummantelt")

6.6.1 Die Merkmale l und m würden laut Beschwerdeführerin ebenfalls nicht von der Beschreibung gestützt. Weder den Ausführungsbeispielen noch der Beschreibung sei eine "integrale", d.h. einstückig, zur Sitzeinrichtung ausgeführte Befestigungseinrichtung zu entnehmen.

Weiterhin bedeute "ummanteln" das vollständige Bedecken der Lenkstange. Dies könne weder von den in der Beschreibung genannten Schraubschellen (Absatz [0019]) noch von einer Schraubverbindung (Absatz [0018]) geschaffen werde, da eine Schraube lediglich eine punktförmige Verbindung schaffe. Auch Figur 2 zeige keine Ummantelung im Sinne eines vollständigen Bedeckens der Lenkstange wie der Figur 5 und dem Absatz [0028] zu entnehmen sei.

6.6.2 Dieser Einwand wird in der Entscheidung unter Punkt 66.b) genannt und blieb analog zu Merkmal c im Rahmen der Richtlinien H-IV, 4.3 unberücksichtigt (Entscheidung Punkt 68).

6.6.3 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung. Wie bei Merkmal c betrifft der Einwand tatsächlich die erteilten Merkmale l und m sowie einen erteilten Wortlaut der Beschreibung. Da Artikel 84 kein Einspruchsgrund ist, ist dieser Einwand unzulässig.

6.7 Folglich ist die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen, dass die angepasste Beschreibung gemäß Hauptantrag gewährbar ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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