European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T253816.20200218 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Februar 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2538/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11009298.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B62K 3/00 B62J 1/00 B62K 9/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kleinkind-Roller | ||||||||
Name des Anmelders: | Micro Mobility Systems AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Pik and Roll | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (ja) Unzulässige Erweiterung (nein) Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 2 476 607 wurde mit der am 12. September 2016 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten. Dagegen wurde von der Patentinhaberin form- und fristgerecht gemäß Artikel 108 EPÜ Beschwerde eingelegt.
II. Es fand am 18. Februar 2020 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Basis des Hilfsantrags 2 (jetzt Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung am 17. Januar 2017) oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Basis der Hilfsanträge 3 bis 9 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung am 17. Januar 2017). Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
III. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Fahrgerät für Kleinkinder mit einem Trittbrett (1), einem daran befestigten vorderen (2) und hinteren (3) Fahrwerksträger, wobei der vordere Fahrwerksträger (2) zwei Räder und der hintere Fahrwerksträger 83) ein Rad trägt, einer vertikalen Lenkstange (11), die mit dem vorderen Fahrwerksträger verbunden ist, und einer Griffeinrichtung (16) am oberen Teil der Lenkstange, wobei die Steuerung des Fahrgeräts alleine durch Gewichtsverlagerung erfolgt und die Lenkstange (11) lediglich die Griffeinrichtung (16), jedoch keinen Lenker enthält, und wobei das Fahrgerät weiterhin eine Sitzeinrichtung (12) aufweist, wobei die Sitzeinrichtung (12) an der Lenkstange (12) befestigt ist, und, dass die Sitzeinrichtung (12) im vorderen Teil in eine integral ausgeführte Befestigungseinrichtung (24) übergeht, die im montierten Zustand die Lenkstange (11) ummantelt."
IV. Die Beschwerdeführerin führte aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags in Verbindung mit der Beschreibung des Streitpatents (im Folgenden als EP-B bezeichnet) hinreichend klar und vollständig offenbart sei, derart, dass der Fachmann es ausführen könne. Insbesondere sei eine Steuerung ohne Gewichtsverlagerung offensichtlich in den Absätzen [0036] und [0037] von EP-B offenbart. Weiterhin sei auch das Merkmal mit dem Wortlaut "in eine integral ausgeführte Befestigungseinrichtung (24) übergeht, die im montierten Zustand die Lenkstange (11) ummantelt" (im Folgenden als Merkmal (i) benannt) für den Fachmann ausführbar, da die Anzahl der unterschiedlichen in EP-B offenbarten Ausführungsformen und die Frage betreffend welche dieser Ausführungsformen nun dem beanspruchten Gegenstand entspreche, für die Frage der Ausführbarkeit keine Rolle spiele.
Das Merkmal (i) gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus, da es eine Stütze in der ursprünglich eingereichten Anmeldung finde (siehe Absatz [0021] der veröffentlichten Anmeldung, im Folgenden als EP-A benannt). Das weitere Merkmal mit dem Wortlaut "wobei der vordere Fahrwerksträger (2) zwei Räder und der hintere Fahrwerksträger (3) ein Rad trägt" (im Folgenden als Merkmal (ii) benannt) sei ebenfalls gestützt durch EP-A (siehe z.B. Absatz [0003]) und die allgemeine Definition eines Kickboards.
Die beanspruchte Priorität sei gültig, denn die beanstandeten Merkmale und Stellen in der Beschreibung von EP-A jedenfalls nicht im Anspruch 1 enthalten seien.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D4, da D4 kein Fahrgerät für Kleinkinder offenbare und auch kein Fahrgerät offenbare, bei dem "die Steuerung des Fahrgeräts alleine durch Gewichtsverlagerung erfolgt und die Lenkstange (11) lediglich die Griffeinrichtung (16), jedoch keinen Lenker enthält" (Im Folgenden als Merkmal (iii) benannt).
Die auf D13, D14, D16 und der Figur 4 von EP-B basierende Argumentationslinien seien unzulässig, weil D13, D14 von der angefochtenen Entscheidung nicht zugelassen wurden und die durch Figur 4 und D16 gestützten Argumentationslinien verspätet (erst im Beschwerdeverfahren) vorgebracht seien.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den Fachmann erfinderisch, insbesondere ausgehend von D1, D7, D16 oder der Figur 4 von EP-B jeweils in Verbindung mit D3, D4, D13 oder D14. Insbesondere seien die Fahrgeräte gemäß D1, D7 oder D16 sehr verschieden von den Fahrgeräten gemäß D3, D4, D13 oder D14, sowohl bezüglich der Art der Steuerung als auch bezüglich ihrer Struktur. Deswegen seien für den Fachmann diese Kombinationen nicht naheliegend und könnten jedenfalls auch nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.
V. Die Beschwerdegegnerin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in Verbindung mit der Offenbarung von EP-B nicht ausreichend klar und vollständig offenbart sei, derart dass der Fachmann es ausführen könne. Zum einen stelle eine "Steuerung des Fahrgeräts alleine durch Gewichtsverlagerung" gemäß Merkmal (iii), wie im Anspruch 1 angegeben, einen sehr breiten Begriff dar. Für dieses Merkmal sei aber in EP-B nur ein einziges Ausführungsbeispiel offenbart, damit sei die breite Formulierung des besagten Merkmals nicht gerechtfertigt, da eine Vielzahl von möglichen Ausführungsformen mit umfasst seien, die aber nicht in EP-B beschrieben seien. Zudem sei auch das Merkmal (i) nicht ausreichend klar und vollständig offenbart, da wegen der Vielzahl der teilweise sehr unterschiedlichen Ausführungsformen der Fachmann bei der Umsetzung dieses Merkmals keine genauen Hinweise bzw. Anleitungen habe.
Das Merkmal (ii) gehe über den Inhalt von EP-A hinaus, da dieses Merkmal gemäß EP-A lediglich in Verbindung mit dem weiteren Merkmal offenbart sei, wonach das Rad am hinteren Fahrwerksträger kleiner sei als die Vorderräder (siehe z.B. Anspruch 2, Figuren 1-4, 8). Ebenfalls gehe das Merkmal (i) über den Inhalt von EP-A hinaus, da dieses Merkmal nur in Verbindung mit einer "bananenförmigen Sitzeinrichtung" (EP-A, [0019]) ursprünglich offenbart sei und zudem auch laut EP-A die "Verkleidung" die Lenkstange ummantele (siehe Anspruch 7) und nicht die "Befestigungseinrichtung" gemäß Merkmal (i).
Die vom Streitpatent (EP-B) beanspruchte Priorität sei für den Gegenstand des Anspruchs 1 ungültig, da die Merkmale in Absatz [0026] von EP-B (betreffend einen in unterschiedlichen Höhen fixierbarer Sitz) nicht in dem Prioritätsdokument enthalten seien und da diese Merkmale eng mit den Merkmalen des Anspruchs 1 verbunden seien. Folglich stelle die veröffentlichte, auf dem Prioritätsdokument basierende vorveröffentlichte Anmeldung D0 (DE-U-202011001596) einen für den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlichen Stand der Technik dar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber D4, da dieses Fahrgerät insbesondere explizit auch für Kinder konzipiert sei und alleine durch Gewichtsverlagerung steuerbar sei. Eine Steuerung (nach links oder rechts) durch Gewichtsverlagerung ergebe sich zwingend z.B. durch die (aus der Gewichtsverlagerung resultierenden) seitliche Verschiebung der mit Spiel montierten Räder, oder bei der Ausführung von "wheelies", d.h. wenn das Fahrgerät nur auf dem hinteren Rad fahre.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 weise für den Fachmann ausgehend von D1, D7, D16 oder dem Stand der Technik gemäß Figur 4 von EP-B keine erfinderische Tätigkeit auf, insbesondere im Hinblick auf die naheliegende Kombination mit D3, D4, D13 oder D14. Jedes der Fahrgeräte gemäß D1, D7, D16 oder der Figur 4 von EP-B unterscheide sich vom Anspruchsgegenstand nur dadurch, dass keine an der Lenkstange befestigte Sitzeinrichtung vorgesehen sei, wobei die Befestigungseinrichtung die Lenkstange ummantele. In D1 sei jedoch ein klarer Hinweis zu finden, dass die Lenkstange und die Sitzeinrichtung eine Einheit bilden könnten (D1, Seite 3). Folglich werde der Fachmann, in seinem Bestreben ein für Kinder geeignetes Fahrgerät zu schaffen, speziell D13 in Betracht ziehen, da es ein auf ein Fahrgerät für Kinder ("Trottinette" oder "Patinette") montierbares Fahrsitz-kit offenbare. Folglich werde der Fachmann in naheliegender Weise diese technische Maßnahme auf das Fahrgerät gemäß D1 übertragen und zum beanspruchten Gegenstand gelangen. Analog hierzu führe auch die Betrachtung der Dokumente D3, D4 oder D14 den Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Falls der Fachmann von einem der Dokumente D7, D16 oder von Figur 4 in EP-B ausgehe, gelange er ebenfalls, aus im Wesentlichen denselben Gründen wie in Bezug auf D1 diskutiert wurde, durch die naheliegende Kombination mit D3, D4, D13 oder D14 zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags geht nicht über den Inhalt der eingereichten Anmeldung (siehe EP-A) hinaus und erfüllt somit die Anforderungen gemäß Artikel 123(2) EPÜ.
Das Merkmal (ii) (d.h. "wobei der vordere Fahrwerksträger (2) zwei Räder und der hintere Fahrwerksträger (3) ein Rad trägt"), wie von der Beschwerdegegnerin bemängelt, macht keine Angaben zur Größe des Hinterrads in Relation zu derjenigen der Vorderräder, obwohl die Ausführungsbeispiele ein kleineres Hinterrad zeigen. Dennoch sind diese Merkmale nicht unlösbar und zwingend miteinander verbunden, da es hierfür keinen technischen oder anderen spezifischen Grund gibt, welches aus der Offenbarung von EP-A ableitbar ist. Die Beschwerdegegnerin hat auch keinen solchen Grund angegeben. Zudem enthält die allgemeine Beschreibung eines Kickboards in Absatz [0003] von EP-A auch keine Angaben zur Größe der Hinterräder. Insgesamt ergibt sich also keine über den Inhalt von EP-A hinausgehende Information.
Zum Merkmal (i) (d.h. "in eine integral ausgeführte Befestigungseinrichtung (24) übergeht, die im montierten Zustand die Lenkstange (11) ummantelt") ist zunächst festzuhalten, dass gemäß Anspruch 7 in EP-A die Sitzeinrichtung lediglich "vorzugsweise bananenförmig" ausgeführt ist, somit stellt das Weglassen von "bananenförmig" keine Verallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung dar. Weiterhin ist aus Absatz [0019] in EP-A zu entnehmen, dass die "Sitzeinrichtung ? in eine integral ausgeführte Befestigungseinrichtung" übergeht, die "im montierten Zustand von der Lenkstange durchdrungen wird", folglich wird notwendigerweise im montierten Zustand die Lenkstange von der Befestigungseinrichtung zumindest teilweise "ummantelt".
Aus diesen Gründen verstoßen die Merkmale (i) und (ii) nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 in Verbindung mit der Beschreibung des Streitpatents (EP-B) ist ausreichend klar und vollständig offenbart, derart dass der Fachmann es ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).
Eine spezifische Ausführungsform des Merkmals (iii) (d.h. "die Steuerung des Fahrgeräts alleine durch Gewichtsverlagerung erfolgt und die Lenkstange (11) lediglich die Griffeinrichtung (16), jedoch keinen Lenker enthält"), die auch zum allgemeinen Fachwissens gehört, ist unstreitig in EP-B hinreichend klar und vollständig offenbart (siehe "Achsschenkellenkung", Absätze [0036]-[0038]). Es kann der Beschwerdegegnerin darin nicht gefolgt werden, dass das Merkmal (iii) zu breit gefasst sei, da in dem vorliegenden Fall die beschriebene Ausführungsform zum Stand der Technik gehört und bei "Kickboards" die üblichste und gängigste Form der Lenkung darstellt (ohne "lenkenden Lenker" und in allen möglichen Varianten). Somit ist die Relation zwischen dem beanspruchten Schutzumfang und die offenbarten Ausführungsbeispiele nicht unverhältnismäßig, da diese den wesentlichen Teil der möglichen Ausführungsformen abdecken. Zudem ist das Merkmal (iii) offensichtlich nicht der zentrale oder wesentliche Aspekt der vorliegenden Erfindung, da die Erfindung in keiner Weise eine Verbesserung der besagten (und zum Stand der Technik gehörenden) "Steuerung durch Gewichtsverlagerung" betrifft oder anstrebt.
Zu Merkmal (i) ist festzuhalten, dass es für den Fachmann ohne Weiteres ausführbar ist, da es lediglich darum geht, dass die Befestigungseinrichtung die Lenkstange "ummantelt". Folglich ist das Merkmal für sich genommen für den Fachmann hinreichend klar und ausführlich offenbart, wobei in diesem Fall die Anzahl der unterschiedlichen Ausführungsformen, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin, mit der Frage der Ausführbarkeit nichts zu tun hat.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 kann zurecht die in EP-B benannte Priorität beanspruchen, da sich dieser Gegenstand klar und unmissverständlich dem Inhalt und dem Wortlaut nach von der Gesamtoffenbarung (inklusive der Figuren) des Prioritätsdokument ableiten lässt (Artikel 88 (4) EPÜ). Der von der Beschwerdegegnerin beanstandete, in der Beschreibung hinzugefügte Gegenstand (siehe EP-B, [0026]) betrifft nur eine mögliche, bevorzugte Ausführungsform der Erfindung, die keinen Einfluss auf den beanspruchten Gegenstand hat, der sich von der besagten Ausführungsform deutlich unterscheidet. Folglich ist auch die auf dem Prioritätsdokument basierende, veröffentlichte Anmeldung D0 kein Stand der Technik nach Artikel 54 EPÜ.
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber D4, da nach Auffassung der Kammer D4 kein Fahrgerät für "Kleinkinder" offenbart, wobei als "Kleinkinder" in der Regel Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahre umfasst werden. Insbesondere betrifft D4 ein Fahrgerät zur Ausführung von sogenannten "wheelies" (siehe D4, Abstract), wobei diese Fahrweise das Abheben der Vorderräder impliziert, um das Gleichgewicht einzig und allein auf dem Hinterrad zu halten. Ein Fahrgerät, welches für Fahrweisen dieser Art (d.h. für "wheelies") konzipiert ist, die ein nicht geringes Unfallsrisiko in sich bergen, ist nicht als für Kleinkinder geeignet anzusehen.
Zudem ist in D4 auch das Merkmal (iii) nicht offenbart, da D4 eine Steuerung des Fahrgeräts (nach links oder rechts) nicht explizit offenbart, und eine solche Steuerung sich auch nicht implizit zwingend und notwendig aus D4 ergibt. Speziell ist aus D4 nicht ableitbar, ob und wie mit geringem Spiel montierte Räder eventuell überhaupt das Steuern (in geringem Masse) ermöglichen könnten. Ebensowenig ist aus D4 abzuleiten, ob bei der Ausführung von "wheelies" das Fahrgerät auch eine Steuerung nach links oder nach rechts ermöglicht. Folglich ist der Anspruchsgegenstand neu (Artikel 54 EPÜ).
6. Die auf Figur 4 von EP-B basierende Argumentation der Beschwerdegegnerin ist nicht zulässig, da es entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin in EP-B keine explizite und eindeutige Aussage gibt, wonach diese Figur ein zum Stand der Technik gehörendes Fahrgerät zeigen soll (Artikel 54 (1) EP?).
Im Übrigen wird festgestellt, dass der Offenbarungsgehalt der Figur 4 in EP-B nicht über den Offenbarungsgehalt von D7 oder D16 hinausgeht.
7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist für den von D1, D7 oder D16 ausgehenden Fachmann durch die weiteren Dokumente D3, D4, D13, oder D14 nicht nahegelegt.
D1 (ähnlich wie D7 oder D16) offenbart ein Fahrgerät, welches zumindest das Merkmal (i) des Anspruchs 1 nicht aufweist, sowie auch das Merkmal wonach "die Sitzeinrichtung (12) an der Lenkstange (12) befestigt ist" (siehe Anspruch 1) (im Folgenden als Merkmal (iv) bezeichnet).
Der Auffassung der Beschwerdegegnerin wird nicht beigetreten, wonach D1 bereits einen Hinweis enthält, welches das Merkmal (iv) nahelegt. D1 offenbart lediglich (Seite 3, letzter Absatz), dass die Sitzeinrichtung und der Lenker ("dispositif repose-mains") insbesondere auch eine auf dem Trittbrett ("planche") montierbare Einheit ("ensemble unique") bilden können. Daraus ergibt sich aber nicht unmittelbar, dass die Sitzeinrichtung an der Lenkstange befestigt ist, da die Sitzeinrichtung und die Lenkstange auch über eine am Trittbrett festgemachte Struktur miteinander verbunden sein können.
Weiterhin werden die Merkmale (i) und (iv) auch nicht durch D3, D4, D13 oder D14 nahegelegt. Speziell betreffen D13 und D14 Fahrgeräte mit einem "lenkenden" oder "steuernden" Lenker, die also nicht durch Gewichtsverlagerung gesteuert werden. Folglich würde der Fachmann, selbst wenn er eine zu der in D13 oder D14 offenbarten analoge Sitzeinrichtung auf das Fahrgerät von D1 übertragen würde, diese jedoch nicht notwendig oder zwingend an der Lenkstange befestigen. Die Einleitung der Gewichtskraft (und des eventuell resultierenden Kraftmoments) auf die Lenkstange würde sich nämlich aufgrund der unterschiedlichen Art der Steuerung auf die Fahrdynamik des Fahrgeräts gemäß D1 anders auswirken als auf die Fahrdynamik der aus D13 und D14 bekannten Fahrgeräte.
Zu dem aus D3 bekannten Fahrgerät wird festgestellt, dass es sich hierbei um ein durch Gewichtsverlagerung steuerbares Fahrgerät handelt. Dennoch ist die Struktur dieses Fahrgeräts bedeutend anders als diejenige des Fahrgeräts gemäß D1, welches zwei Hinterräder und zwei Vorderräder gleicher Größe hat (ähnlich einem "skateboard"), während D3 ein Fahrgerät mit nur einem großen Vorderrad und mit zwei im Vergleich dazu extrem kleinen, auf einer Achse angeordneten, nahe beabstandeten Hinterräder). Infolge der unterschiedlichen Fahrdynamik dieser Fahrgeräte würde der Fachmann auch hier nicht notwendig und zwingend eine Sitzeinrichtung an der Lenkstange befestigen, aus denselben Gründen wie oben erläutert.
Das aus D4 bekannte Fahrgerät kann die Merkmale (i) und (iv) auch nicht nahelegen, da dieses Fahrgerät nicht im Sinne von Anspruch 1 "allein durch Gewichtsverlagerung" steuerbar ist (wie unter Punkt 5. erläutert) und, wie in Bezug auf D13 oder D14 bereits ausgeführt, der Fachmann nicht ohne Weiteres die in D4 gezeigte Anordnung der Sitzeinrichtung zwingend und notwendig auf das Fahrgerät gemäß D1 übertragen würde.
8. D7 und D16 offenbaren nicht die Merkmale (i) und (iv). Folglich würde der Fachmann, ausgehend von D7 oder D16, im Wesentlichen aus denselben Gründen wie zu der von D1 ausgehenden Argumentation der Beschwerdegegnerin dargelegt wurde, nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung gemäß Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 2 (jetzt Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung) und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.