European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T137422.20241126 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 November 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1374/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09012230.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B66F 9/24 B62B 3/06 B62D 51/04 B62B 5/00 B62D 51/00 B66F 17/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Deichselgeführtes Flurförderzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | OM Carrelli Elevatori S.p.A. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Toyota Material Handling Manufacturing Sweden AB | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) Ausreichende Offenbarung - (ja) Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Spät eingereichte Tatsachen - im erstinstanzlichen Verfahren zugelassen (nein) Spät eingereichte Tatsachen - Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen Zulassung (nein) Spät eingereichte Tatsachen - Ermessensfehler in erster Instanz (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch zurückgewiesen und das Patent EP 2 172 414 in der erteilten Fassung aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die geltend gemachten Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ, Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen. Die Neuheit und das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des unabhängigen Anspruchs 1 in der erteilten Fassung wurden von der Einspruchsabteilung unter Berücksichtigung des folgenden Standes der Technik anerkannt:
D1: EP 1 418 114 A2
D2: US 2006/0231302 A1
Folgende Beweismittel wurden von der Einsprechenden nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht und von der Einspruchsabteilung in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht zum Einspruchsverfahren zugelassen:
D7 : Wartungshandbuch "Servicemanual SV", 2006-10-02
D7a: Rechnung 1043257, 06-06-28
D7b: englischsprachige Übersetzung von D7a
III. In einer am 14. August 2024 versandten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar.
Eine mündliche Verhandlung fand am 26. November 2024 vor der Kammer per Videokonferenz statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent auf Basis eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 aufrechtzuerhalten.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt (Merkmalsgliederung von der Kammer gemäß der angefochtenen Entscheidung eingefügt):
M1: "Deichselgelenktes Flurförderzeug (1) mit
M2: einer um eine vertikale Achse (7) schwenkbaren Deichsel (8) und
M3: einem Fahrantriebsmotor,
M4: wobei die maximale Fahrgeschwindigkeit (Vmax) des Flurförderzeugs (1) in Abhängigkeit von dem Schwenkwinkel (alpha) der Deichsel (8) um die vertikale Achse (7) steuerbar ist,
M5: wobei in einem ersten Schwenkbereich (S1) um die Geradeausfahrtstellung der Deichsel (8),
M6: wobei der erste Schwenkbereich (S1) die Geradeausfahrtstellung der Deichsel (8) mit einem Schwenkwinkel (alpha) von 0° enthält,
M7: das Flurförderzeug (1) mit einer maximalen Fahrgeschwindigkeit (Vmax) betreibbar ist, und
M8: in einem zweiten Schwenkbereich (S2), der die maximale Schwenkstellung der Deichsel (8) mit einem Schwenkwinkel (alpha) von +/-90° enthält, mit einer verringerten Höchstgeschwindigkeit (V1) betreibbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M9: zwischen dem ersten Schwenkbereich (S1) und dem zweiten Schwenkbereich (S2) ein Übergangsbereich (S3) ausgebildet ist, in dem die maximale Fahrgeschwindigkeit (Vmax) kontinuierlich mit dem Schwenkwinkel (alpha) der Deichsel (8) veränderbar ist."
Entscheidungsgründe
HAUPTANTRAG - PATENT IN DER ERTEILTEN FASSUNG
1. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) wendete sich mit ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass die vorgebrachten Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ, Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen. Darüber hinaus wandte sie sich gegen die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, die verspätet eingereichten Beweismittel D7, D7a und D7b nicht zum Einspruchsverfahren zuzulassen. Sie beantragte diese Beweismittel zum Beschwerdeverfahren zuzulassen und bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen.
1.1 Hinsichtlich der Beanstandungen nach Artikel 100 c) EPÜ, Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ sowie hinsichtlich der angefochtenen Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung verwies die Beschwerdeführerin (Einsprechende) in der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftlichen Vortrag und machte keine weiteren Ausführungen. Die Kammer sieht somit keinen Grund von ihrer vorläufigen Einschätzung abzuweichen, die hiermit bestätigt wird und wie folgt lautet:
Artikel 100 c) EPÜ
2. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegen, wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung richtigerweise entschieden wurde.
2.1 Entgegen dieser Schlussfolgerung hielt die Beschwerdeführerin (Einsprechende) daran fest, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging.
Offenbarung der Merkmale M6 und M8 des Anspruchs 1
2.2 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hielt weiterhin den Einwand aufrecht, dass der Wortlaut des Merkmals M6 "der erste Schwenkbereich (S1) die Geradeausfahrtstellung der Deichsel (8) mit einem Schwenkwinkel (alpha) von 0° enthält" sowie der Wortlaut des Merkmals M8 "die maximale Schwenkstellung der Deichsel (8) mit einem Schwenkwinkel (alpha) von +/-90°" - entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung - den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, insbesondere den Absätzen [0020] und [0021] der A1-Schrift, nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen seien. Insbesondere vertrat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) die Auffassung, dass diese zitierten Textstellen nicht explizit offenbarten, dass der Schwenkbereich S1 einen bestimmten Schwenkwinkel (alpha) von 0° beinhalte. Darüber hinaus machte sie geltend, dass das Weglassen des im Absatz [0021] der Al-Schrift enthaltenen Wortlauts "in jeder Lenkrichtung" zu einer unzulässigen Verallgemeinerung führe, die ebenfalls gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
2.2.1 Die Kammer ist von diesem Vorbringen nicht überzeugt:
Wie von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zutreffend vorgetragen wurde, ist in Absatz [0020] die Geradeausfahrtstellung der Deichsel mit einem Schwenkwinkel von alpha=0° explizit beschrieben. Aus dem folgenden Absatz [0021] geht ebenfalls eindeutig und unmittelbar hervor, dass der Schwenkbereich S1 die durch den Schwenkwinkel alpha=0° vorher definierte Geradeausfahrtstellung umfasst. Den Absätzen [0020] und [0021] in Kombination entnimmt die Fachperson somit ohne Weiteres die Lehre des Merkmals M6, wonach "der erste Schwenkbereich (S1) die Geradeausfahrtstellung der Deichsel (8) mit einem Schwenkwinkel (alpha) von 0° enthält". Dasselbe gilt für den Wortlaut des Merkmals M8, das den Zeilen 15 bis 20 des Absatzes [0021] der Al-Schrift unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. In diesem Zusammenhang ist die Kammer überzeugt, dass die Bedeutung der in Absatz [0021] der Al-Schrift verwendeten Verben "umfassen" bzw. "beinhalten" mit der Bedeutung des in den Merkmalen M6 und M8 verwendeten Verbs "enthalten" gleichzusetzen ist. Hinsichtlich des weiteren Einwands der angeblich unzulässigen Zwischenverallgemeinerung durch das Weglassen des Wortlauts "in jeder Lenkrichtung" in Anspruch 1 schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) an, dass diese Information bereits durch die Angabe des Merkmals M8 vorhanden ist, wonach die maximale Schwenkstellung der Deichsel einen Schwenkwinkel (alpha) von +/-90°, also in beiden Winkelrichtungen, aufweist. Die Kammer kann daher keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des in den Absätzen [0020] und [0021] der Al-Schrift offenbarten Ausführungsbeispiels erkennen.
Artikel 100 b) EPÜ
3. Der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegen, wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung richtigerweise entschieden wurde.
3.1 Entgegen der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung hielt die Beschwerdeführerin (Einsprechende) daran fest, dass die Erfindung im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass eine Fachperson sie ausführen könnte.
3.1.1 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) bemängelte, dass das Streitpatent nur ein einziges Ausführungsbeispiel der Erfindung, insbesondere nur eine einzige mögliche Auswahl an Schwenkwinkeln für die Schwenkbereiche offenbare, die dem Absatz [0022] der B1-Schrift zu entnehmen sei. Hierzu trug sie vor, dass die Angabe eines einzigen Ausführungsbeispiels nicht ausreichend sei, um die Ausführbarkeit der Erfindung im gesamten Bereich des sehr breiten Anspruchs 1 zu belegen. In diesem Zusammenhang nannte sie beispielsweise einige vom Anspruch 1 mitgeschützte Kombinationen der Schwenkbereiche S1 und S2 und des Übergangsbereichs S3, die angeblich zu nicht funktionierenden Ausführungsformen der Erfindung führen bzw. die nicht die beanspruchten technischen Wirkungen erzielen.
3.1.2 Die Ausführungen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zur mangelnden Ausführbarkeit können die Kammer nicht überzeugen:
Erstens kann - wie von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zutreffend hervorgehoben wurde - die Offenbarung eines einzigen Ausführungsbeispiels unter bestimmten Umständen ausreichend sein, um die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ zu erfüllen. Diesbezüglich schließt sich die Kammer den Schlussfolgerungen in den Entscheidungen T2773/18 (Gründe 3.2), T500/20 (Gründe 3.6) und T1983/19 (Gründe 2.1.3) an. Dies trifft auf das Streitpatent zu, denn der Fachmann entnimmt dem Absatz [0022] des Streitpatents nicht nur eine mögliche Dimensionierung der Schwenkbereiche S1 und S2 und des Übergangsbereichs, sondern auch die für das Streitpatent entscheidende Lehre, dass die maximale Fahrgeschwindigkeit (Vmax) im Übergangsbereich (S3) linear mit dem Schwenkwinkel (alpha) der Deichsel veränderbar ist. Die Kammer ist daher überzeugt, dass die zuständige Fachperson - ausgehend von diesen Informationen und unter Berücksichtigung allgemeiner Fachkenntnisse - in die Lage versetzt wird, weitere funktionierende Dimensionierungen der Schwenkbereiche S1 und S2 und des dazwischen liegenden Übergangsbereichs auszuwählen und gleichzeitig offensichtlich nicht funktionierende Ausführungsformen bei der Ausführung der Erfindung auszuschließen. Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) behaupteten Auftretens unerwünschter Brems- und Stabilitätsprobleme sowie eines Ruckelns bei bestimmten Kombinationen von Schwenkwinkeln ist der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zuzustimmen, dass diese Behauptungen von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) nicht belegt worden sind. Schließlich kann gegen ein Patent nur dann der Einwand mangelnder Offenbarung erhoben werden, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel bestehen (siehe T 19/90, Gründe 3.3 der Entscheidungsgründe), für die die Einsprechende die Beweislast trägt.
Nichtzulassung der Entgegenhaltungen D7, D7a und D7b
4. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) vertrat die Auffassung, dass die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, die verspätet eingereichten Beweismittel D7, D7a und D7b nicht zum Einspruchsverfahren zuzulassen, falsch sei, insbesondere weil diese Entgegenhaltungen - entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung - zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehörten. Darüber hinaus sei das für die strittige Frage der Neuheit und zumindest der erfinderischen Tätigkeit entscheidende Merkmal M9 im Wartungshandbuch D7 offenbart. Diese Entgegenhaltungen seien somit "prima facie" hoch relevant und hätten aus diesem Grund zum Einspruchsverfahren zugelassen werden müssen.
4.1 Die Kammer sieht keinen Grund, von der Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung abzuweichen:
Die Einspruchsabteilung hat in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ die Beweismittel D7, D7a und D7b nicht zum Einspruchsverfahren zugelassen. Die Kammer merkt an, dass hinsichtlich der von einer Einspruchsabteilung vorgenommenen Feststellung der relevanten Fakten zu berücksichtigen ist, dass vor dem Europäischen Patentamt anerkanntermaßen der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt, was auch Auswirkungen auf die Überprüfung im Beschwerdeverfahren haben muss. Soweit kein Rechtsanwendungsfehler vorliegt (z. B. die Anwendung eines falschen Beweismaßstabs), sollte eine Beschwerdekammer daher die Beweiswürdigung eines erstinstanzlichen Spruchkörpers nur aufheben und durch ihre eigene ersetzen, wenn diese erkennbar (1) wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat, (2) sachfremde Erwägungen mit einbezogen hat oder (3) Verstöße gegen die Denkgesetze, etwa logische Fehler und Widersprüche in der Begründung, vorliegen (siehe G 7/93, Nr. 2.6 der Entscheidungsgründe).
Nichts von dem ist erkennbar.
4.1.1 Unabhängig von der Frage der Vorveröffentlichung des Wartungshandbuchs D7 kann die Kammer keinen Fehler bei der Anwendung des Kriteriums der Prima-facie-Relevanz von D7 basierend auf dem Fehlen einer klaren Offenbarung für das Merkmal M9 (vgl. Nr. 6 der Entscheidungsgründe) feststellen. Die Einspruchsabteilung hat diesbezüglich eine logische Begründung gegeben, und zwar basierend auf der Feststellung, dass sich der "steering angle" ("Styrvinkel" auf Schwedisch) in der Tabelle auf Seite 10-1 des Wartungshandbuchs D7 nicht auf den maximalen Schwenkwinkel der Deichsel, sondern auf die Lenkung des Rades des Flurförderzeugs bezieht. Die Beschwerdeführerin hat die prima-facie Bewertung nicht kritisiert, sondern lediglich in der Sache ausgeführt, warum das Merkmal M9 aus D7 bekannt sei.
4.1.2 Bereits aus diesem Grund ist die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, die Beweismittel D7, D7a und D7b nicht zum Einspruchsverfahren zuzulassen, nicht zu beanstanden. Darüber hinaus kann die Kammer keine Umstände des Beschwerdeverfahrens erkennen, die eine Zulassung dieser Entgegenhaltungen nach Artikel 12 (6) VOBK rechtfertigen würden, noch hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) solche Umstände vorgebracht.
4.1.3 Die Kammer entscheidet daher, alle auf diesen Beweismitteln basierenden Angriffe unberücksichtigt zu lassen.
Artikel 100 a) i.V.m. mit Artikel 54 EPÜ
5. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegen, wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung richtigerweise festgestellt wurde.
5.1 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hielt daran fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 von den Entgegenhaltungen D1 und D2 neuheitsschädlich vorweggenommen werde.
Neuheit gegenüber D1
5.2 Hierzu merkte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) an, dass Anspruch 1 keine Einschränkung hinsichtlich der Größe der beanspruchten Schwenkbereiche enthalte. Unter Berücksichtigung der Absätze [0014] und [0022] der D1 entnahm die Beschwerdeführerin (Einsprechende) dem Diagramm 8 der D1 eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines ersten Schwenkbereichs entsprechend einem Schwenkwinkel zwischen 0° bis 1°, einen zweiten Schwenkbereich, der um einen Schwenkwinkel von 90° liege, sowie einen Übergangsbereich entsprechend einem Schwenkwinkel zwischen 1° und 89°, in welchem die maximale Fahrgeschwindigkeit kontinuierlich mit dem Schwenkwinkel der Deichsel veränderbar sei. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) vertrat daher die Auffassung, dass - entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung - neben den Merkmalen M1 bis M4 auch die Merkmale M5 bis M9 des erteilten Anspruchs 1 in D1 offenbart seien.
5.2.1 Diese Ausführungen können nicht überzeugen:
Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Aufteilung des gesamten Schwenkbereichs in einen ersten und einen zweiten Schwenkbereich, zwischen denen gemäß den Merkmalen M5 bis M9 des Anspruchs 1 ein Übergangsbereich ausgebildet ist, dem Diagramm 8 der Entgegenhaltung D1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Diesbezüglich folgt die Kammer der Auslegung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass ein Winkelbereich nicht mit einem Winkel gleichzusetzen ist. Dem Diagramm 8 entnimmt die Fachperson (1) lediglich (1) einen Schwenkwinkel alpha=0° entsprechend der Geradeausfahrtstellung der Deichsel und der maximalen Fahrgeschwindigkeit, (2) einen Schwenkwinkel alpha=100°, der die maximale Schwenkstellung der Deichsel definiert, in der eine verringerte Fahrgeschwindigkeit erreicht wird, und (3) einen dazwischen liegenden Schwenkbereich (0°<alpha<90°), in welchem die maximale Fahrgeschwindigkeit kontinuierlich mit dem Schwenkwinkel der Deichsel veränderbar/reduzierbar ist. D1 offenbart somit keinen ersten und keinen zweiten Schwenkbereich gemäß den Merkmalen M5 bis M8 und somit auch keinen dazwischen liegenden Übergangsbereich gemäß Merkmal M9 des erteilten Anspruchs 1. Darüber hinaus beträgt die maximale Schwenkstellung der Deichsel des aus D1 bekannten Flurförderzeugs ±100° und nicht ±90°, wie im erteilten Anspruch 1 verlangt.
Neuheit gegenüber D2
5.3 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) trug schriftlich vor, dass der Figur 6 in Kombination mit dem Absatz [0026] zu entnehmen sei, dass die horizontale Bewegung der Deichsel bei festgelegter vertikaler Position derselben zu drei mit "HIGH", "MEDIUM" und "LOW" bezeichneten Betriebsgeschwindigkeiten führe, die wiederum zwangsläufig einem ersten und einem zweiten Schwenkbereich sowie einem dazwischen liegenden Übergangbereich entsprächen. Somit seien in D2 nicht nur die Merkmale M1 bis M8 des Anspruchs 1 offenbart, sondern auch der erste Teil des Merkmals M9 (nachstehend als Teilmerkmal M9a bezeichnet), wonach zwischen dem ersten und dem zweiten Schwenkbereich ein Übergangsbereich ausgebildet ist. Hinsichtlich des zweiten Teilmerkmals des Merkmals M9 (nachstehend als Teilmerkmal M9b bezeichnet) merkte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) an, dass dieses lediglich verlange, dass die maximale Fahrgeschwindigkeit kontinuierlich mit dem Schwenkwinkel veränderbar sei. Diese Möglichkeit sei durch den "On-Board" Prozessor 205 gewährleistet, wie dem Absatz [0032] zu entnehmen sei.
5.3.1 Diese Ausführungen können nicht überzeugen:
Die Kammer schließt sich der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung und den Ausführungen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) an, dass dieser Entgegenhaltung kein zwischen dem ersten und dem zweiten Schwenkbereich liegender Übergangsbereich gemäß Merkmal M9 zu entnehmen ist. In Figur 5 sind lediglich ein erster Schwenkbereich X1 und zwei gegenüber der Geradeausfahrtstellung symmetrisch angeordnete Schwenkbereiche X1 und X3 dargestellt, die zusammen dem zweiten Winkelbereich S2 des Anspruchs 1 entsprechen. Das gilt auch für das Ausführungsbeispiel der Figur 6. Die von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) behauptete Aufteilung des gesamten Schwenkbereichs (X1+X2+X3) in Figur 6 im Sinne des Merkmals M9a des Anspruchs findet im Offenbarungsgehalt der D2 keine Stützung. Da in D2 kein dem Teilmerkmal M9a entsprechender Übergangsbereich eindeutig und unmittelbar offenbart ist, kann auch das Teilmerkmal M9b, das das Vorhandensein eines solchen Übergangsbereichs voraussetzt, nicht offenbart sein. Die Kammer bestätigt somit die Einschätzung der Einspruchsabteilung, dass das Merkmal M9 des Anspruchs 1 in D2 nicht offenbart ist.
Artikel 100 a) i.V.m. mit Artikel 56 EPÜ
6. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht entgegen, wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung richtigerweise festgestellt wurde.
6.1 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) wendet sich mit ihrer Beschwerde auch gegen die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ beruhe. Folgende Angriffslinien wurden vorgetragen:
D1 allein
6.2 Hinsichtlich dieser Angriffslinie verwies die Beschwerdeführerin (Einsprechende) in der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftlichen Vortrag und machte keine weiteren Ausführungen. Die Kammer sieht somit keinen Grund, von ihrer vorläufigen Einschätzung abzuweichen, die hiermit bestätigt wird und wie folgt lautet:
6.2.1 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) behauptete, dass sich durch die Einführung von Schwenkbereichen mit konstanten Geschwindigkeiten Vmax bzw. V1 an den beiden Enden des im Diagramm 8 der D1 dargestellten gesamten Winkelbereichs keine besondere technische Wirkung erzielen lasse. Der Betrieb eines Flurförderzeugs mit maximaler Geschwindigkeit bei kleinem Schwenkwinkel um die Geradeausfahrtstellung der Deichsel und - aus Sicherheitsgründen - mit verringerter Geschwindigkeit bei größerem Schwenkwinkel sei für die zuständige Fachperson naheliegend. Dasselbe gelte für das Vorsehen eines Übergangsbereichs zwischen dem ersten und dem zweiten Schwenkbereich, um im Betrieb schlagartige Änderungen der Geschwindigkeit zu vermeiden. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) vertrat somit die Auffassung, dass diese Modifikationen des Arbeitsprinzips bzw. der Steuerung des aus D1 bekannten Flurförderzeugs zwecks einer hohen Betriebssicherheit kein erfinderisches Zutun voraussetzten.
6.2.2 Die Kammer ist von diesem Vorbringen nicht überzeugt:
Anders als von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) behauptet und wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) unter Verweis auf Absatz [0006] des Streitpatents überzeugend vorgetragen, führt das Vorhandensein von zwei Schwenkbereichen (S1 und S2) gemäß den Merkmalen M5 bis M8 des Anspruchs 1 und eines dazwischen liegenden Übergangsbereichs (S3), in welchem die maximale Fahrgeschwindigkeit kontinuierlich mit dem Schwenkwinkel (alpha) der Deichsel gemäß Merkmal M9 des Anspruchs 1 veränderbar ist, doch zu nachvollziehbaren technischen Wirkungen, nämlich zu einer hohen Betriebssicherheit, einem angenehmen Betriebsverhalten sowie einer verbesserten Ergonomie für das Bedienpersonal. Diese vorteilhaften technischen Wirkungen sind daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist für die Kammer nicht ersichtlich, warum die Fachperson ausgehend von D1 die Aufteilung des gesamten Schwenkbereichs und die Steuerung der Geschwindigkeit des bekannten Flurförderzeugs im Sinne der Merkmale M5 bis M9 modifizieren sollte. Dazu bietet D1, auch unter Berücksichtigung des Fachwissens, überhaupt keinen Anlass. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Ausführungen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) ausgehend von D1 auf einer rückschauenden Betrachtung des Stands der Technik basieren, die unzulässigerweise von der Kenntnis der Erfindung Gebrauch macht und die als solche bei der Einschätzung des Vorhandenseins einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht erlaubt ist.
D2 in Kombination mit D1
6.3 Der schriftliche Vortrag der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zu dieser Angriffslinie wurde in der mündlichen Verhandlung mithilfe einer beschrifteten Version der Figur 6 aus D2, die am Bildschirm mit der Kammer und der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) geteilt wurde, vertieft und weiterentwickelt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) stelle der Offenbarungsgehalt von D2 einen vielversprechenden Ausgangspunkt für die Erfindung dar, weil sich dieser Stand der Technik auch mit der dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Aufgabe befasse, die Sicherheit und das Betriebsverhalten des Flurförderzeugs zu verbessern (vgl. Absatz [0006] der D2). Mit Verweis auf die beschriftete Figur 6 und auf Absatz [0026] der D2 hielt die Beschwerdeführerin (Einsprechende) daran fest, dass das Teilmerkmal M9a des Anspruchs 1 diesem Stand der Technik unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sei. In der Figur seien ein erster Schwenkbereich, ein zweiter Schwenkbereich und ein dritter Schwenkbereich zu erkennen, zwischen denen die Geschwindigkeit des Flurförderzeugs - in Abhängigkeit von der horizontalen Winkellage der Deichsel - von "High" bis "Medium" und weiter bis "Low" abrupt geändert werden könne. Es wurde ausgeführt, dass die Fachperson, die aufgabengemäß eine schlagartige Änderung der Geschwindigkeit zwischen benachbarten Schwenkbereichen vermeiden möchte, ohne Weiteres einen Übergangsbereich einführen würde, in dem sich die Geschwindigkeit kontinuierlich variieren lasse. Diese Maßnahme sei dem Diagramm 8 der Entgegenhaltung D1 zur Lösung derselben Aufgabe (vgl. Absatz [0003] der D1) zu entnehmen und könne von der Fachperson ohne erfinderisches Zutun bei der Implementierung eines Flurförderzeugs gemäß D2 verwendet werden.
6.3.1 Unabhängig von der Frage der Zulassung eines Teils des Vortrags der Beschwerdeführerin (Einsprechenden), die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) infrage gestellt wurde, sind diese Ausführungen in der Sache nicht überzeugend:
Wie oben unter Punkt 5.3.1 ausgeführt, berücksichtigt die Steuerung des aus D2 bekannten Flurförderzeugs nur zwei Schwenkbereiche, nämlich die Bereiche X2 und X1+X3. Ein Übergangsbereich im Sinne von Merkmal M9a des Anspruchs 1 ist in dieser Entgegenhaltung weder erwähnt noch implizit erkennbar. Auch wenn die Fachperson einen solchen Übergangsbereich - wie von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) behauptet - aus der Figur 6 implizit ableiten könnte, würde sie durch D2 nicht veranlasst, diese gut funktionierende Ausführungsform unter Berücksichtigung der D1 im Sinne des Merkmals M9b zu modifizieren. Die Steuerung des Flurförderzeugs aus D1 basiert auf einem ganz anderen Prinzip. Hier wird ein einziger Winkelbereich berücksichtigt, der sich über den gesamten Schwenkwinkel der Deichsel von 0° bis 100° erstreckt und in welchem die Geschwindigkeit kontinuierlich von einem maximalen Wert bis einem verringerten/minimalen Wert variiert wird. Ein Übergangsbereich im Sinne des Merkmals M9a des Anspruchs 1 ist nicht vorgesehen. Wie von der Einspruchsabteilung zutreffend ausgeführt, würde die Fachperson, die die abrupten Veränderungen der Geschwindigkeit beim Betrieb des aus D2 bekannten Flurförderzeugs vermeiden möchte, bestenfalls die Teilbereiche X1, X2 und X3 der D2 nach der Lehre der D1 durch einen einzigen Schwenkbereich ersetzen, in dem die Geschwindigkeit kontinuierlich variiert wird. Eine solche Implementierung entspricht aber nicht der in Anspruch 1 definierten Lösung. Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zutreffend hervorgehoben, setzen die auf D2 basierenden Ausführungen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit zudem eine maßgebliche Anpassung bzw. ein maßgebliches Software-Update der aus diesem Stand der Technik bekannten Steuerungsroutinen in Bezug auf die Geschwindigkeitsübergange zwischen den Leistungsbereichen "High", "Medium" und "Low" voraus, die für die Fachperson nicht naheliegend sind. Aus den oben genannten Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 auf einer rückschauenden Betrachtung des Stands der Technik basieren, die unzulässigerweise von der Kenntnis der Erfindung Gebrauch macht und die als solche bei der Einschätzung des Vorhandenseins einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht erlaubt ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.