European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T062122.20241105 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 November 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0621/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16168026.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 8/35 A61K 8/49 A61Q 17/04 A61K 8/37 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | ALKOHOLHALTIGES, OCTOCRYLENFREIES SONNENSCHUTZMITTEL | ||||||||
Name des Anmelders: | Beiersdorf AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BASF SE Emil Kiessling GmbH L'OREAL |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Beweismittel - Zulassung im Beschwerdeverfahren (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das Europäische Patent Nr. 3 093 006 wurde mit 10 Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 des Patents lautete wie folgt:
"1. Kosmetische Zubereitung in Form einer O/W-Emulsion enthaltend eine UV-Filterkombination aus
a) Hexyl 2-[4-(diethylamino)-2-hydroxybenzoyl]benzoate (INCI: Diethylamino hydroxybenzoyl hexyl benzoate),
b) 2,4,6-Tris-[anilino-(p-carbo-2'-ethyl-1'-hexyloxy)]-1,3,5-triazin (INCI: Ethylhexyl Triazone),
c) 2,4-Bis-{[4-(2-ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin (INCI: Bis- Ethylhexyloxyphenol methoxyphenyl Triazine),
wobei die Zubereitung 2-Phenylbenzimidazol-5-sulfonsäuresalze, ein oder mehrere Salicylate gewählt aus der Gruppe der Verbindungen 2-Ethylhexyl 2-hydroxybenzoat (INCI: Ethylhexyl Salicylate) und 3,3,5-Trimethylcyclohexyl 2-hydroxybenzoat (INCI: Homosalate) und ein oder mehrere Alkohole enthält und die Zubereitung kein Titandioxid, Zinkoxid, 4-Methoxyzimtsäureisoamylester und 4-Methoxyzimtsäureethylhexylester, 3-(4-Methylbenzyliden)-campher, 2-Hydroxy-4-methoxybenzophenon (INCI: Oxybenzon) und Ethylhexyl-2-cyano-3,3-diphenylacrylat (INCI: Octocrylen) enthält."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) sowie unzulässige Erweiterung des Inhalts (Artikel 100 c) EPÜ) angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung kam zu der Entscheidung, das Patent zu widerrufen. Dieser Entscheidung lagen ein am 16. September 2022 (als Hilfsantrag 1) eingereichter Hauptantrag und zwei am 24. November 2021 (als Hilfsanträge 3 bzw. 2) eingereichte Hilfsanträge zugrunde.
IV. Folgende Dokumente wurden inter alia in der Entscheidung der Einspruchsabteilung zitiert:
D1: DE10 2004 052 833 A1
D26: "Dokument D27 Vergleichsversuch" - von der Patentinhaberin am 1. Oktober 2021 eingereicht
V. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung insbesondere zu folgenden Ergebnissen:
a) Der Hauptantrag genügte den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ nicht. D1 war der nächstliegende Stand der Technik. Die beanspruchte Zubereitung unterschied sich:
- von Rezeptur 12 von D1 in der Anwesenheit eines (oder mehrerer) bestimmten(r) Alkohols(e),
- von Rezeptur 18 von D1 in der Anwesenheit eines (oder mehrerer) bestimmten(r) Fettalkohols(e).
Ferner war der Emulsionstyp der Rezepturen des Standes der Technik unklar. Es war kein Effekt für diese Unterscheidungsmerkmale bewiesen worden. Insbesondere waren die Vergleichsversuche des Dokuments D26 nicht aussagekräftig und somit nicht zu berücksichtigen. Die objektive technische Aufgabe bestand daher in der Bereitstellung einer Alternative. D1 lehrte die vorliegenden Unterscheidungsmerkmale. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags war somit ausgehend von D1 naheliegend.
b) Das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 eingeführte Merkmal wurde in der Rezeptur 18 von D1 bereits offenbart. Ferner wurde dieses Merkmal in der Beschreibung von D1 als ein besonders vorteilhafter Bestandteil der Ölphase beschrieben. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 war somit aus denselben Gründen, wie für den Hauptantrag angegeben, nicht erfinderisch.
c) Der Hilfsantrag 2 erfüllte die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ aus denselben Gründen nicht, wie für den Hauptantrag und den Hilfsantrag 1 angegeben.
VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die obige Entscheidung ein.
VII. Mit der Beschwerdebegründung vom 2. Mai 2022 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein, der dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 1 entsprach.
VIII. Der Inhalt des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags, auf dem die vorliegende Entscheidung basiert, lautet wie folgt:
"1. Kosmetische Zubereitung in Form einer O/W-Emulsion enthaltend eine UV-Filterkombination aus
a) Hexyl 2-[4-(diethylamino)-2-hydroxybenzoyl]benzoate (INCI: Diethylamino hydroxybenzoyl hexyl benzoate),
b) 2,4,6-Tris-[anilino-(p-carbo-2'-ethyl-1'-hexyloxy)]-1,3,5-triazin (INCI: Ethylhexyl Triazone),
c) 2,4-Bis-{[4-(2-ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin(INCI: Bis- Ethylhexyloxyphenol methoxyphenyl Triazine),
wobei die Zubereitung 2-Phenylbenzimidazol-5-sulfonsäuresalze, ein oder mehrere Salicylate gewählt aus der Gruppe der Verbindungen 2-Ethylhexyl 2-hydroxybenzoat (INCI: Ethylhexyl Salicylate) und 3,3,5-Trimethylcyclohexyl 2-hydroxybenzoat (INCI:Homosalate) und ein oder mehrere Alkohole enthält, wobei als Alkohole ein oder mehrere Alkandiole aus der Gruppe der Verbindungen 1,2-Pentandiol, 1,2-Hexandiol, 1,2-Octandiol, 1,2-Decandiol, 2-Methyl-1,3-propandiol und/oder Ethanol, Phenoxyethanol und/oder Ethylhexylglycerin eingesetzt werden,
die Zubereitung Cetylalkohol, Stearylalkohol und/oder Glycerylstearat enthält und die Zubereitung kein Titandioxid, Zinkoxid, 4-Methoxyzimtsäureisoamylester und 4-Methoxyzimtsäureethylhexylester, 3-(4-Methylbenzyliden)-campher, 2-Hydroxy-4-methoxybenzophenon (INCI: Oxybenzon) und Ethylhexyl-2-cyano-3,3-diphenylacrylat (INCI: Octocrylen) enthält und frei ist von Parabenen, Methylisothiazolinon, Chlormethylisothiazolinon und DMDM-Hydantoin, dadurch gekennzeichnet, dass die Zubereitung Dibutyladipat und/oder C12-C15 Alkylbenzoat enthält."
IX. Folgende für die Entscheidung relevante Beweismittel wurden von den Parteien im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht:
a) Seitens der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) mit der Beschwerdebegründung eingeführtes Beweismittel:
D31: Vergleichsversuche ausgehend von D1 Beispiel 12 und 18
b) Seitens der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechenden 1) mit ihrer Beschwerdeerwiderung:
D32: Versuchsbericht Sandanhaftung
X. Am 5. November 2024 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
XI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines geänderten Hauptantrags, der mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde und dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 1 (ursprünglich als Hilfsantrag 3 am 24. November 2021 eingereicht) entsprach.
Ferner beantragte sie das Dokument D32 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
XII. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1-3) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Ferner beantragten die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 das Dokument D31, insbesondere den Vergleichsversuch 2, nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die Beschwerdegegnerin 1 beantragte die Zulassung ins Beschwerdeverfahren des Dokuments D32 in Erwiderung auf das Dokument D31.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Das Dokument D31 sei in Erwiderung auf die angefochtene Entscheidung eingereicht worden und deshalb in das Verfahren zuzulassen.
b) Das Dokument D32 sei nicht prima facie relevant sowie nicht aussagekräftig und somit nicht in das Verfahren zuzulassen.
c) Ausgehend von Beispiel 18 des Dokuments D1 als nächstliegendem Stand der Technik lagen die Unterscheidungsmerkmale in der Art der Emulsion und in der Anwesenheit von Cetylalkohol, Stearylalkohol und/oder Glycerylstearat (Komponente (E)). Die in den Dokumenten D26 und D31 vorgelegten Vergleichsversuche belegten, dass die Zugabe einer Komponente (E) zu einer Reduzierung der Sandanhaftung der Zubereitungen führe. Die zu lösende technische Aufgabe bestehe somit in der Entwicklung einer Zubereitung mit reduzierter Sandanhaftung. Der Stand der Technik liefere keinen Hinweis, Cetylalkohol, Stearylalkohol und/oder Glycerylstearate für diesen Zweck in kosmetische Zubereitungen einzuarbeiten. Folglich sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags erfinderisch.
XIV. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerinnen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Das Dokument D31 sei nicht in das Verfahren zuzulassen, weil es bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden sollen und nicht prima facie relevant sei.
b) Das Dokument D32 sei in direkter Erwiderung auf das Dokument D31 eingereicht worden und deshalb in das Verfahren zuzulassen, sollte Dokument D31 zugelassen werden.
c) Ausgehend von Beispiel 18 des Dokuments D1 als nächstliegendem Stand der Technik lagen die Unterscheidungsmerkmale in der Art der Emulsion und in der Anwesenheit von Cetylalkohol, Stearylalkohol und/oder Glycerylstearat (Komponente (E)). Die in den Dokumenten D26 und D31 vorgelegten Vergleichsversuche seien nicht geeignet, um den angeblichen technischen Effekt einer Reduzierung der Sandanhaftung zu belegen. Die zu lösende technische Aufgabe bestehe somit in der Bereitstellung einer alternativen Sonnenschutzzubereitung. Das Dokument D1 beschreibe bereits die Unterscheidungsmerkmale. Die vorgeschlagene Lösung sei somit naheliegend. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe folglich nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung von den Dokumenten D31 und D32
1.1 Das Dokument D31 wurde seitens der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung am 2. Mai 2022 eingeführt. Das Dokument D32 wurde seitens der Beschwerdegegnerin 1 mit der Beschwerdeerwiderung am 9. September 2022 eingeführt. Die Zulassung dieser Dokumente ist folglich gemäß Artikel 12(4) und (6) VOBK zu beurteilen.
Dokument D31
1.2 Die Kammer merkt an, dass das Dokument D31 in Erwiderung auf die angefochtene Entscheidung eingereicht wurde. So wurde Vergleichsversuch 1 des Dokuments D31 in Erwiderung auf die Nicht-Berücksichtigung des Vergleichsversuchs von Dokument D26 eingereicht, und Vergleichsversuch 2 des Dokuments D31 in Erwiderung auf den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von Beispiel 12 von Dokument D1.
1.3 Laut den Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 hätte das Dokument D31 bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht werden sollen. Insbesondere hätten die Vergleichsversuche 1 und 2 bereits in Antwort auf die Einspruchsschriften der Beschwerdegegnerinnen 1 und 3, die das Beispiel 12 von Dokument D1 als neuheitsschädliche Ausführungsform (Beschwerdegegnerin 1) und das Beispiel 18 von Dokument D1 für die erfinderische Tätigkeit (Beschwerdegegnerin 3) zitiert hatten, vorgelegt werden sollen.
1.4 Die Beschwerdeführerin hat im erstinstanzlichen Verfahren als Erwiderung auf den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von Beispiel 18 des Dokuments D1 bereits Vergleichsversuche als Dokument D26 eingereicht. Die Nicht-Berücksichtigung dieser Versuche ist erst während der mündlichen Verhandlung und mit der angefochtenen Entscheidung ersichtlich geworden.
1.5 Bezüglich des Vergleichsversuchs 2 von Dokument D31 ist im schriftlichen erstinstanzlichen Verfahren der Fokus bezüglich der erfinderischen Tätigkeit auf Beispiel 18 von Dokument D1 gerichtet gewesen. Die Notwendigkeit, Vergleichsversuche gegenüber Beispiel 12 von Dokument D1 einzureichen, ist ebenfalls erst in der mündlichen Verhandlung und letztendlich mit der angefochtenen Entscheidung ersichtlich geworden.
1.6 Die Kammer erkennt daher keinen Grund, warum die Vergleichsversuche von Dokument D31 bereits im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden müssen (Artikel 12(6) Satz 2 VOBK).
1.7 Ferner ist der auf Dokument D31 basierende Sachvortrag nicht komplex und seine Einführung mit der Beschwerdebegründung führt zu keiner Verfahrensverzögerung. Schließlich scheint das Dokument D31 die Fragestellungen, die zur angefochtenen Entscheidung führten, zu betreffen (Artikel 12(4) VOBK).
1.8 In diesem Zusammenhang argumentierten die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2, dass das Dokument D31 nicht prima facie hoch relevant sei, weil die Vergleichsversuche nicht geeignet wären, einen Vorteil des/der Unterscheidungsmerkmals/e zu belegen.
1.9 Die Kammer möchte betonen, dass die Beschwerdegegnerinnen erst unter genauer und detaillierter Betrachtung des Aufbaus der Vergleichsversuche von Dokument D31 zu dieser Schlussfolgerung gelangen konnten. Dies geht über eine reine augenscheinliche Betrachtung hinaus. Ferner geht auch die Frage der tatsächlichen Aussagekraft der Vergleichsversuche über die gemäß Artikel 12(4) VOBK relevante Frage hinaus, nämlich ob die Vergleichsversuche die Fragestellungen betreffen, die zur angefochtenen Entscheidung führten.
1.10 Folglich wird das Dokument D31 in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
Dokument D32
1.11 Das Dokument D32 wurde in direkter Erwiderung auf das Dokument D31 eingeführt. Der auf Dokument D32 basierende Sachvortrag ist ferner nicht komplex und seine Einführung mit der Beschwerdeerwiderung führt zu keiner Verfahrensverzögerung (Artikel 12(4) VOBK).
1.12 Laut der Beschwerdeführerin war das Dokument D32 nicht prima facie hoch relevant aufgrund der Ungenauigkeit der Messergebnisse. Während der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin ferner, dass das Dokument D32 auf Grund unzureichender Messpunkte nicht aussagekräftig und somit nicht relevant sei.
1.13 Die Kammer ist der Ansicht, dass die angebliche Ungenauigkeit der Messergebnisse in Dokument D32 erst unter genauer und detaillierter Betrachtung der Vergleichsversuche ersichtlich werden kann. Dies geht über eine reine augenscheinliche Betrachtung hinaus. Wie bereits unter Punkt 1.9 erklärt, geht die Frage der tatsächlichen Aussagekraft der Vergleichsversuche auch über die gemäß Artikel 12(4) VOBK relevante Frage hinaus, nämlich ob die Vergleichsversuche die Fragestellungen betreffen, die zu der angefochtenen Entscheidung führten. Ferner merkt die Kammer an, dass, wie seitens der Beschwerdegegnerinnen während der mündlichen Verhandlung festgestellt, laut dem Patent zehn Messpunkte ausreichend sind (s. Absatz [0054]). Die Anzahl der Messpunkte kann somit die Aussagekraft des Dokuments D32 nicht beeinträchtigen.
1.14 Folglich wird das Dokument D32 in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
Hauptantrag
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags betrifft eine kosmetische Zubereitung in Form einer O/W-Emulsion enthaltend (Hervorhebung und Kennzeichnung hinzugefügt):
(A) eine UV-Filterkombination aus
a) Hexyl 2-[4-(diethylamino)-2-hydroxybenzoyl]benzoate(INCI: Diethylamino hydroxybenzoyl hexyl benzoate),
b) 2,4,6-Tris-[anilino-(p-carbo-2'-ethyl-1'-hexyloxy)]-1,3,5-triazin (INCI: Ethylhexyl Triazone),
c) 2,4-Bis-{[4-(2-ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3, 5-triazin (INCI: Bis-Ethylhexyloxyphenol methoxyphenyl Triazine),
wobei die Zubereitung
(B) 2-Phenylbenzimidazol-5-sulfonsäuresalze,
(C) ein oder mehrere Salicylate gewählt aus der Gruppe der Verbindungen 2-Ethylhexyl 2-hydroxybenzoat (INCI:Ethylhexyl Salicylate) und 3,3,5-Trimethylcyclohexyl 2-hydroxybenzoat (INCI: Homosalate)
(D) und ein oder mehrere Alkohole enthält, wobei als Alkohole ein oder mehrere Alkandiole aus der Gruppe der Verbindungen 1,2-Pentandiol, 1,2-Hexandiol,1,2-Octandiol, 1,2-Decandiol, 2-Methyl-l,3-propandiol und/oder Ethanol, Phenoxyethanol und/oder Ethylhexylglycerin eingesetzt werden,
(E) die Zubereitung Cetylalkohol, Stearylalkohol und/ oder Glycerylstearat enthält und
(F) die Zubereitung kein Titandioxid, Zinkoxid, 4-Methoxyzimtsäureisoamylester und 4-Methoxyzimtsäureethylhexylester, 3-(4-Methylbenzyliden)-campher, 2-Hydroxy-4-methoxybenzophenon (INCI: Oxybenzon) und Ethylhexyl-2-cyano-3,3-diphenylacrylat (INCI:Octocrylen) enthält und
(G) frei ist von Parabenen, Methylisothiazolinon, Chlormethylisothiazolinon und DMDM-Hydantoin,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zubereitung
(H) Dibutyladipat und/oder C12-C15 Alkylbenzoat enthält.
Im Folgenden wird auf die verschiedenen Merkmale des Anspruchs 1 anhand der Kennzeichnungen (A) bis (H) verwiesen.
2.2 Im Beschwerdeverfahren betrachteten alle Parteien das Dokument D1 als nächstliegenden Stand der Technik. Das Dokument D1 betrifft Sonnenschutzmittelzubereitungen, die UV-Filter enthalten und befasst sich allgemein mit der Klebrigkeit von Sonnenschutzmitteln (s. Seite 2, Absatz [0004]) d.h. mit der Sandanhaftung (s. Streitpatent, Absatz [0005]). Alle Parteien hielten das Beispiel 18 für einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Die Kammer sieht keinen Grund hiervon abzuweichen.
2.3 Das Beispiel 18 von Dokument D1 offenbart eine Emulsion, die folgende Komponenten enthält:
- Uvinul A Plus**(®), Ethylhexyltriazin und Bis-Ethylhexyloxyphenol Methoxyphenyltriazin (oben definierte Komponenten (A) a), b) und c))
- Phenylbenzimidazol Sulfonsäure (oben definierte Komponente (B)),
- Homosalat (oben definierte Komponente (C)),
- Alkohol (oben definierte Komponente (D)), und
- C12-15 Alkyl benzoat (oben definierte Komponente (H)).
Die Emulsion-Form ist jedoch nicht explizit offenbart. Wie seitens der Beschwerdegegnerinnen erklärt, kann aber anhand der Art der verwendeten Emulgatoren die Emulsion-Form ermittelt werden. Die im Beispiel 18 verwendeten Emulgatoren (Polyglyceryl-2-Dipolyhydrostearate und PEG-30 Dipolyhydroxystearate) gehören zu den W/O Emulgatoren. Folglich erscheint es angemessen, davon auszugehen, dass das Beispiel 18 eine W/O Emulsion darstellt.
2.4 Während der mündlichen Verhandlung waren die Parteien sich darüber einig, dass die Zubereitung des vorliegenden Anspruchs 1 sich von Beispiel 18 des Dokuments D1 durch folgende Merkmale unterscheidet:
(i) spezifische O/W Emulsion, und
(ii) Zugabe einer Komponente (E).
2.5 Für die Art der Emulsion (Unterschied (i)) wurde seitens der Beschwerdeführerin kein besonderer technischer Effekt vorgebracht.
2.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Zugabe einer Komponente (E) zu einer Verringerung der Sandanhaftung führte. Dies sei durch die Vergleichsversuche der Dokumente D26 und D31 (Vergleichsversuch 1) belegt.
Dokument D26
2.7 Wie seitens der Beschwerdegegnerinnen vorgebracht, ist die Aussagekraft des durch Probanden bewerteten Klebrigkeitsgefühls für die Einschätzung der entsprechenden Sandanhaftung der Zubereitungen limitiert. Zum einen basiert die in Dokument D26 angewendete Methode lediglich auf der Bewertung des Klebrigkeitsgefühls, ohne Einsatz von Sand im Gegensatz zu der im Patent selber beschriebenen Methode (s. Absätze [0052] bis [0054]). Zum anderen müssen gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern Vergleichsversuche reproduzierbar sein und im Falle einer Beurteilung sensorischer Effekte müssen sie unter Bedingungen ablaufen, die eine maximale Objektivität gewährleisten (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, 2022, I.D.4.3.2 und T 1962/12, Gründe 1.5.2). Im vorliegenden Fall ist die Beschreibung der sensorischen Bewertungsmethode in Dokument D26 nicht ausgiebig genug um diese Voraussetzungen zu erfüllen. Zum Beispiel fehlen Angaben bezüglich des Hauttyps, der Dicke der aufgetragenen Schicht sowie der Auftragungsmethode.
2.8 In diesem Zusammenhang argumentierte die Beschwerdeführerin, dass diese Argumente erst während der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurden und somit verspätet waren. Dieses Argument ist nicht überzeugend. Die Kammer merkt an, dass die in Dokument D26 angewendete Methode bereits in der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin 1 bemängelt worden ist (s. Seite 6, 6. Absatz). Ferner wurden die Parteien ebenfalls in der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer auf die Frage einer aussagekräftigen Einschätzung der entsprechenden Sandanhaftung der Zubereitungen mittels des in Dokument D26 durch Probanden bewerteten Klebrigkeitsgefühls aufmerksam gemacht (s. Punkt 2.3.8).
2.9 Ferner wurden lediglich zwei der drei beanspruchten (E) Komponenten in Dokument D26 untersucht. Die Beschwerdeführerin hat keine Erklärung vorgetragen, die eine Verallgemeinerung der Ergebnisse, die mit Glycerylstearat oder Cetylalkohol enthaltenden Zubereitungen erreicht wurden, für eine Stearylalkohol enthaltende Zubereitung rechtfertigen würden. In Abwesenheit einer solchen Erklärung und in Anbetracht der hohen Ähnlichkeit der Zubereitungen des Patents und des Dokuments D1 kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein möglicher technischer Effekt auch für eine Stearylalkohol enthaltende Zubereitung glaubhaft gemacht wurde. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin liegt demzufolge die Beweislast dafür, das der angebliche Effekt auf der gesamten Breite des Anspruchs vorhanden ist, bei ihr (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, 2022, I.D.4.3.1, 5. Absatz).
2.10 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass die in Dokument D26 vorgebrachten Ergebnisse das Vorhandensein des angeblichen technischen Effekts insbesondere über die gesamte Breite des vorliegenden Anspruchs 1 nicht glaubhaft belegen.
Dokument D31
2.11 Bezüglich der in Dokument D31 beschriebenen Testversuche, merkt die Kammer an, dass die Zubereitung B1 (das dem Beispiel 18 der D1 entsprechen soll) sich von den patentgemäßen Zubereitungen B2 bis B4 in der Zugabe einer Komponente (E) unterscheidet. Wie seitens der Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, wurde jedoch diese Zugabe durch eine Reduzierung der Menge an Polysilicon-15 kompensiert.
2.12 Es war unbestritten, dass Polysilicon-15 ein UV-Filter ist. Laut dem Patent war daher eine Verringerung der Sandanhaftung in den Zubereitungen B2 bis B4 im Vergleich zu der Zubereitung B1 aufgrund der Reduzierung der Polysilicon-15 Menge zu erwarten (s. Absatz [0005]). Der Effekt der Reduzierung der Polysilicon-15 Menge auf die Sandanhaftung wurde weiterhin durch die Vergleichsversuche von Dokument D32 bestätigt (vgl. A4 und A1). Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist die Tatsache, dass die Vergleichsversuche in Dokument D32 gegenüber Beispiel 12 des Dokuments D1 konzipiert wurden, in diesem Zusammenhang irrelevant. Die Beispiele A4 und A1 des Dokuments D32 unterscheiden sich voneinander lediglich in der Menge an Polysilicon-15 (durch Wasser kompensiert). Der Vergleich dieser Beispiele ist daher geeignet, um einen Effekt der Polysilicon-15 Komponente zu belegen.
2.13 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Reduzierung der Polysilicon-15 Menge in Dokument D31 nur 2 Gew.% beträgt und somit nicht relevant sei, ist nicht überzeugend. Die Polysilicon-15 Menge wurde nämlich von 5 Gew.% in der Zubereitung B1 auf 3 Gew.% in den Zubereitungen B2 bis B6 reduziert. Es handelt sich dabei um eine relative Reduzierung von 40%, was entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin tatsächlich signifikant ist.
2.14 Die beobachtete Verringerung der Sandanhaftung in den Zubereitungen B2 bis B4 gegenüber der Zubereitung B1 kann folglich nicht eindeutig der Zugabe der Komponente (E) zugeordnet werden. Ähnliches gilt mutatis mutandis für die patentgemäßen Zubereitungen B5 und B6 verglichen mit der Zubereitung B1.
2.15 Folglich kann kein technischer Effekt für die Unterscheidungsmerkmale über die gesamte Breite des vorliegenden Anspruchs 1 anerkannt werden.
2.16 Die Kammer sieht somit die objektive technische Aufgabe ausgehend von Beispiel 18 des Dokuments D1 in der Bereitstellung einer alternativen kosmetischen Sonnenschutzzubereitung.
2.17 D1 offenbart:
(i) die O/W Emulsion als bevorzugte Emulsion-Form (s. Absatz [0045] und Anspruch 4), und
(ii) polare Ölkomponenten als Bestandteil der Ölphase (s. Absatz [0034]) und die drei spezifischen vorliegenden Komponenten (E) als polare Ölkomponenten in den Beispielen 1, 2, 5, 6, und 9 bis 12.
2.18 Wie seitens der Beschwerdegegnerinnen vorgebracht, werden somit die vorliegenden Unterscheidungsmerkmale zum Beispiel 18 von Dokument D1 in diesem einen Dokument bereits offenbart. Ausgehend von Beispiel 18 und in Abwesenheit jegliches spezifischen Effekts wäre es dem Fachmann folglich offensichtlich erschienen eine O/W Emulsion herzustellen sowie eine der drei beanspruchten Komponenten (E) zuzugeben.
2.19 Infolgedessen erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.