European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T026722.20250117 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Januar 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0267/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 13194681.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | H05B 6/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kochfeldvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | BSH Hausgeräte GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Schlimme, Wolfram | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Disclaimer Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Einsprechende hatte den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 741 572 auf die Einspruchsgründe fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) gestützt.
II. Sowohl die Patentinhaberin als auch der Einsprechende haben Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des damaligen Hilfsantrags 2a der Patentinhaberin aufrechtzuerhalten.
III. Die Patentinhaberin verteidigte im Einspruchsverfahren das Patent wie erteilt (Hauptantrag) sowie in geänderter Fassung von Hilfsanträgen 2, 2a, 3-8, 1 in dieser Rangfolge.
IV. In ihrer Zwischenentscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber Dokument
D2: EP-A-2 574 146
ist. Dokument D2 gehört zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ.
Der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Hilfsantrag 2 wurde nicht zum Einspruchsverfahren zugelassen, weil Anspruch 1 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Offenbarung hinaus erweitert worden war (Artikel 123 (2) EPÜ).
Das Patent wurde auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrags 2a aufrechterhalten. Die Einspruchsabteilung befand insbesondere den Gegenstand von Anspruch 1 unter Berücksichtigung des zulässigen Disclaimers als neu gegenüber
D1: EP-A-2 552 174
(Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ)
und nicht naheliegend gegenüber Dokument
D3: EP-A-2 398 297 oder
D4: DE-A-10 2012 205 100.
V. In seiner Beschwerde beantragte der Einsprechende, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
VI. In der Beschwerdebegründung hielt der Einsprechende insbesondere an seiner bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung fest, dass der Disclaimer in Anspruch 1 des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung eine nach Artikel 123 (2) EPÜ unzulässige Erweiterung darstellte und unklar im Sinne des Artikels 84 EPÜ sei. Er verwies auf die von der Großen Beschwerdekammer in den Entscheidungen G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) und G 1/16 (ABl. EPA 2018, 70) definierten Kriterien für die Zulässigkeit von Disclaimern. Insbesondere sei der Disclaimer in der aufrechterhaltenen Fassung des Anspruchs viel zu breit definiert, um die Neuheit gegenüber Dokument D2 herzustellen. Der Anspruch verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 in der aufrechterhaltenen Fassung nicht neu gegenüber Dokument D1 und auch nicht erfinderisch gegenüber Dokument D3 oder D4.
VII. Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis eines der Hilfsanträge 1 (vormals Hilfsantrag 2), 2 (mit der Beschwerdebegründung eingereicht), 3 (vormals Hilfsantrag 2a), 3a, 3b, 4, 4a, 5, 5a, 6, 6a, 7, 8, 8a, 9, 9a, 10, 10a, 11 oder 12.
VIII. Nach Auffassung der Patentinhaberin offenbare D2 insbesondere keine versetzte Anordnung der offenbarten länglichen Heizelemente. Das Dokument offenbare nämlich trapezförmige Heizelemente, welche mit klassischen rechteckförmigen Heizelementen nicht realisiert werden können. Der im erteilten Anspruch 1 beanspruchte Versatz ergebe sich aus einer Projektion von den nicht näher bezeichneten Mittelpunkten der länglichen Heizelemente auf deren Längsachse. Im Rahmen der beanspruchten Erfindung seien tatsächlich alle beliebigen länglichen Formen zugelassen. Dies werde durch die Beschreibung im Streitpatent bestätigt (Spalte 1, Zeile 57 bis Spalte 2, Zeile 22; Spalte 3, Zeilen 3 bis 19, Figuren 1 bis 3). Der Begriff "Mittelpunkt" mache somit lediglich dann Sinn, wenn dieser als der "Flächenschwerpunkt" des jeweiligen Heizelements aufgefasst wird. Diese Auslegung werde durch die Begründung der Einspruchsabteilung, bei der der Mittelpunkt eines Heizelements als die Projektion auf die Längsachse des Heizelements in Bezug auf die Richtung der Verschiebung angesehen wird, ausgeschlossen. Die eigentliche Position der Flächenschwerpunkte innerhalb der Heizelemente sei in D2 nämlich nicht offenbart.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch gegenüber einem der anderen im Verfahren befindlichen Dokumenten
D3, D4 bzw.
D7 (DE-A-195 38 719).
Ein Fachmann hätte nicht ohne eine rückschauende Betrachtung zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangen können.
IX. Die Patentinhaberin trug weiter vor, der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasse neben den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 den zusätzlichen Disclaimer, wonach "eine Außenkontur der Heizelemente nicht eine angenäherte Trapezform aufweist, welche zwei gegenüberliegende und in etwa gleich lange Seiten und dazwischen zwei kurze Seiten, die jedoch unterschiedlich lang sind für die Trapezform, aufweist". Der hinzugefügte Disclaimer in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beziehe sich auf die Form der Heizelemente, wie sie im Dokument D2 offenbart ist.
In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei der Disclaimer weiter präzisiert und auf den Fall beschränkt, dass "die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind".
Der Hilfsantrag 3 entspreche der in beschränkter Fassung aufrechterhaltenen Anspruchsfassung des Streitpatents gemäß dem vor der ersten Instanz eingeführten Hilfsantrag 2a. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sei gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auf eine "Induktionskochfeldvorrichtung" eingeschränkt und enthalte die weitere Klarstellung, dass "die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind". Der Disclaimer sei entsprechend angepasst, indem die mit dem Hilfsantrag 2 aufgenommene Einschränkung hinsichtlich des Sonderfalls, dass die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind, gestrichen wurde.
X. In seiner Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin wies der Einsprechende darauf hin, dass der Begriff "Mittelpunkt" in den Ansprüchen nicht eindeutig sei und dass der Versatz in Anspruch 1 nur auf einen Abstand hinweise ohne eindeutige Hinweise auf die Mittelpunkte. Ein solcher Versatz sei auch im Hinblick auf die seitlichen Enden der Heizelemente zu verstehen. Außerdem sei auch für den Fall, dass der Begriff des Mittelpunkts als Flächenmittelpunkt zu verstehen sei, das Merkmal in D2 offenbart.
Zur Neuheit gegenüber Dokument D1 und zur erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Dokumente D3, D4 und D7 verwies der Einsprechende auf die Ausführungen in seiner Beschwerdebegründung in Bezug auf Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung.
Darüber hinaus beantragte der Einsprechende, dass die Hilfsanträge 1 bis 10 nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Dabei wäre die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Hilfsantrag 1 nicht zum Verfahren zuzulassen, zu bestätigen. Hilfsantrag 2 sei nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und sei zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingeführt worden. Aus diesem Grund sei der Hilfsantrag nicht zulässig. Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen falsch ausgeübt, indem sie die Anträge 3 bis 10 (frühere Hilfsanträge 2a, 3 - 5, 1,
6 - 8) zum Verfahren zugelassen habe. Der Grund, dass diese Anträge eine Reaktion auf die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung darstellten, rechtfertige nicht ihre Zulassung zum Einspruchs- und zum Beschwerdeverfahren.
XI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK unterrichtete die Kammer die Parteien über ihre vorläufige Auffassung.
XII. Auf Antrag der Parteien fand eine mündliche Verhandlung statt. Beide Parteien waren vertreten.
XIII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (ohne Bezugszeichen):
Kochfeldvorrichtung, insbesondere Induktionskochfeldvorrichtung, mit zumindest einem variablen Kochflächenbereich, der durch eine Anordnung von zumindest zwei länglichen Heizelementen festgelegt ist, wobei die Heizelemente bezüglich ihrer Längsachse versetzt angeordnet sind, und wobei bei einer Betrachtung einer Projektion von Mittelpunkten der Heizelemente auf die Längsachse ein Mittelpunkt eines ersten Heizelements der Heizelemente bezüglich eines Mittelpunkts eines zweiten von dem ersten Heizelement getrennt ausgebildeten Heizelements um eine Strecke beabstandet angeordnet ist, wobei die Heizelemente um eine Strecke von mehr als 1 cm versetzt angeordnet sind, und dadurch gekennzeichnet, dass die Heizelemente um eine Strecke von weniger als 8 cm versetzt angeordnet sind.
XIV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass der Anspruch den folgenden Disclaimer enthält:
wobei eine Außenkontur der Heizelemente nicht eine angenäherte Trapezform aufweist, welche zwei gegenüberliegende und in etwa gleich lange Seiten und dazwischen zwei kurze Seiten, die jedoch unterschiedlich lang sind für die Trapezform, aufweist.
XV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass Anspruch 1 die folgende Einschränkung zum Disclaimer enthält:
, und zwar für den Fall, dass die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind.
XVI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:
Induktionskochfeldvorrichtung mit zumindest einem variablen Kochflächenbereich, der durch eine Anordnung von zumindest zwei länglichen Heizelementen festgelegt ist, wobei die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind, wobei die Heizelemente bezüglich ihrer Längsachse versetzt angeordnet sind, und wobei bei einer Betrachtung einer Projektion von Mittelpunkten der Heizelemente auf die Längsachse ein Mittelpunkt eines ersten Heizelements der Heizelemente bezüglich eines Mittelpunkts eines zweiten von dem ersten Heizelement getrennt ausgebildeten Heizelements um eine Strecke beabstandet angeordnet ist, wobei die Heizelemente um eine Strecke von mehr als 1 cm versetzt angeordnet sind, und dadurch gekennzeichnet, dass die Heizelemente um eine Strecke von weniger als 8 cm versetzt angeordnet sind, wobei eine Außenkontur der Heizelemente nicht eine angenäherte Trapezform aufweist, welche zwei gegenüberliegende und in etwa gleich lange Seiten und dazwischen zwei kurze Seiten, die jedoch unterschiedlich lang sind für die Trapezform, aufweist.
XVII. Für den Wortlaut der weiteren Hilfsanträge verweist die Kammer auf die Akte.
XVIII. Auf die weiteren Vorträge der Parteien, soweit für die Entscheidung erheblich, wird unten in den Entscheidungsgründen eingegangen.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag (Patent wie erteilt) - Neuheit
1. Die Patentinhaberin wiederholt ihre Ansicht, dass in Dokument D2 nicht das Merkmal offenbart ist, wonach bei einer Betrachtung einer Projektion von Mittelpunkten der Heizelemente auf die Längsachse ein Mittelpunkt eines ersten Heizelements der Heizelemente bezüglich eines Mittelpunkts eines zweiten, von dem ersten Heizelement getrennt ausgebildeten Heizelements um eine Strecke beabstandet angeordnet ist. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Zeichnungen in D2 nur schematische Darstellungen der Induktionskochfeldvorrichtung sind. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern hat festgelegt, dass aus solchen Darstellungen keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Dimensionen der einzelnen Elemente gezogen werden können. Dies gilt insbesondere für die schematisch dargestellten Heizelemente in den Figuren von D2.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
D2 - Figuren 4 und 5
2. Unabhängig von der Definition eines Mittelpunkts (eindimensionale Halbierung der Längsachse oder der Flächenmittelpunkt) ergibt sich aus dem Ausführungsbeispiel der Figur 5 in D2 ein Versatz der länglichen Heizelemente 11. Ein Versatz des unteren Heizelements in Figur 5 gegenüber dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 führt nämlich zu einem entsprechenden Versatz des Mittelpunkts, d. h. sowohl des Punkts zwischen den zwei longitudinal gegenüberliegenden Enden entlang der länglichen Achse als auch des Flächenmittelpunkts entlang derselben Achse.
3. Darüber hinaus wird durch Absatz [0017] in Dokument D2 in Kombination mit Absatz [0023] eine Verschiebung einer Induktionsspule um 5 % bis 20 % bei einer Gesamtlänge von 25 cm offenbart. In dieser Hinsicht ist die Lehre von D2 wesentlich konkreter, als von der Patentinhaberin behauptet.
4. Da eine Induktionsspule zum Heizen des Geschirrs beiträgt, entspricht sie einem Heizelement im Sinne der beanspruchten Erfindung.
5. Aus den Angaben in den Absätzen [0017] und [0023] ergibt sich ein Versatz der Heizelemente, von 1,25 cm bis 5 cm. Dies entspricht dem beanspruchten Versatz zwischen zwei longitudinal gegenüberliegenden Enden entlang der Längsachse. Auch wenn die Kammer sich der Auffassung der Patentinhaberin anschließen würde, dass der Begriff des Mittelpunkts im Kontext der Erfindung im Sinne eines Flächenmittelpunkts zu verstehen ist, wäre der beanspruchte Versatz ebenfalls dem Ausführungsbeispiel der Figur 5 in D2 entnehmbar. Auf die überzeugenden Ausführungen des Einsprechenden in seiner Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin (siehe Punkt X, oben) wird hingewiesen. Die ausgehend von den konkreten Angaben in D2 durchgeführten Berechnungen des Versatzes führen, falls der Mittelpunkt entlang der Achse berücksichtigt wird, zu einem Versatz zwischen 2,57 und 6,52 cm, d. h. im beanspruchten Bereich zwischen 1 cm und 8 cm. Die nicht näher spezifizierten Abrundungen der Trapezform beeinflussen diese ermittelte Position wegen ihrer ähnlichen Form nur marginal und ändern nichts an der Feststellung, dass D2 einen Versatz im beanspruchten Bereich offenbart.
6. Daraus folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber D2 ist (Artikel 54 (3) EPÜ).
Hilfsantrag 1 - Zulässigkeit
7. Der Disclaimer in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 (vorheriger Hilfsantrag 2) wurde hinzugefügt, um die Neuheit gegenüber der in D2 offenbarten Kochfeldvorrichtung herzustellen. Hilfsantrag 1 wurde von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen, weil der eingefügte Disclaimer gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstieß.
8. Die gefestigte Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen der ersten Instanz basiert auf der Entscheidung G 7/93 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA, 1994, 775). Die Kammer beschränkt ihre Überprüfung darauf, ob die erste Instanz für ihre Entscheidung Kriterien missachtet hat, die eindeutig für die Ermessensentscheidung von Relevanz gewesen wären, oder sich auf falsche Kriterien gestützt hat, die keinen unmittelbaren Bezug zur Entscheidung haben. Dies impliziert auch, dass die Kammer überprüft, ob die erste Instanz diese Grundsätze korrekt (im Sinne von angemessen) angewendet hat.
9. In der Entscheidung G 1/03 (ABl. 2004, 413, Leitsatz) hat die Große Beschwerdekammer festgelegt, dass ein Disclaimer zulässig sein kann, wenn er dazu dient,
die Neuheit wiederherzustellen, indem er einen Anspruch gegenüber einem Stand der Technik nach Artikel 54 (3) und (4) EPÜ abgrenzt.
Sie hat weiter festgelegt:
Ein Disclaimer sollte nicht mehr ausschließen, als nötig ist, um die Neuheit wiederherzustellen oder einen Gegenstand auszuklammern, der aus nichttechnischen Gründen vom Patentschutz ausgeschlossen ist.
10. Der in Anspruch 1 hinzugefügte Disclaimer lautet:
wobei eine Außenkontur der Heizelemente nicht eine angenäherte Trapezform aufweist, welche zwei gegenüberliegende und in etwa gleich lange Seiten und dazwischen zwei kurze Seiten, die jedoch unterschiedlich lang sind für die Trapezform, aufweist.
11. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass der eingefügte Disclaimer der Zulässigkeit des Hilfsantrags 1 entgegenstand, da er alle Kochfeldvorrichtungen und nicht nur Induktionskochfeldvorrichtungen betraf. Somit wurde mehr ausgeschlossen, als zur Herstellung der Neuheit gegenüber Dokument D2 notwendig ist.
12. Daraus folgt, dass die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung auf die Feststellung gegründet hat, dass Hilfsantrag 1 in Anbetracht der Entscheidung G 1/03 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt. Unabhängig davon, dass aus der Entscheidung G 1/03 nicht eindeutig hervorgeht, wie ein Disclaimer im Hinblick auf den auszuschließenden Stand der Technik optimal formuliert werden sollte, liegt kein Fehler in der Ausübung des Ermessens der Einspruchsabteilung vor.
13. Die Entscheidung, Hilfsantrag 1 nicht zum Verfahren zuzulassen, wird bestätigt.
Hilfsantrag 2 - Zulässigkeit
14. Hilfsantrag 2 wurde erstmals mit der Beschwerdebegrün-dung der Patentinhaberin eingereicht. Seine Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren liegt im Ermessen der Beschwerdekammer (Artikel 12 (2), (4) VOBK).
15. Der Disclaimer in Anspruch 1 lautet:
wobei eine Außenkontur der Heizelemente nicht eine angenäherte Trapezform aufweist, welche zwei gegenüberliegende und in etwa gleich lange Seiten und dazwischen zwei kurze Seiten, die jedoch unterschiedlich lang sind für die Trapezform aufweist, und zwar für den Fall, dass die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind.
Er unterscheidet sich von dem Disclaimer in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass er explizit für den Fall gilt, dass die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind.
16. Dies stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne des Artikels 12 (4) VOBK dar. Der Gegenstand des Disclaimers im Hinblick auf Hilfsantrag 1 (vorheriger Hilfsantrag 2) war bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erörtert worden (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkt 9). Allerdings wurde daraufhin in der Verhandlung nicht ein Antrag in der Fassung des jetzigen Hilfsantrags 2 in der jetzigen Form eingereicht, sondern in der Fassung des jetzigen Hilfsantrags 3 (vorheriger Hilfsantrag 2a, siehe Punkt 10 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung).
17. Die Patentinhaberin hatte demzufolge bereits vor der Einspruchsabteilung sowohl hinreichend Gelegenheit als auch Veranlassung, auf die Einwände der Einsprechenden hin die Anspruchsfassung des jetzigen Hilfsantrag 2 vorzulegen. Die Kammer sieht keine rechtfertigenden Umstände, warum diese Anspruchsfassung erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurde und lässt daher Hilfsantrag 2 im Beschwerdeverfahren nicht zu (Artikel 12 (6) VOBK).
Hilfsantrag 3 - Zulässigkeit
18. Hilfsantrag 3 wurde von der Einspruchsabteilung zum Einspruchsverfahren zugelassen und bildet die Grundlage für die geänderte Fassung zur Aufrechterhaltung des Patents.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass der Anspruch auf eine Induktionskochfeldvorrichtung gerichtet ist und klargestellt wird, dass "die Heizelemente als Induktionsheizelemente ausgebildet sind".
19. Zur Stützung seines Antrags, den Hilfsantrag 3 nicht zum Verfahren zuzulassen, machte der Einsprechende geltend, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen hinsichtlich der Zulässigkeit des früheren Hilfsantrags 2a falsch ausgeübt habe. Er verwies erneut auf die Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 der Großen Beschwerdekammer und insbesondere auf die in der Entscheidung G 1/03 genannte Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Disclaimers, dass nicht mehr ausgeschlossen wird als nötig ist, um die Neuheit wiederherzustellen. Diese Bedingung sei nicht erfüllt, da z. B. der Disclaimer auf ein Induktionsheizelement gerichtet ist und nicht auf die tatsächlich offenbarte Spule. Auch die spezifische Konfiguration des Heizelements in D2 sei ignoriert worden. Ebenso wenig habe die Einspruchsabteilung die zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung beachtet, dass spät eingereichte Anträge eindeutig gewährbar sein müssen.
20. Darüber hinaus habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen falsch ausgeübt, weil sie ihre Entscheidung in erster Linie auf die Feststellung gestützt habe, dass der Hilfsantrag als Reaktion auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung in der Anlage zur Ladung vom 1. Februar 2021 eingereicht worden sei. Außerdem lasse die Entscheidung der Einspruchsabteilung außer Acht, dass eine negative Stellungnahme der Einspruchsabteilung zu Gründen, die der Einsprechende in der Einspruchsbegründung rechtzeitig vorgebracht hat und zu denen die Patentinhaberin ausreichend Gelegenheit hatte sich zu äußern, keinen unvorhersehbaren oder unerwarteten Umstand darstelle. Zudem wies der Einsprechende auf die für ihn resultierenden Nachteile hin, da er sich mit einem Gegenstand befassen musste, der zuvor nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei.
21. Diese vom Einsprechenden genannten Kriterien hätte die Einspruchsabteilung bei ihrer Ermessensausübung zwar durchaus anwenden können. Sie hat jedoch dem Umstand, dass die Patentinhaberin auf die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung reagiert hat, mehr Wert beigemessen und den Antrag daher in korrekter Ausübung ihres Ermessens zugelassen.
22. Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Hilfsantrag 3 zum Verfahren zuzulassen.
Hilfsantrag 3 - Neuheit
23. D1 zeigt zueinander versetzt angeordnete Heizelemente (Figur 1). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Heizelemente in D1 versetzbar sind und deshalb auch in anderen Anordnungen, z.B. nicht versetzt zueinander, angeordnet werden können. Jedoch offenbart D1 keine quantitativen Werte für den Bereich des möglichen Versatzes. Die in Absatz [0015] von D1 beschriebene Konfiguration des Induktionskochfelds und die Dimensionen des ersten Heizelements 20a mit einer Länge von 20 cm und einer Breite von 10 cm reichen nicht aus, um Rückschlüsse auf den Versatz zu ziehen. Aus D1 lässt sich keine Beschränkung des Versatzbereichs auf 1-8 cm unmittelbar eindeutig entnehmen.
24. Somit ändert die Auffassung der Patentinhaberin, dass in D1 explizit auf versetzbare und gerade nicht dauerhaft bzw. fest angeordnete Heizelemente hingewiesen wird (z. B. in Absatz [0005]), nichts an dieser Schlussfolgerung. Eine Versetzbarkeit der Heizelemente wird durch den Wortlaut des Anspruchs nicht ausgeschlossen. Das Merkmal der "versetzten Heizelemente" ergibt sich somit implizit aus der Verschiebung der Heizelemente in D1.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
D1 - Figur 1
25. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist neu gegenüber D1, da D1 keine Heizelemente offenbart, die um eine Strecke von mehr als 1 cm und weniger als 8 cm versetzt sind.
Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit
26. Die Patentschrift enthält in Absatz [0005], Spalte 3, Zeilen 9 - 14 folgende Definition:
Unter einem "bezüglich zumindest einer Achse versetzt" angeordneten Element soll insbesondere ein in einer zumindest im Wesentlichen parallel zu der Achse weggerücktes und/oder verschobenes und/oder umgestelltes und/oder an eine differierende Position gesetztes Element verstanden werden.
27. Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin, wonach die Heizelemente 5 der Figur 3 in D3 nicht parallel zu ihrer Längsachse versetzt, sondern ineinander verschachtelt angeordnet sind.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
D3 - Figur 3
28. In D3 sind nur die Zentren der Heizelemente entlang derselben Längsachse gegeneinander verschoben und nur soweit, dass die Heizflächen der kleineren Heizelemente die Flächen der größeren Heizelemente noch vollständig überlappen. Ein Versatz im Sinne der Erfindung derart, dass ein Heizelement an eine andere Position gesetzt ist, ist in Figur 3 von D3 nicht offenbart.
29. Im Rahmen der beanspruchten Erfindung ermöglicht ein Versatz der Heizelemente eine größere Flexibilität beim Betrieb der Kochfeldvorrichtung. Insbesondere ist der Versatz der Heizelemente an die Größe bzw. an die Form des verwendeten Kochgeschirrs angepasst. Diese Art der Flexibilität ergibt sich aus D3 nicht, da nur eine Anpassung der Kochleistung innerhalb der überlappenden Bereiche möglich ist. Die Besonderheit des Versatzes der Heizelemente definiert einen anderen Aufbau als den des Ausführungsbeispiels der Figur 3 in D3. Ausgehend von D3 hätte die Fachperson keine Anregung gehabt, die Heizelemente versetzt bezüglich einer Achse anzuordnen, denn dies hätte bedeutet, auf die Vorteile hinsichtlich der Flexibilität der Kochleistung im überlappenden Bereich, die sich aus einer verschachtelte Struktur ergibt, zu verzichten. In der Hinsicht führt Dokument D3 weg von der beanspruchten Erfindung, da sich die offenbarten erfindungsgemäßen Heizelemente gemäß D3 überlappen müssen.
30. Auch Dokument D4 ist für die erfinderische Tätigkeit von Relevanz.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
D4 - Figur 2
31. D4 offenbart ein Kochfeld mit länglich ausgeformten Induktoren als Heizeinheiten. Die Induktoren sind mit ihrer Längsachse zwischen 40° und 70° schräg gegenüber der Horizontalen des Kochfelds wabenförmig ineinander greifend angeordnet und dadurch dicht gepackt. Aufgrund der schrägen Anordnung gegenüber der Horizontalen des Kochfelds stellt sich zwischen benachbarten Heizelementen ein Versatz ein.
32. Der Einsprechende hat vorgetragen, aus der üblichen Breite eines handelsüblichen Heizelements und dem angegebenen Winkelbereich der schrägen Anordnung ergebe sich für die Heizelemente in D4 implizit ein Versatz größer 1 cm. Eine Begrenzung des Versatzes auf weniger als 8 cm sei in D4 zwar nicht offenbart, der Fachmann wäre aber durch routinemäßige Erprobung in naheliegender Weise zu einem solchen Versatz von weniger als 8 cm gelangt.
33. Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt.
34. Die technische Wirkung, die sich aus einem Versatz von weniger als 8 cm ergibt, besteht darin, eine effiziente Beheizung bei einer definierten Kochfeldgröße zu ermöglichen. Die zu lösende Aufgabe besteht daher darin, die Bedienbarkeit der Vorrichtung zu verbessern und gleichzeitig eine effiziente Beheizung zu ermöglichen.
35. Ausgehend von D4 und der Aufgabenstellung, bei einer definierten Kochfeldgröße eine optimale Anordnung für eine effiziente Beheizung und verbesserten Gebrauch für den Nutzer zu ermöglichen, wäre der Fachmann ausgehend von D4 und ohne rückschauende Betrachtung nicht in naheliegender Weise zu dem beanspruchten Gegenstand gelangt. D4 sieht auf der Oberfläche des Kochfelds zur Positionierung von Kochgefäßen unterschiedlicher Größe feste Markierungen vor, innerhalb derer eine möglichst gleichmäßige Aufheizung für ein passendes Kochgefäß erfolgt. Dadurch wird jedoch nicht nahegelegt, die Heizelemente mit den im Anspruch 1 angegebenen Begrenzungen für den Versatzes anzuordnen.
36. Das Dokument D4 befasst sich mit einer verbesserten Wahrnehmbarkeit der Kochzonen. Zu diesem Zweck sind dort Markierungen 3a bis 8a vorgesehen, die für einen Bediener die zur Beheizung vorgesehenen Bereiche kennzeichnen (Absätze [0002], [0005], [0007] und [0011], Figuren 1 bis 3). Die explizite Verwendung von Markierungen in D4 weist in eine andere Richtung als die beanspruchte Erfindung, die auf solche Markierungen explizit verzichtet (Streitpatent, Absatz [0040], Zeilen 32 - 35). Dadurch wird nicht nahegelegt, die Heizelemente mit den im Anspruch 1 angegebenen Begrenzungen für den Versatzes anzuordnen.
37. Die Beschwerdekammer gelangt demzufolge zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
38. Hilfsantrag 3 entspricht der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung. Dementsprechend sind die Beschwerden beider Parteien zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die beiden Beschwerden werden zurückgewiesen.