T 0049/22 () of 11.4.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T004922.20240411
Datum der Entscheidung: 11 April 2024
Aktenzeichen: T 0049/22
Anmeldenummer: 14720959.7
IPC-Klasse: H03G 3/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kompensation einer Signal-Dämpfung bei der Übertragung von Sendesignalen eines Mobilfunkgeräts
Name des Anmelders: Molex Technologies GmbH
Name des Einsprechenden: Continental Advanced Antenna GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Spät eingereichte Einwände - wären bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1668/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 992 604 widerrufen wurde.

II. Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:

D5: US 7,221,967 B2

D5a: Eingabe des Anmelders zu Dokument D5 im Prüfungsverfahren vor dem USPTO vom 22. Dezember 2006

D6: US 7,783,318 B2

D8: US 2011/0217943 A1

III. In der angefochtenen Entscheidung gelangte die Einspruchsabteilung unter anderem zu dem Schluss, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Dokument D5 beruhe.

IV. In der Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin), die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge aufrechtzuerhalten. Sofern dem Hauptantrag nicht im schriftlichen Verfahren entsprochen werden kann, wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

V. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber dem Dokument D5 sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von diesem Dokument in Kombination mit Fachwissen oder in Kombination mit den weiteren Dokumenten D6 und D8 beruhe.

VI. Mit einem am 7. März 2024 eingereichten Schreiben nahm die ehemalige Beschwerdegegnerin ihren Einspruch gegen das europäische Patent zurück und ist seitdem damit nicht mehr am Verfahren beteiligt.

VII. In einer Mitteilung vom 15. März 2024 teilte die Kammer mit, dass sie zwar beabsichtige, über die Einwände basierend auf D5 und D5a entsprechend ihrer vorläufigen Stellungnahme zu entscheiden, d.h. die angefochtene Entscheidung aufzuheben, dass sie es jedoch unter den gegebenen Umständen nicht für angebracht erachte, die von der damaligen Beschwerdegegnerin vorgebrachten weiteren Einwände gegen den Hauptantrag (siehe Punkt 4 der Mitteilung vom 15. März 2024) erstmals von Amts wegen im Beschwerdeverfahren zu prüfen, sondern die Sache zur weiteren Bearbeitung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert zu erklären, ob sie im Falle der beabsichtigten Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückzieht.

VIII. In einem am 10. April 2024 eingegangenen Schreiben erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie auf ihr Recht auf mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer verzichte, wenn (a) die Entscheidung der Einspruchspruchsabteilung aufgehoben und (b) die Sache an die Einspruchspruchsabteilung zurückverwiesen wird.

IX. Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut (Merkmalsbezeichnungen seitens der Kammer in Klammern hinzugefügt):

[1] "Schaltungsanordnung zum Kompensieren einer Signal-Dämpfung bei der Übertragung von Sendesignalen eines Mobilfunkgeräts (1), wobei die Schaltungsanordnung aufweist:

[1.1] - eine Signal-Kopplungseinrichtung (3), die ausgestaltet ist, Funk-Sendesignale einer Sendeantenne des Mobilfunkgeräts (1) zu empfangen und in eine Hochfrequenzleitung zur leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale einzukoppeln,

[1.2] - eine einstellbare Signalpegel-Verstärkungseinrichtung, die zumindest einen Signalverstärker (7) zum Verstärken der Sendesignale mit einer von dem Signalverstärker (7) erzeugten Signal-Verstärkung aufweist,

[1.3] - eine Einstelleinrichtung (11) zur Einstellung einer von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugten resultierenden Signalverstärkung,

[1.4] - eine Detektoranordnung (9), die ausgestaltet ist zu detektieren, ob ein Signalpegel der Sendesignale des Mobilfunkgeräts (1) einen vorgegebenen oberen Grenzwert (SWO) erreicht oder überschreitet und ob der Signalpegel einen vorgegebenen unteren Grenzwert (SWU) erreicht oder unterschreitet, wobei

[1.5] a) die Detektoranordnung (9) und die Einstelleinrichtung (11) miteinander verbunden sind,

[1.6] b) die Detektoranordnung (9) ausgestaltet ist, bei Erreichen oder Überschreiten des oberen Grenzwertes (SWO) die Einstelleinrichtung (11) zu veranlassen, die von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugte resultierende Signalverstärkung zu verkleinern, und

[1.7] c) die Detektoranordnung (9) ausgestaltet ist, bei Erreichen oder Unterschreiten des unteren Grenzwertes (SWU) die Einstelleinrichtung (11) zu veranlassen, die von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugte resultierende Signalverstärkung zu verkleinern."

X. Der unabhängige Verfahrensanspruch 7 hat den folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Kompensieren einer Signal-Dämpfung bei der Übertragung von Sendesignalen eines Mobilfunkgeräts (1), wobei in dem Verfahren:

- die Sendesignale einer Sendeantenne des Mobilfunkgeräts (1) als Funksignale von einer Signal- Kopplungseinrichtung (3) empfangen und in eine Hochfrequenzleitung zur leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale eingekoppelt werden,

- die Sendesignale mit einer von einem Signalverstärker (7) erzeugten Signalverstärkung verstärkt werden,

- eine von einer einstellbaren Signalpegel-Verstärkungseinrichtung, die zumindest den Signalverstärker (7) aufweist, erzeugte resultierende Signalverstärkung abhängig von einem Signalpegel der Sendesignale des Mobilfunkgeräts eingestellt wird, wobei eine Signal-Dämpfung aufgrund der Einkopplung der Funksignale durch die Signalpegel-Verstärkungseinrichtung kompensiert wird,

- detektiert wird, ob der Signalpegel einen vorgegebenen oberen Grenzwert (SWO) erreicht oder überschreitet und ob der Signalpegel einen vorgegebenen unteren Grenzwert (SWU) erreicht oder unterschreitet, wobei

a) bei Erreichen oder Überschreiten des oberen Grenzwertes (SWO) die von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugte resultierende Signalverstärkung verkleinert wird, und

b) bei Erreichen oder Unterschreiten des unteren Grenzwertes (SWU) die von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugte resultierende Signalverstärkung verkleinert wird."

XI. Auf die entscheidungserheblichen Argumente der Beschwerdeführerin und der ehemaligen Beschwerdegegnerin wird in den Entscheidungsgründen eingegangen.

Entscheidungsgründe

1. Einwände basierend auf dem Dokument D5a - Zulassung in das Beschwerdeverfahren (Artikel 12 (6) VOBK)

1.1 In der Beschwerdeerwiderung hat die damalige Beschwerdegegnerin erstmals einen Neuheitseinwand sowie einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit basierend auf dem Dokument D5a formuliert.

In der Einspruchsbegründung (siehe Seite 17, erster Absatz) wurde das Dokument D5a lediglich als ergänzende Offenbarung für die Auslegung des Dokuments D5 im Rahmen des Einwandes der mangelnden Neuheit gegenüber D5 herangezogen.

1.2 Es ist für die Kammer nicht ersichtlich und von der ehemaligen Beschwerdegegnerin auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen die Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags basierend auf dem Dokument D5a nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhoben worden sind. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die ehemalige Beschwerdegegnerin auf das Dokument D5a bereits in der Einspruchsbegründung im Rahmen des Einwandes der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen das Dokument D5 Bezug genommen hat (siehe insbesondere Abschnitt F.1.a).iii) der Einspruchsbegründung).

1.3 Vor diesem Hintergrund hat die Kammer das ihr unter Artikel 12 (6) VOBK eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, die Einwände basierend auf dem Dokument D5a nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, da sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorzubringen gewesen wären und da keine Umstände der Beschwerdesache ersichtlich oder vorgetragen sind, welche ihre Zulassung rechtfertigen könnten.

2. Hauptantrag - Neuheit gegenüber dem Dokument D5 (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ)

2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist neu gegenüber dem Dokument D5, denn es offenbart nicht die Merkmale 1.1 und 1.6.

2.2 Gemäß Merkmal 1.1 weist die Schaltungsanordnung eine Signal-Kopplungseinrichtung auf, die ausgestaltet ist, Funk-Sendesignale einer Sendeantenne des Mobilfunkgeräts zu empfangen und in eine Hochfrequenzleitung zur leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale einzukoppeln.

Die ehemalige Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass das Merkmal 1.1 auch im Sinne einer Signal- Kopplungseinrichtung auslegbar sei, die Funk-Sendesignale für eine Sendeantenne des Mobilfunkgeräts empfangen könne.

Die Kammer ist hiervon nicht überzeugt. Vielmehr ist der Wortlaut und die Bedeutung des Merkmals 1.1 klar und der Fachmann kann bei einer verständigen Auslegung, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesamtoffenbarung des Patents, daher zu keinem anderen Schluss kommen, als dass die Signal-Kopplungseinrichtung dazu ausgestaltet ist, Funk-Sendesignale zu empfangen, die von einer Sendeantenne des Mobilfunkgeräts gesendet werden und diese in eine Hochfrequenzleitung zur leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale einzukoppeln.

Die angefochtene Entscheidung ist in diesem Punkt somit nicht zu beanstanden.

Bei entsprechender Auslegung des Merkmals 1.1 des Anspruchs 1, ergibt sich, dass der "diplexer 40" des Dokuments D5, entgegen dem Argument der ehemaligen Beschwerdegegnerin, keine Signal-Kopplungseinrichtung im Sinne des Merkmals 1.1 darstellt, da er nicht dazu ausgestaltet ist, Funk-Sendesignale einer Sendeantenne des Mobilfunkgeräts zu empfangen.

2.3 Das Merkmal 1.6 fordert, dass die Detektoranordnung ausgestaltet ist, bei Erreichen oder Überschreiten des oberen Grenzwertes die Einstelleinrichtung zu veranlassen, die von der Signalpegel- Verstärkungseinrichtung erzeugte resultierende Signalverstärkung zu verkleinern.

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass dem Anspruch 6 des Dokuments D5, insbesondere in Verbindung mit der Beschreibung in Spalte 3, Zeilen 37 bis 41, nicht zu entnehmen ist, dass bei Erreichen oder Überschreiten eines oberen Grenzwertes eine Einstelleinrichtung veranlasst wird, die von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugte resultierende Signalverstärkung zu verkleinern.

Anspruch 6 des Dokuments D5 lässt sich zunächst lediglich entnehmen, dass der Betrieb des Mobiltelefons erfordert, dass die Ausgangsleistung des Boosters in keinem Fall einen maximalen Leistungspegel überschreitet, ("Operation of said cell phone requires that the booster Output not exceed a maximum power level in any case").

Zwischen den Parteien herrschte Einigkeit darüber, dass es sich bei dem in Anspruch 6 von D5 genannten "maximum power level" um den festgelegten oberen Grenzwert des Mobilfunkstandards handelt. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin dahingehend überein, dass der Fachmann diesen Grenzwert nicht gleichsetzen würde mit dem "oberen Grenzwert" im Sinne des Anspruchs 1.

Nach Anspruch 6 von D5 soll das Überschreiten dieses durch den Mobilfunkstandard vorgegebenen Grenzwertes vermieden werden. Die Lösung, die das Dokument D5 hierzu vorschlägt, ist eine konstante Verstärkung von 7 dB (oberhalb eines Grenzwertes von z.B. 15 dBm), wodurch das Überschreiten des durch den Mobilfunkstandard festgelegten maximalen Leistungspegels gerade verhindert werden soll. Es versteht sich, dass durch diese Dimensionierung der Verstärkung zwangsläufig auch das Überschreiten eines höheren maximalen Leistungspegels (z.B. +38 dBm), etwa im Sinne der Beschreibung in Spalte 3, Zeilen 16 bis 19, verhindert wird.

In diesem Zusammenhang trifft das Dokument D5 in Spalte 3, Zeilen 37 bis 41, eine entscheidende Grundannahme, dass nämlich fast alle weit von der "cell site" entfernten Mobiltelefone eine Ausgangsleistung von ca. 23 dBm aufweisen. Aus diesem Grund stellt die Lehre des Dokuments D5 vorrangig darauf ab, dass bei einer dauernden Verstärkung von 7 dB (oberhalb des zweiten unteren Grenzwertes von z.B. 15 dBm) ein Überschreiten des maximal (vom Mobilfunkstandard) zulässigen Leistungspegels vermieden wird, weil davon ausgegangen wird, dass fast kein Mobiltelefon mit einem höheren Leistungspegel sendet.

Ein Detektieren eines oberen Grenzwertes ist somit nach der klaren Lehre der D5 nicht erforderlich und auch der Wortlaut des Anspruchs 6 liefert dahingehend keine Hinweise. Dem Argument der ehemaligen Beschwerdegegnerin kann die Kammer daher nicht folgen, wonach das Dokument D5 auch von Mobiltelefonen ausgeht, die mehr als 23 dBm Sendeleistung haben. Das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Der weitere Wortlaut des Anspruchs 6 von D5 ist wie folgt: "... said amplifier has a fixed gain, and including switching selectable amounts of attentuation to maintain the booster Output within the limits required by Standards of the cellular industry". Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin überein, dass hier im Rahmen einer allgemeinen Beschreibung auf die aus der Gesamtschau des Dokuments D5 entnehmbare Lehre Bezug genommen wird, wonach Dämpfung zugeschaltet wird, wenn ein erster unterer Grenzwert (7 dBm) erreicht wurde, und die Dämpfung abgeschaltet wird, wenn eine zweiter unterer Grenzwert (15 dBm) erreicht wird (siehe auch die Beschreibung in Spalte 5, Zeilen 16 bis 47).

Insgesamt ergibt sich nach der Überzeugung der Kammer aus dem Wortlaut des Anspruchs 6 keine Verkleinerung der von der Signalpegel-Verstärkungseinrichtung erzeugten Signalverstärkung bei Erreichen oder Überschreiten eines oberen Grenzwertes. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Beschreibung der D5, insbesondere in Spalte 3, Zeilen 37 bis 41.

Auch das von der ehemaligen Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argument, das Einhalten des Grenzwertes durch rein passives Dimensionieren einzuhalten, sei nicht durch die Beschreibung von D5 gestützt, kann die Kammer nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil geht das Dokument D5 einen Kompromiss ein und sieht zur Vermeidung des Überschreitens des durch den Mobilfunkstandard vorgegebenen maximalen Leistungspegels ausschließlich ein passives Dimensionieren in einem fest vorgegebenen Rahmen vor.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die ehemalige Beschwerdegegnerin diese in D5 vorgesehene Lösung für nicht praktikabel hält, weil möglicherweise die Gefahr bestehe, dass bereits eine geringfügige Verringerung der Dämpfung zu einer Überschreitung des maximalen Leistungspegels führe. Entscheidend ist, was der Fachmann dem Dokument D5 unmittelbar und eindeutig entnehmen kann, und dies ist jedenfalls nicht die Verkleinerung der Signalverstärkung bei Erreichen oder Überschreiten eines oberen Grenzwertes im Sinne einer von der ehemaligen Beschwerdegegnerin vertretenen "aktiven Überwachung".

2.4 Im Lichte der obigen Erwägungen ist die Kammer zu dem Schluss gelangt, dass das Dokument D5 die Merkmale 1.1 und 1.6 nicht offenbart und der Gegenstand des Anspruchs 1 somit neu ist gegenüber dem Dokument D5. Der unabhängige Verfahrensanspruch 7 weist entsprechende Verfahrensmerkmale auf, sodass sein Gegenstand ebenfalls neu ist gegenüber dem Dokument D5.

Da es sich bei dem Einwand der mangelnden Neuheit basierend auf dem Dokument D5 um den einzigen von der ehemaligen Beschwerdegegnerin zulässig vorgebrachten Neuheitseinwand gegen den Hauptantrag handelt, ist die Kammer zu dem Schluss gelangt, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D5 (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ)

3.1 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Dokument D5.

Unterscheidungsmerkmale

3.2 Wie oben unter Punkt 2. dargelegt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Dokument D5 durch die Merkmale 1.1 und 1.6. Entsprechende Unterscheidungsmerkmale sind in dem unabhängigen Anspruch 7 enthalten.

Objektive technische Aufgabe

3.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, die Merkmale 1.1 und 1.6 stünden derart in Wechselwirkung miteinander, dass ein synergistischer Effekt erzielt werde, da erst durch die drahtlose Anbindung gegenüber dem Dokument D5 die Situation entstehe, dass die obere Standardgrenze nicht mehr durch Umschalten auf ein 0 dB Dämpfungsglied ausgereizt aber nicht überschritten werde. Somit entstehe erst dadurch die Notwendigkeit, das Einhalten des standardkonformen Verhaltens an der oberen Standardgrenze zu überwachen und entsprechend entgegenzusteuern.

3.4 Die ehemalige Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen argumentiert, dass Dämpfungsschwankungen nicht ausschließlich auf drahtlose Signal- Kopplungseinrichtungen zurückzuführen sein können. Die Kammer kann dem grundsätzlich zustimmen. Jedoch hält sie das Argument der Beschwerdeführerin für plausibel, wonach eine drahtlose Anbindung zumindest zusätzliche Dämpfungsschwankungen verursachen kann, die eine Modifizierung der Schaltungsanordnung des Dokuments D5 erforderlich macht.

3.5 Vor diesem Hintergrund ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die von der Beschwerdeführerin formulierte objektive Aufgabe im Hinblick auf die Kombination der Unterscheidungsmerkmale 1.1 und 1.6, nämlich die Kompensation von variabler Signaldämpfung mit standardkonformem Verhalten zu ermöglichen, angemessen ist.

Naheliegen der Lösung

3.6 Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass sich, ausgehend von dem Dokument D5, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Es erscheint der Kammer insbesondere nicht plausibel, dass der Fachmann eine Abwandlung der in D5 offenbarten Schaltungsanordnung dahingehend in Betracht gezogen hätte, dass die Signal- Kopplungseinrichtung zum Empfang von Funk-Sendesignalen einer Sendeantenne des Mobilfunkgerätes ausgestaltet ist. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang zutreffend dargelegt, dass es bei dem Dokument D5 auf ein Ausreizen des maximal zulässigen Leistungspegels ankommt, was nach dem Verständnis der Kammer ein möglichst stabiles Dämpfungsverhalten voraussetzt. In dem Dokument D5 werden jedoch lediglich zusätzlich Leitungsverluste ausgeglichen (siehe Spalte 4, Zeile 45 ff.) und zusätzliche Dämpfung durch kabellose Anbindung erfordern weitergehende Modifikationen, insbesondere die Implementierung des Merkmals 1.6. Hierauf gibt es in dem Dokument D5 jedoch keinerlei Hinweise und entsprechende Überlegungen entspringen auch nicht dem Fachwissen des Fachmanns.

3.7 Darüber hinaus sieht das Dokument D5 eine konstante Verstärkung ohne Zuschaltung von Dämpfung im weit entfernten Bereich des Mobiltelefons aus Gründen der Energieeffizienz vor (siehe Spalte 5, Zeilen 31 bis 34: "This minimizes current consumption when the cell site is distant"). Auch vor diesem Hintergrund hätte der Fachmann nach der Überzeugung der Kammer eine Modifizierung der in D5 offenbarten Schaltungsanordnung nicht in Betracht gezogen, um die objektive technische Aufgabe mittels Implementierung der Unterscheidungsmerkmale zu lösen. Ganz im Gegenteil wäre der Fachmann ausgehend von dem Dokument D5 und im Lichte der darin offenbarten spezifischen Lehre davon abgehalten worden, eine drahtlose Signal- Kopplungseinrichtung im Sinne des Merkmals 1.1 in der Schaltungsanordnung des Dokuments D5 zu implementieren.

3.8 Zwar mag in den weiteren Dokumenten D6 oder D8 eine Signal-Kopplungseinrichtung im Sinne des Merkmals 1.1 des Anspruchs 1 offenbart sein. Ungeachtet dessen hätte der Fachmann jedoch eine drahtlose Ankopplung im Lichte der Gesamtlehre des Dokuments D5 nicht in Betracht gezogen, wie vorstehend erläutert.

3.9 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags durch das Dokument D5 in Verbindung mit Fachwissen oder alternativ durch die Dokumente D6 oder D8 nicht nahegelegt ist. Entsprechendes gilt auch für den unabhängigen Anspruch 7.

4. Zurückverweisung

4.1 In der Beschwerdeerwiderung hat die ehemalige Beschwerdegegnerin weitere Einwände unter Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ vorgebracht. Diese Einwände beruhten auf den Dokumenten D4, D6, D8 und D10 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Die Beschwerdeführerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zu diesen weiteren Einwänden geäußert.

4.2 Im Lichte der durch die Rücknahme des Einspruchs entstandenen neuen Verfahrenssituation, hat die Kammer entschieden, dass sie zwar über die Einwände basierend auf D5 und D5a entscheidet (siehe die Abschnitte 1. bis 3. oben). Unter den gegebenen Umständen erachtet sie es jedoch nicht für angebracht, die oben unter Punkt 4.1 genannten Einwände erstmals von Amts wegen im Beschwerdeverfahren zu prüfen. Sie hat daher entschieden, die Angelegenheit zur weiteren Bearbeitung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

4.3 Da die vorliegende Entscheidung im Sinne des Hauptantrags der Beschwerdeführerin ergeht, und die Beschwerdeführerin unter diesen Umständen auf ihr Recht auf mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer verzichtete, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

4.4 Die Einspruchsabteilung wird zunächst nach Regel 84 (2) EPÜ zu entscheiden haben, ob sie das Einspruchsverfahren im Hinblick auf die Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortsetzt (vgl. T 1668/08 und Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, III.Q.3.2).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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