T 1350/21 () of 20.2.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T135021.20240220
Datum der Entscheidung: 20 Februar 2024
Aktenzeichen: T 1350/21
Anmeldenummer: 16176988.0
IPC-Klasse: E06B 3/667
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: STECKVERBINDER
Name des Anmelders: CERA GmbH
Name des Einsprechenden: Eduard Kronenberg GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 015(1)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Ermessensfehler in erster Instanz (nein)
Verspätetes Vorbringen - Rechtfertigung der Verspätung (nein)
Änderungen - zulässig (ja)
Spät eingereichter Einwand - wäre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0835/11
T 0566/21
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent Nr. 3 112 575 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.

II. Soweit auch die Patentinhaberin zunächst Beschwerde eingelegt hatte, nahm sie diese vor Verkündung dieser Entscheidung zurück und hat fortan die Parteistellung als Beschwerdegegnerin zur Beschwerde der Einsprechenden inne.

III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 23. Oktober 2023 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerden voraussichtlich zurückzuweisen sein dürften.

IV. Die Einsprechende nahm mit Schriftsatz vom 16. November 2023 zu dieser Mitteilung inhaltlich Stellung.

V. Am 20. Februar 2024 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

VI. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.

VII. Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

VIII. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

IX. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte

die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang in der von der Einspruchsabteilung als den Erfordernissen des Übereinkommens genügenden Fassung (im Folgenden "Hilfsantrag II").

X. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:

D1: EP 2 784 261 A1;

D3: WO 2014/004871 A1;

D6: DE 20 2007 004 924 U1;

D7: offenkundige Vorbenutzung der Einsprechenden

(Steckverbinder 1-0131-1621);

D8: DE 92 09 382 U1.

XI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet:

"Steckverbinder (1) mit U- oder kastenförmigem Querschnitt,

der als Gerad-, Winkel-, Eck- oder Kreuzungsverbinder ausgebildet ist,

für Abstandhalterhohlprofile für Isolierglasscheiben mit

einem Bodenteil (2) und

zwei Längsseitenkanten, die als vom Boden (2) aufragende Schenkel (3, 4) ausgebildet sind,

wobei das Bodenteil (2) zusammen mit den Längsseitenkanten den Körper des Verbinders (1) bildet,

wobei an wenigstens einem Teil der Längsseiten nach außen ragende, vorzugsweise elastisch verformbare Lamellen (5) für jeden Einsteckabschnitt angeordnet sind, die geneigt oder gebogen ausgeführt sind,

wobei die Neigung oder Biegung in Einsteckrichtung nach hinten ausgebildet ist,

wobei im Bereich der vom Boden wegweisenden Enden der Schenkel (3, 4) Überhöhungen (9) vorgesehen sind und

wobei im Bereich der freien Enden der Schenkel (3, 4), im Bereich der Mitte der Längserstreckung des Steckverbinders (l) zwischen den beiden Schenkeln (3, 4) eine Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) vorgesehen ist,

wobei die Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) auf oder unterhalb der maximalen Höhe des Steckverbinders (1) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, daß

wenigstens an einem längsseitigen Enden der Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) jeweils am Übergang des längsseitigen Endes der Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) und dem jeweiligen Schenkel ein Abweiser (101) vorgesehen ist, der beispielsweise als Abschrägung, Vorsprung, Überhöhung oder dergleichen ausgebildet sein kann und daß der Abweiser in den durch die Schenkel (3,4), den Boden (2) und die Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) gebildeten Raum hineinragt."

XII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensrechtliche Aspekte und Gegenstand des Beschwerdeverfahrens

1.1 Da die Patentinhaberin ihre Beschwerde vor Verkündung dieser Entscheidung zurücknahm, ist gemäß Regel 103 (4) a) EPÜ die von ihr entrichtete Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % zurückzuzahlen.

1.2 Angesichts dessen, dass die Einsprechende nach Rücknahme der Beschwerde der Patentinhaberin alleinige Beschwerdeführerin war, beschränkte sich der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens wegen des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius) auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung betreffend den Hilfsantrag II, dessen geänderte Fassung von der Einspruchsabteilung als den Erfordernissen des EPÜ genügend erachtet wurde (Artikel 12 (2) VOBK).

2. Zulassung in das Verfahren des Hilfsantrags II

2.1 Die Einsprechende wendete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Punkt 21 der Entscheidungsgründe, den erstmals im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hilfsantrag II in das Verfahren zuzulassen.

2.2 Es ist unstreitig, dass Hilfsantrag II zu einem sehr späten Verfahrensstadium im Einspruchsverfahren vorgelegt wurde. Die Zulassung dieses Antrags stand jedoch im Ermessen der Einspruchsabteilung.

2.3 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollte sich eine Kammer nur dann über die Art und Weise, in der die Einspruchsabteilung ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher bzw. unangemessener Weise ausgeübt hat und damit ihr eingeräumtes Ermessen überschritten hat (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern (RdB), 10. Auflage 2022, V.A.3.4.1 b)).

2.4 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer machte die Einsprechende erstmalig geltend, dass die Einspruchsabteilung bei der Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich der Beurteilung der prima facie Erfolgsaussichten von Hilfsantrag II nicht die Änderungen der Beschreibung im Hinblick auf die Prüfung der Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ berücksichtigt habe.

2.5 Dieses Argument stellt indes eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar. Gemäß Artikel 13 (2) VOBK (in der Fassung vom 1. Januar 2024) bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn der betreffende Beteiligte, also hier die Einsprechende, zeigt stichhaltigen Gründe dafür auf, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Solche Gründe wurden weder von der Einsprechenden geltend gemacht, noch sind sie offenkundig, so dass das Argument unberücksichtigt zu bleiben hat.

2.6 Die Einsprechende machte im übrigen keine andere Gründe für eine Anwendung fehlerhafter Ermessenskriterien oder eine willkürliche oder unangemessene Ermessensausübung geltend.

2.7 Sie trug lediglich vor, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen unrichtig angewendet habe, weil das Kriterium der eindeutigen Gewährbarkeit nicht gegeben sei, da der geänderte Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber dem Wortlaut der erteilten Ansprüchen 1, 14 sowie 15 abgeändert sei und daher eine unzulässige Änderung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ vorliege.

2.8 Die Einspruchsabteilung hat bei der Erwägung ihres Ermessens neben der Einschränkung des Schutzumfangs und dem Versuch, während der mündlichen Verhandlung erwähnte Einwände zu beseitigen, ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ als Ermessenskriterium berücksichtigt (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 21, zweiter Absatz).

2.9 Der Umstand, dass die Einspruchsabteilung bei der Prüfung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu einem anderen Ergebnis gelangte als die Einsprechende, bietet keine Grundlage dafür, dass sich die Kammer über die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung hinwegsetzt.

2.10 Die Kammer merkt ergänzend an, dass die Einspruchsabteilung sich bei der Prüfung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ richtigerweise auf die Offenbarung der ursprünglich eingereichten Ansprüche 16 und 17 in Kombination mit einer Variante des ursprünglich eingereichten Anspruchs 18 bezieht und nicht wie die Einsprechende auf die Offenbarung von erteilten Ansprüchen des Streitpatents. Die bei der Ermessensausübung getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Einspruchsabteilung zu Artikel 123 (2) EPÜ sind zutreffend.

2.11 Der Vortrag der Einsprechenden enthält kein weiteres Vorbringen, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen bei der Zulassung des Hilfsantrags II fehlerhaft ausgeübt hätte.

2.12 Die Einspruchsabteilung hat bei der Zulassung des Hilfsantrags II ihr Ermessen daher rechtsfehlerfrei angewendet.

2.13 Hilfsantrag II ist folglich Gegenstand des Verfahrens.

3. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

3.1 In Punkt 14. der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung zur Erfüllung der Erfordernisse nach Artikel 123 (2) EPÜ durch Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II mit. Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt lediglich auf das jeweilige schriftsätzliche Vorbringen verwiesen, sieht die Kammer keinen Grund, von ihren in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK getroffenen Feststellungen abzuweichen und bestätigt diese, wie im folgenden näher dargestellt.

3.2 Die Einsprechende wendete sich gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 17 der Entscheidungsgründe, dass die im Prüfungsverfahren vorgenommenen Änderung, wobei das Wort "erfindungsgemäß" in der Figuren-Auflistung jeweils bei den Figuren 9, 10 und 11 eingefügt wurde, keine unzulässige Erweiterung nach Artikel 123 (2) EPÜ darstellt, bzw. dass der Einspruchgrund nach Artikel 100 c) EPÜ nicht gegeben ist.

3.3 Der von der Einsprechenden in Punkt 2 ihrer Beschwerdebegründung vorgetragene Einwand überzeugt bereits grundsätzlich nicht.

3.4 Gemäß Artikel 84 EPÜ geben die Patentansprüche den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, also den Gegenstand des Patents, an. Eine Änderung der Beschreibung kann nur dann zu einer unzulässigen Erweiterung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ führen, wenn sie gleichfalls zu einer Änderung des Gegenstands des Patents führt. Änderungen der Beschreibung, die auf den beanspruchten Gegenstand keinen Einfluss haben, sind nach Auffassung der Kammer aber nicht unter Artikel 100 c) EPÜ zu beanstanden (vgl. T 835/11, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe, sowie diese Kammer in einer anderen Besetzung in T 566/21, Punkt 4.3 der Entscheidungsgründe).

3.5 Die Einsprechende trug nicht dazu vor, weshalb die Änderung in der Beschreibung einen konkreten Einfluss auf den beanspruchten Gegenstand des Patents hätte.

3.6 Im Ergebnis bleibt daher offen, weshalb eine der wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ, nämlich dass eine Änderung des Gegenstands des Patents vorliegt, erfüllt sein sollte.

3.7 Die Kammer ist folglich nicht von einer Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zu der Zulässigkeit der Änderung in der Beschreibung überzeugt.

3.8 Soweit die Einsprechende weiter in Zusammenhang mit Hilfsantrag II eine unzulässige Erweiterung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ geltend machte, weil der geänderte Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber dem Wortlaut der erteilten Ansprüchen 1, 14 sowie 15 abgeändert sei, verweist die Kammer auf ihre in obigen Punkt 2.10 wiedergegebene Schlussfolgerungen.

3.9 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

4. Zulassung der Dokumente D3 und D8 in das Verfahren (Artikel 114 (2) EPÜ)

In Punkt 15. der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung mit, die auf den Dokumenten D3 und D8 beruhenden Einwände der Einsprechenden ins Verfahren zuzulassen. Nachdem die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärte, keine Einwände gegen eine Zulassung der Dokumente D3 und D8 zu haben (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 2, Absatz 7), sind die Dokumente D3 und D8 sowie die auf diesen Dokumenten beruhenden Einwände gegenüber Hilfsantrag II im Verfahren zu berücksichtigen.

5. Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II (Artikel 54 EPÜ)

5.1 Zulassung des Einwands mangelnder Neuheit gegenüber der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung D7 in das Verfahren

5.1.1 Die Einsprechende machte mit der Beschwerdebegründung einen Einwand fehlender Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II gegenüber der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung D7 geltend.

5.1.2 Dieser Einwand war nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, da die Einsprechende diesen Einwand gegenüber Hilfsantrag II nicht vor der Einspruchsabteilung erhoben hatte. Sie hatte dazu indes hinreichend Gelegenheit im Verlauf der mündlichen Verhandlung (siehe Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, Punkte 40 und 45).

5.1.3 Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung D7 war unstreitig Teil des Verfahrens, dennoch trug die Einsprechende diesen Einwand ausdrücklich nicht gegen Hilfsantrag II vor (vgl. ebd., Punkt 47). Dabei ist es unerheblich, ob der Einwand bereits im vorangehenden schriftlichen Einspruchsverfahren hinsichtlich abhängiger Ansprüche erhoben wurde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Hintergrund des dort erstmalig vorgelegten Hilfsantrags II der Einsprechenden nicht präsent war oder der Einsprechenden "entfallen bzw. bei ihr untergegangen ist", wie es die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer formulierte. Die in Punkt 47 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung festgehaltene Erklärung ist objektiv derart eindeutig, dass sie nur so verstanden werden kann, dass die Einsprechende sich auf die von ihr vorgebrachten Einwände beschränkte.

5.1.4 Es ist nicht erkennbar, weshalb die Einsprechende im Einspruchsverfahren daran gehindert gewesen wäre, diesen Einwand vorzubringen.

5.1.5 Der auf D7 beruhende Einwand fehlender Neuheit ist daher gemäß Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen.

5.2 Neuheit gegenüber der Lehre des Dokuments D1

5.2.1 Die Einsprechende wendete sich im schriftlichen Verfahren gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 22 der Entscheidungsgründe, dass Dokument D1 keine Abweiser offenbart, die in den durch die Schenkel (3, 4) den Boden (2) und Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) gebildeten Raum hineinragen. Sie verwies dazu auf die Offenbarung des Absatzes [0056] des Dokuments D1, wonach es denkbar sei, dass die diagonalen Streben bei geringen Deformationen mitfedern.

5.2.2 Das Argument der Einsprechenden, dass eine Fachperson aus Absatz [0056] des Dokuments D1 mitlese, dass die dort offenbarten Streben bei ihrer Verformung nach unten ausbauchen und dann in den beschrieben Raum hineinragten (vgl. Beschwerdebegründung der Einsprechenden, Seite 13, Absatz 4), bleibt jedoch letztlich rein spekulativ und ist nicht geeignet eine Unrichtigkeit der Feststellung der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der Lehre von Dokument D1 darzulegen.

5.3 Neuheit gegenüber der Lehre des Dokuments D3

5.3.1 Der Einwand der Einsprechenden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II nicht neu gegenüber der Lehre des Dokuments D3 sei, insbesondere gegenüber der Ausführungsform der Figuren 8A und 8B, überzeugt nicht.

5.3.2 Wie die Einspruchsabteilung in Punkt 23.1 der Entscheidungsgründe feststellte, ist in Figur 8A (und auch in der Figur 8B) kein Abweiser zu identifizieren.

5.3.3 Die Einsprechende verwies auf Seite 12, Absatz 1, ihrer Beschwerdebegründung und auf die nachfolgend dargestellte Kenntlichmachung in Figur 8A und die dort von ihr als Abweiser identifizierte Struktur:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK.

5.3.4 Die Bedeutung und Wirkungsweise der von der Einsprechenden identifizierten Struktur bleibt jedoch aus der Offenbarung des Dokuments D3 völlig offen.

5.3.5 Es findet sich in der Beschreibung des Dokuments D3 keine Erläuterung zu der angegebenen Struktur. Die Kammer schließt sich nicht dem Vorbringen der Einsprechenden an, dass die Darstellung klar als ein Vorsprung oder Noppen erkennbar sei. Dafür bieten sich weder aus der Figur selber noch aus der Beschreibung Anhaltspunkte. Somit bleibt auch das Vorbringen der Einsprechenden auf Seite 6, Absatz 2, in dem Schriftsatz vom 16. November 2023, dass die Fachperson erkenne, "dass im Einbauzustand des Steckverbinders das durchfließende Trocknungsmittel am Vorsprung anschlägt, sodass eine Abweiserfunktion besteht" eine nicht durch weitere Tatsachen bewiesene Behauptung.

5.3.6 Die Einsprechende legt folglich nicht überzeugend dar, weshalb die Fachperson den Figuren 8A und 8B von Dokument D3 die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II unmittelbar und eindeutig entnähme, wie es aber die einheitliche Rechtsprechung erfordert, um auf fehlende Neuheit zu erkennen (vgl. RdB, ibid, I.C.4).

5.3.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist neu gegenüber der Lehre von D3.

5.4 Neuheit gegenüber der Lehre des Dokuments D8

5.4.1 Die Einsprechende wendete sich zudem gegen die im Rahmen der Prüfung auf prima facie Relevanz getroffene Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 23.2 der Entscheidungsgründe, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II neu gegenüber der Lehre von Dokument D8 ist.

5.4.2 Die Kammer ist nicht von dem Vortrag der Einsprechenden überzeugt, dass der Offenbarung des Dokuments D8 das Merkmal 1.14.1 von Anspruch 1 zu entnehme sei, dass

"der Abweiser in den durch die Schenkel (3,4), den Boden (2) und die Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung (11) gebildeten Raum hineinragt."

5.4.3 Die Einsprechende trug hierzu vor, dass das betroffene Merkmal in keinem der Ausführungsbeispiele von Figur 1 bis 11 des Streitpatents eindeutig offenbart sei. Weil es unklar sei, sei es breit auszulegen.

5.4.4 Dieses Argument ist jedoch nicht überzeugend, da durch den Merkmalswortlaut die strukturelle Anordnung des Abweisers und des Raums deutlich angegeben wird, so dass bereits deshalb kein Anlass für eine Merkmalsauslegung besteht.

5.4.5 Die Kammer ist dabei insbesondere nicht davon überzeugt, dass die Merkmalsformulierung offen lasse, in welchen Raum der Abweiser hineinrage. Durch die gewählte Formulierung ist der Fachperson vielmehr eindeutig klar, dass der Raum durch die Schenkel, den Boden und die Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung gebildet - d.h. durch sie beschränkt - ist, und somit innerhalb dieser angrenzenden Strukturelemente liegt. Das bedeutet in Konsequenz, dass der so definierte Raum von der Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung bedeckt ist.

5.4.6 Diesem eindeutigen Merkmalsverständnis steht auch nicht die Figur 10 des Streitpatents entgegen. Dass in dem in Figur 10 als erfindungsgemäß dargestellten Ausführungsbeispiel die Abweiser 101 außerhalb des wie oben beschriebenen Raum liegen, ist für die Kammer nicht eindeutig zu erkennen.

5.4.7 Der von der Einsprechenden in den Figuren 4 und 8 des Dokuments D8 als Abweiser identifizierte rückspringende Ausschnitt ragt - von der Beteiligten unbestritten - nicht in den oben verstandenen durch die Schenkel, den Boden und die Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung gebildeten Raum, sondern allenfalls in einen von den Schenkeln und dem Boden begrenzten "Vorraum". Entsprechend ist das Merkmal 1.14.1 nicht in der Lehre des Dokuments D8 offenbart.

5.4.8 Der Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist damit neu gegenüber der Lehre von Dokument D8.

5.5 Neuheit gegenüber der Lehre des Dokuments D6

5.5.1 Die Einsprechende wendete sich weiter gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 24 der Entscheidungsgründe, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II neu gegenüber der Lehre von Dokument D6 ist.

5.5.2 Die Einsprechende sieht auf der gleichen Grundlage wie bei ihrer Argumentation zur angeblich mangelnden Neuheit gegenüber der Lehre von Dokument D8 in den Figuren 1 und 2 des Dokuments D6 in den anspruchsgemäß definierten Raum ragende Abweiser I und II realisiert (vgl. Beschwerdebegründung der Einsprechenden, Seite 17, Absätze 5 bis 7, und Seite 18, letzter Absatz).

5.5.3 Angesichts der Erwägungen der Kammer in Punkt 5.4.4 dieser Entscheidung überzeugt dieses Vorbringen jedoch nicht, denn auch die Einsprechende bestreitet nicht, dass die von ihr als Abweiser definierten Strukturen nicht in einem von einer Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung überdeckten Raum hinragen. Entsprechend ist das Merkmal 1.14.1 nicht in der Lehre des Dokuments D6 offenbart.

5.5.4 Der Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist damit neu gegenüber der Lehre von Dokument D6.

5.6 Im Ergebnis legt keiner der von der Einsprechenden vorgelegten Einwände, soweit ins Verfahren zugelassen, überzeugend eine Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II dar.

6. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II (Artikel 56 EPÜ)

6.1 In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Einsprechende ihren bereits im schriftlichen Verfahren vorgebrachten in Punkt 6.2.b) ihrer Beschwerdebegründung vorgelegten Einwand, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Lehre von D6 und dem allgemeinen Fachwissen beruhe.

6.2 Dieser Einwand basiert darauf, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II von der Lehre des Dokuments D6 durch das Merkmal 1.14.1 unterscheide. Mit dem genannten Unterscheidungsmerkmal verbindet die Einsprechende den technischen Effekt, eine Anlagerung von Trocknungsmittel an der Trag- und/oder Stabilisierungseinrichtung möglichst zu verhindern. Entsprechend stehe die Fachperson ausgehend von der Lehre des Dokuments D6 vor der objektiven technischen Aufgabe, eine bessere Führung des Trocknungsmittels vorzusehen. Zur Lösung dieser Aufgabe sei der Fachperson aus ihrem allgemeinen Fachwissen das Merkmal 1.14.1 bekannt und liege ihr auch unmittelbar nahe.

6.3 Das von der Einsprechenden unterstellte Fachwissen wurde von der Patentinhaberin bestritten. Mangels der Vorlage von dieses Fachwissen stützenden Tatsachen bleibt es letztlich eine reine, nicht überprüfbare Behauptung.

6.4 Im Ergebnis ist der auf die Kombination der Lehre des Dokuments D6 mit dem allgemeinen Fachwissen beruhende Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht hinreichend überzeugend dargelegt.

6.5 Die Einsprechende erhob ausdrücklich keine weiteren Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 3, Absatz 6)

6.6 Die Kammer ist somit nicht von einer Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags II überzeugt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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