T 1292/21 () of 4.3.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T129221.20240304
Datum der Entscheidung: 04 März 2024
Aktenzeichen: T 1292/21
Anmeldenummer: 10708703.3
IPC-Klasse: F16D 66/00
F16D 65/092
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 355 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FAHRZEUGBREMSE
Name des Anmelders: KNORR-BREMSE Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Name des Einsprechenden: VRI-Verband der Reibbelagindustrie e.V.
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 104(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 016(1)(c)
Schlagwörter: Änderung nach Ladung - berücksichtigt (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Kostenverteilung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2080/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Einsprechende (Beschwerdeführer) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.

II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Der Beschwerdeführer (Einsprechender) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags 3 aufrecht zu erhalten (Hauptantrag). Sie beantragte darüber hinaus die Verteilung der Kosten.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (Hilfsantrag 3) lautet wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

1a) Fahrzeugbremse, insbesondere Scheibenbremse oder Trommelbremse

1b) mit an Bremsbelagträgerplatten (4, 5) festgelegten Bremsbelägen (6, 7), und

1c) mit einer Zuspanneinrichtung (8),

1d) wobei zumindest ein Bremsbelag (6, 7) der Fahrzeugbremse mit einer elektronischen Baueinheit (15) ausgestattet ist,

1e) die zumindest zur Speicherung bremsbelagspezifischer Daten mit einem elektronischen Speicher versehen ist,

1f) wobei die elektronische Baueinheit aus einem einen Speicher und einen Prozessor enthaltenden Chip (15) sowie aus einer Antenne zur Signalübertragung besteht und

1g) wobei außerhalb des Bremsbelages (6, 7) ein mit einer Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) ausgestattetes Lese- und Auswertgerät (16) für die von der elektronischen Baueinheit (15) sendbaren Daten installiert ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

1ha) die Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) am Bremssattel (1) installiert ist,

1k) wobei das Lese- und Auswertgerät (16) in das Steuergerät eines ABS-Systems integriert ist.

VII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:

E1: WO 2006/112784 A1

E3: US 2006/0273148 A1

VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten ist unten in den Entscheidungsgründen aufgeführt.

Entscheidungsgründe

1. Hilfsantrag 3 - Zulassung in das Verfahren

1.1 Der Hilfsantrag 3 wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.

1.2 Der Beschwerdeführer sah in diesem Antrag eine verspätete Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin und beantragte, diesen nicht in das Verfahren zuzulassen.

1.3 Für die Frage der Zulassung des Hilfsantrags 3 in das Verfahren ist Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden. Demnach bleiben "Änderungen des Beschwerdevorbringens" eines Beteiligten nach Zustellung einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

1.4 Der Hilfsantrag 3 beruht auf dem im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 1, der unbestritten Teil des Beschwerdeverfahren war. Die Ansprüche 1 und 2 dieses Hilfsantrags 1 lauteten wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

Anspruch 1

a) Fahrzeugbremse, insbesondere Scheibenbremse oder Trommelbremse

b) mit an Bremsbelagträgerplatten (4, 5) festgelegten Bremsbelägen (6, 7), und

c) mit einer Zuspanneinrichtung (8),

d) wobei zumindest ein Bremsbelag (6, 7) der Fahrzeugbremse mit einer elektronischen Baueinheit (15) ausgestattet ist,

e) die zumindest zur Speicherung bremsbelagspezifischer Daten mit einem elektronischen Speicher versehen ist,

f) wobei die elektronische Baueinheit aus einem einen Speicher und einen Prozessor enthaltenden Chip (15) sowie aus einer Antenne zur Signalübertragung besteht und

g) wobei außerhalb des Bremsbelages (6, 7) ein mit einer Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) ausgestattetes Lese- und Auswertgerät (16) für die von der elektronischen Baueinheit (15) sendbaren Daten installiert ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

ha) die Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) am Bremssattel (1) installiert ist oder dass

hb) der Bremssattel (1) als Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) ausgelegt ist,

ia) wobei das Lese- und Auswertgerät (16) innerhalb der Fahrzeugbremse installiert ist.

Anspruch 2

a-g) Fahrzeugbremse nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1,

ib) bei der das Lese- und Auswertgerät im Fahrzeug installiert ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

ha) die Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) am Bremssattel (1) installiert ist oder dass

hb) der Bremssattel (1) als Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (15) ausgelegt ist,

k) wobei das Lese- und Auswertgerät (16) in das Steuergerät eines ABS-Systems integriert ist.

1.5 Gegenüber diesem Hilfsantrag 1 wurden in Hilfsantrag 3 der Anspruch 1 komplett und in Anspruch 2 die Alternative des Merkmals hb gestrichen, sodass der verbleibende unabhängige Anspruch 1 nur noch auf die Alternative des Merkmals ha in Verbindung mit Merkmal k gerichtet war.

1.6 Dieser in Hilfsantrag 3 verbliebene Gegenstand wurde von den Beteiligten im schriftlichen Verfahren bereits ausreichend erörtert, sodass kein Vortrag weiterer, neuer oder geänderter Begründungselemente erforderlich war.

1.7 Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Hilfsantrag 3 nicht als Änderung des Beschwerde­vorbringens anzusehen ist, oder ob außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 seine Berücksichtigung rechtfertigen (siehe T 2080/18, Punkt 5.1 der Entscheidungsgründe).

1.8 Dementsprechend ist der Hilfsantrag 3 in das Verfahren zuzulassen.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Es war unter den Beteiligten unstreitig, dass die Entgegenhaltung E1 die Merkmale 1a bis 1f wie folgt offenbart (Verweise in Klammern beziehen sich auf E1):

1a) Fahrzeugbremse, insbesondere Scheibenbremse ("disk brakes"; Seite 5, Zeile 17) oder Trommelbremse ("drum brakes"; Seite 5, Zeilen 19 bis 20)

1b) mit an Bremsbelagträgerplatten (2) festgelegten Bremsbelägen (3), und

1c) mit einer Zuspanneinrichtung (implizites Merkmal für eine Scheiben- oder Trommelbremse),

1d) wobei zumindest ein Bremsbelag (3) der Fahrzeugbremse mit einer elektronischen Baueinheit ("identification means 4", RFID-tags; Seite 5, Zeile 31 bis Seite 6, Zeile 12) ausgestattet ist,

1e) die zumindest zur Speicherung bremsbelag­spezifischer Daten 5 ("identification number", siehe Seite 6, Zeilen 8 bis 9) mit einem elektronischen Speicher (implizites Merkmal eines RFID-tags) versehen ist,

1f) wobei die elektronische Baueinheit (4) aus einem einen Speicher und einen Prozessor (implizites Merkmal eines Chips) enthaltenden Chip ("RFID-chip", Seite 6, Zeilen 4 bis 6) sowie aus einer Antenne ("antenna", Seite 6, Zeilen 4 bis 6) zur Signalübertragung besteht.

2.2 Die E1 offenbart ferner ein Lese- und Auswertgerät als eine im Fahrzeug ausgebildete Einheit ("RFID-receiver System on the vehicle"; Seite 6, Zeilen 32 bis 35 und Seite 7, Zeilen 19 bis 26; "wireless receiver"; Seite 4, Zeile 20), welche mit einer Antenne (implizites Merkmal eines "RFID-receivers") ausgestattet ist. Die E1 offenbart folglich auch das Merkmal 1g, wonach

1g) außerhalb des Bremsbelages (3) ein mit einer Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit (4) ausgestattetes Lese- und Auswertgerät für die von der elektronischen Baueinheit (4) sendbaren Daten installiert ist.

2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der Offenbarung der E1 durch die Merkmale 1ha und 1k, wonach

1ha) die Antenne zum Empfang der Signale der elektronischen Baueinheit am Bremssattel installiert ist, und

1k) das Lese- und Auswertgerät in das Steuergerät eines ABS-Systems integriert ist.

2.4 Diese Ausgestaltung ermöglicht zum einen eine störungs­unempfindliche Signalübertragung und zum anderen die gemeinsame Nutzung von Kommunikationsverbindungen. Die objektive technische Aufgabe besteht damit in der Bereitstellung einer Fahrzeugbremse, die eine störungsunempfindliche und kostengünstige Übertragung bremsbelag­spezifischer Daten erlaubt.

2.5 Der Beschwerdeführer machte geltend, der Anspruch lasse offen, wie das Lese- und Auswertgerät in das Steuergerät eines ABS-Systems integriert ist. Daher sei nicht selbstverständlich, dass sich der Vorteil einer kostengünstigen Signalübertragung, beispielsweise durch eine gemeinsame Nutzung von Kommunikations­verbindungen, einstellt.

Durch die Integration des Lese- und Auswertgeräts in das Steuergerät eines ABS-Systems eröffnet sich jedoch für den Fachmann auf einfache Weise die Möglichkeit, die bereits vorhandenen Kommunikationsverbindungen des ABS-Systems zu nutzen. Ob der Fachmann hiervon Gebrauch macht, ist für die Formulierung der objektiven tech­nischen Aufgabe unerheblich. Entscheidend ist, dass der Fachmann diese Möglichkeit und sich hieraus ergebende Vorteile ohne Weiteres erkennt. Diesbezüglich verwies die Beschwerdegegnerin auch auf den Vorteil, eine gemeinsame Verschlüsselungstechnologie verwenden zu können. Dem trat der Beschwerdeführer nicht entgegen.

2.6 Die E3 beschreibt verschiedene Wege der Daten­übertragung von einer an einem Fahrzeugreifen platzierten elektronischen Baueinheit zu einem Lese- und Auswertgerät. Gemäß Absatz [0036] der E3 kann ein Lese- und Auswertgerät in jedem Fahrwerksschacht angebracht sein und die Daten von der elektronischen Baueinheit abfragen, wenn sich diese in der 12-Uhr Position befindet; alternativ kann ein einziges Lese- und Auswertgerät im Fahrzeug angebracht sein, das sämtliche elektronischen Baueinheiten ausliest.

2.7 Die E3 enthält jedoch keine Lehre, die Antenne des Lese- und Auswertgeräts an einer anderen Stelle als das Lese- und Auswertgerät selbst anzubringen, und sie gibt auch keinen Hinweis darauf, das Lese- und Auswertgerät in das Steuergerät eines ABS-Systems zu integrieren. Auch aus dem allgemeinen Fachwissen lässt sich ein solcher Hinweis nicht entnehmen. Die anspruchsgemäße Lösung der objektiven technischen Aufgabe ergibt sich daher für den Fachmann nicht in naheliegender Weise.

2.8 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Antrag auf Kostenverteilung

3.1 Die Beschwerdegegnerin stellte einen Antrag auf Kostenverteilung.

3.2 Der Antrag bezog sich auf folgende Umstände:

Die Kammer hatte zu einer mündlichen Präsenz­verhandlung am 23. Februar 2024 in Haar geladen.

Der für den Vorabend dieser Verhandlung vorgesehene Flug des Vertreters des Beschwerdeführers nach München wurde von der Fluggesellschaft kurz vor Abflug wegen eines Warnstreiks des Bodenpersonals am Zielflughafen storniert.

Am selben Abend informierte der Vertreter des Beschwerdeführers den Vertreter der Beschwerde­gegnerin via E-Mail davon, dass er aufgrund der Flugstornierung die Verhandlung am nächsten Tag nicht wahrnehmen werden könne. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertreter der Beschwerdegegnerin allerdings bereits abgereist und in München angekommen. Er erfuhr erst am nächsten Morgen von der Kammer, dass der Beschwerde­führer nicht anwesend sein konnte und dass dieser einen Verlegungsantrag gestellt habe.

Daraufhin schlug die Kammer dem anwesenden Vertreter der Beschwerdegegnerin und per Telefon dem Vertreter des Beschwerdeführers vor, eine Verhandlung per Videokonferenz stattfinden zu lassen, wobei die Kammer und die Beschwerdegegnerin in getrennten Räumen sitzen würden. Der Vertreter der Beschwerdegegnerin stimmte diesem Vorschlag zu. Der Vertreter des Beschwerdeführers stimmte diesem Vorschlag allerdings nicht zu. Er stimmte aber einer verkürzten Ladungsfrist zu, sodass die Kammer den Termin zur mündlichen Verhandlung aufhob und auf den 4. März 2024 verlegte.

3.3 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass aufgrund des schuldhaften Handelns des Beschwerdeführers eine weitere mündliche Verhandlung und damit auch eine weitere Anreise notwendig wurde. Der Vertreter des Beschwerdeführers hätte sich zum einen nicht auf die letzte Möglichkeit zur Anreise bzw. den letzten Flug nach München verlassen dürfen, da Flugausfälle keine Seltenheit seien und darüber hinaus der Warnstreik des Bodenpersonals in München bereits angekündigt gewesen sei. Durch sein Handeln habe er es leichtfertig bzw. billigend in Kauf genommen, dass er bei einem Ausfall des Fluges keine Möglichkeit mehr hatte, zu der Verhandlung anzureisen. Zum anderen habe der Vertreter des Beschwerdeführers den Vorschlag der Kammer ausgeschlagen, die Verhandlung per Video­konferenz stattfinden zu lassen. Hätte er am Tag der mündlichen Verhandlung einer Verhandlung per Videokonferenz zugestimmt, hätte verhindert werden können, dass der Beschwerdegegnerin weitere Kosten entstehen, nämlich Kosten für die Anreise zur zweiten Verhandlung sowie für Hotel und 1,5 ungenutzte Arbeitstage, und sie damit auch zu einem "Opfer" der Flugstornierung wird.

3.4 Der Beschwerdeführer argumentierte, seinem Vertreter könne nichts vorgeworfen werden. Der Vertreter habe seine Anreise zur mündlichen Verhandlung bereits für den Vortag der mündlichen Verhandlung und folglich mit genügend Zeitreserve organisiert und den Flug entsprechend gebucht. Er habe überdies von dem Warnstreik des Bodenpersonals am Flughafen in München nicht gewusst und, da er aus Luxemburg komme, auch nicht hätte wissen müssen. Der Warnstreik sei nämlich weder in den luxemburgischen Medien thematisiert worden, noch habe die Fluggesellschaft ihn hierüber informiert. Es habe am Abend des geplanten Flugs noch einen späteren Flug nach München mit einer anderen Fluggesellschaft gegeben, allerdings sei auch dieser Flug storniert worden. Er sei "Opfer" eines unvorhersehbaren Ereignisses geworden. Bezüglich der von der Kammer angebotenen Möglichkeit der Videokonferenz machte der Beschwerdeführer geltend, dass es sich bei einer mündlichen Verhandlung in Präsenz um ein Grundrecht handle. Allein die Tatsache, dass der Vertreter mit einem unvorhersehbaren Ereignis konfrontiert wurde, könne nicht dazu führen, dass er auf dieses Recht verzichten müsse.

3.5 Nach Artikel 104 (1) EPÜ gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt. Von diesem Grundsatz kann aus Gründen der Billigkeit abgewichen werden. Zu den auferlegbaren Kosten gehören gemäß Artikel 16 (1) Satz 2, lit c) VOBK 2020 diejenigen Kosten, die durch Handlungen oder Unterlassungen entstanden sind, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigen.

3.6 Die Billigkeit einer Kostenverteilung ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn einem Beteiligten eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist.

3.6.1 Im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht obliegt es einem Vertreter, die Anreise zu einer mündlichen Verhandlung so zu organisieren, dass er rechtzeitig vor Ort sein kann. Dies war beim Vertreter des Beschwerdeführers der Fall. Er hatte seinen Flug für den Vorabend geplant, was unter den gegebenen Umständen als ausreichend anzusehen ist, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Es war sogar - nach seiner Aussage - noch ein weiterer Flug nach München später am Abend angeboten, der dann allerdings auch storniert wurde. Insofern war der geplante Flug auch nicht - anders als von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - die letzte Möglichkeit der Anreise.

3.6.2 Die Sorgfaltspflicht­ umfasst jedoch nicht, dass der Vertreter sich vorab über sämtliche theoretisch möglichen Schwierigkeiten bei seiner Anreise informiert und diese im Vorfeld ausschließt. Dies ist schon aufgrund der Lebenserfahrung nicht möglich. Daher kann von einem Vertreter, der aus dem Ausland anreist, nicht ohne Weiteres erwartet werden, dass er von einem Warnstreik des Bodenpersonals am Flughafen in München weiß.

3.6.3 Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vertreter des Beschwerdeführers, der aus Luxemburg kommt, bei Beachtung seiner Sorgfaltspflicht von dem Warnstreik in München hätte wissen müssen. Somit handelte es sich bei der daraus resultierenden Flugstornierung um ein für den Vertreter des Beschwerdeführers unvorhersehbares Ereignis. Im Zusammenhang mit der geplanten Anreise zur mündlichen Verhandlung kann die Kammer daher keine Sorgfalts­pflichtverletzung seitens des Vertreters des Beschwerdeführers erkennen.

Was das Format der mündlichen Verhandlung anbelangt, geht es nicht darum, ob es ein Recht auf eine mündliche Verhandlung in Präsenz gibt, worauf der Vertreter des Beschwerdeführers hätte verzichten müssen, wenn er einer Verhandlung per Videokonferenz zugestimmt hätte. Entscheidend im vorliegenden Fall ist, dass die Kammer die Beteiligten zu einer Verhandlung in Präsenz geladen hatte. Der Vorschlag der Kammer, das Format kurzfristig zu ändern und die Verhandlung per Videokonferenz stattfinden zu lassen, war lediglich ein Angebot und auch als solches formuliert. Dieses Angebot hat der Vertreter des Beschwerdeführers ausgeschlagen. Damit blieb es letztlich bei dem von der Kammer für diese Verhandlung gewählten Format, also einer mündlichen Verhandlung in Präsenz. Zwar hätte der Beschwerdeführer durch die Annahme des Angebots verhindern können, dass der Beschwerdegegnerin weitere Kosten entstehen und sie somit auch zu einem "Opfer" der Flugstornierung wird. Die Vermeidung von Kosten auf Seiten der Beschwerde­gegnerin fällt jedoch nicht per se unter die Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers. Daher lag in dem Ausschlagen des Angebots keine Sorgfaltspflicht­verletzung.

3.7 Zusammenfassend ist festzustellen, dass keinem Beteiligten eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Daher bleibt es bei dem Grundsatz, das alle Beteiligten ihre Kosten selbst zu tragen haben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung: Spalten 1 bis 4 eingereicht während der mündlichen Verhandlung

Ansprüche: 1 bis 3 gemäß "Hilfsantrag 3" eingereicht während der mündlichen Verhandlung

Zeichnungen: Figuren 1 und 2 der Patentschrift

Quick Navigation