European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T013921.20230324 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 März 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0139/21 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16192433.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 49/64 B29C 49/78 B29C 49/68 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | HEIZEINRICHTUNG UND HEIZVERFAHREN FÜR BLASMASCHINE SOWIE BLASMASCHINE | ||||||||
Name des Anmelders: | KRONES AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Sidel Participations S.A.S. | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.
II. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 8. September 2022 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde im Umfang des Hilfsantrags 4 voraussichtlich erfolgreich sein dürfte.
III. Weder die Beschwerdeführerin noch die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) nahmen inhaltlich zur Mitteilung Stellung.
IV. Am 24. März 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt unter Rücknahme ihrer Anträge im Übrigen
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung mit den Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 4, der dem Hilfsantrag 3 des Einspruchsverfahrens entspricht, eingereicht am 1. April 2021, und der während der mündlichen Verhandlung angepassten Beschreibung.
VI. Die Beschwerdegegnerin beantragt zuletzt
die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. In dieser Entscheidung wird auf das folgende Dokument Bezug genommen:
D1: DE 10 2009 057 021 A1.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet:
"Heizeinrichtung (40) für eine Blasmaschine (1),
mit einem Heizelement (4110) zur Abstrahlung von Heizstrahlung zum Heizen von Vorformlingen (3; 3A; 3B),
einem Bodenreflektor (4113), der relativ zu einem gegenüber dem Heizelement(4110) angeordneten Gegenreflektor (4111) bewegbar ist, zur Reflexion von von dem Heizelement (4110) abgestrahlter Heizstrahlung in Richtung der Vorformlinge (3; 3A; 3B), wobei der Bodenreflektor (4113) quer zu dem Gegenreflektor (4111) angeordnet ist, und
einer Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) relativ zum Gegenreflektor (4111), wobei die Einstelleinrichtung (50) zur stufenlosen Einstellung und/oder Feineinstellung des Bodenreflektors (4113) ausgestaltet ist, und
zwei Heizstrecken (41, 42), die zueinander parallel und in Transportrichtung (TR1, TR2) der Vorformlinge (3; 3A; 3B) hintereinander angeordnet sind, wobei jede Heizstrecke (41, 42) mindestens einen Bodenreflektor (4113, 4213) aufweist,
wobei die Einstelleinrichtung (50) zur Einstellung der Stellung (LA + BM, LB + BM) des mindestens einen Bodenreflektors (4113, 4213) eine elektrische oder pneumatische oder elektromechanische Antriebseinrichtung (54) umfasst, und
wobei die Einstelleinrichtung (50) zur gemeinsamen Einstellung der vorbestimmten Stellung aller Bodenreflektoren (4113, 4213) der zwei Heizstrecken (41, 42) ausgestaltet ist."
IX. Der unabhängige Anspruch 13 gemäß Hilfsantrag 4 lautet:
"Heizverfahren für eine Blasmaschine (1), bei welchem ein Bodenreflektor (4113) relativ zu einem Gegenreflektor (4111) bewegbar ist, der gegenüber einem Heizelement (4110) angeordnet ist, wobei der Bodenreflektor (4113) quer zu dem Gegenreflektor (4111) angeordnet ist, wobei die Blasmaschine (1) zwei Heizstrecken (41, 42) aufweist, die zueinander parallel und in Transportrichtung (TR1, TR2) der Vorformlinge (3; 3A; 3B) hintereinander angeordnet sind, wobei jede Heizstrecke (41, 42) mindestens einen Bodenreflektor (4113, 4213) aufweist, wobei das Verfahren die Schritte aufweist:
Einstellen einer Stellung (LA + BM, LB + BM) des mindestens einen Bodenreflektors (4113, 4213) relativ zum Gegenreflektor (4111) mit einer Einstelleinrichtung (50), welche die Stellung (LA + BM, LB + BM) des Bodenreflektors (4113) mit einer elektrischen oder pneumatischen oder elektromechanischen Antriebseinrichtung (54) einstellt und zur stufenlosen Einstellung und/oder Feineinstellung des Bodenreflektors (4113) ausgestaltet ist, wobei die Einstelleinrichtung (50) eine gemeinsame Einstellung der vorbestimmten Stellung aller Bodenreflektoren (4113, 4213) der zwei Heizstrecken (41, 42) vornimmt, und
Reflektieren von von dem Heizelement (4110) abgestrahlter Heizstrahlung in Richtung von Vorformlingen (3; 3A; 3B) mit dem Bodenreflektor (4113)."
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensrechtliche Aspekte
1.1 Die Beschwerdeführerin begehrte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mit der Rücknahme ihrer Anträge im Übrigen allein die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 4 (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, Seiten 5 und 6, übergreifender Absatz).
1.2 Die Beschwerdegegnerin nahm im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ihre auf Seite 17, Absätze 2 und 3, der Beschwerdeerwiderung vorgebrachten Zulässigkeitseinwände gegen den Hilfsantrag 4 ausdrücklich zurück (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, Seite 4, Absatz 1, dritter Spiegelstrich).
1.3 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher Hilfsantrag 4.
2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1 Die Beschwerdeführerin wendete sich unter anderem gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung aus Punkt 6.3.8 der Entscheidungsgründe, dass sich aus der Ausführungsform nach Absatz [0066] des Dokuments D1 eine gemeinsame Einstellung der Heizmodule in der Heizanordnung aus den Figuren 3 und 4 des Dokuments D1, nämlich gemeinsam über das gemeinsame Bedienprogramm der Blasformmaschine, ergebe.
2.2 Es ist unstreitig, dass das Merkmal, dass die
"Einstelleinrichtung (50) zur gemeinsamen Einstellung der vorbestimmten Stellung aller Bodenreflektoren (4113, 4213) der zwei Heizstrecken (41, 42) ausgestaltet ist"
der Offenbarung des Dokuments D1 nicht explizit zu entnehmen ist.
2.3 Sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Beschwerdegegnerin vertraten die Auffassung, dass das oben genannte Merkmal implizit der Lehre des Dokuments D1 zu entnehmen ist.
2.4 Eine angebliche Offenbarung kann jedoch nur als "implizit" angesehen werden, wenn für die Fachperson sofort erkennbar ist, dass nichts anderes als das angebliche implizite Merkmal Teil des offenbarten Gegenstands war (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, I.C.4.3).
2.5 Die Einspruchsabteilung stellte zutreffend fest, dass dem Absatz [0066] zu entnehmen ist, dass grundsätzlich eine automatische Verstellung von Bauelementen denkbar ist, beispielsweise in Abhängigkeit von Eingaben über ein Bedienprogramm der Blasmaschine. Auch stimmt die Kammer der Feststellung zu, dass die Fachperson erkennt, dass eine Einstellung mit einer zentralen Einrichtung erfolgt, worauf zuletzt auch die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung hinwies.
2.6 Der merkmalsgemäße Begriff einer "gemeinsamen Einstellung der vorbestimmten Stellung aller Bodenreflektoren" ist jedoch derart zu verstehen, dass die Stellungen der Bodenreflektoren gemeinsam, d.h. zusammen, miteinander bzw. kollektiv eingestellt werden. Es bleibt offen, weshalb sich aus der genannten Offenbarungsstelle oder aus weiteren Offenbarungsstellen des Dokuments D1 klar und eindeutig ergäbe, dass eine notwendigerweise vorhandene, das Bedienprogramm ausführende Einstelleinrichtung auch zwingend derart ausgestaltet wäre, dass sie eine gemeinsame, d.h. eine kollektive, Einstellung der vorbestimmten Stellungen aller Bodenreflektoren der zwei Heizstrecken durchführen könnte.
2.7 Das oben genannten streitige Merkmal ist daher der Offenbarung des Dokuments D1 weder explizit noch implizit zu entnehmen.
2.8 Auch überzeugt die Darstellung der Beschwerdeführerin, dass die Lehre des Dokuments D1 keinerlei Hinweise auf das oben genannte Merkmal gibt.
2.9 Die Einspruchsabteilung setzte sich in den Entscheidungsgründen nicht mit der Frage auseinander, ob das Vorsehen einer Einstelleinrichtung, die zur gemeinsamen Einstellung der vorbestimmten Stellung aller Bodenreflektoren der zwei Heizstrecken ausgestaltet ist, nahegelegen habe, oder nicht, sondern lediglich mit der Frage, ob die Fachperson eine gleichartige Ausbildung der Heizmodule vorsehe (vgl. Punkte 6.3.13 und 6.3.14 der Entscheidungsgründe).
2.10 Der Vortrag der Beschwerdegegnerin zu Hilfsantrag 4 auf Seite 18, Absatz 1, der Beschwerdeerwiderung fügte den Entscheidungsgründen nichts Ergänzendes hinzu.
2.11 Im Ergebnis gelingt es der Beschwerdeführerin daher, die Kammer von einer Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der vermeintlich mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 zu überzeugen.
2.12 Die angefochten Entscheidung ist also aufzuheben.
3. Geänderte Unterlagen
3.1 Die Beschwerdeführerin legte weiterhin im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer in Form neuer Absätze [0017], [0022] bis [0025], [0030] und [0048], die die Stelle der entsprechenden ursprünglichen Absätze treten sollen, eine an die geänderten Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 4 angepasste Beschreibung vor.
3.2 Die vorgelegten Änderungen der Beschreibung begegneten keinen Bedenken der Beschwerdegegnerin; mögliche Bedenken sind auch nicht offenkundig.
4. Der angefochtenen Entscheidung sowie der Beschwerdeerwiderung sind keine weiteren Hindernisse zu entnehmen, die einer Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung im Umfang des Hilfsantrags 4 entgegenstünden; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2.Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender geänderter Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
Nrn 1 bis 13, eingereicht als Hilfsantrag 4 mit der Beschwerdebegründung vom 1. April 2021.
Beschreibung:
Absätze [0001] bis [0016], [0018] bis [0021], [0026] bis [0029], [0031] bis [0047], [0049] bis [0119] der Patentschrift und
Absätze [0017], [0022] bis [0025], [0030] und [0048], eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 24. März 2023.
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 20 der Patentschrift.