T 1967/20 () of 10.3.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T196720.20210310
Datum der Entscheidung: 10 März 2021
Aktenzeichen: T 1967/20
Anmeldenummer: 16168028.5
IPC-Klasse: A61K 8/37
A61K 8/49
A61Q 17/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: OCTOCRYLENFREIES SONNENSCHUTZMITTEL MIT DIETHYLAMINOHYDROXYBENZOYLHEXYLBENZOAT
Name des Anmelders: Beiersdorf AG
Name des Einsprechenden: Dalli-Werke GmbH & Co. KG
Emil Kiessling GmbH
L'Oreal
Schiweck Weinzierl Koch Patentanwälte Partnerschaft mbB
Mibelle AG
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 106(2)
Schlagwörter: Angefochtene Mitteilung mit Beschwerde anfechtbar (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0005/91
J 0008/11
T 0823/99
T 1849/12
T 0756/14
T 1954/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Kurzmitteilung der Einspruchsabteilung vom 14. Oktober 2020, mit der ein Antrag der Beschwerdeführerin (Einsprechende 5) auf Verlegung der für den 20. und 21. April 2021 geladenen mündlichen Verhandlung abgelehnt wurde.

II. Gegen das am 24. April 2019 erteilte Patent EP 3 093 009 wurden insgesamt fünf Einsprüche eingereicht.

III. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens lud die Einspruchsabteilung mit Ladung vom 29. September 2020 zu einer mündlichen Verhandlung, die am 20. und 21. April 2021 in München stattfinden sollte.

IV. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2020 (eingegangen am 5. Oktober 2020) beantragte die Beschwerdeführerin, die für den 20. und 21. April 2021 in München terminierte Verhandlung sei zu verlegen und ein neuer Termin festzusetzen. Der Vertreter sei bereits vorher für den 22. April 2021 zu einer mündlichen Verhandlung nach Rijswijk geladen worden.

V. In der Kurzmitteilung der Einspruchsabteilung vom 14. Oktober 2020 wurde der vorstehend geschilderte Sachverhalt kurz zusammengefasst und der Antrag wie folgt abgelehnt:

Die Richtlinien besagen, dass im Einspruchsverfahren, vor allem bei mehr als einem Einsprechenden, ein strengerer Ansatz verfolgt werden kann, damit Termine nicht mehrfach verschoben werden (Siehe T1102/03) (Richtlinien, E-7.1).

In Anbetracht der Parteien (Patentinhaberin und 5 Einsprechende), der Komplexität des Falles und des organisatorischen Aufwandes kann einer Verschiebung insbesondere im Interesse der Rechtssicherheit nicht zugestimmt werden.

Der Antrag der Einsprechenden 5 ist damit abgelehnt.

VI. Mit Schreiben vom 6. November 2020 erhob die Beschwerdeführerin (Einsprechende 5) Beschwerde gegen diese Kurzmitteilung. Die Begründung wurde mit dem gleichen Schreiben eingereicht; die Beschwerdegebühr wurde ebenfalls am 6. November 2020 entrichtet.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (d.h. der Kurzmitteilung vom 14. Oktober 2020) und insbesondere die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung mit der Maßgabe, einen neuen Termin für die mündliche Verhandlung festzusetzen. Sie beantragte ebenfalls die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, die beschleunigte Behandlung der Beschwerde sowie (hilfsweise) die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz. Auf die Argumente zur Begründung der Beschwerde wird nachstehend in den Entscheidungsgründen einzugehen sein, soweit sie für die Entscheidung relevant sind.

VIII. Im Bestreben, eine Entscheidung über die Beschwerde wenn möglich vor dem Termin für die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (20./21. April 2021) herbeizuführen, wurden die Parteien für den 8. März 2021 für eine mündliche Verhandlung geladen. Dieser Termin wurde auf Antrag der Beschwerdeführerin auf den 10. März 2021 verlegt.

IX. In einem Bescheid vom 15. Februar 2021 begründete die Kammer ihre vorläufige Auffassung, weshalb die Beschwerde unzulässig sei. In diesem Bescheid wurde auch darauf hingewiesen, dass es wegen der zeitlichen Verhältnisse nicht möglich war, den übrigen Beteiligten die vorgeschriebene Frist von vier Monaten für ihre Stellungnahmen zu der Beschwerdebegründung anzusetzen und dass der Gegenstand der mündlichen Verhandlung deshalb auf die Zulässigkeit der Beschwerde beschränkt sein müsse. Sollte die Kammer nach der mündlichen Verhandlung der Auffassung sein, dass die Beschwerde nicht sofort als unzulässig verworfen werden kann, würden übrigen Beteiligten Frist angesetzt für ihre Stellungnahmen.

X. Die Beschwerdeführerin antwortete auf diesen Bescheid mit Schreiben vom 23. Februar 2021.

XI. Die mündliche Verhandlung fand am 10. März 2021 als Videokonferenz statt. Außer der Beschwerdeführerin waren keine weiteren Parteien vertreten. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

XII. Die übrigen Verfahrensbeteiligten (Patentinhaberin und Einsprechende 1 bis 4) stellten auch im schriftlichen Verfahren keine Anträge.

XIII. Die Beschwerdeführerin erhielt ihre in der Beschwerdebegründung gestellten Anträge (vorstehend Punkt VII) in der mündlichen Verhandlung aufrecht.

XIV. Für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung stattfinden sollte, bevor eine Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache ergangen ist, beantragte die Beschwerdeführerin im weiteren, es sei die Wiederholung der mündlichen Verhandlung mit einer anderen Besetzung der Einspruchsabteilung anzuordnen.

Entscheidungsgründe

1. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde sind die formellen Voraussetzungen der fristgerechten Einreichung und Entrichtung der Beschwerdegebühr erfüllt (vgl. Sachverhalt und Anträge, Punkt VI).

2. Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt davon ab, ob es sich bei der angefochtenen Kurzmitteilung vom 14. Oktober 2020 um eine anfechtbare Entscheidung im Sinne von Artikel 106 EPÜ handelt. Artikel 106(2) EPÜ, der im Wesentlichen Artikel 106(3) EPÜ 1973 entspricht, lautet:

Eine Entscheidung, die ein Verfahren gegenüber einem Beteiligten nicht abschließt, ist nur zusammen mit der Endentscheidung anfechtbar, sofern nicht in der Entscheidung die gesonderte Beschwerde zugelassen wird.

Die Zulassung der gesonderten Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung im Sinne des Artikels 106(2) EPÜ durch das erstinstanzliche Organ ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde (Regel 101(1) EPÜ; J 8/11, Nr. 1 der Entscheidungsgründe). Die Zulassung der gesonderten Beschwerde ist eine konstitutive Entscheidung des erstinstanzlichen Organs, die die Anfechtbarkeit im Beschwerdeweg erst begründet und daher in den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung aufzunehmen ist (vgl. T 756/14, Nr. 9 der Entscheidungsgründe und Orientierungssatz).

3. Die Beschwerdeführerin machte nicht geltend, dass das Verfahren ihr gegenüber durch die angefochtene Kurzmitteilung abgeschlossen worden sei. Sie war jedoch der Auffassung, dass die Einspruchsabteilung die gesonderte Beschwerde im Sinne von Artikel 106(2) EPÜ hätte zulassen müssen.

4. Es steht außer Frage, dass die Einspruchsabteilung keine gesonderte Beschwerde gegen die Kurzmitteilung zugelassen hat. Das Argument, die Einspruchsabteilung hätte eine gesonderte Beschwerde zulassen müssen, impliziert, dass eine (implizite oder explizite) Entscheidung einer Prüfungs- oder Einspruchsabteilung, keine gesonderte Beschwerde zuzulassen, sachlich überprüfbar ist.

5. Für die sachliche Überprüfbarkeit der Nichtzulassung einer gesonderten Beschwerde stützte sich die Beschwerdeführerin insbesondere auf T 1954/14 (vgl. ihr Schreiben vom 23. Februar 2021). In dieser Entscheidung erkannte die Kammer unter Verweis auf die travaux préparatoires, dass die Entscheidung über die Zulassung einer gesonderten Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen in das pflichtgemäße Ermessen des entscheidenden Organs gestellt sei (Nr. 1.3.1 der Entscheidungsgründe; vgl. auch T 1849/12, Nr. 2.2.1 der Entscheidungsgründe). Die Kammer kam in der Entscheidung T 1954/14 zum Schluss, dass in dem ihr vorliegenden Fall die Nichtzulassung der gesonderten Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung über Beweisaufnahmen durch die Einspruchsabteilung nicht mit Ermessensfehlern behaftet sei.

6. In der Entscheidung T 1849/12, auf die sich die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Beschwerde hauptsächlich berief, befand die Kammer, die Prüfungsabteilung habe bei der Ermessensentscheidung über die beantragte Zulassung einer gesonderten Beschwerde gegen die Entscheidung über die unverzügliche Übersendung einer Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ ihr Ermessen nicht korrekt ausgeübt, indem sie nicht ausreichend gewürdigt habe, dass dem abgelehnten Begehren, durch unverzügliche Übersendung einer Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ eine zeitnahe Patenterteilung zu ermöglichen, im Falle einer erfolgreichen Beschwerde nach Erlass der Endentscheidung über die Erteilung nicht mehr hätte sinnvoll entsprochen werden können (Nr. 2.2.2 der Entscheidungsgründe).

7. Ob die Nichtzulassung einer gesonderten Beschwerde unter Artikel 106(2) EPÜ eine in jedem Fall überprüfbare Ermessensentscheidung darstellt oder ob die Zulassung der gesonderten Beschwerde durch das erstinstanzliche Organ eine nur von diesem Organ abhängige objektive Voraussetzung der Zulässigkeit darstellt, kann letztlich offen bleiben. Das erstinstanzliche Organ ist jedenfalls nicht verpflichtet, in jeder Zwischenentscheidung zu begründen, weshalb gegen diese keine gesonderte Beschwerde zugelassen wird.

8. Die mit dem Verfahren T 1849/12 befasste Kammer sah in der Ablehnung der unverzüglichen Übersendung einer Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ eine endgültige und rechtlich bindende Feststellung über den Antrag der Beschwerdeführerin insbesondere über die mit der zeitnahen Patenterteilung verbundenen Verleihung der Rechte nach Artikel 64 EPÜ, welcher der Charakter einer Entscheidung im Sinne von Artikel 106(1) EPÜ zukomme. Daraus ergebe sich eine Beschwer für die Beschwerdeführerin (Nr. 2.1.3 der Entscheidungsgründe).

9. In der vorliegenden Sache kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf eine solche Beschwer stützen. Die angefochtene Zwischenentscheidung über die Ablehnung eines Verlegungsantrags kann nicht in materielle Rechtspositionen eingreifen, sondern sie hat lediglich Folgen für das Verfahren. Auch allenfalls entstehende zusätzliche Umtriebe und Aufwendungen können keine für die Zulässigkeit einer Beschwerde relevante Beschwer darstellen.

10. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schreiben vom 23. Februar 2021 ausgeführt, welche Entwicklungen das Verfahren nehmen könnte, wenn die Frage der Verlegung der mündlichen Verhandlung vom 20./21. April 2021 erst mit der Endentscheidung angefochten werden könnte: Die Beschwerdeführerin wäre de facto gezwungen, einen anderen Vertreter mit der Wahrnehmung ihrer Interessen an der (nicht verlegten) mündlichen Verhandlung zu betrauen (Ziff. 6 des erwähnten Schreibens).

11. Die Kammer ist nicht vom Argument der Beschwerdeführerin überzeugt, dass dadurch ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne eines nicht zu korrigierenden ersten Eindrucks im Rahmen der nicht verlegten mündlichen Verhandlung für sie entstehen würde. Die allfällige Wiederholung der mündlichen Verhandlung nach der Gutheißung einer Beschwerde gegen die Endentscheidung ist eine normale Maßnahme im Rahmen der Wiederholung von Verfahrensschritten, wie sie regelmäßig erforderlich wird, wenn eine Sache nach erfolgreicher Beschwerde an die Vorinstanz zurückverwiesen wird. Von den an der Wiederholung eines Verfahrensschrittes beteiligten Prüfern kann erwartet werden, dass sie durch die erste Vornahme desselben Verfahrensschritts unbeeinflusst sind. Sollte sich ein Verdacht ergeben, dass ein Prüfer bei der Wiederholung eines Verfahrensschritts befangen sein könnte, an dem er oder sie bei der erstmaligen Durchführung beteiligt war, wären vor oder während der Wiederholung des Verfahrensschrittes entsprechende Einwände vorzubringen (analog zu Artikel 24 EPÜ, siehe G 5/91, ABl. EPA 1992, 617).

12. Aus diesen Gründen ist die angefochtene Kurzmitteilung keine Zwischenentscheidung, gegen die eine gesonderte Beschwerde hätte zugelassen werden müssen. Die vorliegende Beschwerde entspricht daher nicht Artikel 106(2) EPÜ und ist gemäß Regel 101(1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.

13. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Beschwerde muss unabhängig davon erfolgen, ob die angefochtene Zwischenentscheidung mit schweren Mängeln behaftet oder gar, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, auf Willkür beruht. Auch eine solche mit schweren Mängeln behaftete Entscheidung könnte nur bei Vorliegen einer zulässigen Beschwerde aufgehoben werden (vgl. T 823/99, Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). Auf die geltend gemachten Mängel der angefochtenen Zwischenentscheidung bzw. Kurzmitteilung und deren Begründung (vgl. Sachverhalt und Anträge, Punkt V) ist deshalb nicht einzugehen.

Zu den weiteren Verfahrensanträgen der Beschwerdeführerin

14. Die beantragte Rückerstattung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (Regel 103(1)a) EPÜ) käme nur dann in Frage, wenn der Beschwerde stattgegeben würde. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Beschwerde unzulässig ist (vgl. T 823/99, Nr. 2 der Entscheidungsgründe).

15. Der während der mündlichen Verhandlung gestellte Verfahrensantrag bezüglich der Neubesetzung der Einspruchsabteilung (Sachverhalt und Anträge, Punkt XIV) wäre ebenfalls erst bei Vorliegen einer zulässigen Beschwerde zu beurteilen, und er ist auch schon deshalb gegenstandslos, weil die von der Beschwerdeführerin gestellte Bedingung (mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vor der Entscheidung in diesem Beschwerdeverfahren) nicht eingetreten ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerdegebühr wird nicht zurückerstattet.

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