T 1048/20 () of 24.1.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T104820.20230124
Datum der Entscheidung: 24 Januar 2023
Aktenzeichen: T 1048/20
Anmeldenummer: 13703624.0
IPC-Klasse: F16B 2/22
F16B 7/04
F16B 7/18
E05D 15/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: MONTAGEANORDNUNG
Name des Anmelders: Hettich-Heinze GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: GEZE GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Hauptantrag - Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (ja)
Hauptantrag, Hilfsantrag - Neuheit (nein)
Hilfsantrag 3 - Zulassung in der mündlichen Verhandlung (ja)
Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2080/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand dieses Antrags neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents. Außerdem beantragte sie, weder den Hauptantrag, noch den mit Schreiben vom 29. Juni 2021 eingereichten Hilfsantrag, oder den in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrag 3 in das Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, das heißt die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der von der Einspruchsabteilung bestätigten Fassung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage des mit Schreiben vom 29. Juni 2021 eingereichten Hilfsantrags oder des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags 3.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Merkmalsgliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):

[M1] Schiebetürbeschlag mit

[M2] zwei an einer Stoßstelle (30) stirnseitig aneinander angeordneten Profilen (2, 3; 2', 3'; 2",3"),

[M3] die über eine Profilverbindung (4) miteinander verbunden sind,

[M4] wobei die Profile (2, 3; 2', 3'; 2", 3") zumindest teilweise fluchtend angeordnet sind und

[M5] eine Aufnahme (6) zum Einfügen eines Abschnittes (14) des Profilverbinders (4, 4', 4") aufweisen,

[M6] wobei der Profilverbinder (4, 4', 4") durch Einschwenken klemmend an der Aufnahme (6) fixierbar ist,

[M7] wobei die Profile (2, 3; 2', 3'; 2", 3") als Laufprofile für eine Schiebetür ausgebildet sind und

[M8] mindestens eine Laufbahn (7, 8) für Laufrollen des Schiebetürbeschlages ausbilden,

[M9] wobei die Aufnahme (6) für den Profilverbinder (4, 4', 4") unterhalb der mindestens einen Laufbahn (7, 8) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

[M10] eine Schwenkachse zum Einschwenken des Profilverbinders (4, 4', 4") parallel zur Längsrichtung der Profile (2, 3; 2', 3'; 2", 3") verläuft.

Der unabhängige Anspruch 2 des Hauptantrags umfasst die Merkmale [M1] bis [M9] und lautet weiter (Merkmals­gliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):

dadurch gekennzeichnet, dass

[M11] die Aufnahme (6) durch einen hakenförmigen Abschnitt (5) gebildet ist, in die zwei winklig ausgerichtete federnde Stege (17, 18) des Profilverbinders (4, 4', 4") eingefügt sind.

Anspruch 1 des mit Schreiben vom 29. Juni 2021 eingereichten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass in Merkmal [M6] der Ausdruck "fixierbar" durch "fixiert" ersetzt wurde. Das Merkmal [M6'] lautet also:

[M6'] wobei der Profilverbinder (4, 4', 4") durch Einschwenken klemmend an der Aufnahme (6) fixiert ist

Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Hauptantrag durch Streichung des unabhängigen Anspruchs 1 und eine entsprechende Anpassung der Anspruchsnummerierung und der Rückbezüge.

VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:

E2: EP 1 705 327 A

E3: EP 1 568 838 A

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammen­fassen:

Zulassung des Hauptantrags in das Verfahren

Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen falsch ausgeübt, als sie den während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung verspätet eingereichten Hilfsantrag 2 (jetzt Hauptantrag) in das Verfahren zuließ, da der Antrag nicht prima facie gewährbar gewesen sei.

Hauptantrag - Neuheit

Die Entgegenhaltung E2 offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1, sodass dessen Gegenstand nicht neu sei.

Hilfsantrag - Neuheit

Die Entgegenhaltung E2 offenbare auch das geänderte Merkmal "klemmend fixiert", sodass der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag ebenfalls nicht neu sei.

Hilfsantrag 3 - Zulassung in das Verfahren

Der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichte Hilfsantrag 3 sei verspätet und daher gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

Die Entgegenhaltung E3 lege den Gegenstand des Anspruchs 1 nahe, sodass dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammen­fassen:

Zulassung des Hauptantrags in das Verfahren

Der damalige Hilfsantrag 2 (jetzt Hauptantrag) sei während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchs­abteilung in Reaktion auf die geänderte Meinung der Einspruchsabteilung eingereicht worden, da diese im schriftlichen Verfahren zunächst die Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gegenüber E2 bejaht hatte.

Hauptantrag - Neuheit

Die Entgegenhaltung E2 enthalte keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Merkmale [M6] und [M10], weshalb der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber E2 sei.

Hilfsantrag - Neuheit

Die Entgegenhaltung E2 offenbare jedenfalls nicht das geänderte Merkmal "klemmend fixiert", weshalb der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag neu gegenüber E2 sei.

Hilfsantrag 3 - Zulassung in das Verfahren

Die Streichung eines unabhängigen Anspruchs sei nach der Rechsprechung der Beschwerdekammern zu Artikel 13 (2) VOBK 2020 zulässig.

Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

Der Fachmann habe keine Veranlassung gehabt, den in der E3 offenbarten Schiebetürbeschlag anspruchsgemäß abzuwandeln. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Zulassung in das Verfahren

1.1 Der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung verspätet eingereichte Hilfsantrag 2, der nun im Beschwerdeverfahren als Hauptantrag weiterverfolgt wird, ist Teil der angefochtenen Entscheidung. Er liegt damit dem Beschwerdeverfahren zugrunde und ist deshalb Gegenstand dieses Verfahrens (Artikel 12 (1) VOBK 2020). Der Antrag der Beschwerdeführerin, den damaligen Hilfsantrag 2 (jetzt Hauptantrag) - nachträglich - nicht in das Verfahren zuzulassen, kann schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben.

1.2 Darüber hinaus kann die Kammer keine fehlerhafte Ermessensausübung seitens der Einspruchsabteilung erkennen. Der damals verspätet eingereichte Hilfsantrag 2 wurde von der Einspruchsabteilung daraufhin untersucht, ob er prima facie den Einwand fehlender Neuheit überwindet. Dies wurde von der Einspruchs­abteilung bejaht, sodass der damalige Hilfsantrag 2 unter korrekter Anwendung der Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (insbesondere Kapitel E.V.2.2) in das Verfahren zugelassen wurde (angefochtene Entscheidung, Punkt 4). Im Übrigen war nach Auffassung der Einspruchsabteilung der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche dieses Antrags nicht nur prima facie, sondern auch unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags der Beteiligten zu Artikel 54 EPÜ neu (angefochtene Entscheidung, Punkt 5), was das Ergebnis der prima facie Prüfung inhaltlich bestätigt.

1.3 Der Antrag der Beschwerdeführerin, den damaligen Hilfsantrag 2 (jetzt Hauptantrag) nicht in das Verfahren zuzulassen, wird daher zurückgewiesen.

2. Hauptantrag - Neuheit

2.1 Die Entgegenhaltung E2 offenbart unstreitig einen Schiebetürbeschlag gemäß den Merkmalen [M1] bis [M5] und [M7] bis [M9], d. h. einen (Bezugnahmen in runden Klammern beziehen sich auf E2, insbesondere die Figuren 2 bis 4)

[M1] Schiebetürbeschlag mit

[M2] zwei an einer Stoßstelle stirnseitig aneinander angeordneten Profilen (30.1, 30.2),

[M3] die über eine Profilverbindung (40, 44) miteinander verbunden sind,

[M4] wobei die Profile (30.1, 30.2) zumindest teilweise fluchtend angeordnet sind und

[M5] eine Aufnahme (36) zum Einfügen eines Abschnittes des Profilverbinders (40, 44) aufweisen,

[M7] wobei die Profile (30.1, 30.2) als Laufprofile für eine Schiebetür ausgebildet sind und

[M8] mindestens eine Laufbahn für Laufrollen des Schiebetürbeschlages ausbilden,

[M9] wobei die Aufnahme (36) für den Profilverbinder (40, 44) unterhalb der mindestens einen Laufbahn angeordnet ist.

2.2 Das Merkmal [M6] des Anspruchs 1 bestimmt, dass der Profilverbinder durch Einschwenken klemmend an der Aufnahme fixierbar ist. Das Merkmal [M10] führt hierzu aus, dass eine Schwenkachse zum Einschwenken des Profilverbinders parallel zur Längsrichtung der Profile verläuft.

2.3 Diese Merkmale definieren die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung durch eine Eignung und ein Verfahrens­erzeugnismerkmal:

Der beanspruchte Schiebetürbeschlag muss zum einen dafür geeignet sein, dass der Profilverbinder klemmend an der Aufnahme fixiert wird. Zum anderen muss diese klemmende Fixierung durch einen Verfahrensschritt herstellbar sein, der ein Einschwenken des Profil­verbinders um eine Schwenkachse umfasst, die parallel zur Längsrichtung der Profile verläuft.

2.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte in Bezug auf die Merkmale [M6] und [M10], die E2 offenbare einen anderen Typ von Profil­verbinder, der sich von dem des Anspruchs 1 des Streitpatents grundsätzlich unterscheide. Zum einen werde der Profil­verbinder 40, 44 der E2 durch Schweißen an der Aufnahme 36 fixiert und nicht durch Klemmen. Zum anderen erfolge die Montage des Profil­verbinders 40, 44 in der E2 derart, dass das männliche Element 40 in das weibliche Element 44 in Längs­richtung des Profils eingesteckt wird. Die E2 offenbare daher keine Schwenkbewegung des Profil­verbinders 40, 44 und insbesondere keine parallel zur Längsrichtung der Profile verlaufende Schwenkachse.

2.5 In der Tat offenbart die E2 in Absatz [0014], Zeilen 26 bis 28, dass das männliche Element 40 und das weibliche Element 44 zweckmäßig durch Schweißpunkte in ihrer Position fixiert werden können. Zusätzlich zu dieser (optionalen) Befestigung durch Schweißen offenbart die E2 im genannten Absatz aber auch, dass die Breite der Nut 36 so gewählt ist, dass sie das männliche Element 40 und das weibliche Element 44 aufnimmt und in Position hält ("receive and retain in position", Zeilen 19 bis 26). Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Profil­verbinder 40, 44 der E2 an der Aufnahme 36 klemmend fixiert wird. Daraus ergibt sich zwangsläufig auch die entsprechende Eignung des in der E2 offenbarten Schiebetürbeschlags.

Eine über das Klemmen hinausgehende Fixierung, wie beispielsweise durch Schweißpunkte in der E2, wird von Anspruch 1 des Streitpatents nicht ausgeschlossen. Vielmehr wird auch gemäß dem Streitpatent der Profil­verbinder zusätzlich noch durch Schrauben 12 am Profil fixiert (Streitpatent, Absatz [0021]; Figuren 1 bis 3C).

2.6 Die klemmende Fixierung des Profil­verbinders 40, 44 an der Aufnahme 36 kann in der Vorrichtung der E2 dadurch erzeugt werden, dass der Profil­verbinder 40, 44 seitlich mit seiner Längsseite an einer Kante der Aufnahme 36 angesetzt und anschließend über diese Berührlinie in die Aufnahme 36 eingerollt oder eingeschwenkt wird. Der Umstand, dass die E2 einen solchen Einschwenk­vorgang nicht ausdrücklich offenbart, ist für die Beurteilung der Neuheit der beanspruchten Vorrichtung nicht relevant. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass die klemmende Fixierung durch das erläuterte Einschwenken erzeugt werden kann.

Da die Berührlinie parallel zur Längsrichtung der Profile verläuft, erfüllt das Einschwenken auch das Merkmal [M10].

2.7 Der Anspruch schließt dabei nicht aus, dass, wie in E2, der Profilverbinder zweiteilig als ein männliches und ein weibliches Element ausgebildet ist, die in Längsrichtung ineinander gesteckt werden können.

2.8 Die E2 offenbart folglich auch die Merkmale [M6] und [M10] des Anspruchs 1 des Hauptantrags, sodass dessen Gegenstand nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ).

3. Hilfsantrag - Neuheit

3.1 Anspruch 1 des mit Schreiben vom 29. Juni 2021 eingereichten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass in Merkmal [M6] der Ausdruck "fixierbar" durch "fixiert" ersetzt wurde.

3.2 Das Merkmal [M6] definiert die beanspruchte Vorrichtung also nicht mehr nur über eine Eignung. Stattdessen muss in dem beanspruchten Schiebetürbeschlag der Profil­verbinder, der Teil der beanspruchten Vorrichtung ist, tatsächlich klemmend an der Aufnahme fixiert sein.

Dies ist jedoch kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber E2. Wie oben unter Punkt 2.5 festgestellt, offenbart die E2 in Absatz [0014], dass die Breite der Aufnahme 36 so gewählt ist, dass sie den Profilverbinder 40, 44 aufnimmt und in Position hält, also klemmend fixiert.

3.3 Das unverändert im Anspruch verbliebene Verfahrens­erzeugnismerkmal gibt an, wie diese klemmende Fixierung hergestellt wurde, nämlich durch Einschwenken des Profil­verbinders um eine Schwenkachse (die parallel zur Längsrichtung der Profile verläuft [M10]).

Allerdings lässt sich bei der fertigen (beanspruchten) Vorrichtung nicht mehr feststellen, ob die klemmende Fixierung tatsächlich so erzeugt wurde. Das Verfahrens­erzeugnis­merkmal ist daher kein Unterscheidungs­merkmal gegenüber einem Stand der Technik, bei dem das Klemmen durch ein solches Einschwenken erzeugt werden kann, wie beim Schiebetürbeschlag der E2 (siehe oben Punkt 2.6). Daher gelten die obigen Schluss­folgerungen unverändert.

3.4 Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags ist folglich nicht neu (Artikel 54 EPÜ).

4. Hilfsantrag 3 - Zulassung in das Verfahren

4.1 Hilfsantrag 3 wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.

4.2 Für die Frage der Zulassung des Hilfsantrags 3 in das Verfahren ist Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden. Demnach bleiben "Änderungen des Beschwerdevorbringens" eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung "grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen".

4.3 In Hilfsantrag 3 wurden gegenüber dem Hauptantrag der unabhängige Anspruch 1 gestrichen und die Anspruchs­nummerierung und die Rückbezüge der übrigen Ansprüche entsprechend angepasst. Damit verbleibt der vormalige unabhängige Anspruch 2 als einziger unabhängiger Anspruch des Antrags.

4.4 Der in Hilfsantrag 3 verbliebene Gegenstand wurde von den Beteiligten im schriftlichen Verfahren bereits ausreichend erörtert, so dass kein Vortrag weiterer, neuer oder geänderter Begründungselemente erforderlich war. Durch die späte Einreichung dieses Antrags ergab sich folglich keine geänderte Sachlage oder Neugewichtung des Verfahrensgegenstands. Wenngleich der Antrag früher hätte gestellt werden können, läuft seine Zulassung somit weder dem Grundsatz der Verfahrens­ökonomie oder dem Konvergenzansatz der Verfahrens­ordnung zuwider, noch stellt sie eine unzumutbare prozessuale Situation für die Beschwerdeführerin dar.

4.5 Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Hilfsantrag 3 aufgrund der beschriebenen Umstände nicht als Änderung des Beschwerdevorbringens anzusehen ist, oder ob außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 seine Berücksichtigung rechtfertigen (siehe T 2080/18, Entscheidungsgründe Punkt 5.1).

4.6 Dementsprechend ist der Hilfsantrag 3 in das Verfahren zuzulassen.

5. Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

5.1 Die Entgegenhaltung E3 offenbart in der Ausführungsform der Figur 8 (E3, Absätze [0032] und [0033]) unstreitig einen Schiebetürbeschlag gemäß den Merkmalen [M1] bis [M5] und [M7] bis [M9], d. h. einen (Bezugnahmen in runden Klammern beziehen sich auf E3)

[M1] Schiebetürbeschlag mit

[M2] zwei an einer Stoßstelle stirnseitig aneinander angeordneten Profilen (3a),

[M3] die über eine Profilverbindung (33) miteinander verbunden sind,

[M4] wobei die Profile (3a) zumindest teilweise fluchtend angeordnet sind und

[M5] eine Aufnahme zum Einfügen eines Abschnittes des Profilverbinders (33) aufweisen,

[M7] wobei die Profile (3a) als Laufprofile für eine Schiebetür ausgebildet sind und

[M8] mindestens eine Laufbahn für Laufrollen des Schiebetürbeschlages ausbilden,

[M9] wobei die Aufnahme für den Profilverbinder (33) unterhalb der mindestens einen Laufbahn angeordnet ist.

5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von diesem Schiebetürbeschlag unstreitig durch die Merkmale [M6] und [M11], welche bestimmen, dass der Profil­verbinder durch Einschwenken klemmend an der Aufnahme fixierbar ist, und dass die Aufnahme durch einen hakenförmigen Abschnitt gebildet ist, in die zwei winklig ausgerichtete federnde Stege des Profil­verbinders eingefügt sind.

5.3 Basierend auf diesen Unterscheidungsmerkmalen formulierte die Beschwerdeführerin als die objektive technische Aufgabe,

1) die Anzahl der nötigen Bauteile zu reduzieren, oder

2) einen Profilverbinder bereit­zustellen, der eine alternative Anordnungsweise aufweist.

5.4 Die Beschwerdeführerin verwies in diesem Zusammenhang auf Absatz [0033] der E3, wonach der Profilverbinder 33 mit einem Halteteil 12 einstückig gefertigt sein könne. Bezüglich des Halteteils 12 lehre Absatz [0014] der E3, dass es eine doppelte Rastfeder 21 aufweisen könne, die klemmend in die hinterschnittene Nut 13 der Führungs­schiene 3 einrastbar ist. Dieses Einrasten könne mittels Verschwenken erfolgen. Der Fachmann könne daher ausgehend von der Ausführungsform der Figur 8 die Profile identisch belassen und müsse nur das Halteteil 12 als Profilverbinder 33 verwenden.

5.5 In der Tat offenbart die E3 in Absatz [0033], dass der Profilverbinder 33 mit dem Halteteil 12 einstückig gefertigt sein kann. Wie von der Beschwerdeführerin weiter zutreffend ausgeführt, ist eine solche einstückige Ausbildung auch in Figur 8 abgebildet, wo das Halteteil ohne Bezugszeichen im Hintergrund, teilweise vom Oberboden 2 und der Führungsschiene 3a verdeckt, zu erkennen ist.

5.6 Ausgehend von dieser Ausführungsform wird aber die von der Beschwerdeführerin formulierte erste Aufgabe, die Anzahl der nötigen Bauteile zu reduzieren, durch die Unterscheidungsmerkmale schon gar nicht gelöst, da der Profilverbinder 33 und das Halteteil 12 bereits als ein einziges Bauteil vorliegen.

5.7 Bezüglich der alternativen zweiten Aufgaben­formulierung der Beschwerde­führerin, einen Profil­verbinder bereit­zustellen, der eine alternative Anordnungsweise aufweist, ist festzustellen, dass Absatz [0033] der E3 den Profilverbinder 33 konkret als einen Stoßverbinder beschreibt, der in einem ersten Schritt in die eine Führungsschienen-Hälfte 3a eingeschoben wird, wobei in einem zweiten Schritt die andere Führungsschienen-Hälfte 3a aufgeschoben wird (E3, Absätze [0032] und [0030]). Eine alternative Ausgestaltung des Profilverbinders 33 erwähnt die E3 nicht.

5.8 Was die technische Lehre des Absatzes [0014] der E3 angeht, so betrifft diese ausschließlich die verschiedenen Möglichkeiten der Verbindung des Halteteils 12 mit der Führungsschiene 3. Die Ausgestaltung des Profil­verbinders 33 wird darin nicht thematisiert.

5.9 Das Halteteil 12 hat die Funktion, die Führungs­schiene 3, zusätzlich zu deren Befestigung am Oberboden 2 durch das Halteelement 9, zu stabilisieren (E3, Absatz [0011]). Demgegenüber dient der Profil­verbinder 33 dazu, zwei Führungsschienen-Hälften 3a fluchtend zueinander zu fixieren (E3, Absatz [0029]) und gegebenenfalls miteinander zu verbinden (E3, Absatz [0033]). Es handelt sich also bei dem Halteteil 12 und dem Profil­verbinder 33 um grundlegend unterschiedliche Bauteile des Schiebetürbeschlags der E3. Daher würde der Fachmann die Lehre betreffend die Ausgestaltung des Halteteils 12 nicht ohne entsprechenden Hinweis auf den Profil­verbinder 33 anwenden.

Wie bereits festgestellt (siehe oben Punkt 5.5) lehrt die E3 zwar, dass das Halteteil 12 mit dem Profil­verbinder 33 aus einem Stück gebildet sein kann (E3, Absätze [0031] und [0033]). In der E3 findet sich aber kein Hinweis darauf, dass das eine Bauteil die Funktion des anderen übernehmen oder dieses ersetzen könnte.

5.10 Dem Fachmann fehlte daher ausgehend von dem Schiebetürbeschlag der Figur 8 der E3 die Veranlassung, den Profil­verbinder 33 anspruchsgemäß auszugestalten.

5.11 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den Ansprüchen 1 bis 9 des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags 3 und einer noch daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuer­halten.

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