T 0695/20 (Kombination enthaltend Rivaroxaban, Acetylsalizylsäure und … of 7.3.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T069520.20220307
Datum der Entscheidung: 07 März 2022
Aktenzeichen: T 0695/20
Anmeldenummer: 07819133.5
IPC-Klasse: A61K 31/4365
A61K 31/52
A61K 31/5377
A61K 31/60
A61P 7/02
A61P 9/04
A61P 9/10
A61P 43/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kombinationstherapie substituierter Oxazolidinone
Name des Anmelders: Bayer Intellectual Property GmbH
Name des Einsprechenden: Generics [UK] Ltd
Abdi Ibrahim Ilac Sanayi ve Ticaret Anonim Sirketi
Denk Pharma GmbH & Co. KG
Medichem, S.A.
Interquim S.A. (Einspruch zurückgenommen)
Hexal AG / Sandoz International GmbH
STADA Arzneimittel AG
Kraus & Weisert
Patentanwälte PartGmbB
Zentiva Group, a.s.
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung
Einspruchsgründe - Hauptantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag 1 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 2 bis 14 (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2034/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent Nr. 2 099 453 wurde unter der Anmeldenummer 07 819 133.5 eingereicht und unter der Internationalen Veröffentlichungsnummer WO 2008/052671 veröffentlicht.

II. Der Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"1. Kombination mit synergistischer antithrombotischer Wirkung enthaltend

A) 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarboxamid der Formel

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

B) Acetylsalizylsäure

und

C) Clopidogrel."

III. Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wurden u.a. die folgenden Dokumente genannt:

(2) US 2004/0242660

(4) Perzborn et al., Poster P060, Abstract 84020, präsentiert beim "European Society of Cardiology (ESC) Congress 2009", Barcelona, Spanien, 29. August - 2. September 2009

(7) Kubitza et al., J. Clin. Pharmacol., 2006, 46, 981-990

(8) Manolis et al., Curr. Med. Chem. - Cardiovascular & Hematological Agents, 2005, 3, 203-219

(10) J. Foucquier und M. Guedj, Pharmacol. Res. Persp., 2015, 3(3), 1-11

(25) D. Kubitza und S. Haas, Expert Opin. Investig. Drugs, 2006, 15(8), 843-855

(31) Experimentelle Daten, von der jetzigen Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren am 17. November 2011 eingereicht, 1 Seite

(33) Phillips et al., J. Thromb. Haemost., 2005, 3, 1577-1589

(72) Expert Declaration, Dr Frank Misselwitz, datiert vom 15. Mai 2020, 6 Seiten

IV. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung basierte ihre Entscheidung auf den folgenden Gründen. Der Gegenstand des Hauptantrags (Patent wie erteilt) gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Der Gegenstand der Hilfsanträge 1 und 2 sei nicht klar und der Gegenstand der Hilfsanträge 3 bis 23 sei nicht erfinderisch.

Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) die Hilfsanträge 1 bis 14 und das Dokument (72) vor.

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet:

"1. Kombination mit synergistischer antithrombotischer Wirkung enthaltend

A) 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl} methyl)-2-thiophencarboxamid der Formel

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in subtherapeutisch wirksamer Dosis,

B) Acetylsalizylsäure

und

C) Clopidogrel."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet:

"1. Kombination mit synergistischer antithrombotischer Wirkung enthaltend

A) 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarboxamid der Formel

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in subtherapeutisch wirksamer Dosis,

B) Acetylsalizylsäure

und

C) Clopidogrel

zur Verwendung zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, wobei die Verwendungsoption der Behandlung gestrichen wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lautet:

"1. Kombination mit synergistischer antithrombotischer Wirkung enthaltend

A) niedrig dosiertes 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarboxamid der Formel

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

B) Acetylsalizylsäure

und

C) Clopidogrel

zur Verwendung zur Prophylaxe und/oder Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen, wobei eine niedrige Dosierung bedeutet, dass die Kombination in einer Gesamtmenge von 0,001 bis 10 mg/kg je 24 Stunden verabreicht wird."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 in der therapeutischen Indikation, die die "Prophylaxe und/oder Behandlung von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass" ist.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 5, wobei die Verwendungsoption der Behandlung gestrichen wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 entspricht dem Anspruch 1 wie erteilt, eingeschränkt auf die "Verwendung zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 7, wobei die Verwendungsoption der Behandlung gestrichen wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 entspricht dem Anspruch 1 wie erteil,t eingeschränkt durch das Merkmal: "wobei die synergistische Wirkung durch die Bestimmung der antithrombotischen Wirkungen von 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarboxamid und der Kombination von Acetylsalizylsäure und Clopidogrel in einem arteriovenösen Shunt-Modell in Ratten feststellbar ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 enthält die Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 7 und 9.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 enthält die Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 8 und 9.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 enthält die Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 9.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 enthält die Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2 und 9.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 enthält die Merkmale der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 3 und 9.

V. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 zog die Einsprechende 5 ihren Einspruch zurück.

VI. Mit Schreiben vom 19. März 2021 gab die Firma Zentiva k.s. ihren Beitritt zum Verfahren bekannt (Artikel 105 EPÜ). Die Beitretende wird in weiterer Folge als Einsprechende 9 geführt.

Mit Schreiben vom 31. August 2021 nahm die Beschwerdeführerin zum Beitritt Stellung. Sie legte die Hilfsanträge 1 bis 14 und das Dokument (72) ein weiteres Mal vor.

VII. Eine mündliche Verhandlung fand am 7. März 2022 in Abwesenheit der Beschwerdegegnerinnen 2, 3 und 8 (Einsprechende 2, 3 und 8) statt. Diese hatten mit Schreiben vom 28. Februar 2022, beziehungsweise vom 5. Oktober 2021 und vom 17. Februar 2022 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würden.

VIII. Die Argumente, die von der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren sowie während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden und soweit sie für diese Entscheidung maßgeblich sind, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

Der synergistische Effekt der beanspruchten Dreifachkombination sei Teil der Gesamtoffenbarung der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht. Dies könne bereits der Überschrift der Tabelle 1 entnommen werden. Auch die Passage auf Seite 23, ab Zeile 16, offenbare den allgemein gültigen Schluss, dass diese Kombination synergistische Wirkung erziele, wie durch den Wortlaut "die drei Komponenten verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung" klargestellt werde. Dies werde durch die Aussage auf Seite 24, Zeilen 2 bis 6 bestätigt. Hier werde offenbart dass die Kombination der drei Verbindungen zu einer hochsignifikanten Verminderung des Thrombusgewichts führe und die Dreifachkombination daher die antithrombotische Therapie erheblich verbessere. Das Wörtchen "daher" stelle eindeutig den Bezug zur vorangegangenen Diskussion des synergistischen Effekts her und der getroffene Schluss werde unabhängig von den experimentellen Umständen, seien es spezifische Wirkstoffe oder Dosen, dargestellt. Das Auftreten von Synergie hänge nur von den an einer Kombination beteiligten Stoffen und deren Eigenschaften ab. Die drei beanspruchten Wirkstoffe stellen die bevorzugten dar. Ebenfalls von Relevanz sei die Offenbarung auf Seite 2, Zeilen 20 bis 26. Hier werde eindeutig darauf hingewiesen, dass die Dreifachkombination sowohl den Einzelverbindungen als auch allen möglichen Zweifachkombinationen überlegen sei. Diese Darstellung von Synergie entspreche dem Synergieverständnis gemäß dem "Highest Single Agent Approach", sei also eine Offenbarung von Synergie ohne Verbindung zu subtherapeutischen Dosen. Weiters vermittle der Begriff "potent" in der Phrase "potenten synergistischen antithrombotischen Wirkung" auf Seite 17, Zeile 15, eine Einordnung in das Konzept der "Potenz", die als Messgröße die Menge an Wirkstoff bezogen auf einen Effekt von bestimmter Größe erfasst. Dies bedeute, dass geringe Dosen von Faktor Xa Inhibitor zu einer hocheffektiven synergistischen antithrombotischen Kombination führen. Daher sei das technische Merkmal "synergistischer antithrombotischer Effekt" keine Zwischenverallgemeinerung.

Hilfsantrag 1 - Klarheit

Obwohl es korrekt sei, dass der Begriff "therapeutische Dosis" und damit auch der Begriff "subtherapeutische Dosis" von der Indikation abhänge, führe dies nicht zu einem Klarheitsmangel in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1. Dies folge aus der Tatsache, dass Ansprüche die eine erste medizinische Indikation betreffen, d.h. Ansprüche in denen das Erzielen des (unbestimmten) therapeutischen Effekts ein Merkmal des Anspruchs ist, trotz der damit einhergehenden implizierten Dosis nicht als unklar angesehen werden. Da folglich eine (implizierte) therapeutische Dosis unabhängig von der medizinischen Indikation klar sei, müsse dies auch für subtherapeutische Dosen gelten.

Dokument (72) - Zulassung

Da Dokument (72) in Reaktion auf den Beitritt eingereicht wurde, gebe es keine Rechtsgrundlage dieses Dokument als sich nicht im Verfahren befindlich anzusehen.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Der nächste Stand der Technik sei Dokument (8). Gehe man jedoch von Dokument (2) aus, welches bereits eine synergistische Kombination von 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarboxamid (Rivaroxaban) und Clopidogrel offenbare und berücksichtige die in Dokument (4) gezeigten Effekte, so sei die objektive technische Aufgabe die Bereitstellung einer verbesserten antithrombotischen Therapie bei akzeptablem Blutungsrisiko bzw. ohne exzessives Blutungsrisiko. Jedoch sei es für den Fachmann keineswegs naheliegend gewesen, Dokument (2) mit Dokument (7) oder Dokument (8) zu kombinieren. In Anbetracht des Blutungsrisikos, das bei dieser Art von Therapie immer die Kehrseite der Medaille darstelle (siehe Dokument (72)), und in Anbetracht der engen Verquickung mechanistischer Aspekte (siehe Dokumente (25) und (33)), hätte der Fachmann keine angemessene Erfolgserwartung gehabt. Maximal die "Hoffnung auf gutes Gelingen" könne anerkannt werden. Einerseits gebe es ausgehend von Dokument (2) keinen Anreiz, eine Dreifachkombination zu entwickeln und andererseits hätte der Fachmann schwere Bedenken bezüglich des Blutungsrisikos gehabt. Das (erhöhte) Blutungsrisiko sei die Hauptnebenwirkung jeglicher Behandlung mit antithrombotischem Effekt und ausschlaggebend dafür, ob eine Behandlung für den Einsatz am Patienten geeignet sei. In Anbetracht der Bedenken des Fachmanns könne es keine angemessene Erfolgserwartung ohne eine fundierte Vorabeinschätzung des Blutungsrisikos geben. Dokument (2) erlaube eine solche bereits für die Zweifachkombination nicht, da einzig Daten zur Thrombusreduktion offenbart werden. Dokument (7), betreffend eine klinische Phase I Studie, könne hier ebenfalls nichts beitragen, da der Versuchsaufbau so gewählt wurde, dass dieser die Vorgänge der Plättchenaggregation und der Koagulation getrennt hielte. Auch verweise das Dokument (7) lediglich auf die Blutungsdauer, was nicht mit dem Blutungsrisiko gleichgesetzt werden könne. Dokument (8) beziehe sich im letzen Satz des ersten Absatzes der Zusammenfassung auf den diesem Dokument zugrundeliegenden besonderen Kontext. Eine Extrapolation der Effekte auf Dreifachkombinationen sei nicht möglich. Eine Kombination der Dokumente (2) und (8) setze eine rückschauende Betrachtungsweise voraus.

Hilfsanträge 3 bis 14 - erfinderische Tätigkeit

Zum Gegenstand der Hilfsanträge 3 bis 14 werden keine weiteren Argumente bezüglich des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit vorgebracht.

IX. Die für diese Entscheidung maßgeblichen Argumente, die von den Einsprechenden im schriftlichen Verfahren sowie während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden und soweit sie für diese Entscheidung maßgeblich sind, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht beinhalte keine allgemeine Offenbarung von Synergie. Synergie werde nur an zwei Stellen offenbart und dort sehr spezifisch, insbesondere was die Menge an Rivaroxaban betreffe. Die Frage der unzulässigen Erweiterung betreffe die Offenbarung von Synergie in der Anmeldung wie eingereicht. Es sei daher irrelevant was Dokument (10) über die Feststellung von Synergie bei verschiedenen Versuchsansätzen offenbare. Jedoch führten verschiedene Versuchsansätze zu unterschiedlichen Ergebnissen. Synergie sei ein überadditives Phänomen, Begriffe die nur eine Verbesserung der Wirkung beschreiben offenbaren diese nicht.

Hilfsantrag 1 - Klarheit

Der Begriff "in subtherapeutisch wirksamer Dosis" in einem Produktanspruch ohne Angabe einer therapeutischen Indikation sei nicht klar, da die therapeutische Dosis von der Indikation abhänge. Dies sei auch der prinzipielle Unterschied in Hinblick auf einen Anspruch, der eine erste medizinische Indikation betreffe, da diese implizit auf eine effektive Dosis einschränke, beziehungsweise keine Dosis explizit definiere.

Dokument (72) - Zulassung

Dokument (72) wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Für diese Einreichung habe es aber keinen Anlass im Einspruchsverfahren gegeben. Selbst wenn man das Wiedereinreichen dieses Dokuments mit der Erwiderung auf den Beitritt in Betracht ziehe, wäre das Dokument nicht zuzulassen, da im Beitrittsschriftsatz keine neuen Sachverhalte aufgezeigt wurden.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Dokument (2) sei der nächste Stand der Technik. Dokument (4) sei nicht geeignet eine Wirkung beruhend auf der Zugabe von Acetylsalizylsäure zu belegen. Die technische Aufgabe sei daher entweder eine alternative Kombination zur Behandlung von Thrombosen oder eine verbesserte Kombination zur selben Behandlung. Dokument (2) offenbare bereits die Möglichkeit mehr als zwei Wirkstoffe zu kombinieren (Absatz [0011]). Es gebe keinen Hinweis in der Literatur, dass das Blutungsrisiko den Fachmann von weiteren Kombinationen abhalten würde. Dokument (72) sei lediglich eine Expertenmeinung die nicht durch Literaturzitate gestützt wird. Die Lösung der technischen Aufgabe sei naheliegend, da Dokument (8) bereits die Kombination von Acetylsalizylsäure und Clopidogrel mit verbesserter Wirkung und ohne weiteres Blutungsrisiko offenbare. Auch Dokument (7) beschreibe, dass es keine Bedenken hinsichtlich Blutungsneigung gebe.

Hilfsanträge 3 bis 14 - erfinderische Tätigkeit

Die zuvor vorgebrachten Argumente gelten mutatis mutandis auch für Gegenstände, die das Merkmal, wonach die "Kombination in einer Gesamtmenge von 0,001 bis 10 mg/kg je 24 Stunden verabreicht wird" beinhalten. Es sei kein vorteilhafter Effekt für dieses Merkmal belegt worden. Auch Tiermodelle seien bereits aus dem Stand der Technik bekannt und die Verwendung einer bekannten Methode zur Bestimmung des antithrombotischen Effekts leiste keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit.

X. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Zurückweisung des Einspruchs und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 14, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

Die Beschwerdegegnerinnen 1, 2, 4 und 6 bis 8 beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Einsprechende 9 beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin 3 hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Beitritt ist zulässig. Dies wurde nicht bestritten.

3. Abwesenheit in mündlicher Verhandlung

Gemäß Regel 115(2) EPÜ kann die mündliche Verhandlung in Abwesenheit ordnungsgemäß geladener Beteiligter durchgeführt werden. Im Einklang mit Artikel 15(3) VOBK wird das schriftliche Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen 2 und 5 in Betracht gezogen. Die Beschwerdegegnerin 3 hat keine Eingaben im Beschwerdeverfahren gemacht.

4. Zulassung des Dokuments (72) und der Hilfsanträge

4.1 Das Dokument (72) wurde mit der Beschwerdebegründung und ein weiteres Mal mit der Stellungnahme zum Beitritt innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist eingereicht. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin bedürfe dieses Dokument keiner gesonderten Zulassung, weil es in Reaktion auf den Beitritt des Dritten eingereicht worden und somit (automatisch) Teil des Verfahrens sei. Zur Begründung dieser Auffassung verwies sie unter anderem auf die Entscheidung T 2034/19. Im vorliegenden Verfahren ist es nicht verfahrensrelevant, ob die Kammer der T 2034/19 folgt. Es wird jedoch angemerkt, dass neue Dokumente oder Anträge, die in Erwiderung auf einen Beitritt nach Artikel 105 EPÜ innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist im Einspruchsbeschwerdeverfahren eingereicht oder gestellt wurden, grundsätzlich nur dann ohne Weiteres Berücksichtigung finden können, wenn sie eine Reaktion auf einen Sachvortrag des Beitretenden darstellen, der über den Inhalt der sich bereits im Verfahren befindlichen Argumente, Einwände, Tatsachenbehauptungen und Beweise hinausgeht. Im vorliegenden Fall ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass das Einreichen des Dokuments D72 durch die Beschwerdeführerin diesen Anforderungen genügt, aber dies aufgrund des Ausgangs des Verfahrens keiner gesonderten Begründung bedarf.

4.2 In Hinblick auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens sind Fragen, die die Zulassung der Hilfsanträge betreffen, nicht entscheidungswesentlich. Die Hilfsanträge werden als im Verfahren befindlich angesehen.

5. Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

Synergie oder synergistische Wirkung wird in der Anmeldung wie eingereicht nur an zwei Stellen erwähnt, einerseits auf Seite 17, in einer Passage die die Zeilen 13 bis 22 umfasst, andererseits auf Seiten 23 und 24, in Zusammenhang mit den Daten der Tabelle 1.

Die Passage auf Seite 17 bringt die synergistische antithrombotische Wirkung explizit mit einem "niedrig dosierte[n] FXa Inhibitor, wie Rivaroxaban (Beispiel 44)" in Verbindung. Auch der letzte Satz dieses Absatzes spricht von niedrigen Dosierungen, nämlich von solchen die in alleiniger Anwendung keine antithrombotische Wirkung zeigen. Diese Passage offenbart daher eine synergistische antithrombotische Wirkung explizit und ausschließlich für niedrig dosiertes Rivaroxaban. Es ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Passage keine implizite Offenbarung eines Synergismus für Rivaroxaban in jeglicher Dosierung. Die Qualifizierung der synergistischen Wirkung als "potent" ändert dies auch nicht.

Die zweite Passage von besonderem Interesse betrifft Tabelle 1 und den darauffolgenden Absatz. Die Überschrift zur Tabelle 1 lautet: "Tabelle 1: Synergistische antithrombotische Wirkung der Kombination eines Oxazolidinons der Formel (I) mit Acetylsalizylsäure und einem ADP-Rezeptorantagonisten". Diese Überschrift stellt jedoch keine alleinstehende und somit eventuell als allgemein anzusehende Offenbarung dar, sondern eine Information die sich direkt auf die in der Tabelle 1 enthaltenen Daten bezieht. Diese Daten betreffen Rivaroxaban in einer (Einzel)dosierung, die keinen Effekt zeigt. An die tabellarische Darstellung anschließend folgt ein Absatz der den Inhalt der Tabelle 1 bespricht, wie eindeutig aus dem einleitenden Wortlaut, "Wie in Tabelle 1 gezeigt", ablesbar ist. Hier wird der Kombination von Rivaroxaban mit Acetylsalizylsäure und einem ADP Rezeptor Blocker, wie Clopidogrel, synergistische Wirkung zugesprochen und dieses Auftreten einer synergistische Wirkung durch eine nachgestellte Erklärung ("d.h., die drei Komponenten verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung") betont. Es wird jedoch explizit darauf verwiesen, dass Rivaroxaban in der Einzeldosierung unwirksam ist (Seite 23, Zeile 18 bis Seite 24, Zeile 2). Die darauf folgenden Sätze gehören zweifelsohne zur bisher besprochenen Offenbarung, da sie durch die Begriffe "dagegen" bzw. "daher" sinngemäß mit dieser verknüpft sind (Seite 24, Zeilen 2 bis 6). Ein Wortlaut, der sich direkt auf experimentelle Daten bezieht, ist selbstredend im Lichte der dem experimentellen Aufbau zugrundeliegenden Tatsachen zu lesen. Da sich die Tabelle 1 auf bestimmte Dosen bezieht, die in alleiniger Anwendung keinen Effekt erzielen, ist daher hier ebenfalls keine Offenbarung einer Synergie für Rivaroxaban in jeglicher Dosierung gegeben.

Da Synergie generell als ein überadditives Phänomen charakterisiert wird, können allgemeinere Begriffe, wie zum Beispiel "interessant", "besser geeignet", "verbessert" oder "erheblich", solch ein Phänomen nicht beschreiben. Auch kann eine Wortwahl, die als solche nicht explizit auf Synergie abstellt, diese nicht implizit offenbaren, wenn in der betreffenden Passage kein Hinweis darauf gegeben wird. So bringt die Passage auf Seite 2, Zeilen 20 bis 26, den Begriff "besser geeignet" nicht in Verbindung mit einem zur Bestimmung von Synergie geeigneten Testsystem (wie zum Beispiel dem von der Beschwerdeführerin angeführte "Highest Single Agent Approach", siehe Dokument (10), Seite 2, linke Spalte, ab Überschrift "Effect-Based Strategy"). Die auf Seite 2 verwendeten Begriffe sind somit in ihrer üblichen Bedeutung zu lesen. Diese Lesart offenbart jedoch keine Synergie.

Die Offenbarung des Auftretens von Synergie in der Anmeldung wie eingereicht beschränkt sich somit auf Kombinationen, die Rivaroxaban in niedriger Dosierung enthalten. Es gibt keine Passage in der Anmeldung wie eingereicht die darauf hindeutet, dass diese für besondere Dosierschemata beobachtete Synergie sich ebenfalls bei Gabe der Dreifachkombination dieser Wirkstoffen in jeglicher Dosierung manifestiert. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass das Auftreten von Synergie nur von den an einer Kombination beteiligten Stoffen und deren Eigenschaften abhänge, ändert nichts an der Offenbarung in der Anmeldung, die, wie ausführlich ausgeführt, Synergie nur im Kontext von bestimmten Dosierungen beschreibt.

Folglich ist eine synergistische antithrombotische Wirkung nicht für jegliche Dosierung von Rivaroxaban in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags geht daher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 100 c) EPÜ).

6. Hilfsantrag 1 - Klarheit

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist ein Produktanspruch. Er enthält keine Limitierung im Sinne von Artikel 54(4) oder (5) EPÜ. Der Begriff "subtherapeutisch" definiert in funktionaler Weise eine Dosis bei der noch keine therapeutische Wirksamkeit auftritt. Durch die funktionale Definition ist diese Dosis jedoch nur zugänglich, wenn die therapeutische Behandlung ebenfalls definiert ist. Dies ist im Anspruch 1 nicht gegeben. Es ist daher nicht klar, wie der Begriff "subtherapeutisch" die im Anspruch 1 beanspruchte Dosis von Rivaroxaban quantitativ einschränkt.

Ein direkter Vergleich eines Produktanspruchs mit einem zweckgebundenen Stoffanspruch, der eine erste medizinische Indikation definiert, ist nicht möglich. Während der Produktanspruch im vorliegenden Fall die Kombination von Wirkstoffen definiert, von denen ein Wirkstoff auf unbestimmte (durch Fehlen der medizinischen Indikation) funktionale Weise in seiner Menge eingeschränkt ist, wird in einem Anspruch, der zweckgebunden ist, durch ebendiesen Zweck in Form einer medizinischen Indikation die zu verwendende Menge impliziert. Folglich ändert das Vorliegen eines technischen Merkmals, das den "Zweck" definiert, die Sachlage grundlegend.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist daher nicht deutlich gefasst (Artikel 84 EPÜ).

7. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

7.1 Das Streitpatent betrifft eine Kombination aus Rivaroxaban, einem Oxazolidinone welches als selektiver Inhibitor des Blutgerinnungsfaktors Xa und als Antikoagulans wirkt, mit Acetylsalizylsäure und Clopidogrel zur Prophylaxe und/oder Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen (Absätze [0001], [0002], [0005] und [0007] bis [0009]).

7.2 Für die Bestimmung des nächsten Stands der Technik bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ist es zunächst irrelevant, ob eine bestimmte Offenbarung näher oder weiter entfernt vom beanspruchten Gegenstand ist. Die Tatsache, dass sich der Aufgabe-Lösungsansatz auf einen "nächsten Stand der Technik" festlegt, dient lediglich dem Zweck, nicht in jedem Fall eine Vielzahl von potentiellen Ausgangspunkten in Betracht ziehen zu müssen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass einem bestimmten Gegenstand in jedem Fall eine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden muss, wenn dieser Gegenstand als erfinderisch ausgehend von diesem "nächsten Stand der Technik" angesehen wird. In Hinblick auf Artikel 56 EPÜ kann eine beanspruchte Erfindung nur als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, i.e. jedem Stand der Technik im Sinne von Artikel 56, zweiter Satz, EPÜ, ergibt.

Jedes Dokument, insbesondere wenn es die Prophylaxe und/oder Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen betrifft, kann folglich als Ausgangspunkt der Betrachtung dienen. Eventuell kann es erforderlich sein, den Aufgabe-Lösungsansatz von mehreren Dokumenten ausgehend durchzuführen.

Die angefochtene Entscheidung analysiert die Dokumente (2) und (8) als möglichen nächsten Stand der Technik. Die Begründung über das Nichtvorliegen einer erfinderischen Tätigkeit geht von Dokument (2) als nächstem Stand der Technik aus. Dieser Ansatz in der der Beschwerde zugrundeliegenden Entscheidung wird daher im folgenden von der Kammer überprüft.

7.3 Dokument (2) offenbart eine Kombination von Oxazolidinonen der Formel (I) mit anderen Wirkstoffen und die Verwendung dieser Kombination bei der Prophylaxe oder Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen (Absatz [0001]), insbesondere zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass (Anspruch 9). In Absatz [0233] wird beschrieben, dass die Oxazolidinone der Formel (I) zusätzlich zu Hemmern der Plättchenaggregation, wie beispielsweise Aspirin, Ticlopidin, Clopidogrel oder Antagonisten des Fibrinogenrezeptors, verabreicht werden können, wobei die gleichzeitige Inhibierung von Koagulation und Plättchenaggregation zu einem verbesserten antithrombotischen Effekt führt. Dies wird in der Folge in Absatz [0267] aufgegriffen, in dem auf einen synergistischen Effekt von Rivaroxaban und Clopidogrel hingewiesen wird, wobei beide Wirkstoffe in einer Dosis eingesetzt werden, die bei alleiniger Gabe ineffektiv ist (Tabelle 2).

Der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 des 2. Hilfantrags und der Offenbahrung des Dokuments (2) ist folglich die zwingende Anwesenheit von Acetylsalizylsäure.

7.4 Der mit der Zugabe von Acetylsalizylsäure verbundene technische Effekt wird zu Gunsten der Beschwerdeführerin als verbesserte antithrombotische Therapie angesehen. Es wird, ebenfalls zu Gunsten der Beschwerdeführerin, angenommen, dass auch die Dreifachkombination aus Rivaroxaban, Acetylsalizylsäure und Clopidogrel ein akzeptables Blutungsrisiko aufweist.

Die zu lösende technische Aufgabe wird daher als die Bereitstellung einer Kombination mit verbesserter antithrombotischer Wirkung bei Prophylaxe und/oder Behandlung von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass angesehen.

Die Kammer geht im vorliegenden Fall bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit davon aus, dass die spezifische Anwendung, nämlich die therapeutische Behandlung, effektiv und sicher stattfindet. Es ist daher nicht nötig, Nebenwirkungen, die die Sicherheit maßgeblich beeinträchtigen könn(t)en, explizit in der Aufgabenstellung anzusprechen. Sicherheit in Form eines akzeptablen Blutungsrisikos wird im vorliegenden Fall als implizites Merkmal der Behandlung abgehandelt.

Die Aufgabe wird als gelöst angesehen.

7.5 Es stellt sich nun die Frage, ob der Fachmann zur Lösung der oben formulierten technischen Aufgabe die Zugabe von Acetylsalizylsäure in Betracht gezogen hätte. Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob der Fachmann ebendiesen Wirkstoff ausgewählt hätte und ob er Sicherheitsbedenken gehabt hätte.

Zum Erzielen einer Verbesserung einer antithrombotischen Wirkung hätte der Fachmann zweifelsohne die Zugabe eines Wirkstoffs, der für diesen Einsatz bekannt war, erwogen. Er hätte daher die Zugabe von Acetylsalizylsäure, die in Dokument (8) in Kombination mit Clopidogrel zum Einsatz als antithrombotisches Mittel bei kardiologischen Indikationen offenbart wird, in Betracht gezogen.

Selbstredend hätte der Fachmann dabei das Blutungsrisiko im Auge behalten. Dokument (8) gibt hier bis zu einem gewissen Maß Entwarnung, indem es beschreibt, dass keine übermäßige Steigerung von Blutungskomplikationen bei der kombinierten Gabe von Clopidogrel und Acetylsalizylsäure beobachtet wird (Zusammenfassung, letzter Satz des ersten Absatzes). Es bleibt dem Fachmann abzuschätzen, ob sich die Situation bezüglich des Blutungsrisikos in Hinblick auf die Dreifachkombination ändern könnte. Eine Warnung jedweder Art kann jedoch aus Dokument (8) nicht herausgelesen werden.

Dokument (7) trägt den Titel: "Safety, Tolerability, Pharmacodynamics, and Pharmacokinetics of Rivaroxaban - an Oral, Direct Factor Xa Inhibitior - Are not Affected by Aspirin". Es gibt an, dass Aspirin die Wirkung von Rivaroxaban nicht beeinflusst. Auch beeinflusse Rivaroxaban nicht die Effekte der Acetylsalizylsäure, sowie die Blutungszeit (Zusammenfassung). In der Diskussion wird festgestellt, dass Blutungszeiten unterschiedlicher Patienten stark variabel sind. Da jedoch das Hinzufügen von Rivaroxaban zur Acetylsalizylgabe keinen Einfluss auf die Plättchenaggregation hat, weist dies auf keine Erhöhung des Blutungsrisikos hin (Seite 988, linke Spalte, erster Absatz). Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass der Versuchsaufbau des Dokuments (7) solch einen Schluss nicht erlaube. Da jedoch dieses Dokument explizit, siehe Titel, den Einfluss von Acetylsalizylsäure auf Rivaroxaban untersucht, hätte der Fachmann diesem Dokument zumindest entnommen, dass keine gegenseitige Beeinflussung des Blutungsrisikos auf mechanistischem Niveau zwingend zu erwarten ist.

7.6 Der Fachmann hätte somit einerseits die Erwartungshaltung gehabt, dass die Zugabe von Acetylsalizylsäure zur Kombination von Rivaroxaban und Clopidogrel die antithrombotische Wirksamkeit erhöhen würde und andererseits keine Sicherheitsbedenken, insbesondere in Hinblick auf das Blutungsrisiko, die einer solchen Dreifachkombination entgegenstehen würden.

Folglich hätte er einen weiteren antithrombotischen Wirkstoff, insbesondere Acetylsalizylsäure, der Kombination von Dokument (2) zugesetzt und wäre damit zum beanspruchten Gegenstand gelangt.

7.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist nicht erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).

7.8 Weitere Argumente

7.8.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass dem Fachmann bewusst gewesen wäre, dass die mechanistische Wirkweise von Rivaroxaban als Faktor Xa Inhibitor über Prothrombin/Thrombin in engem Zusammenhang mit der Plättchenaggregation, die von Clopidogrel und Acetylsalizylsäure beeinflusst wird, stünden. Durch dieses mechanistische Zusammenspiel seien Vorhersagen das Blutungsrisiko betreffend nicht möglich.

Direkte Faktor Xa Inhibitoren, wie Rivaroxaban, beeinflussen die Umwandlung von Prothrombin zu Thrombin (siehe Dokument (25), Abbildung 2). Thrombin beeinflusst die Plättchenaggregation (siehe Dokument (33), Abbildung 1). Die Kammer stimmt daher der Beschwerdeführerin insofern zu, als dass alle drei Wirkstoffe der beanspruchten Dreifachkombination die Blutgerinnung und damit das Blutungsrisiko beeinflussen. Dies lässt jedoch nicht den direkten Schluss zu, dass durch Kombination eines oder mehrerer Wirkstoffe, die im Kontext der Blutgerinnung ihre Wirkung entfalten, zwangsläufig ein inakzeptables Blutungsrisiko entsteht. Im vorliegenden Fall gibt es keinerlei Hinweis auf solch ein inakzeptables Blutungsrisiko. Im Gegenteil, die Dokumente (8) und (7) beurteilen das Blutungsrisiko für die jeweils untersuchten Zweifachkombinationen positiv.

7.8.2 Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, dass Dokument (7), als klinische Phase I Studie, keine Schlüsse zu Wirksamkeit und Sicherheit erlaube. Weder würden Patienten, insbesondere ältere Patienten mit Vorerkrankungen, behandelt, noch eine chronische Behandlung angesprochen.

Als zu einer klinischen Phase I Studie gehörend können die Ergebnisse von Dokument (7) keine absolute Sicherheit gewährleisten, jedoch sehr wohl einen Hinweis auf Wirkstoffkombinationen mit akzeptablen Nebenwirkungen geben. Das Erfassen von Nebenwirkungen bzw. der Sicherheit ist ein wichtiger Grund für die Durchführung klinischer Phase I Studien. Die Tatsache dass in einer klinischen Phase I Studie keine älteren Patienten und/oder solche mit Vorerkrankungen behandelt werden, ändert weder den allgemein bekannten Sinn und Zweck einer solchen Studie, noch deren Einschätzung durch den Fachmann. Der Fachmann hätte somit die Lehre von Dokument (7) in Betracht gezogen.

7.8.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Fachmann keine angemessene Erfolgserwartung gehabt hätte. Eine "Hoffnung auf gutes Gelingen" würde maximal vorhanden sein. Dies genüge jedoch nicht, um eine Abänderung des nächsten Standes der Technik in Betracht zu ziehen.

Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass ein Fachmann, der einen weiteren Wirkstoff mit der gewünschten Wirkung zugibt, einen additiven Effekt erwartet. Die von den Beteiligten geltend gemachten Dokumente erwecken des weiteren keine Bedenken, ja verbreiten in ihrer Gesamtheit sogar Optimismus, betreffend des Blutungsrisikos von Kombinationen von Plättchenaggregationshemmern und Faktor Xa Inhibitoren. Da das Blutungsrisiko, wie auch dem Dokument (72) zu entnehmen ist, einer der wichtigsten Sicherheitsaspekte bei der Prophylaxe und/oder Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen ist, hätte folglich der Fachmann sehr wohl eine angemessene Erfolgserwartung an den Tag gelegt.

8. Hilfsanträge 3 bis 14

8.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beschränkt sich auf die Prophylaxe von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass. Diese Einschränkung ändert nichts an der unter Punkt 7. gegebenen Begründung, da der nächste Stand der Technik bereits die Verwendung zur Prophylaxe mit einschließt.

8.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 betrifft niedrig dosiertes Rivaroxaban in einer Dreifachkombination die in einer Gesamtmenge von 0,001 bis 10 mg/kg je 24 Stunden zur Prophylaxe und/oder Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen verabreicht wird.

Der nächste Stand der Technik betrifft bereits thromboembolische Erkrankungen, die unter Punkt 7. vorgebrachte Begründung trifft daher mutatis mutandis zu, wobei die technische Aufgabe als auf die Behandlung/Prophylaxe von thromboembolischen Erkrankungen im Allgemeinen zu verbreitern ist. Eine nachgewiesene Wirkung für eine subtherapeutische Dosis erweckt zweifelsohne die Erwartung, dass auch die Verabreichung von "niedrig dosiertem" Wirkstoff zu einem Behandlungserfolg führt. Bezüglich der Gesamtmenge an Dreifachkombination wird hinzugefügt, dass diese nicht mit einem unerwarteten Effekt in Zusammenhang gebracht wurde, nicht unüblich zu sein scheint (siehe angefochtene Entscheidung, Seite 33, zweiten Absatz) und es im Übrigen zu den Routineaufgaben des Fachmanns gehört, die richtige Dosierung durch Routineversuche festzustellen.

8.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 ist gegenüber dem Hilfsantrag 4 auf die spezifischere medizinische Indikation des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 eingeschränkt, der des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 weiter auf Prophylaxe beschränkt. Es gilt daher sinngemäß das unter Punkt 8.2 und 8.1 gesagte.

8.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch Streichen des Begriffs "in subtherapeutisch wirksamer Dosis". Das Streichen dieses Merkmals veranlasst keine Änderung der unter Punkt 7. gegebenen Begründung, die unverändert auch für den Hilfsantrag 7 gilt, da selbstredend eine Begründung die eine spezifische Dosis betrifft auch auf den Einsatz des Wirkstoffs ohne Einschränkung auf eine spezifische Dosis zutrifft.

8.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 8 entspricht dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7, auf Prophylaxe beschränkt. Es gilt daher das unter Punkt 8.4 und 8.1 gesagte.

8.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 9 betrifft die Dreifachkombination von Rivaroxaban, Acetylsalizylsäure und Clopidogrel, wobei die synergistische antithrombotische Wirkung in einem bestimmten Tiermodel feststellbar ist.

Die Art und Weise in der Synergie feststellbar ist beeinflusst im vorliegenden Fall nicht die für die erfinderische Tätigkeit wesentlichen technischen Merkmale, nämlich das Vorliegen einer Kombination aus Rivaroxaban, Acetylsalizylsäure und Clopidogrel mit synergistischer antithrombotischer Wirkung, die, wie bereits unter Punkt 7. ausgeführt, nicht erfinderisch ist. Bezüglich des Fehlens des Begriffs "in subtherapeutisch wirksamer Dosis" wird auf Punkt 8.4 verwiesen.

8.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch Streichen des Begriffs "in subtherapeutisch wirksamer Dosis". Weiters wird definiert, dass die synergistische antithrombotische Wirkung in einem bestimmten Tiermodel feststellbar ist.

Die Art und Weise in der Synergie feststellbar ist beeinflusst im vorliegenden Fall nicht die für die erfinderische Tätigkeit wesentlichen technischen Merkmale, nämlich das Vorliegen einer Kombination aus Rivaroxaban, Acetylsalizylsäure und Clopidogrel mit synergistischer antithrombotischer Wirkung, die, wie bereits unter Punkt 7. ausgeführt, nicht erfinderisch ist. Auch das Streichen des Merkmals "in subtherapeutisch wirksamer Dosis" führt zu keiner Änderung der unter Punkt 7. gegebenen Begründung, siehe Punkt 8.4.

8.8 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 11 beschränkt sich, gegenüber Hilfsantrag 10, auf die Prophylaxe von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass. Diese Einschränkung ändert nichts an der unter Punkt 7. und 8.7 gegebenen Begründung, da der nächste Stand der Technik bereits die Verwendung zur Prophylaxe betrifft.

8.9 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 12 entspricht dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 9 wobei die Dosis von Rivaroxaban als subtherapeutisch definiert ist. Die unter Punkt 7. und 8.6 gegebene Begründung trifft auf diesen Hilfsantrag zu.

8.10 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 13 entspricht dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 wobei die synergistische antithrombotische Wirkung in einem bestimmten Tiermodel feststellbar ist. Die Art und Weise in der Synergie feststellbar ist beeinflusst im vorliegenden Fall nicht die für die erfinderische Tätigkeit wesentlichen technischen Merkmale, nämlich das Vorliegen einer Kombination aus Rivaroxaban, Acetylsalizylsäure und Clopidogrel mit synergistischer antithrombotischer Wirkung, die, wie bereits unter Punkt 7. ausgeführt, nicht erfinderisch ist.

8.11 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 14 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 13 durch Beschränkung auf die Prophylaxe von Reokklusionen und Restenosen nach Koronarinterventionen wie Angioplastie oder aortokoronarem Bypass. Diese Einschränkung ändert nichts an der unter Punkt 7. und 8.10 gegebenen Begründung, da der nächste Stand der Technik bereits die Verwendung zur Prophylaxe betrifft.

8.12 Wie aus den Punkten 8.1 bis 8.11 zu entnehmen ist beinhalten die jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 3 bis 14 keine Merkmale, die eine erfinderische Tätigkeit verleihen können.

Der Gegenstand der jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 3 bis 14 ist nicht erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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