European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T069020.20220502 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 Mai 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0690/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14183787.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B25H 7/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Winkel für Schweißtisch | ||||||||
Name des Anmelders: | DEMMELER Maschinenbau GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bernd Siegmund GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung (ja) Zulässigkeit des Einspruchs - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein) Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung nicht fristgemäß |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent 2 845 695 zurückgewiesen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und stütze sich auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 7. Oktober 2021 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach die Beschwerde voraussichtlich erfolglos sein werde.
IV. In Reaktion auf die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 nahm die Beschwerdeführerin mit einem auf den 31. März 2022 datierten Schriftsatz ihren ursprünglich gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück und kündigte an, dass sie für den Fall, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgehoben werde, nicht an der Verhandlung teilnehmen werde. Die Beschwerdegegnerin nahm zu der Mitteilung der Kammer inhaltlich mit zwei auf den 6. April 2022 datierten Schriftsätzen Stellung und erklärte, sie ginge davon aus, dass angesichts der Verfahrenserklärungen der Beschwerdeführerin vom 31. März 2022 keine mündliche Verhandlung stattfinden werde.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
das Patent vollständig zu widerrufen.
VI. Die Beschwerdegegnerin beantragte zuletzt,
die Beschwerde zurückzuweisen, d.h. das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten,
hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
das Patent in geänderter Fassung gemäß einem der erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegten Hilfsanträge 1, 2a, 2a*, 2b, 2b*, 3a, 3a*, 3b, 3b*, 4, 4*, 5 oder 5* aufrechtzuerhalten.
VII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D2: Katalog Siegmund Schweiß- und
Spanntischtechnik 2011;
D3: WO 2015/024987 A1.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet:
"Winkelelement (1) für einen Spann- bzw. Schweißtisch mit
- zumindest zwei geraden Seitenwänden (2a, 2b, 2c), die in einem vorbestimmten Winkel zueinander angeordnet sind,
- einer Vielzahl von Bohrungen (4a, 4b) in zumindest einem Wandelement (3a), wobei das Wandelement (3a) an den Seitenwänden (2a, 2b, 2c) angeordnet ist und die Bohrungen (4a, 4b) Durchgangsbohrungen sind, und wobei
- die Bohrungen (4a, 4b) Rund- (4a) und/oder Langlochbohrungen (4b) sind,
gekennzeichnet dadurch, dass
- das zumindest eine Wandelement (3a) eine im Wesentlichen kreisbogenförmige Nut (5) aufweist, die als Durchgangsbohrung ausgeführt ist."
IX. Im Hinblick auf den Entscheidungsausspruch der Kammer bedarf es keiner Wiedergabe der Hilfsanträge.
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Entscheidungsgründe
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
1.1 Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 unter Wahrung der Verfahrensrechte der Verfahrensbeteiligten nach Artikel 113 und 116 EPÜ.
1.2 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ ist uneingeschränkt beachtet, da die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf hilfsweise mündlichen Verhandlung ausdrücklich zurückgenommen hat und ankündigte, nicht an einer gegebenenfalls stattfindenden mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die Parteien umfangreich zur Sache vorgetragen haben und die Kammer diesen Vortrag ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
1.3 Da die Kammer die Beschwerde zurückweist, entfaltet der nachrangige Antrag der Beschwerdegegnerin auf mündliche Verhandlung der Beschwerdegegnerin keine prozessuale Wirkung (Artikel 116 (1) EPÜ).
1.4 Die Beschwerdesache ist vielmehr auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif (Artikel 15 (3) VOBK 2020), so dass der ursprünglich anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben wird.
1.5 Die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch die Beschwerdeführerin erfolgte erst am 31. März 2021 und damit nach Ablauf der in Regel 103 (4) c) EPÜ vorgesehenen einmonatigen Frist ab Zustellung der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, so dass eine Rückzahlung einer anteiligen Beschwerdegebühr nicht in Betracht kommt.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
2.1 Die Beschwerdegegnerin bemängelte die in Punkt 9. der Entscheidungsgründe getroffene begründete Feststellung der Einspruchsabteilung, dass der Einspruch der Beschwerdeführerin und damaligen Einsprechenden zulässig ist.
2.2 Die Einsprechende, so die Beschwerdegegnerin, habe keinerlei Beweisangebot für die behauptete öffentliche Zugänglichkeit oder das behauptete Veröffentlichungsdatum des Dokuments D2 innerhalb der Einspruchsfrist gemacht. Da allein das Dokument D2 als Beweismittel für alle geltend gemachten Einspruchsgründe herangezogen wurde, liege ein Verstoß gegen das Erfordernis der Regel 76 (2) c) EPÜ vor, der nach der Einspruchsfrist nicht mehr heilbar sei, so dass der Einspruch gemäß Regel 77 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 5, Absatz 2, bis Seiten 6 und 7, übergreifender Absatz).
2.3 In der Einspruchsschrift auf Seite 3 in den ersten drei Absätzen machte die damalige Einsprechende und jetzige Beschwerdeführerin Angaben dazu, dass der als Beweismittel D2 eingereichte Katalog "im Jahr 2011 an Händler, Interessenten und Kunden herausgegeben" wurde, und trug damit Angaben zum Veröffentlichungsdatum und zu den Veröffentlichungsumständen vor. Zur Unterlegung des Veröffentlichungsdatum führt sie an: "Auf der letzten Seite des Katalogs findet sich der Hinweis '(C) 2011 Bernd Siegmund GmbH'".
2.4 Diese Aussage stellt jedoch nicht nur eine reine Behauptung dar, dass eine Veröffentlichung rund um das Datum des Copyrightvermerks erfolgt sei, wie die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 6. April 2022 auf Seite 3, vorletzter Absatz vortrug. Vielmehr gibt die Einsprechende und jetzige Beschwerdeführerin damit zu erkennen, dass sie in dem Copyrightvermerk des Katalogs auch einen konkreten Nachweis für das Datum der Veröffentlichung sieht.
2.5 Der Einwand der Beschwerdegegnerin auf Seiten 3 und 4, übergreifender Absatz, ihres Schriftsatzes vom 6. April 2022, dass ein Copyrightvermerk an sich keinen Hinweis auf eine Veröffentlichung geben kann, weil er keinen tatsächlichen Bezug zu einer Veröffentlichung aufweist, betrifft allerdings nicht die in Regel 76 (2) c) EPÜ geforderte Angabe von Tatsachen und Beweismittel zur Stützung der Einspruchsgründe (vgl. auch T 353/06, Rn 1.), sondern vielmehr die Frage der Begründetheit des Einspruchs.
2.6 Dem steht auch nicht die von der Beschwerdegegnerin genannte Rechtsprechung der Beschwerdekammern entgegen.
2.7 In der in der angefochtenen Entscheidung referenzierten Entscheidung T 543/95 wurde in Punkt 2. der Entscheidungsgründe ausdrücklich festgestellt, dass der Zeitpunkt einer öffentlichen Zugänglichmachung bereits mit der Angabe eines Datums oder eines begrenzten Zeitraums und der Angabe des Mittels, durch das der behauptete Zeitpunkt nachgewiesen werden soll, substantiiert ist. Der Beweiswert oder das tatsächliche Zutreffen dieser Angaben ist für die Frage der Substantiierung des Einspruchs unerheblich.
2.8 Die Einspruchabteilung hat daher nicht fehlerhaft festgestellt, dass der Einspruch zulässig ist.
2.9 Der von der Beschwerdegegnerin erhobene Einwand begründet daher für sich genommen nicht die von ihr begehrte Zurückweisung der Beschwerde.
3. Die nachfolgenden Erwägungen entsprechen im Wesentlichen dem den Parteien in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 mitgeteilten Ergebnis der Beurteilung der Sach- und Rechtslage, zu denen keine der Parteien, insbesondere nicht die Beschwerdeführerin Stellung genommen hat. Die Kammer hält diese Einschätzungen nach nochmaliger Prüfung der angefochtenen Entscheidung vor dem Hintergrund des wechselseitigen Vorbringens der Parteien aufrecht und bestätigt diese folgend als maßgeblich für ihre Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde.
4. Zulassung des Dokuments D3
4.1 Die Beschwerdeführerin legte erstmals mit der Beschwerdebegründung das Dokument D3 vor und rechtfertigte die verspätete Vorlage damit, dass ihr das Dokument D3 im Rahmen einer Überwachung nach erteilten europäischen Patenten auf den Namen "Demmeler" bekannt geworden sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 5, Absatz 2). Weiterhin rechtfertigte sie die verspätete Vorlage zumindest implizit damit, dass das Dokument D3 prima facie relevant sei, weil die in Dokument D3 offenbarte Fig. 5a einen Winkel mit allen Merkmale des Anspruchs 1 sowie der Ansprüche 2, 3, 4 und 9 zeige.
4.2 Gemäß Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 lässt die Kammer Tatsachen, die im Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären, nicht zu, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigten eine Zulassung.
4.3 Die Kammer erkennt in der Tatsache, dass das Dokument D3 erst verspätet im Rahmen einer regelmäßigen Überwachung aufgefunden wurde, keinen Umstand der Beschwerdesache, welcher eine Zulassung rechtfertigte.
4.4 Unabhängig von der Frage, ob mit der angeblichen prima-facie-Relevanz der Offenbarung des Dokuments D3 ein rechtfertigender Grund im Sinne des Artikel 12 (6) VOBK 2020 gegeben wäre, liegt eine solche prima facie-Relevanz für die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 und damit auch der abhängigen Ansprüche 2, 3, 4 und 9 bereits nicht vor.
4.5 Wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend dargelegt, betrifft die in Dokument D3 offenbarte technische Lehre Schraubzwingen. Die in der Fig. 5a gezeigten Teile 14 und 15 erscheinen rein schematischer und illustrativer Natur und es bleibt beispielsweise unklar, ob in den Teilen 14 bzw. Bohrungen bzw. Durchgangsbohrungen dargestellt sind oder auch, ob die Teile 14 und 15 mit der Tischplatte integral verbunden sind (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 10).
4.6 Es sind somit keine Umstände der Beschwerdesache gegeben, die eine Zulassung rechtfertigten könnten.
4.7 Das Dokument D3 und der darauf basierende Einwand mangelnder Neuheit sind daher in Anwendung von Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.
5. Dokument D2
5.1 Stand der Technik - Artikel 54 (2) EPÜ
5.1.1 Auf Seite 6, Absatz 2, der Beschwerdeerwiderung bestritt die Beschwerdegegnerin, dass das Dokument D2 im Jahr 2011 veröffentlicht wurde, setzte sich dabei aber nicht in substantiierter Weise mit den begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 10, zweiter Absatz, der Entscheidungsgründe auseinander.
5.1.2 Die Frage, ob das Dokument D2 einen Stand der Technik im Sinne des Artikel 54 (2) EPÜ darstellt, ist jedoch im Weiteren nicht entscheidungserheblich, denn auch die Berücksichtigung dieses Dokuments führte nicht zur Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Unbegründetheit der geltend gemachten Einspruchsgründe, wie sich aus dem Folgenden ergibt.
5.2 Neuheit - Artikel 54 EPÜ
5.2.1 Die Beschwerdeführerin rügte die begründete Feststellung in Punkt 12 der Entscheidungsgründe, dass das Merkmal 1.2 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, nämlich
"zumindest zwei gerade Seitenwände (2a, 2b, 2c), die in einem Winkel zu einander angeordnet sind",
und ein Teil des Merkmals 1.3 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, nämlich dass
"das Wandelement (3a) an den Seitenwänden (2a, 2b, 2c) angeordnet ist",
nicht aus dem Dokument D2 bekannt sind, und der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag daher neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2 ist.
5.2.2 Dazu wiederholte sie ihren Einwand aus dem Einspruchsverfahren, dass es sich bei der auf Seite 172 des Dokuments D2 wiedergegebenen Winkeleinstellschablone um ein massives Bauteil handele und die Schmalseiten der Winkeleinstellschablone eine Höhe von 5 mm aufwiesen (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 7, Absatz 1).
5.2.3 Weiter trug die Beschwerdeführerin vor, dass die Einspruchsabteilung verkannt habe, dass die Schmalseiten exakt die technische Funktion der Seitenwände des Anspruchs 1 erfüllen und das Wandelement auch daran angeordnet sei, wie es in der linken unteren Abbildung auf Seite 172 des Dokuments D2 gezeigt sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 7, Absätze 2 und 3).
5.2.4 Die Kammer schließt sich jedoch der Feststellung der Einspruchsabteilung an, dass die Schmalseiten der auf Seite 172 des Dokuments D2 dargestellten Winkelschablone nicht als Wand bezeichnet werden können. Das gilt aus Sicht der Kammer auch unabhängig davon, ob die Winkelschablone angesichts der Höhe der Schmalseiten von 5 mm eher als ein massives Bauteil denn als ein flächiges Bauteil bzw. Blech anzusehen wäre. Vielmehr sind die Schmalseiten, wie von der Einspruchsabteilung zutreffend erkannt, als Bestandteile des eine Vielzahl von Bohrungen aufweisenden Wandelements anzusehen. Entsprechend sind das Merkmal 1.2 und der oben aufgeführte Teil des Merkmals 1.3 der Offenbarung auf Seite 172 des Dokuments D2 nicht zu entnehmen.
5.2.5 Die ebenfalls angeführte Offenbarung auf Seite 459 des Dokuments D2 ist mit der Offenbarung der Seite 172 des gleichen Dokuments identisch, so dass sich aus diesem Offenbarungsteil des Dokuments D2 nichts Ergänzendes zum Sachverhalt ergibt.
5.2.6 Die Beschwerdeführerin kann daher nicht überzeugend darlegen, dass die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptanspruch fehlerhaft sind.
5.3 Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
5.3.1 Dokument D2 - Anschlag- und Spannwinkel, Seite 194, in Verbindung mit Drehwinkel, Seite 198
Die Rüge der Beschwerdeführerin, dass die Feststellung in Punkt 13.1 der Entscheidungsgründe, dass es in dem Dokument D2 keinen Hinweis gibt, einzelne Funktionselemente eines Produkte in ein anderes Produkt zu integrieren, fehlerhaft sei, kann nicht überzeugen.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass in dem Dokument D2 mit dem auf Seite 198 offenbarten Drehwinkel gerade ein Winkelelement offenbart werde, bei dem das Merkmal 1.5, nämlich dass
"das zumindest eine Wandelement (3a) eine im Wesentlichen kreisbogenförmige Nut (5) aufweist, die als Durchgangsbohrung ausgeführt ist",
verwirklicht ist, so dass dem Fachmann der Hinweis gegeben ist, dass er den auf Seite 194 offenbarten Anschlag- und Spannwinkel ebenso mit einer kreisförmigen Nut gemäß Merkmal 1.5 versehen kann (vgl. Punkt 4.2 der Beschwerdebegründung, Seite 9, Absatz 2), lässt nämlich offen, weshalb der Fachmann im Stand der Technik eine Veranlassung erhalten hätte, eine Kombination des Anschlag- und Spannwinkel mit Funktionselementen des Drehwinkels tatsächlich vorzunehmen.
Die Beschwerdeführerin verwies zwar darauf, dass der Fachmann angesichts eines angeblich generellen Bedürfnisses, Vorrichtungen so einfach wie möglich zu konstruieren, veranlasst gewesen sei, bei dem Anschlag- und Spannwinkel anstelle der Verbindung mit dem Drehwinkel über einen Spannbolzen die kreisförmige Nut aus dem Drehwinkel unmittelbar in dem Wandelement des Anschlag- und Spannwinkels vorzusehen (Beschwerdebegründung, Seiten 9 und 10, übergreifender Absatz).
Dieses Argument der Beschwerdeführerin beruht jedoch auf einer rückschauenden Betrachtungsweise (ex-post-facto Analyse) bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Es lässt dabei weiterhin offen, weshalb der Fachmann dem Stand der Technik eine Motivation für die Modifikation eines Anschlags- und Spannwinkel mit einem speziellen funktionellen Merkmal eines Drehwinkels entnähme.
Die Kammer schließt sich hingegen der Feststellung der Einspruchsabteilung an, dass das Dokument D2 auf den Seiten 142 bis 239 und den Seiten 442 bis 491 eine Vielzahl von Schablonen und Winkelelementen offenbart, so dass für viele Anwendungsfälle eine geeignete Schablone oder ein geeignetes Winkelelement direkt zur Verfügung steht, was es erübrigt, weitere Winkelelemente zu entwerfen.
5.3.2 Die Kammer schließt sich zudem der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass auch für den Fall, dass der auf Seite 198 offenbarte Drehwinkel als Ausgangspunkt für einen Einwand mangelnder erfinderischen Tätigkeit gewählt würde, wie es die Beschwerdeführerin in Punkt 4.3 der Beschwerdebegründung erörtert, die Erwägungen des obigen Punktes 5.3.1 in analoger Weise zutreffen (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 13, Absatz 1).
5.3.3 Dokument D2 - ausgehend von Anschlag- und Spannwinkel, Seite 194, in Verbindung mit Winkel-Einstellschablone, Seiten 172 und 459
Mit ihrem Einwand in Punkt 4.4 der Beschwerdebegründung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Patents gegenüber einer Kombination des auf Seite 194 des Dokuments D2 offenbarten Anschlag- und Spannwinkels mit der auf den Seiten 172 oder 459 des Dokuments D2 offenbarten Winkel-Einstellschablone nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, greift die Beschwerdeführerin auf ihren Vortrag in der Einspruchsschrift zurück.
Dieser Einwand wurde jedoch in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht aufrechterhalten (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Seite 2, vorletzter Absatz) und war daher nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdeführerin trug keine Gründe dafür vor, warum sie diesen im Verfahren vor der Einspruchabteilung nicht mehr aufrechterhaltenen Einwand im Beschwerdeverfahren wieder aufgreift. Die Kammer vermag solche Gründe auch nicht zu erkennen, so dass dieser Einwand gemäß Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 nicht im Beschwerdeverfahren zuzulassen ist.
5.3.4 Zusammenfassend gelingt es der Beschwerdeführerin damit nicht, die Kammer von der Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung zu überzeugen.
6. Schlussfolgerungen
Der Einspruch ist zulässig.
Das Dokument D3 und der auf diesem Dokument beruhende Einwand mangelnder Neuheit sind nicht zum Verfahren zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführerin gelingt es nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung in überzeugender Weise darzulegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.