T 0254/20 () of 30.1.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T025420.20240130
Datum der Entscheidung: 30 Januar 2024
Aktenzeichen: T 0254/20
Anmeldenummer: 11778578.2
IPC-Klasse: A61B 90/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: NAVIGATIONSAUFSATZ FÜR OPTISCHE GERÄTE IN DER MEDIZIN UND VERFAHREN
Name des Anmelders: Intersect ENT International GmbH
Name des Einsprechenden: Brainlab AG
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 53(c)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 112(1)(a)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Spät eingereichter Einwand - zugelassen (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
R 0010/09
R 0011/20
T 2102/08
T 1362/20
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende legten Beschwerde ein gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 2 632 382 auf der Basis des Hilfsantrags 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2019, aufrechtzuerhalten.

II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 30. Januar 2024 statt.

III. Die endgültigen Anträge der Parteien lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin (Patentinha-berin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024, oder auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 6, ebenfalls eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024. Weiterhin beantragte die Patentinhaberin, die Dokumente D21 bis D29 und den von der Einsprechenden mit Schreiben vom 11. November 2021 vorgebrachten neuen Einspruchsgrund gemäß Artikel 53 c) EPÜ nicht in das Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdeführerin-Einsprechende (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Außerdem beantragte sie, die von der Einspruchsabteilung nicht zugelassenen Dokumente D21 bis D25 sowie die mit der Beschwerdebe-gründung eingereichten Dokumente D26 bis D29 in das Verfahren zuzulassen und den Hauptantrag sowie sämt-liche Hilfsanträge nicht in das Verfahren zuzulassen.

IV. Die folgenden Druckschriften sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

D1 Chen Jing et al: "Navigating System for

Endoscopic Sinus Surgery Based on Augmented

Reality", Complex Medical Engineering, 2007,

IEEE/ICME International Conference on, PI,

1. Mai 2007, Seiten 185-188

D3 WO 2006/095027 A1

D4 "Clinical User Guide" Revision 1.2., Vector

Vision cranial/ENT, Version 7.8 mit Copyright

2008

D5 WO 2007/115825 A1

D6 WO 2008/095068 A1

D7 WO 2008/076079 A1

D8 Sielhorst T. et al., Advanced Medical Displays: A

Literature Review of Augmented Reality, Journal

of Display Technology, Vol. 4, Nr. 4, Dezember

2008, S. 451-467

D13 EP 1 925 265 B1

D26 Hirai N. et al., Image-guided neurosurgery system

integrating AR-based navigation and open-MRI

monitoring, Computer Aided Surgery, March 2005;

10(2): 59 ? 71

D27 Fusaglia M. et al., Endoscopic Image Overlay for

the Targeting of Hidden Anatomy in Laparoscopic

Visceral Surgery, in: C.A. Linte et al. (eds.):

AE-CAI 2012, LNCS 7815, S. 9-21, 2013, Springer-

Verlag 2013

D28a Kawamata T. et al., Endoscopic Augmented Reality

Navigation System for Endonasal Transsphenoidal

Surgery to Treat Pituitary Tumors: Technical

Note, Neurosurgery,

vol. 50, no. 6, June 2002, pp. 1393 ? 1397

D28b die anatomischen Verhältnisse der in Fig. 3 von

D28a behandelten Körperteile illustrierende

Skizze

D29 US2009/0154293 A1

V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Darstellung von Bilddaten, bei dem ein optisches Gerät lageerfasst und so Lageinformation gewonnen wird und mit Hilfe der Lageinformation Bild-daten bestimmt und angezeigt oder weiterverarbeitet werden, wobei die Lageinformation des optischen Geräts mittels eines medizinischen Navigationssystems erfasst wird, das während einer Operation eine Koordinaten-transformation zwischen einem Patienten und dem optischen Gerät erfasst und dieses in präoperativen Planungsdaten visualisiert, wobei der Patient und das optische Gerät mit Lokalisatoren ausgestattet sind, deren Position und Ausrichtung von einem Messsystem als Lageerfassungseinrichtung erfasst werden, wobei die anzuzeigenden Bilddaten wenigstens teilweise auf virtuellen, nicht unmittelbar von dem optischen Gerät erfassten Bilddaten beruhen, die ein Objekt oder Körperteil repräsentieren welches sich in einem Blick-bereich des optischen Gerätes befindet, wobei im Rahmen des Verfahrens:

- reale Bilddaten mittels eines optischen Gerätes

aufgenommen werden,

- gleichzeitig die Position und Ausrichtung des

optischen Gerätes erfasst und hieraus eine Lage-

information abgeleitet wird,

- die von dem optischen Gerät aufgenommenen realen

Bilddaten unter Einbeziehung der Lageinformation zu

virtuellen Bilddaten und/oder zusammen mit den

virtuellen Bilddaten zu anzuzeigenden Bilddaten

verarbeitet werden,

wobei das optische Gerät eine Blickrichtung hat und darzustellende Bilddaten aus den virtuellen Bilddaten unter Berücksichtigung der Blickrichtung des optischen

Gerätes bestimmt werden und wobei verdeckte Strukturen in den realen Bilddaten überlagert dargestellt werden."

Anspruch 5 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Verarbeiten der aufgenommenen Bilddaten eine photogrammetrische Auswertung der realen Bilddaten zur Gewinnung eines dreidimensionalen Modells des Objekts oder Körperteils einschließt."

Anspruch 7 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass in reale Bilddaten Konturen von Objekt- oder Körperteilstrukturen eingeblendet werden, die durch virtuelle Bilddaten repräsentiert sind."

Anspruch 8 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass anzuzeigende Bilddaten unter Be-rücksichtigung virtueller Bilddaten in Form von Tomo-graphien und unter Berücksichtigung der Blickrichtung des optischen Gerätes dadurch bestimmt werden, dass der Blickrichtung des optischen Gerätes entsprechende Blickvektoren in den virtuellen Bilddaten derart analysiert werden, dass starker Dichtegradient entlang eines jeweiligen Blickvektors als Strukturgrenze des jeweils repräsentierten Objekts oder Körperteils interpretiert wird."

VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags und enthält zusätzlich das Merkmal des erteilten Anspruchs 4 "wobei das optische Gerät ein Endoskop ist". Die weiteren Ansprüche des Hilfsantrags 1 entsprechen denen des Hauptantrags, mit angepasster Nummerierung.

VII. Die Argumente der Einsprechenden zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zulassung des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 - 6

Die neuen Anträge seien verspätet eingereicht worden und sollten gemäß Artikel 13(2) VOBK nicht zum Verfahren zugelassen werden.

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

Die Hinzufügung des Merkmals "wobei verdeckte Struk-turen in den realen Bilddaten überlagert dargestellt werden" stelle eine unzulässige Zwischenverallgemei-nerung gegenüber der die einzige Grundlage bildenden Beschreibungsstelle auf der Seite 12, Zeilen 11 bis 12, der ursprünglichen Anmeldung dar, wo eine überlagerte Darstellung verdeckter Strukturen nur im Zusammenhang mit Videobildern, nicht aber in Einzelbildern offenbart sei. Darüber hinaus finde sich im Anspruch 1 nicht das als zwingend beschriebene Merkmal, dass eine Transfor-mation des virtuellen Modells zum realen Modell bestimmt werden müsse.

Das Merkmal "Lageinformationen des optischen Geräts" sei nicht eindeutig und unmittelbar in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, da in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 2, 1. Absatz) keine Lageinformationen des optischen Geräts beschrieben würden, sondern das Erfassen von Position und Ausrich-tung verschiedener Lokalisatoren, die auf einem Instru-ment angebracht seien.

Für den Wortlaut "und dieses in präoperativen Planungs-daten visualisiert" finde sich keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in der ursprünglich eingereich-ten Fassung des Streitpatents, da in der Beschreibung (Seite 2, 1. Absatz) nur die Visualisierung von mehreren ("diese") Instrumenten oder die Visualisierung der Koordinatentransformation offenbart sei.

Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung

Anspruch 1

Der Fachmann erfahre in der Patentschrift nicht, was verdeckte Strukturen sein sollen, noch wie die für die Einblendung verdeckter Strukturen erforderlichen Daten bereitgestellt würden. Auch sei weder offenbart noch dem Fachmann sonst geläufig, wie eine Koordinaten-transformation zum überlagerten Darstellen solcher verdeckter Strukturen in den realen Bilddaten berechnet werde.

Außerdem offenbare das Patent den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den gesamten beanspruchten Bereich, nämlich nicht für ein von den realen Bilddaten beschriebenes Standbild sondern nur für Videobilder.

Dem Fachmann werde somit nicht wenigstens ein Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung offenbart, so dass diese nicht die Voraussetzungen von Artikel 83 EPÜ erfülle.

Anspruch 5

Dem Streitpatent in seiner ursprünglich eingereichten Fassung sei nicht entnehmbar, wie das Prinzip der Photogrammetrie, bei dem es notwendig sei, das Objekt aus verschiedenen Richtungen (von mehreren Standpunk-ten) aufzunehmen, auf die Aufnahme von Bildern eines Endoskops übertragen werden könne.

Anspruch 7

Es sei der Beschreibung nicht zu entnehmen, wie die Konturen von Objekten- oder Körperteilstrukturen bestimmt würden.

Anspruch 8

Der Beschreibung sei nicht zu entnehmen, was unter einem "starken Dichtegradienten" zu verstehen sei. Dem Fachmann werde keine Lehre an die Hand gegeben, ab welcher Höhe ein Dichtegradient als Strukturgrenze oder als eine innerhalb einer Struktur liegende "normale" Hell-Dunkel-Schwankung zu interpretieren sei.

Somit sei auch der Gegenstand der Ansprüche 5, 7 und 8 sowie aller damit verknüpften Ansprüche nicht ausführ-bar offenbart.

Verfahren zur chirurgischen Behandlung - Artikel 53 c) EPÜ - Zulassung des neuen Einspruchsgrunds

Da die Visualisierung des optischen Geräts während einer Operation erfolge, sei Anspruch 1 aller Anträge auf ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers gerichtet und daher gemäß Artikel 53 c) EPÜ nicht gewährbar.

Dieser Einwand sei erst während des Einspruchsver-fahrens relevant geworden, da erst dann erkennbar geworden sei, dass es sich bei dem optischen Gerät um ein Endoskop handelte.

Zulassung der Dokumente D26, D27, D28a, D28b und D29

Die Dokumente D26, D27 und D28a (in Verb. mit D28b) seien hoch relevant. D29 betreffe die Darstellung fachmännischen Allgemeinwissens in Bezug auf einen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ. So solle D29 belegen, dass ein Endoskop Stand- und Einzelbilder erzeugen könne und nicht zwingend Videobilder aufnehme.

Die Dokumente seien als Reaktion auf die in der Ent-scheidung geäußerte Feststellung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags erfinderisch sei, eingereicht worden.

Die Patentinhaberin habe ausreichend Zeit gehabt, sich mit den Dokumenten auseinanderzusetzen.

Durch die Absicht der Kammer, bei der Rechtsfrage der Neuheit von der Meinung der Einspruchsabteilung abzu-weichen, habe sich ein geänderter Sachverhalt ergeben.

Aus diesen Gründen seien die Dokumente zuzulassen. Da D26 und D28a klar neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 seien, rechtfertige auch der Schutz der Allgemeinheit vor nicht rechtsbeständigen Patenten eine Zulassung.

Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer

Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK stelle eine unerlaubte Ein-schränkung des in Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumten Ermessens einer Kammer dar, Beweismittel auch zu einem späteren Verfahrensstadium ins Verfahren zuzulassen. Sollte die Kammer geneigt sein, die mit der Beschwerde-begründung eingereichten Dokumente D26-D29 auf der Grundlage von Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen, so sei es notwendig, der Großen Beschwerdekammer die folgenden, von der Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung eingereichten Fragen vorzulegen, die sich mit der Unvereinbarkeit dieser Rechtsnormen beschäftigten.

"1. Schränkt Art. 12(6) S.2 VOBK das von Art. 114(2) EPÜ eingeräumte Ermessen ein?

2. Falls Frage 1 bejaht wird, ist Art. 12(6) S.2 VOBK dann mit dem Europäischen Patentübereinkommen vereinbar?

3. Falls Frage 1 verneint wird, kann die Beschwerdekammer dann neuheitsschädlichen Stand der Technik, den ein Einsprechender erstmals im Beschwerdeverfahren, insbesondere in der Beschwerdebegründung, als Beweismittel vorlegt, nicht zum Verfahren zulassen?"

Diese Fragen seien Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikels 112 (1) EPÜ.

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D4

D4 offenbare ein Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs 1, insbesondere die überlagerte Darstellung verdeckter Strukturen in realen Bilddaten.

Das von D4 beschriebene Gerät sei insbesondere für Tumorresektionen nutzbar (Seite 25: "tumor resections", Seite 375, Abschnitt "Overview": "tumor removal", Seite 367, 2. Satz: "brain shift or resection"). Der Tumor liege üblicherweise in Gewebe eingebettet und sei also zumindest zu Anfang der Operation verdeckt und bis zur vollständigen Resektion immer zumindest teilweise verdeckt. Bei dem Eingriff werde das Mikroskop auf die Oberfläche des Tumors im Gehirn fokussiert, um dem Arzt eine Resektion zu ermöglichen. Hinter der Fokusebene gelegene Teile der im realen Bild erkennbaren anato-mischen Struktur seien dabei von der Oberfläche der erkennbaren anatomischen Struktur verdeckt und stellten somit verdeckte Strukturen im Sinne von Anspruch 1 dar. Gemäß Seite 366, letzter Satz, würden gestrichelte Linien verwendet, um die vollständige Erstreckung des Objekts unter (bzw. hinter) der Fokusebene darzustel-len. Wie auf Seite 367, 2. Absatz, beschrieben, basier-ten die eingeblendeten Objekte dabei auf präoperativen Daten. Es werde also ein Objekt, dessen Oberfläche fokussiert im realen Bild sichtbar sei, einschließlich seiner von der Oberfläche oder von anderen Strukturen verdeckten Teile in das reale Bild eingeblendet.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D4.

Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D7

D7 offenbare ein Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs 1, insbesondere das Merkmal, dass das optische Gerät in präoperativen Planungsdaten visualisiert wird (Seite 26, Zeilen 6 bis 11).

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D7.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom in D4 offenbarten Verfahren dadurch, dass das optische Gerät ein Endoskop sei. Die zu lösende Aufgabe sei es also, ein bestimmtes optisches Gerät für die Erfassung der realen Bilddaten zu verwenden.

Da keine Synergie zwischen dem Merkmal "Endoskop" und den anderen Merkmalen des Anspruchs bestehe, sei es für den Fachmann im Rahmen seines Fachwissens eine nahe-liegende Auswahl gewesen, statt des Mikroskops ein Endoskop zu verwenden und die verdeckten Strukturen in das Endoskopbild einzublenden. Überdies würde auf andere optische Geräte, z.B. eine Videokamera an ver-schiedenen Stellen in der D4 verwiesen (Seite 373, Fig. 299 "Live Video", Seite 371 "Video Configuration"). Ein Endoskop werde auf Seite 276 erwähnt ("real-time endoscope video connection").

Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4 in Kombination mit D8 - Zulassung des Einwands

Der Einwand entspreche dem Einwand ausgehend von D4 in Kombination mit dem Fachwissen. Das Dokument D8 diene als Nachweis für das allgemeine Fachwissen des Fach-manns. Daher sei der Einwand zuzulassen.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7 in Kombination mit D6

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom in D7 offenbarten Verfahren dadurch, dass das Endoskop in präoperativen Planungsdaten visualisiert werde.

Dieses Merkmal sei aber aus D6 für ein Bronchoskop bekannt (Seite 15, Zeilen 1 bis 5, Figur 7). Daher führe eine Kombination von D7 mit D6 zum Gegenstand des Anspruchs 1, der somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VIII. Die Argumente der Patentinhaberin zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zulassung des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 - 6

Durch den erst in der mündlichen Verhandlung von der Kammer erhobenen Einwand, der Anspruch 1 der vorherigen Anträge verstoße gegen Artikel 123(3) EPÜ, hätten sich außergewöhnliche Umstände ergeben, die die Einreichung neuer Anträge, in denen dieser Einwand behoben würde, rechtfertigten.

Die neuen Anträge seien daher ins Verfahren zuzulassen.

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

Das Merkmal "Lageinformationen des optischen Geräts" des Anspruchs 1 sei der Seite 1 (1. und 2. Absatz) der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen. Zudem sei auf Seite 2 (1. und 2. Absatz) beschrieben, wie die Lageinformation gewonnen werden könne.

Mit dem Wortlaut "und dieses in präoperativen Planungs-daten visualisiert" in Anspruch 1 könne nicht eine Visualisierung der Koordinatentransformation gemeint sein. Der Singular sei außerdem in der Formulierung "einem oder mehreren Instrumenten" eingeschlossen.

Daher sei der Anspruch 1 durch die Aufnahme dieser Merkmale nicht unzulässig erweitert.

Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung

Anspruch 1

Dem Patent sei zu entnehmen (Seite 12, Zeilen 7 bis 14), wo die Daten zu verdeckten Strukturen zu finden seien ? nämlich in dem virtuellen Modell ? und dass diese durch eine dem Fachmann an sich bekannte Koor-dinatentransformation so umgeformt werden könnten, dass sie perspektivrichtig in dem realen Bild erschienen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei außerdem über den gesamten beanspruchten Bereich offenbart, da Videobilder auch Standbilder umfassten.

Anspruch 5

Für eine Mehrbild-Photogrammmetrie reiche es, dass sich der Standort der Kamera (oder des Endoskops) in irgendeine Richtung verändert, also auch in eine Richtung auf das Objekt zu. Letzteres sei in Absatz [0069] des Streitpatents beschrieben.

Anspruch 7

Die Konturen von Objekten oder Körperteilstrukturen, die in die realen Bilddaten eingeblendet werden sollten, stammten aus dem virtuellen Modell. Wie diese Konturen perspektivrichtig auf dem Wege einer Koordi-natentransformation in den realen Bilddaten angezeigt werden könnten, sei dem Fachmann grundsätzlich klar.

Anspruch 8

Anspruch 8 besage, dass der Anstieg der Dichte entlang des Blickvektors des optischen Geräts das Kriterium dafür sei, eine Strukturgrenze, also beispielsweise eine Gefäßwand zu erkennen. Die Dichteunterschiede und damit verbunden ein entsprechend starker Dichtegradient ergäben sich in dem virtuellen Modell an den Strukturgrenzen.

Anspruch 8 sei somit aus sich selbst heraus für den Fachmann verständlich. Der Fachmann sei insbesondere in der Lage, einen sinnvollen Grenzwert für den Dichte-gradienten festzulegen, der beispielsweise einen Dich-teanstieg repräsentiere, wie er an einer Strukturgrenze erfolge.

Es sei daher nicht nachvollziehbar, inwiefern in Bezug auf die Lehre der Ansprüche 5, 7 und 8 ein Offenbarungsmangel vorliegen solle.

Verfahren zur chirurgischen Behandlung - Artikel 53(c) EPÜ - Zulassung des Einspruchsgrunds

Es werde beantragt, diesen verspätet vorgebrachten Einspruchsgrund nicht in das Verfahren zuzulassen.

Zulassung der Dokumente D26, D27, D28a, D28b und D29

Die verspätet in das Verfahren eingeführten Dokumente D26, D27, D28a, D28b und D29 hätte die Einsprechende bereits vor Ablauf der Einspruchsfrist finden können und finden müssen, da der von der Einspruchsabteilung beschränkt aufrechterhaltene Anspruch 1 dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 4 entspreche, und dieser seit Erteilung des Streitpatents bekannt war.

Die Dokumente D26 bis D29 seien somit nicht in das Verfahren zuzulassen.

Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer

Es sei keine Vorlage von Fragen an die Große Beschwer-dekammer notwendig, da es keinen Widerspruch zwischen Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK und Artikel 114 (2) EPÜ gebe. Artikel 114 (2) EPÜ räume zwar ein Ermessen ein, definiere aber nicht, wie dieses Ermessen auszuüben sei. Letzteres werde hingegen in Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK getan. Darüber hinaus sei von der Großen Beschwer-dekammer bereits in früheren Entscheidungen bestätigt worden, dass sich die Ausübung des Ermessens innerhalb eines gewissen Spielraums befinden muss. Mit Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK sei lediglich die bereits existierende und von der Großen Beschwerdekammer bestätigte Recht-sprechung in die Verfahrensordnung aufgenommen worden.

Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D4

Aus Dokument D4 gehe nicht das Merkmal hervor, dass verdeckte Strukturen in den realen Bilddaten unter Berücksichtigung der Blickrichtung des optischen Gerätes überlagert dargestellt würden.

Im Zusammenhang mit der auf Seite 366 offenbarten "image injection" werde lediglich eine Fokusebene erwähnt, auf die das Mikroskop fokussiert sei. Hinter dieser Ebene liegende Strukturen seien aufgrund der geringen Schärfentiefe des Mikroskops unscharf. Dadurch, dass diese Strukturen in das Mikroskopbild eingeblendet würden, solle der Mangel an Tiefenschärfe ausgeglichen werden. Dass es sich bei den eingeblende-ten Objekten um von der Oberfläche des Objekts verdeck-te Strukturen handele, sei der D4 nicht zu entnehmen.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei daher neu gegenüber D4.

Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D7

Dokument D7 offenbare keine Visualisierung eines optischen Gerätes in präoperativen Planungsdaten.

Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber Dokument D7.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen

In der D4 sei das Einblenden von Strukturen in reale Bilder ("image injection") nur im Zusammenhang mit einem Mikroskop offenbart. Bei Mikroskopen sei die geringe Schärfentiefe ein Problem, das bei Endoskopen nicht auftrete. Unscharfe Strukturen seien in Hohlor-ganen, in denen Endoskope üblicherweise bewegt würden, nicht vorhanden. Daher sei es für den Fachmann ausge-hend von D4 nicht naheliegend gewesen, statt des Mikroskops ein Endoskop zu verwenden und verdeckte Strukturen in ein von dem Endoskop aufgenommenes Bild einzublenden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4 in Kombination mit D8 - Zulassung des Einwands

Das Dokument D8 und der darauf basierende, erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhobene Einwand seien nicht prima facie relevant. Daher solle der Ein-wand nicht zugelassen werden.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7 in Kombination mit D6

Dokument D7 offenbare keine Visualisierung eines Endoskops in präoperativen Planungsdaten.

Eine Navigation mit einer Visualisierung eines Endos-kops in präoperativen Planungsdaten sei auch nicht der D6 zu entnehmen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Gegenstand des Patents

1.1 Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zum Dar-stellen von Bilddaten, bei dem ein optisches Gerät (gemäß Hilfsantrag 1 ein Endoskop) im Körper eines Patienten lageerfasst und so Lageinformation gewonnen wird und mit Hilfe der Lageinformation Bilddaten bestimmt und angezeigt oder weiterbearbeitet werden. Dabei beruhen die anzuzeigenden Bilddaten wenigstens teilweise auf virtuellen, nicht unmittelbar von dem optischen Gerät erfassten realen Bilddaten. Diese virtuellen Bilddaten repräsentieren ein Objekt oder Körperteil, welches sich in einem Blickbereich des optischen Gerätes befindet.

1.2 Die Lageinformation des optischen Geräts wird dabei mittels eines medizinischen Navigationssystems erfasst, das während einer Operation eine Koordinatentrans-formation zwischen einem Patienten und dem optischen Gerät erfasst und das optische Gerät in präoperativen Planungsdaten visualisiert.

Im Rahmen des Verfahrens werden reale Bilddaten mittels des optischen Gerätes aufgenommen,

gleichzeitig wird die Position und Ausrichtung des optischen Gerätes erfasst und hieraus eine Lageinfor-mation abgeleitet;

und es werden die von dem optischen Gerät aufgenommenen realen Bilddaten unter Einbeziehung der Lageinformation zu virtuellen Bilddaten und/oder zusammen mit virtu-ellen Bilddaten zu anzuzeigenden Bilddaten verarbeitet.

1.3 Somit werden entweder aus den realen Bilddaten virtu-elle Bilddaten generiert, beispielsweise aus realen Bilddaten ein dreidimensionales Modell eines Objekts oder Körperteils erstellt, und/oder es werden reale, also vom optischen Gerät erfasste Bilddaten mit zuvor generierten virtuellen Bilddaten des jeweiligen Objekts oder Körperteils verknüpft, indem durch virtuelle Bild-daten repräsentierte Strukturen in abgebildete reale Bilddaten eingeblendet werden.

Bei den eingeblendeten Strukturen handelt es sich um im Blickbereich des optischen Geräts verdeckte Strukturen, die auf dem optisch aufgenommenen Bild sonst nicht zu erkennen wären.

Es kommt also darauf an, dass das optische Gerät rich-tungs- und positionsgenau in den präoperativ gewonnenen Daten dargestellt wird und in den optischen Bildern des optischen Geräts (den realen Bilddaten) solche "vor" dem optischen Gerät liegende, aber aus Perspektive des optischen Geräts für dieses verdeckte Strukturen erkennbar sind, an denen sich der Nutzer aufgrund der präoperativ gewonnenen Daten orientieren möchte.

2. Zulassung des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 - 6

2.1 Der Kammer war im Zuge der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ein Problem unter Artikel 123(3) EPÜ auf-gefallen. In Anspruch 1 aller Anträge wurde im Ver-gleich zu Anspruch 1 in der erteilten Fassung ein "oder" im folgenden Merkmal hinzugefügt: "gleichzeitig die Position und/oder Ausrichtung des optischen Gerätes erfasst...". Von diesem Einwand erfuhren die Parteien erstmalig zu Beginn der mündlichen Verhandlung.

Die Patentinhaberin reagierte darauf mit der Einrei-chung des neuen Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 - 6. Sie bestätigte, dass der einzige Unterschied zwischen den neu eingereichten und den zu Beginn der Verhandlung bestätigten Anträgen in der Streichung des Wortes "oder" im Merkmal "gleichzeitig die Position und/oder Ausrichtung des optischen Gerätes erfasst..." im Anspruch 1 liegt. Darüber hinaus gehe aus dem schriftlichen Vorbringen (siehe z. B. Seite 3 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin) klar hervor, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags mit dem erteilten Anspruch 1 identisch sein sollte.

Nach Ansicht der Kammer liegen durch das späte Vor-bringen des Einwands unter Artikel 123(3) EPÜ, der im bisherigen Verfahren nicht erwähnt worden war, außer-gewöhnliche Umstände vor, die das Einreichen neuer Anträge, die diesen Einwand prima facie beheben, in der mündlichen Verhandlung rechtfertigen. Die Kammer übt daher ihr Ermessen nach Artikel 13(2) VOBK aus und beschließt, die Anträge zuzulassen.

3. Hauptantrag - Anspruch 1 - Unzulässige Erweiterung

3.1 Die Einsprechende ist der Ansicht, dass die Hinzufügung des Merkmals "wobei verdeckte Strukturen in den realen Bilddaten überlagert dargestellt werden" eine unzu-lässige Zwischenverallgemeinerung gegenüber der die einzige Grundlage bildenden Beschreibungsstelle auf der ursprünglichen Seite 12, Zeilen 11 bis 12 darstelle, wo eine überlagerte Darstellung verdeckter Strukturen nur im Zusammenhang mit Videobildern, nicht aber in Einzel-bildern offenbart sei. Darüber hinaus finde sich im Anspruch 1 nicht das als zwingend beschriebene Merkmal, dass eine Transformation des virtuellen Modells zum realen Modell bestimmt werden müsse. Die Einspruchs-abteilung kam unter Punkt 3.2.3 der Entscheidung zu dem Schluss, dass diese Merkmale im Anspruch 1 implizit enthalten sind und daher keine unzulässige Zwischenver-allgemeinerung vorliegt. Die Kammer schließt sich dieser Ansicht an. Anspruch 1 definiert nämlich, dass ausgehend von den virtuellen Bilddaten die darzustel-lenden Bilddaten derart bestimmt werden, dass verdeckte Strukturen in den realen Bilddaten überlagert werden. Damit eine derartige Überlagerung technisch sinnvoll ist, ist eine Transformation des virtuellen Modells zum realen Modell zwangsläufig notwendig. Darüber hinaus ist das Merkmal eines Videobildes in Anspruch 1 schon implizit definiert, da es Grundvoraussetzung eines medizinischen Navigationssystems ist, welches natur-gemäß die Steuerung einer Bewegung eines Instruments und somit die Darstellung von zeitlich veränderlichen Bilddaten, d.h. Videobildern, beinhaltet.

3.2 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass das Merkmal "Lageinformationen des optischen Geräts" bereits der Seite 1 (1. und 2. Absatz) der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen ist und dass auf Seite 2 (1. und 2. Absatz) beschrieben ist, wie die Lageinformation gewonnen werden kann. Die Kammer stimmt überdies der Einspruchsabteilung zu (Punkt 3.2.2 der Entscheidung), dass es sich bei dem auf Seite 2, 1. Absatz, genannten Instrument um das optische Gerät handelt. Daher ist dieses Merkmal in der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart.

3.3 Nach Ansicht der Einsprechenden findet sich für den Wortlaut "und dieses in präoperativen Planungsdaten visualisiert" keine unmittelbare und eindeutige Offen-barung in der ursprünglich eingereichten Fassung des Streitpatents, da in der Beschreibung (Seite 2, 1. Absatz) nur die Visualisierung von mehreren ("diese") Instrumenten oder die Visualisierung der Koordinaten-transformation offenbart sei. Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass eine Visualisierung der Koordinatentransformation nicht gemeint sein kann und dass der Singular in der Formulierung "einem oder mehreren Instrumenten" eingeschlossen ist. Auch durch dieses Merkmal ist der Anspruch 1 also nicht unzulässig erweitert.

3.4 Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt also die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

4. Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung

4.1 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass die Patentschrift (Absatz [0073]) ausreichend offenbart, dass es sich bei den verdeckten Strukturen um Objekte des virtuellen Modells handelt (z.B. Abzweige von Adern, Zielregionen), das aus den präoperativen Planungsdaten gewonnenen wird.

Die Kammer stimmt der Patentinhaberin auch zu, dass es dem Fachmann grundsätzlich bekannt ist, wie die in Absatz [0073] erwähnte Transformation des virtuellen Modells (in dem die verdeckten Strukturen dargestellt sind) zum realen Bild bestimmt werden kann.

4.2 Nach Ansicht der Einsprechenden offenbare das Patent den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den gesamten beanspruchten Bereich, nämlich nicht für ein von den realen Bilddaten beschriebenes Standbild sondern nur für Videobilder.

Da, wie von der Patentinhaberin richtig festgestellt, Videobilder auch Standbilder umfassen, ist der Gegen-stand des Anspruchs 1 zweifellos über den gesamten beanspruchten Bereich offenbart.

4.3 Das in Anspruch 1 definierte Verfahren ist also ausreichend offenbart, dass ein Fachmann in der Lage ist, es auszuführen.

4.4 In Absatz [0069] des Streitpatents ist beschrieben, dass Objekte durch mehrere aufeinander folgende Bild-daten entlang einer Bewegungstrajektorie detektiert werden können, also wenn sich die Kamera in eine Rich-tung auf das Objekt zubewegt. Damit ist ausreichend offenbart, wie eine Mehrbild-Photogrammmetrie wie in Anspruch 5 definiert durchgeführt werden kann.

4.5 Gemäß Anspruch 7 stammen die Konturen von Objekten oder Körperteilstrukturen, die in die realen Bilddaten ein- geblendet werden sollen, aus dem virtuellen Modell. Wie diese Konturen perspektivrichtig auf dem Wege einer Koordinatentransformation in den realen Bilddaten angezeigt werden können, ist dem Fachmann grundsätzlich klar.

4.6 Gemäß Anspruch 8 ist der Anstieg der Dichte entlang des Blickvektors des optischen Geräts das Kriterium dafür, eine Strukturgrenze, also beispielsweise eine Gefäß-wand, zu erkennen. Der Fachmann ist in der Lage, anhand der Dichteunterschiede in dem virtuellen Modell einen sinnvollen Grenzwert für den Dichtegradienten an den Strukturgrenzen festzulegen.

4.7 Auch bezüglich der Einwände zu den Ansprüchen 5, 7 und 8 stimmt die Kammer also der Patentinhaberin zu, dass der Fachmann in der Lage ist, aufgrund seines Fach-wissens und der technischen Lehre in der Beschreibung den Gegenstand dieser Ansprüche auszuführen.

5. Hauptantrag - Artikel 53 c) EPÜ - Zulassung des Einspruchsgrunds

Im Schreiben vom 11. November 2021 machte die Einspre-chende zum ersten Mal geltend, dass Anspruch 1 aller Anträge auf ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers gerichtet sei und daher gemäß Artikel 53 c) EPÜ nicht gewährbar sei.

Ein neuer Einspruchsgrund kann gemäß G 10/91 nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin zugelassen werden. Im vorliegenden Fall hat die Patentinhaberin im Schreiben vom 28. Februar 2022 beantragt, diesen Ein-spruchsgrund nicht zuzulassen.

Daher hat die Kammer entschieden, diesen Einspruchs-grund nicht zuzulassen.

6. Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer

6.1 Die Einsprechende beantragt, dass der Großen Beschwer-dekammer die folgenden Fragen vorgelegt werden:

"1. Schränkt Art. 12 (6) S.2 VOBK das von Art. 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen ein?

2. Falls Frage 1 bejaht wird, ist Art. 12 (6) S.2 VOBK dann mit dem Europäischen Patentübereinkommen vereinbar?

3. Falls Frage 1 verneint wird, kann die Beschwerdekammer dann neuheitsschädlichen Stand der Technik, den ein Einsprechender erstmals im Beschwerdeverfahren, insbesondere in der Beschwerdebegründung, als Beweismittel vorlegt, nicht zum Verfahren zulassen?"

6.2 Gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ befasst eine Kammer die Große Beschwerdekammer auf Antrag eines Beteiligten oder vom Amts wegen, wenn sie eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer für erforderlich hält, sei es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeu-tung stellt. Die vorgelegten Fragen müssen für den Ausgang des Verfahrens ausschlaggebend sein (Recht-sprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage ("RdB"), V.B.2.3.3).

6.3 Die von der Einsprechenden zur Vorlage an die Große Beschwerdekammer eingereichten Fragen sind nach Auf-fassung der Einsprechenden Rechtsfragen von grundsätz-licher Bedeutung, da es um die grundsätzliche Frage geht, ob Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK gegen das höher-rangige Recht gemäß Artikel 114 (2) EPÜ verstößt. Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Zwar folgt sie der Einsprechenden dahingehend, dass die Frage, ob die Bestimmungen der Verfahrensordnung höher-rangigem Recht widersprechen, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sein kann. Dies ist aller-dings nur dann der Fall, wenn der angebliche Wider-spruch zwischen den beiden Rechtsnormen auch nachvoll-ziehbar ist. Dies sieht die Kammer aufgrund der unten dargestellten Gründe als nicht gegeben an.

6.4 Artikel 114 (2) EPÜ besagt Folgendes: "Das Europäische Patentamt braucht Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen." Dieser Artikel räumt den Kammern ein Ermessen ein, verspätet eingereichte Beweismittel nicht zuzulassen. Wie dieses Ermessen ausgeübt werden soll, darüber sagt der Artikel nichts aus. Allein schon daraus ergibt sich, dass eine Rechtsnorm, die die Ausübung des Ermessens zum Gegenstand hat, als solches nicht dem übergeordneten Artikel 114 (2) EPÜ wider-spricht, es sei denn, ihr Inhalt führt zu einer de facto Nicht-Existenz des Ermessens.

6.5 Die Einsprechende argumentiert, dass der Wortlaut des Artikels 12 (6) Satz 2 VOBK die Ermessenausübung derart einschränkt, dass effektiv kein Ermessen mehr ausgeübt werden kann und damit auch die richterliche Unab-hängigkeit ungebührlich eingeschränkt wird. Die Kammer kann dem nicht folgen. Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK besagt zwar zunächst Folgendes: "...Beweismittel, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären...lässt die Kammer nicht zu...", allerdings wird dann hinzugefügt "es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache recht-fertigen eine Zulassung." Mit diesem Zusatz wird bewirkt, dass die Kammern ein Ermessen haben. Dieses wird auch regelmäßig von den Kammern ausgeübt. Sie sind in der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Ein aktuelles Beispiel für eine Ermessens-ausübung, die zur Zulassung eines erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Einwands geführt hat, ist T 1362/20 (Gründe 1.1).

6.6 Darüber hinaus stimmt die Kammer der Patentinhaberin zu, dass es sich bei Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK nicht um eine inhaltlich neue Regelung handelt. Die Möglich-keit bzw. das Gebot, neu im Beschwerdeverfahren vorge-tragene Einwände oder Beweismittel, die bereits im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden sollen, nicht zuzulassen, war bereits in Artikel 12 (4) VOBK 2007 und der darauf basierenden Rechtsprechung verankert (siehe auch Erläuterungen zu Artikel 12 (6) VOBK, ABl. EPA, Zusatzpublikation 2, S.30 sowie RdB V.A.4.1.1).

6.7 Auch ist bereits aus einigen Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer in Überprüfungsverfahren ersichtlich, dass die Große Beschwerdekammer keine Unvereinbarkeit zwischen dieser Regelung der Verfahrensordnung (damals Artikel 12 (4) VOBK 2007) und dem EPÜ, insbesondere Artikel 114 (2) EPÜ sieht (siehe z.B. R 10/09, Gründe 3.2; und R 11/20; Gründe 11). Vielmehr steht die Regelung im Einklang mit den von der Großen Beschwerdekammer zu Artikel 114 EPÜ entwickelten Grundsätzen zum Einspruchsbeschwerdeverfahren. So dient das Einspruchsbeschwerdeverfahren der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung (RdB V.A.5.11.1, insbesondere T 2102/08, Gründe 4.3, siehe G 9/91, G 10/91, insbesondere Gründe 18), und hat dementsprechend höhere Hürden für die Zulassung von Einwänden und Beweismitteln. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Zulassung von neuen Anträgen.

6.8 Aus den oben genannten Gründen ist für die Kammer die Argumentation der Einsprechenden, dass es einen Widerspruch zwischen Artikel 114 (2) Satz 2 EPÜ und Artikel 12 (6) VOBK gibt, nicht nachvollziehbar. Es handelt sich demnach bei den von der Einsprechenden formulierten Fragen weder um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, noch benötigt die Kammer Antworten von der Großen Beschwerdekammer, um in der Sache zu entscheiden. Daher wird der Antrag der Einsprechenden auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer zurückgewiesen.

7. Hauptantrag - Anspruch 1 - Zulassung der Dokumente D26, D27, D28a, D28b und D29

7.1 Die Einsprechende argumentiert, dass die Dokumente D26, D27 und D28a (in Verb. mit D28b), die mit der Beschwer-debegründung eingereicht wurden, neuheitsschädlich für Anspruch 1 und damit hoch relevant seien. D29 betreffe die Darstellung fachmännischen Allgemeinwissens in Bezug auf einen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ. So solle D29 belegen, dass ein Endoskop Stand- und Einzel-bilder erzeugen kann und nicht zwingend Videobilder aufnimmt. Die Dokumente seien zuzulassen, da sie als Reaktion auf die in der Entscheidung geäußerte Fest-stellung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags erfinderisch sei, eingereicht worden seien.

7.2 Wie die Patentinhaberin richtig festgestellt hat, ent-spricht Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 4. Zudem wurden die Dokumente D26, D27 und D28a und D28b von der Ein-sprechenden auch als neuheitsschädlich für den Gegen-stand des Anspruchs 1 des Hauptantrags, der dem An-spruch 1 in der erteilten Fassung entspricht, betrach-tet. Es wird angemerkt, dass auch andere Dokumente, z.B. D1, die gegen den Hauptantrag gerichtet wurden, sich auf Endoskope beziehen.

7.3 D29 wird für den Einwand der unzulässigen Erweiterung als nicht relevant angesehen, da Standbilder von Videobildern umfasst werden.

7.4 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass die Dokumente D26 bis D29 bereits vor Ablauf der Ein-spruchsfrist hätten eingereicht werden können und sollen. Darüber hinaus wurden sie auch nicht zum Zeit-punkt der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchs-abteilung vorgelegt, obgleich die Einschränkung auf ein Endoskop Teil der am 21. August 2019 eingereichten Hilfsanträge war.

Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdever-fahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, ist die angebliche hohe Relevanz der neu eingereichten Dokumente D26, D27, D28a und D28b ein Faktor, der nur in Ausnahmefällen deren Zulassung rechtfertigt. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier, wie oben ausgeführt, nicht vor.

7.5 Die Tatsache, dass die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK eine von der Meinung der Einspruchs-abteilung abweichende Ansicht zur Frage der Neuheit geäußert hat, stellt auch keinen außergewöhnlichen Umstand dar, der eine Zulassung der Dokumente recht-fertigen würde. Im Übrigen wurden die Dokumente schon mit der Beschwerdebegründung eingereicht, also lange bevor die Kammer ihre vorläufige Meinung mitgeteilt hat.

7.6 Bei der Frage der Zulassung der Dokumente spielt es im vorliegenden Fall auch keine Rolle, wie viel Zeit die Patentinhaberin hatte, sich mit ihnen auseinanderzu-setzen.

7.7 Dementsprechend übt die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 12(6) VOBK dahingehend aus, die Dokumente D26 bis D29 nicht zum Verfahren zuzulassen.

8. Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D7

8.1 Dokument D7 offenbart ein chirurgisches Navigations-system, in welchem der Benutzer eine Sonde ("probe 101") nicht nur als navigiertes chirurgisches Instru-ment benutzt, sondern auch als Eingabegerät, um damit einen Cursor auf einem virtuellen 2D-Benutzerinterface zur Kontrolle des Navigationssystems zu steuern (Seite 4, Zeilen 10 bis 12, Seite 7, Zeile 29 bis Seite 8, Zeile 1). Eine Videokamera ist dabei so an der Sonde angebracht, dass sie die Sondenspitze aufnimmt. Dabei werden sowohl der Patient als auch die Sonde mittels optischer Lokalisatoren 107, 108, 109 getrackt und die Lage der Sondenspitze in präoperativen Bilddaten visualisiert, während die Sondenspitze selbst in realen Bilddaten der Videokamera dargestellt wird, welchen virtuelle Bilder überlagert sind, um damit die realen Bilder zu verbessern (Seite 25, Zeilen 4 bis 6).

8.2 D7 offenbart nicht das Merkmal, dass das optische Gerät in präoperativen Planungsdaten visualisiert wird. In D7 wird lediglich die Lage der Sondenspitze 115 in prä-operativen Bilddaten visualisiert (Seite 11, Zeilen 9 bis 12, Abbildung 1).

Außerdem offenbart D7 auch nicht unmittelbar und ein-deutig, dass verdeckte Strukturen in den realen Bild-daten überlagert dargestellt werden. In D7 werden die virtuellen Bilder benutzt, um das reale Bild zu ver-bessern. Zwar wird auf Seite 1, Zeilen 15 bis 17, erwähnt, dass verdeckte Strukturen die Navigation erschweren können. Es wird aber nicht offenbart, dass die auf Seite 25 erwähnten virtuellen Bilder diese verdeckten Strukturen betreffen.

8.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber D7.

9. Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber D4

9.1 D4 ist das Benutzerhandbuch eines Navigationssystems, mit dem z.B. ein in den Kopf eines Patienten eingeführ-tes Mikroskop navigiert werden kann. Das von D4 beschriebene Gerät ist insbesondere für Tumorresek-tionen nutzbar, wie an mehreren Textstellen ausgeführt ist (Seite 25: "tumor resections", Seite 375, Abschnitt "Overview": "tumor removal", Seite 367, 2. Satz: "brain shift or resection").

Die Parteien sind sich einig, dass D4 die meisten Merkmale des in Anspruch 1 definierten Verfahrens offenbart. Strittig ist lediglich, ob auch das Merkmal "wobei verdeckte Strukturen in den realen Bilddaten überlagert dargestellt werden" in D4 offenbart ist.

Im Kapitel "Image Injection" (beginnend auf Seite 366) wird erklärt, dass reale, von der Videokamera des Mikroskops aufgenommene Bilder mit Konturen (Computer-generierten Bildern) überlagert dargestellt werden. Die Konturen eines in Sichtrichtung befindlichen Objekts (z.B. eines Tumors) werden als durchgezogene Linien dargestellt, wenn sich das Objekt in der Fokusebene befindet. Bereiche des Objekts, die sich hinter der Fokusebene befinden und die aufgrund der geringen Schärfentiefe des Mikroskop nur unscharf wahrgenommen werden, werden als gepunktete Linien dargestellt (Seite 366, Absatz 4). Im letzten Absatz der Seite 366 ist zudem beschrieben, dass die komplette Ausdehnung des Objekts unterhalb der Fokusebene durch gestrichelte Linien dargestellt ist. Die eingeblendeten Konturen des Objekts beruhen dabei auf präoperativen Daten, wie aus Seite 367, Absatz 2, hervorgeht.

Da ein Tumor zu Beginn der Resektion in umliegendes Gewebe eingebettet ist, ist die Kammer der Meinung, dass die gestrichelte Linie, die die komplette Aus-dehnung des Objekts anzeigt, auch Teile des Objekts umfasst, die verdeckt sind und möglicherweise erst im weiteren Verlauf der Resektion freigelegt werden. Die Daten, auf denen die Darstellung der Kontur beruht, wurden dabei vor der Operation gewonnen. Sie können daher nicht unterscheiden zwischen den Teilen des Tumors, die zu einem bestimmten Stadium der Resektion freigelegt und sichtbar sind, aber außerhalb der Fokus-ebene des Mikroskops liegen, und Teilen, die noch nicht freigelegt und daher verdeckt sind. Nach Ansicht der Kammer werden also mit der gestrichelten Kontur zumin-dest zu Beginn der Resektion zwangläufig auch Struk-turen dargestellt, die verdeckt sind.

D4 offenbart damit auch das Merkmal, dass verdeckte Strukturen in den realen Bilddaten überlagert darge-stellt werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht neu gegenüber D4.

10. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns

10.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von dem in D4 beschriebenen Verfah-ren dadurch, dass das optische Gerät ein Endoskop ist.

10.2 In der D4 ist das Einblenden von Strukturen in reale Bilder ("image injection") nur im Zusammenhang mit einem Mikroskop offenbart. Bei Mikroskopen ist die geringe Schärfentiefe ein Problem, weswegen die Konturen der außerhalb der Fokusebene liegenden Teile des Objekts als Orientierungshilfe eingeblendet werden. Endoskope werden dagegen üblicherweise in Hohlorganen bewegt und nehmen dort Bilder von den Innenseiten auf. Das Problem einer sehr geringen Schärfentiefe, die dazu führt, dass alles, was sich außerhalb der Fokusebene befindet, nur sehr unscharf dargestellt wird, tritt bei Endoskopen nicht auf.

10.3 Aufgrund dieser strukturellen Unterschiede ist es für den Fachmann ausgehend von D4 nicht naheliegend gewe-sen, statt des Mikroskops ein Endoskop zu verwenden und verdeckte Strukturen in ein von dem Endoskop aufgenom-menes Bild einzublenden.

10.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher ausgehend von D4 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

11. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4 in Kombination mit D8 - Zulassung des Einwands

11.1 Laut der Einsprechenden entspricht dieser, erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand dem Einwand unter Punkt 10, wobei lediglich das allgemeine Fach-wissen durch D8 belegt werden solle.

Außergewöhnliche Umstände, die das Vorbringen in diesem späten Verfahrensstadium rechtfertigen könnten, wurden nicht dargelegt.

11.2 Darüber hinaus wird dieser Einwand als nicht prima facie relevant angesehen, weil die Kombination der D4 mit dem allgemeinen Fachwissen die beanspruchte Erfin-dung nicht nahelegt, wie unter Punkt 10 ausgeführt. Daher übt die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 13(2) VOBK aus und beschließt, diesen Einwand nicht zuzu-lassen.

12. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7 in Kombination mit D6

12.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 un-terscheidet sich von dem in D7 beschriebenen Verfahren u.a. dadurch, dass das optische Gerät ein Endoskop ist und dieses in präoperativen Planungsdaten visualisiert wird.

12.2 In D7 ist das optische Gerät eine Videokamera, die so an einer Sonde angebracht ist, dass sie die Sonden-spitze aufnimmt. Dabei werden sowohl der Patient als auch die Sonde mittels optischer Lokalisatoren getrackt und die Lage der Sondenspitze in präoperativen Bild-daten visualisiert, während die Sondenspitze selbst in realen Bilddaten der Videokamera dargestellt wird. Das optische Gerät, also die Videokamera, wird nicht in präoperativen Planungsdaten visualisiert.

12.3 D6 bezieht sich zwar auf die Navigation eines Endoskops (Bronchoskop), das auch in präoperativen Daten darge-stellt wird (Abb. 7). Jedoch ist nicht ersichtlich, wie diese Lehre den Fachmann veranlassen sollte, die Sondenspitze der D7 durch ein Bronchoskop zu ersetzen und nicht nur dessen Lage, sondern auch die Ausrichtung zu visualisieren. Wenn überhaupt, würde der Fachmann der D6 entnehmen, die Videokamera der D7 durch ein Bronchoskop zu ersetzen. Das würde aber nicht zum beanspruchten Verfahren führen, da weiterhin die Lage der Probenspitze und nicht das Bronchoskop in den präoperativen Daten visualisiert würde.

12.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher ausgehend von D7 in Kombination mit D6 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in der folgenden Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1-13 des Hilfsantrags 1 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 30. Januar 2024

- Beschreibung: Absätze 1-12, 14-17, 19-21, 23, 27-38, 41-67, 69-74, 76, 77 und 79-89 der Patentschrift, und Absätze 13, 18, 22, 24-26, 39, 68, 75 und 78 eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2019

- Figuren 1-3 der Patentschrift.

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