T 0080/20 () of 25.4.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T008020.20230425
Datum der Entscheidung: 25 April 2023
Aktenzeichen: T 0080/20
Anmeldenummer: 15190213.7
IPC-Klasse: F28D 7/16
F28F 1/02
F28D 21/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WÄRMEÜBERTRAGER
Name des Anmelders: Mahle International GmbH
Name des Einsprechenden: VALEO SYSTEMES THERMIQUES
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 99(2)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (ja)
Spät eingereichter Einwand - wäre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (ja)
Spät eingereichte Tatsachen - Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen Zulassung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2117/18
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent mit der Nummer 3 009 780 betrifft einen Wärmeübertrager zur Kühlung einer Wärmequelle eines Kraftfahrzeugs.

II. Gegen das Patent wurde basierend auf den Einspruchsgründen unter Artikel 100 a) und b) EPÜ Einspruch eingelegt. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in der geänderten Fassung des Hauptantrags (damaliger Hilfsantrag 2) den Erfordernissen des EPÜ genügt.

III. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Einsprechende ("Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde. Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in seiner Gesamtheit zu widerrufen.

IV. Am 25. April 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Schlussanträge lauteten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Patentinhaberin ("Beschwerdegegnerin") beantragte die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig. Hilfsweise beantragte die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung oder hilfsweise in geänderter Fassung gemäß Hilfsanträgen 1-3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

V. Die folgenden Beweismittel sind relevant für die Entscheidung.

D1: JP 2000/356488

D1a: Englische Übersetzung von D1

D4: US 2004/0256090 A1

D10: DE 10 2006 053 702 A1

D12: US 2,877,000

D20: US 2009/277606 A1

Erstmals mit der Beschwerdebegründung wurde vorgebracht:

D22: US 2001/0017204 A1

VI. Antragsfassung, soweit für diese Entscheidung relevant

Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie aufrecht erhalten) lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt in "[]"):

"[1.1] Wärmeübertrager (1) zur Kühlung einer Wärmequelle eines Kraftfahrzeugs mit einen Kühlmittelströmungsweg (6) bildenden Kühlmittelkanälen (2) und einen Kältemittelströmungsweg (7) bildenden Kältemittelkanälen (3), wobei

[1.2] das Kältemittel C02 ist,

[1.3] der Kältemittelströmungsweg (7) zumindest einmal U-förmig umgelenkt ist,

[1.4] die Kältemittelkanäle (3) ein Verhältnis zwischen ihrer Wandstärke (w) und ihrem Durchmesser (d) von mindestens 0,4 aufweisen,

[1.5] ein zwischen zwei Kältemittelkanälen (3) vorhandener Steg (5) eine Breite b aufweist, die zumindest 40% des Durchmessers des Kältemittelkanals (3), vorzugsweise sogar 70%, besonders bevorzugt sogar 100% des Durchmessers des Kältemittelkanals (3) beträgt,

[1.6] die Kältemittelkanäle (3) in einem Sammler (8) gefasst sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

[1.7] der Sammler (8) Verteilkanäle aufweist, bei welchen gilt h/w1 < 3,0, insbesondere h/w1 < 1,5, wobei h die Höhe des Verteilkanals/Sammlers und w1 die Wandstärke des Sammlers sind und

[1.8] der Kühlmittelströmungsweg (6) zumindest einmal U-förmig umgelenkt ist."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde sei zulässig eingelegt, da die in der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags (dort: "Hilfsantrag 2") ausgeführten Argumente in der Beschwerdebegründung vollständig entkräftet würden.

b) Zulassung des Dokuments D22 und der damit begründeten Einwände / Angriffslinien unter Verwendung von D12

D22 und die damit begründeten Einwände seien in das Verfahren zuzulassen, da sie einerseits relevant für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung seien, und andererseits die Beschwerdeführerin erst mit der angefochtenen Entscheidung habe erkennen können, dass ihre anderen Einwände nicht durchgriffen.

Zur Substantiierung der mit D12 begründeten Einwände sollte es der Beschwerdeführerin erlaubt werden, in der mündlichen Verhandlung weitere Ausführungen zu machen.

c) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 oder D4 in Kombination mit D10 sowie zusätzlich mit D20. D1 sei ein geeigneter Ausgangspunkt. Die Unterscheidungsmerkmale [1.7] und [1.8] begründeten unabhängige Teilaufgaben. Merkmal [1.7] werde von der Lehre von D10, Absätze [0034] und [0040] nahegelegt, Merkmal [1.8] sei durch die Offenbarung von D20 nahegelegt. Dieselben Überlegungen gälten analog ausgehend von D4, wobei das zusätzlich unterscheidende Merkmal [1.3] eine fachübliche Maßnahme sei.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde sei nicht zulässig eingelegt, da keine einzige Angriffslinie ausreichend substantiiert vorgetragen worden sei. Insbesondere fehle jedwede Argumentation bezüglich eines angeblichen Naheliegens der Kombination aus D4 mit den Merkmalen eines der Dokumente D6-D11, insbesondere D10. Dass D4 das Merkmal 1.3 nicht offenbare, werde in der Beschwerdebegründung überhaupt nicht thematisiert und D1 als nächstliegender Stand der Technik nicht abgehandelt. Daher sei die Begründung technisch und patentrechtlich unvollständig und nicht nachvollziehbar.

b) Zulassung des Dokuments D22 und die hierauf begründeten Einwände / Angriffslinien unter Verwendung von D12

Das Dokument D22 und die hierauf basierenden Einwände seien aufgrund verspäteten Vorbringens nicht in das Verfahren zuzulassen. Zudem seien die Angriffslinien basierend auf dem Dokument D12 bislang im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert worden und daher ebenfalls nicht zuzulassen.

c) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Weder D1 noch D4 seien geeignete Ausgangspunkte. Beide Dokumente erfüllten bereits nicht die Eignungsbezeichnung von Merkmal [1.1]. Zudem sei die Aufteilung in unabhängige Teilaufgaben bezüglich der Merkmale [1.7] und [1.8] nicht gerechtfertigt. D10 offenbare nicht eindeutig den Bereich von Merkmal [1.7] und D20 offenbare nicht eindeutig eine u-förmige kühlmittelseitige Strömungsumlenkung. Weiterhin seien die kammförmigen Strömungsleitelemente in D20 nicht kompatibel mit den wellförmigen Strömungsleitelementen in D1 und D4. D4 weise zudem das Merkmal [1.3] nicht auf.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig eingelegt.

1.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die Beschwerde sei mangels Begründung gemäß Regel 99(2) EPÜ als unzulässig unter Regel 101(1) EPÜ zu verwerfen.

Sie führt hierzu aus, dass keine einzige Angriffslinie ausreichend substantiiert sei. Insbesondere beziehe sich die Beschwerdebegründung bezüglich des Einwandes mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht auf eine Kombination der Dokumente D4 (oder D1) mit D10 und D20, da sie zwar Ausführungen zu D4 und D20, nicht jedoch zu D10 (oder einem der anderen Dokumente D6 bis D11) enthalte. Somit fehle eine Argumentation bezüglich des Unterscheidungsmerkmals [1.7]. Auch sei in der Beschwerdebegründung nicht auf das Unterscheidungsmerkmal [1.3] zu D4 eingegangen worden und D1 als nächstliegender Stand der Technik gar nicht thematisiert worden.

1.2 Diese Argumentation überzeugt nicht. Zwar ist gemäß Artikel 108 Satz 3 und EPÜ Regel 99(2) EPÜ eine Substantiierung der Beschwerde erforderlich. Eine lediglich zu Teilaspekten unzureichende Beschwerdebegründung steht der Zulässigkeit der Beschwerde einer Einsprechenden jedoch nicht entgegen, da die Zulässigkeit der Beschwerde nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden kann (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10.Auflage 2022, V.A.2.6.3 a) und d). In der Regel ist zumindest ein erkennbarer Zusammenhang zwischen der angefochtenen Entscheidung und den zusätzlich angeführten Argumenten in der Beschwerdebegründung erforderlich.

1.3 Ein solcher Zusammenhang besteht im vorliegenden Fall, da in der Beschwerdebegründung direkt auf die einzelnen Entscheidungsgründe und die entsprechende Argumentation in der Entscheidung Bezug genommen wird (vgl. Einwand mangelnder erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Kombination der Dokumente D4 und D1 mit D20 und "any of D6-D11"): Beschwerdebegründung, Punkt 1.1 und Entscheidung, Punkte II.3.1 bis 3.5).

1.4 Soweit die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass nicht der vollständige Angriff in der Beschwerdebegründung vorgetragen wurde, ist anzumerken, dass die angefochtene Entscheidung diesbezüglich ebenfalls unvollständig ist. In der Entscheidung bleibt bei der Prüfung von Hilfsantrag 2 das Unterscheidungsmerkmal [1.7] unberücksichtigt. Hierzu wird - abgesehen davon, dass die Unterscheidungsmerkmale nicht explizit genannt werden - weder ausgeführt, ob Merkmal [1.7] bezüglich dem anderen Unterscheidungsmerkmal [1.8] als unabhängiges Teilproblem angesehen werden kann, noch wird ein Rückbezug zur Diskussion des Merkmals [1.7] für den Hauptantrag hergestellt (bezüglich des Hauptantrags, der ebenfalls Merkmal [1.7] umfasst, hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D1 in Kombination mit der Lehre der D10 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht). Auch hinsichtlich des zu D4 zusätzlichen Unterscheidungsmerkmals [1.3] wird nichts ausgeführt. Somit wird in der angefochtenen Entscheidung bezüglich des aufrechterhaltenen Hilfsantrags letztendlich nur die Frage des Naheliegens einer Kombination der D4 (oder der D1) mit der Lehre der D20 (oder D12) hinsichtlich des Merkmals [1.8] abgehandelt. Genau auf die Frage des Naheliegens der Kombination D4 mit der Lehre der D20 beziehen sich die Gegenargumente der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung (vgl. Punkt 1.1 - "most straightforward implementation of D20 teaching into D4 can be seen below as depicted in Fig. A").

1.5 Fehlt in einer Beschwerdebegründung lediglich ein Vortrag zu Tatsachen - hier zum erfinderischen Beitrag der Merkmale 1.3 und 1.7 (in Verbindung mit der Lehre der D10) -, die jedoch in der angefochtenen Entscheidung selbst nicht behandelt werden, bewirkt dies nicht die Unzulässigkeit der Beschwerde wegen mangelnder Substantiierung. Defizite in der Begründung der angefochtenen Entscheidung können sich nicht dahingehend zu Lasten einer Partei auswirken, dass dies zu erhöhten Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Beschwerde führt.

1.6 Nachdem die Überprüfung lediglich eines in der Entscheidung als nicht überzeugend angesehenen Angriffs im Beschwerdeverfahren grundsätzlich den Antrag der beschwerdeführenden Einsprechenden nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen könnte, ist die Beschwerdebegründung jedenfalls hinsichtlich der Angriffslinie "D4 (oder D1) mit D10 und D20" ausreichend substantiiert. Inwieweit die vorgebrachte Argumentation überzeugend ist, ist im Hinblick auf das Erfordernis der Substantiierung unerheblich.

2. Nichtzulassung des Dokuments D22 und der hierauf begründeten Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit

Erstmalig mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin das Dokument D22 vor und machte unter dessen Verwendung folgende Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend:

- D1 als Ausgangspunkt in Verbindung mit der Lehre von D10 sowie zusätzlich mit D22

- D4 als Ausgangspunkt in Verbindung mit der Lehre von D10 sowie zusätzlich D22

Diese Angriffslinien sowie das Dokument D22 werden aus folgenden Gründen nach Artikel 12 (4) und (6) VOBK 2020 nicht in das Verfahren zugelassen.

2.1 Der Anspruchssatz des Hauptantrags wurde seitens der Beschwerdegegnerin bereits in ihrer Einspruchserwiderung als "Hilfsantrag 1" eingereicht. In ihrem Ladungsbescheid hatte die Einspruchsabteilung diesen Antrag als nicht erfinderisch bewertet, ohne jedoch hierzu Ausführungen zu machen. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der Hauptantrag (in der Entscheidung jetzt "Hilfsantrag 2") auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

2.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, sie habe erstmals mit der angefochtenen Entscheidung erkannt, dass ihre Einwände gegen den Hauptantrag nicht durchgriffen. Somit müsse ihr neues Vorbringen zugelassen werden.

2.3 Dem ist nicht zuzustimmen. Gemäß Artikel 12(6) VOBK 2020 hat die Kammer Ermessen, Beweismittel und Einwände, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären, nicht zuzulassen. Die Beschwerdeführerin muss im Einspruchsverfahren jederzeit und auch in Kenntnis einer anderslautenden vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung damit rechnen, dass ihre Einwände nicht durchgreifen. Daher hätte sie D22 und die hierauf basierenden Einwände bereits in Reaktion auf die Einspruchserwiderung, zumindest aber vor - und allerspätestens während - der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren vorbringen können und müssen. Besondere Gründe, die die Beschwerdeführerin hiervon abgehalten hätten, sind nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgebracht.

2.4 Ergänzend hält die Kammer im Sinne einer prima facie Prüfung der Relevanz von Dokument D22 im Rahmen von Artikel 12 (4) VOBK 2020 fest, dass die unter anderem in den Figuren 45 bis 47 dargestellten und in Hauptströmungsrichtung mäanderförmige verlaufenden Strömungslinien, erzeugt durch strömungsleitende Ausnehmungen ("louvers") in den Wärmeübertragerelementen, nicht als U-förmige Umlenkung im Sinne von Merkmal [1.8] angesehen werden können.

3. Nichtzulassung neuer Argumente zur erstmaligen Substantiierung der Einwände unter Verwendung von D12

Erstmalig in der mündlichen Verhandlung hatte die Beschwerdeführerin folgende Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit unter Verwendung von D12 konkretisiert und angekündigt, Ausführungen zur deren Substantiierung machen zu wollen:

- D1 als Ausgangspunkt in Verbindung mit der Lehre von D10 sowie zusätzlich mit D12

- D4 als Ausgangspunkt in Verbindung mit der Lehre von D10 sowie zusätzlich mit entweder D12

Ein entsprechender Vortrag bezüglich der Substantiierung der Einwände wurde von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zugelassen.

3.1 In der Beschwerdebegründung findet D12 lediglich einmal Erwähnung (Seite 5, letzte Zeile), und zwar in Zusammenhang mit einem Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1 und D4. Hier erwähnt die Beschwerdeführerin das Dokument D12 lediglich einmal als Alternative zu D20 ("It [Die Lehre von D18 = D4] was not taken into account when assessing whether D1 or D4 would be combined with D20 or D12").

3.2 Die Kammer hat bereits Zweifel, ob diese Erwähnung von D12 in der Beschwerdebegründung überhaupt als Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Sinne der oben genannten Angriffslinien verstanden werden kann.

3.3 Selbst wenn man dies zu Gunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, fehlte im Beschwerdeverfahren bis zur mündlichen Verhandlung jegliche Substantiierung dieser Einwände (vgl. T 2117/18, Nr. 2.2.4 der Gründe). Damit ist eine Grundvoraussetzung zur Überprüfung von Einwänden im Beschwerdeverfahren nicht gegeben, welche bereits für die Beschwerdebegründung gemäß Artikel 12(3) VOBK ein "vollständiges Vorbringen" erfordert. Jeder Versuch einer Substantiierung erst in der mündlichen Verhandlung führt zum Vorbringen neuer Tatsachen und ist somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens unter Artikel 13(2) VOBK 2020 (vgl. T 2117/18, Nr. 2.2.17 der Gründe), für die außergewöhnliche Umstände weder vorliegen noch geltend gemacht wurden.

3.4 Die Angriffslinien unter Verwendung von D12 werden somit nicht berücksichtigt.

4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin macht folgende Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend:

- D1 als Ausgangspunkt in Verbindung mit der Lehre von D10 sowie zusätzlich mit D20

- D4 als Ausgangspunkt in Verbindung mit der Lehre von D10 sowie zusätzlich mit entweder D20

Aus folgenden Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags im Hinblick auf diese Einwände auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.1 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1

4.1.1 Eignung von D1 als Ausgangspunkt

Anspruch 1 definiert einen "Wärmeübertrager zur Kühlung einer Wärmequelle eines Kraftfahrzeugs" mit "Kühlmittelströmungsweg" und "Kältemittelströmungsweg". Zudem wird noch das Kältemittel als Kohlendioxid spezifiziert.

Auch D1 betrifft einen Wärmetauscher mit einem Kältemittelkreislauf mit CO2 als Kältemittel. Zudem ist D1 wie auch das Patent auf Automobilanwendungen gerichtet (D1a, Absatz [0001]). In dem als zum Betrieb als Kondensator vorgeschlagenen Wärmetauscher in D1 wird Luft als Kühlmittel für das Kältemittel verwendet.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass D1 einen Wärmetauscher für eine direkte Kühlung in einer Klimaanlage beträfe, während Anspruch 1 des Patents auf einen Wärmetauscher für eine indirekte bzw. zweistufige Kühlung gerichtet sei. Zudem sei Anspruch 1 auf einen Verdampfer gerichtet. Daher würde die Fachperson zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 nicht von D1 ausgehen.

D1 ist jedoch auch aus Sicht der Fachperson ein geeigneter Ausgangspunkt. Anspruch 1 verlangt lediglich, dass der Wärmetauscher im Kontext der Kühlung einer Wärmequelle eingesetzt wird. Zwar wird durch die Verwendung des Kältemittels impliziert, dass der Wärmetauscher zum Einsatz in einem Kältekreislauf geeignet sein muss, jedoch nicht, ob er als Verdampfer oder Kondensator dieses Kreislaufs vorzusehen ist. Auch ist weder die Wärmequelle noch das Kühlmittel näher spezifiziert. Der Anspruch ist somit nicht spezifisch auf ein zweistufiges System mit je einem Kühlmittel- und einem Kältemittelreislauf gerichtet, sondern betrifft auch "offene" Kühlmittelsysteme wie solche unter Verwendung von Luft und erfüllt somit die Eignung gemäß Merkmal [1.1].

Auch wenn die Anwendung (Kühlung der Innenraumluft) nicht als Wärmequelle im Sinne von Anspruch 1 auslegbar ist, so ist dennoch die Eignung zur Kühlung einer (nicht näher spezifizierten) Wärmequelle unzweifelhaft vorhanden. Denn wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, umfasst Merkmal [1.1] mit der Formulierung "zur Kühlung einer Wärmequelle eines Kraftfahrzeugs" lediglich eine Eignungsbezeichnung. Die technischen Merkmale von Anspruch 1 selbst beschränken sich auf die Merkmale des Wärmetauschers; Merkmale zu einer dichten Weiterführung des Kühlmediums, einem zweiten Wärmetauscher an der "Wärmequelle" oder gar einer Kreislaufführung des Kühlmittels sind nicht Teil des Gegenstands von Anspruch 1. Zudem hat die Beschwerdegegnerin keine Ausführungen dazu gemacht, ob und ggf. warum der in D1 offenbarte Wärmetauscher strukturell ungeeignet für die in Anspruch 1 beanspruchte Eignungsbezeichnung ist.

4.1.2 Unterscheidungsmerkmale

Wie zuvor ausgeführt, stellt die Eignungsbezeichnung in Merkmal [1.1] kein Unterscheidungsmerkmal dar. Unstreitig sind auch die Merkmale [1.2] bis [1.6] in D1 - insbesondere in der Ausführungsform der Figur 8 - offenbart.

Ebenfalls unstreitig ist, dass die Merkmale [1.7] sowie [1.8] der D1 nicht zu entnehmen sind. Vielmehr sind in D1 kühlmittelseitig gar keine An- oder Abströmvorrichtungen und somit auch keine Strömungsumleitung dargestellt.

4.1.3 Objektive technische (Teil-)Aufgaben

Den Unterscheidungsmerkmalen [1.7] und [1.8] werden die folgenden Teilaufgaben zugeordnet:

- Merkmal [1.7]: Bereitstellung einer erhöhten Druckstabilität (Entscheidung II.2.4, Seite 7)

- Merkmal [1.8]: Verbesserung des Wärmeaustauschs (Entscheidung II.3.2, Seite 11)

Sie entsprechen auch den im Patent genannten Aufgaben, vgl. für Merkmal [1.7] z.B. Absatz [0022] und für Merkmal [1.8] Absätze [0019] und [0020]).

Soweit die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass beide Unterscheidungsmerkmale auf eine gemeinsame Aufgabe gerichtet seien, nämlich "einen Wärmetauscher

für eine kompakte und effiziente Kühlung bereitzustellen", ist dem nicht zuzustimmen. Das von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte synergistische Zusammenwirken der Merkmale [1.7] und [1.8], das die Formulierung einer solchen gemeinsamen Aufgabe rechtfertigen würde, ist weder belegt noch überzeugend. Zwar führt eine Druckauslegung im Optimum im Gegensatz zur Überdimensionierung auch zu einer möglichst kompakten Bauform bezüglich des Druckfestigkeitsziels. Dies ergibt zusammen mit der Vorsehung der Umlenkung jedoch keinen über einen rein additiven Effekt hinausgehenden Beitrag bezüglich der kompakten Bauform.

4.1.4 Merkmal [1.7] - Offensichtlichkeit

Eine Modifikation des in D1 offenbarten Wärmetauschers im Sinne des Merkmals [1.7] wird - im Gegensatz zur Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung - aus der Lehre von D10 nicht nahegelegt.

Die Schlussfolgerung in der Entscheidung basiert insbesondere auf den in den Absätzen [0034] und [0040] offenbarten Einzelwerten der Höhe des Verteilkanals "DL" und der Wandstärke "TL". Hieraus lässt sich, soweit unstreitig, ein Verhältnis DL/TL (entsprechend h/w1) berechnen, welches im beanspruchten Bereich liegt. Wie von der Beschwerdegegnerin jedoch zutreffend festgestellt, offenbart Absatz [0040] von D10 zusätzlich konkrete Werte des (Kehrwertes des) beanspruchten Verhältnisses selbst. Diese Werte liegen deutlich außerhalb des beanspruchten Bereichs (selbst der für die Beschwerdeführerin günstigste Wert 0,085 entspricht einem Verhältnis von h/w1 = 11,7 und somit mehr als dem Dreifachen der beanspruchten oberen Bereichsgrenze).

Somit ergibt sich aus D10 bezüglich des Verhältnisses aus Wandstärke und Kanaldurchmesser gerade keine eindeutige Lehre zu dem in Merkmal [1.7] beanspruchten Bereich. Auch wenn das offenbarte Verhältnis im Widerspruch zu den offenbarten Einzelwerten steht, so kann auf Basis der Offenbarung von D10 nicht eindeutig abgeleitet werden, dass gerade die in Absatz [0040] genannten Werte des Verhältnisses fehlerhaft sind. Auch die schematische Darstellung in Figur 5 kann hierzu keine ausreichend eindeutige Offenbarung beitragen.

4.1.5 Merkmal [1.8] - Offensichtlichkeit

Eine Modifikation des in D1 offenbarten Wärmetauschers im Sinne des Merkmals [1.8] wird aus der Lehre von D20 - wie auch in der angegriffenen Entscheidung argumentiert - nicht nahegelegt.

D20 offenbart einen Wärmetauscher mit einen Strömungsweg für Kältemittel wie CO2 (Absatz [0013]) bildenden Kältemittelkanälen in einem Wärmetauscherrohr ("tube 18"), wobei der Strömungsweg u-förmig umgelenkt ist (siehe z.B. Figur 3). Weiterhin ist ein Kühlmittelströmungsweg 24 vorgesehen, der mittels kammartig ausgeformter Umlenkbleche ("comb-like baffles 34") mehrfach umgelenkt wird (siehe Absätze [0016] und [0020], "serpentine flow path"). Streitig war, ob diese Umlenkungen einen u-förmigen Strömungsweg begründen.

Dies kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn es ist bereits nicht überzeugend, dass die Fachperson die in D20 offenbarten Umlenkbleche für eine Modifikation des Wärmetauschers in D1, Figuren 8 und 9, als geeignet befinden würde.

Es kann zwar unterstellt werden, dass die Fachperson auch ohne expliziten Hinweis in D20 erkennt, dass die hier offenbarten Umlenkbleche zur Verbesserung des Wärmeübergangs (längere Kontaktzeiten durch längeren Strömungsweg) beitragen. Der Wärmetauscher in D1, Figur 8 und 9, weist jedoch in dem zwischen den Wärmetauscherrohren gebildeten Kühlmittelströmungsweg bereits gewellte Strömungsleitmittel 54 ("fin") auf, die sich von Kühlmitteleinlass zum Kühlmittelauslass durchziehen. Diese prägen der Strömung eine definierte Richtung auf, so dass kammförmige Strömungsleitbleche hier nicht mehr strömungsleitend eingreifen können. Die Vorsehung der kammartigen Bleche bliebe daher wirkungslos bezüglich der bereits vorgesehenen gewellten Strömungsleitmittel. Zudem erfordern die durchgehenden Strömungsleitmittel von D1 zwingend eine Umlenkung erst im Kopfraum. Aus D20 wird jedoch nicht deutlich, ob überhaupt ein- und austrittsseitig zur Umlenkung geeignete Kopfräume vorgesehen sind. Entsprechende Kopfräume sind in der Ausführungsform von D20 nicht zwingend erforderlich, da die Strömungsumlenkung bereits im Bereich der Rohre erfolgt.

Aus der Patentpublikation D20 lässt sich zudem auch kein allgemeines Fachwissen zur Strömungsumlenkung ableiten, welches eine Modifikation des Wärmetauschers von D1 im Sinne von Merkmal [1.8] losgelöst von der spezifischen Lösung in D20 nahelegen würde.

4.2 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4

Es ist unstreitig, dass D4 die Merkmale [1.7] und [1.8] ebenfalls nicht offenbart. Im Gegensatz zu D1 als Ausgangspunkt offenbart D4 jedoch auch keine kältemittelseitige u-förmige Strömungsumlenkung gemäß Merkmal [1.3].

Da in dem Wärmetauscher von D4 wie auch in D1 gewellte Strömungsleitelemente eingesetzt werden ("fins 4"), ergeben sich für die Unterscheidungsmerkmale [1.7] und [1.8] die zu D1 als Ausgangspunkt gemachten Überlegungen in analoger Weise.

Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auch ausgehend von D4 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Da keiner der Einwände gegen den Hauptantrag durchgreift, ist die Beschwerde nicht begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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