T 0014/20 () of 24.7.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T001420.20200724
Datum der Entscheidung: 24 Juli 2020
Aktenzeichen: T 0014/20
Anmeldenummer: 16164932.2
IPC-Klasse: B65B31/02
B65B59/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR VERPACKUNG VON LEBENSMITTELN
Name des Anmelders: Webomatic Maschinenfabrik GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 106(1) (2007)
European Patent Convention R 99(2) (2007)
European Patent Convention R 115(2) (2007)
RPBA2020 Art 012(2) (2020)
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
RPBA2020 Art 015(1) (2020)
RPBA2020 Art 015(3) (2020)
RPBA2020 Art 024 (2020)
RPBA2020 Art 025(1) (2020)
RPBA2020 Art 025(2) (2020)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
European Patent Convention Art 113(1) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Mündliche Verhandlung - Fernbleiben eines Beteiligten
Spät eingereichter Antrag - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja)
Spät eingereichter Antrag - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte frist- und formgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 31. Juli 2019 ein, welche die europäische Patentanmeldung 16 164 932.2 zurückgewiesen hatte.

II. Die Anmeldung wurde als nicht patentfähig angesehen, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu im Sinne des Artikels 54 (1) und (2) EPÜ gegenüber dem Dokument

D3: WO 2004/009475 A1

ist.

III. Die Beschwerdeführerin hatte auf den zuvor ergangenen Prüfungsbescheid vom 1. Februar 2019 keine Stellungnahme oder Änderungen eingereicht, sondern eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin erstmalig Ansprüche eines Hilfsantrags ein.

V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 nahm die Kammer zur Sach- und Rechtslage vorläufig Stellung und erörterte die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und die Zulässigkeit des neu eingereichten Anspruchsatzes gemäß Hilfsantrag mit Blick auf Artikel 12 (4) VOBK 2007. Gleichzeitig beraumte die Kammer nach zuvor erfolgter telefonischer Rücksprache mit dem Vertreter der Beschwerdeführerin für den 24. Juli 2020 eine mündliche Verhandlung an.

VI. Am 18. Juni 2020 reichte die Beschwerdeführerin in Reaktion auf die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 einen weiteren Hilfsantrag 1a ein, nahm aber keine Kommentare zu der vorläufigen Stellungnahme der Kammer vor, noch bestritt sie diese.

VII. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020 kündigte die Beschwerdeführerin an, dass von ihrer Seite niemand an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen wird. Die Kammer informierte daraufhin telefonisch die Beschwerdeführerin am 8. Juli 2020, dass sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung festhält.

VIII. Am 24. Juli 2020 fand in Abwesenheit der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragt zuletzt

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchsatzes (Hauptantrag),

hilfsweise

die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber dem recherchierten Stand der Technik ist (Hilfsantrag 1),

weiter hilfsweise

die Erteilung eines Patents auf Grundlage des mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 als "Hilfsantrags 1a" eingereichten Anspruchsatzes (Hilfsantrag 2) oder des mit der Beschwerdebegründung als "Hilfsantrag" eingereichten Anspruchsatzes (Hilfsantrag 3).

X. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung (100) zur Verpackung von Lebensmitteln, umfassend

eine Ablageebene (101) für Verpackungen und Ablagemittel (103; 105) für einen Verschlussbereich der Verpackungen,

wobei die Ablagemittel (103; 105) mehrere stabförmige erste Ablageelemente (103) umfassen,

wobei die Vorrichtung (100) ein Transportband umfasst, wobei die Ablageebene (101) ein Oberflächenteilbereich des Transportbands ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

jeweils zwischen zwei der ersten Ablageelemente (103) ein Freiraum ist und dass die ersten Ablageelemente (103) parallel oder v-förmig zueinander angeordnet sind."

XI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass er zusätzlich das Merkmal enthält

"wobei eine erste Gruppe der ersten Ablageelemente (103) einem ersten seitlichen Rand der Ablageebene (101) näher angeordnet ist als einem zweiten seitlichen Rand der Ablageebene (101),

wobei eine zweite Gruppe der ersten Ablageelemente (103) dem zweiten seitlichen Rand der Ablageebene (101) näher angeordnet ist als dem ersten seitlichen Rand, und

wobei der erste seitliche Rand dem zweiten seitlichen Rand gegenüber angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass die ersten Ablageelemente (103) der ersten Gruppe parallel zueinander angeordnet sind und dass die ersten Ablageelemente (103) der zweiten Gruppe parallel zueinander angeordnet sind."

XII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass er zusätzlich das Merkmal des ursprünglich offenbarten Anspruchs 11 enthält,

"dass die Ablagemittel (103) zweite Ablageelemente (105) umfassen, wobei die zweiten Ablageelemente (105) jeweils in einem ersten Teilbereich zwischen den ersten Ablageelementen (103) und in einem zweiten Teilbereich zwischen den ersten Ablageelementen (103) und dem Schweißmittel (104) angeordnet sind."

XIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin, die die Feststellungen der Prüfungsabteilung bestreitet, wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Überarbeitete Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen

Das Beschwerdeverfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), einschließlich Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020, jedoch mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

2. Rechtliches Gehör

Obwohl die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin nicht an der mündlichen Verhandlung teilnahm, wurde das Prinzip des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ nicht verletzt, da es ausreicht, dass sie die Gelegenheit dazu hatte, gehört zu werden. Durch das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verzichtet die fernbleibende Partei auf diese Möglichkeit (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, Abschnitt V.A.4.5.3 a)).

Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin sich schriftlich geäußert, und dieses Vorbringen ist in dieser Entscheidung berücksichtigt.

Das Verfahren konnte daher gemäß Regel 115 (2) EPÜ und Artikel 15 (3) VOBK 2020 ohne die Beschwerdeführerin fortgesetzt werden.

3. Hauptantrag

3.1 In der in Punkt V oben erwähnten Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 hat die Kammer dargelegt, warum sie sich nicht den Argumenten der Beschwerdeführerin zur Unrichtigkeit der Feststellungen der Prüfungsabteilung anzuschließen vermag (siehe dort Punkt 6).

3.2 Die Kammer teilt darin das Verständnis der Prüfungsabteilung zu dem Anspruchsmerkmal "stabförmig", der im allgemeinen Sprachgebrauch eine generische Beschreibung der Beschaffenheit eines länglichen Körpers ist, die unter anderem auch längliche Körper mit rundem Querschnitt, aber eben auch mit anderen Querschnitten umfasst. Diesem breiten Verständnis steht weder die Definition noch der Gebrauch des Begriffs in der Anmeldung entgegen.

3.3 Entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführerin, dass bei der Vorrichtung nach D3 zwischen den Bauteilen 46/66 und 48/68 kein Freiraum, sondern eine Klammer 78 angeordnet sei, ist die Kammer zu der Auffassung gekommen, dass die Klammer 78 einen zwischen den Bauteilen 46 und 66 bzw. 48 und 68 bestehenden Freiraum überbrückt (vgl. insbesondere Fig. 11 zusammen mit der Seite 5, Zeilen 14 bis 16, und der Seite 7, Zeilen 20 bis 24).

3.4 Die Kammer folgt zudem nicht dem Argument der Beschwerdeführerin, dass eine Kombination zwischen den Bauteilen 46/48 und 66/68 jeweils nicht als Ablageelemente eines Ablagemittels im Sinne der vorliegenden Anmeldung aufgefasst werden könne, weil gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags das Ablagemittel für einen Verschlussbereich der Verpackungen ausgebildet sein solle und bei der Vorrichtung gemäß D3 kein Verschlussbereich gleichzeitig auf den Elementen 46 und 48 oder 66 und 68 aufliegen könne, so dass dann die Vorrichtung nicht dazu geeignet sei, diesen Verschlussbereich zu verschweißen.

Anspruch 1 spricht lediglich von Ablagemitteln für einen Verschlussbereich der Verpackungen. Diese Ablagemittel umfassen eine Mehrzahl von Ablageelementen. Es ist der Kammer nicht ersichtlich, warum es nur einen einzigen Verschlussbereich geben sollte, oder warum dieser alleinige Verschlussbereich möglicherweise gleichzeitig auf allen Ablageelementen aufliegen müsse.

Es ist aus Sicht der Kammer ausreichend, dass ein Verschlussbereich einer Verpackung auf einem der Ablageelemente aufliegen kann. Aus D3, Seite 7, Zeilen 14 bis 24, ergibt sich unmittelbar, dass Verschlussbereiche (bezeichnet als "open ends") im Laufe der Prozessierung auf den Bauteilen 46 und 48 oder 66 und 68 aufliegen. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Bauteile 46, 48, 66 und 68 jeweils als Ablageelemente der Ablagemittel für einen Verschlussbereich im Sinne des Anspruchs 1 verstanden werden können.

3.5 Die Kammer ist auch nicht von dem Argument der Beschwerdeführerin überzeugt, dass die Bauteile 66 und 68 nicht als Ablageelemente der Ablagemittel im Sinne des Hauptantrags aufgefasst werden können, da dann das Ablagemittel nicht für einen Verschlussbereich der Verpackungen ausgebildet wäre. Die Beschwerdeführerin hat dazu vorgetragen, dass ein einziger Verpackungsbereich schließlich nicht gleichzeitig auf beiden Bauteilen 66 und 68 aufliegen könne.

Die Kammer ist vielmehr zu der Überzeugung gekommen, dass sich aus dem Anspruch nicht zwingend die Notwendigkeit eines einzigen und womöglich auch zusammenhängenden Verschlussbereichs ergibt.

3.6 Schließlich ist das Argument der Beschwerdeführerin, dass in D3 die Bauteile 48/68 und 46/66 nicht parallel zueinander, sondern hintereinander, miteinander fluchtend angeordnet sind, aus Sicht der Kammer nicht entscheidungserheblich, denn die Kammer teilt die Feststellung der Prüfungsabteilung, dass jedenfalls die Bauteile 46 und 48 bzw. 66 und 68 jeweils parallel zueinander angeordnet sind. Dies scheint im Übrigen auch die Beschwerdeführerin anzuerkennen (Beschwerdebegründung, Seite 5, letzter Satz). Somit beschränkt sich ihr Argument im Ergebnis darauf, dass nach Ansicht der Beschwerdeführerin die genannten Bauteile keine Ablageelemente der Ablagemittel im Sinne des Anspruchs 1 darstellen. Dass die Kammer zu diesem Argument der Beschwerdeführerin nicht folgt, ist im vorgenannten Punkt 3.4 ausgeführt.

3.7 Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer wurde von der Beschwerdeführerin weder weiter kommentiert noch während des Beschwerdeverfahrens bestritten.

Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen, und bestätigt diese.

4. Hilfsantrag 1

Die unter Punkt 2 erfolgten Feststellungen in Hinblick auf den Hauptantrag gelten gleichermaßen für den von der Beschwerdeführerin gestellten Hilfsantrag 1, mit dem sie begehrt, die Anmeldung mit Feststellungen zur Neuheit der Ansprüche gemäß Hauptantrag gegenüber dem Dokument D3 an die Prüfungsabteilung zurückzuweisen (siehe auch Punkt 6.6 der in Punkt V oben erwähnten Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020).

5. Hilfsantrag 2

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 18. Juni 2020 erstmalig den Hilfsantrag 2 eingereicht. Sie rechtfertigt das Einreichen zu diesem späten Verfahrenszeitpunkt damit, dass die Mitteilung der Kammer ihr dazu Anlass geboten hätte, weil in der Mitteilung Argumentationen vorgetragen würden, die der Beschwerdeführerin neu seien.

Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat die Prüfungsabteilung jedoch in dem Prüfungsbescheid vom 18. April 2018 unter Ziffer 2.1 und in dem Prüfungsbescheid vom 1. Februar 2019 unter Ziffer 1.1 die Ablageelemente 46, 48, 66 und 68 aus D3 als stabförmig im Sinne der Erfindung angesehen, wobei sie ausdrücklich auf die Definition des Begriffs "stabförmig" gemäß der Definition der Anmeldung auf Seite 2, Zeilen 21 bis 25, der ursprünglichen Beschreibung hinweist. Nichts anderes hat die Kammer unter Ziffer 6.1, Absatz 2, der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 ihrer Beurteilung zugrundegelegt.

Ebenso ist die Behauptung der Beschwerdeführerin nicht zutreffend, dass erstmalig die Kammer die Auffassung vertreten habe, dass die Klammer 78 aus D3 einen Freiraum überbrücke. Dazu hat die Prüfungsabteilung, ebenfalls im Prüfungsbescheid vom 1. Februar 2019 unter Ziffer 1.1, ausdrücklich darauf hingewiesen, "dass auch zwischen den Ablageelementen 66 und 46 sowie zwischen 48 und 68 trotz der Klammer 78 ein Freiraum ist, der in den Figuren 1 und 11 erkennbar ist".

Schließlich war auch die Argumentation der Kammer, dass die Bauteile 46, 48, 66 und 68 aus D3 jeweils als Ablageelemente der Ablagemittel für einen Verschlussbereich verstanden werden können, bereits Grundlage der Argumentation der Prüfungsabteilung in dem Prüfungsbescheid vom 18. April 2018 unter Ziffer 2.1 und in dem Prüfungsbescheid vom 1. Februar 2019 unter Ziffer 1.1. Die angefochtene Entscheidung beruht auf beiden Bescheiden.

Die Kammer kann daher keine stichhaltigen Gründe dafür erkennen, die das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände rechtfertigten, auf Grund dessen Hilfsantrag 2 erst nach Erhalt der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 in das Verfahren eingereicht wurde.

Das durch Hilfsantrag 2 geänderte Beschwerdevorbringen bleibt daher gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 unberücksichtigt.

6. Hilfsantrag 3

6.1 In der unter Punkt V oben erwähnten Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, hat die Kammer ebenfalls dargelegt, warum sie den Hilfsantrag 3 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht zuzulassen beabsichtigt (siehe dort Punkt 7).

6.2 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2, 3, 8 und 11. Durch die Anspruchsänderungen im Prüfungsverfahren entspricht dieser Anspruch nicht mehr einer Kombination aus dem zuletzt dem Prüfungsverfahren zugrunde liegenden Ansprüchen 1 und 8, weil der zuletzt im Prüfungsverfahren anhängige Anspruch 8 einen Rückbezug auf einen der Ansprüche 3 bis 7 enthielt. Die Prüfungsabteilung hat lediglich in dem dargestellten Kontext eine Patentfähigkeit des damals abhängigen Patentanspruchs 8 für möglich erachtet. Zu dem unabhängigen Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hatte die Prüfungsabteilung entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin keine Einschätzung zu der Patentfähigkeit vorgenommen. Der nunmehr vorliegende Hilfsantrag 3 wurde also erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

Artikel 12 (4) VOBK 2007 sieht vor, dass die Kammer befugt ist, Anträge nicht zuzulassen, die im Prüfungsverfahren hätten vorgebracht werden können. Der Hilfsantrag 3 wäre zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich im Prüfungsverfahren, als Reaktion auf den am 1. Februar 2019 ergangenen Prüfungsbescheid möglich gewesen. Aus Sicht der Kammer wäre dies im Sinne einer Fortführung des Verfahrens sogar geboten gewesen. Stattdessen hat die Beschwerdeführerin eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.

Diese Verfahrensweise der Beschwerdeführerin widerspricht der eigentlichen auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Funktion des Beschwerdeverfahrens und dem Prinzip des frühzeitigen und vollständigen Vorbringens der Parteien (Artikel 106 (1) EPÜ, Regel 99 (2) EPÜ und Artikel 12 (2) VOBK 2020).

Im vorliegenden Fall hält es die Kammer für unangemessen, dass die Beschwerdeführerin auf die Beschwerde gewartet hat, bevor sie mit einem Hilfsantrag auf den ihr längst bekannten Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung i.a. von Dokument D3 reagierte, was die Prüfungsabteilung daran gehindert hat, auch insoweit eine Entscheidung zu treffen.

Die Kammer hält eine solche Vorgehensweise mit der gebotenen Verfahrensökonomie unvereinbar. Bei Zulassung des Hilfsantrags 3 wäre die Kammer nämlich gezwungen, entweder erstmalig über diesen zu entscheiden oder den Fall an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

6.3 Diese vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer wurde von der Beschwerdeführerin gleichfalls weder kommentiert noch während des Beschwerdeverfahrens bestritten.

Unter diesen Umständen sieht die Kammer auch hier - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen, und bestätigt diese.

7. Im Ergebnis begründet keines der seitens der Beschwerdeführerin erhobenen Argumente in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zum Hauptantrag noch liegt darüber hinaus ein zulässiger Antrag vor, der geeignet wäre, die von der Prüfungsabteilung geäußerten Einwände auszuräumen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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